Märchenhafte Moose

Märchenhafte Moose
Liebe Liese
Was hast du mir da nur erzählt auf meine Frage, warum du Moose so
sehr liebst! So vieles sei draussen in der Natur rau und kantig und stachelig, hast du mir erklärt, aber das Moos sei immer weich und grün und
wenn man es genau betrachte, wie eine Märchenwelt.
Du hast Recht. Ich habe es ausprobiert. Ich bin bei eisigem Frost (minus
5 Grad Celsius!) nach draussen gegangen und habe ein Moospolster auf
unserer Steinmauer angefasst. Es war weder kalt noch rau. Es war
weich. Und es „blühte“! Unzählige rötliche Stielchen mit kleinsten, zu einer Spitze verlaufenden Köpfchen bilden da draussen jetzt – im Winter! ein Meer von feinsten „Blüten“.
Mit meinem Fotoapparat versuchte ich diese märchenhafte Welt „en miniature“ einzufangen, und wurde dadurch von ihr bezaubert!
Und du hast nochmals Recht. Der Frost hat alles mit eisiger Faust erdrosselt. Theoretisch weiss ich zwar, dass die Blätter der Nachtkerzen,
die jetzt lahm und erfroren aussehen, wieder wachsen werden, aber ich
glaube es nicht. Selbst das immergrüne Efeu und der Salbei sehen leblos
aus. Nicht aber das Moos. Es ist vom gleichen Grün wie im Sommer. Und
nun, nach einem Temperaturanstieg und starken Regenfall, hat sich das
Moos förmlich voll gesogen und sieht frisch und lebendig aus.
Und diese Vielfalt! Da draussen sehe ich olivegrünes, flächiges Moos, das
fächerartig in alle Richtungen und
eng an den Steinwänden angeschmiegt kriecht. Dann gibt es flaschengrünes, mit einem Stich ins
Rote, das kleine und grössere Pölsterchen bildet. Und dann das ganz
helle, welches einige Steinquader
völlig überwachsen hat und dichte
Schichten bildet.
Sind Moose Pflanzen?
Ja, es sind Pflanzen und die Biologen sind der Auffassung, es seien ganz
alte Pflanzen, die bereits vor den heutigen Blütenpflanzen existierten.
Auch gibt es Hinweise, dass die Moose zwar echte Landpflanzen sind,
sich jedoch wie einfache Wasserpflanzen verhalten, wie du noch sehen
wirst. Moose unterscheiden sich daher von den Pflanzen, wie du sie
kennst, in vielerlei Hinsicht:
Die Moose haben keine Wurzeln, aber wurzelartige Haare, die das Moos –
ganz leicht – am Untergrund festhalten. Moose nehmen daher Wasser
und Nährsalze - also den Dünger, wenn du so willst - nicht über die Wurzeln auf, sondern über ihre „Blätter“, also durch jene Teile der Pflanze,
die du gemeinhin als „Moos“ bezeichnest. Aus diesem Grund haben Moose im Wald eine wichtige Funktion: Sie können schnell grosse Wassermengen aufnehmen und dann langsam wieder an die Umgebung abgeben. So speichern sie Wasser und schützen den Waldboden vor Austrocknung.
Weil Moose gar keine eigentlichen Blätter besitzen, kennen sie auch den
jährlichen Laubabwurf nicht. Sie sind immergrün.
Moose verbreiten sich auch
nicht durch Samen, sondern
durch Sporen. Die oben
beschriebenen
Blütenköpfchen sind also
nichts anderes als Sporenkapseln. Die eigentlichen
Blüten der Moose sind so
winzig klein, dass du sie in
der Regel nicht siehst. Die
Moose haben daher zwei
verschiedene Arten von „Zuständen“ oder, um es in der Sprache der Biologen auszudrücken, sie haben einen Generationswechsel.
Von der Spore zur Blüte
Doch schauen wir einmal am Beispiel des Haarmützenmooses, was genau geschieht: Die Sporen gelangen auf einen Untergrund und beginnen
zu keimen. Aus so genannten „Vorfäden“ wachsen die „beblätterten“
Moospflänzchen. Aus einer einzelnen Spore entstehen also nur männliche
oder weibliche Pflänzchen. Im Mai blüht das Moos, d.h. die obersten
Blättchen verfärben sich etwas ins Rötliche. Die männlichen Pflänzchen
bilden „Antheridien“; die weiblichen so genannte „Archegonien“. Wenn es
regnet platzen die reifen männlichen Blüten und einzellige „Spermatozoiden“ strömen aus. Diese können sich mit Hilfe von zwei fadenförmigen
„Geisseln“ selbständig durch das Wasser bewegen und werden durch einen Lockstoff, nämlich Rohrzucker, zu den weiblichen Archegonien und
so zu den Eizellen gelockt.
Aus der befruchteten Eizelle entsteht nun ein
Embryo. Dieser dringt mit seinem unteren
Teil – dem Fuss – in das Muttergewebe ein,
verankert sich dort und „schmarotzt“ in ihm.
Aus diesem Embryo heraus wächst nun die
gestielte Sporenkapsel. Die Sporenkapsel des
Haarmützenmooses neigt sich durch
einseitiges Wachstum auf die Seite. Wenn die
Sporen reif sind, öffnet sich die Sporenkapsel
bei trockenem Wetter wie eine Streubüchse.
Die äusserst leichten Sporen können so mit
dem Wind weit verbreitet werden. Der Zyklus
beginnt von vorne.
.
Moose als Überlebenskünstler und Pioniere
Moose sind auf Feuchtigkeit angewiesen. Sie haben aber keine Blattoberflächen, die sie vor dem Austrocknen schützen. Trotz dieses fehlenden
Schutzes können fast alle Moose auch eine völlige Austrocknung überleben. Das befähigt sie, auch nackte, der Sonne ausgesetzte Felsflächen zu
besiedeln. Einige Moose überleben gar jahrelang ohne Wasser. Sobald es
regnet oder sie aus einem anderen Grund feucht werden, entfalten sich
innerhalb von Sekunden ihre Blätter und aus einem schwärzlichen, spröden Etwas wird ein saftiges grünes Moospolster (solche Pflanzen nennt
man Xerophyten). Es gibt einige Moosarten, die sogar in Wüsten überleben.
Links ist eine ausgetrocknete, rechts dieselbe Pflanze, 5 Sekunden, nachdem sie
mit Wasser besprüht wurde. Die Sporenkapseln haben sich im feuchten Zustand
geschlossen! Das Beispiel stammt von der Website www.ijon.de/moose!
Durch ihre Fähigkeit, auf nacktem Fels (z.B. unsere Steinwand im Garten) oder auf bloßer Rinde zu wachsen, spielen Moose bei der Besiedlung
von „neuen“ Lebensräumen häufig eine Pionierrolle. In Moospolstern finden Samen einen ausgeglichenen Wasserhaushalt und genügend Schutz
vor Sonne und Austrocknung, um aufzugehen und zu überleben.
Moore im Heumoos und Beerimoos
Stell dir nun so eine grosse, feuchte Fläche vor, etwa ein Waldweiher,
der verlandet oder einen kleinen See. Früher oder später werden die
feuchten Flächen von Moosen besiedelt. Die Sporen fallen immer wieder
auf die bereits bestehende Moosschicht und eine neue Schicht entsteht.
Mit der Zeit werden die abgestorbenen unteren Schichten der Moose zusammengedrückt und unter Sauerstoff-Abschluss zu Torf umgebaut. Ein
Hochmoor entsteht. Es sind ganz spezielle Moosarten, die Torfmoose,
welche auf diese Weise Moore bilden.
Die Ebene von Wettswil war früher ein Gletschersee, der in Jahrtausenden allmählich verlandete und zu einer Moos- bzw. eine Moorlandschaft
wurde. Die Trockenlegung erfolgte erst vor 60 Jahren! Noch heute zeugen Flurnamen von den hier ehemals vorkommenden Mooren: Heumoos,
Nächer Moos, Äner Moos, Stierenmas. Aber auch auf der Hügelkette, gebildet durch lehmreichen Untergrund, der das Wasser zurückhielt, bildeten sich Feuchtgebiete: Beerimoos, Frohmoos, Dachenmas.
Moos im Rasen bekämpfen?
Moos wächst dort, wo es einen „Standortvorteil“ gegenüber den von uns
gesäten Grasarten hat: Feuchter Boden, evtl. Staunässe, Schatten, verfestigter, schwerer lehmiger Boden, saurer Boden (z.B. durch Torfmull!)
oder hohe Luftfeuchtigkeit, verursacht durch eine windgeschützte Lage.
Es gibt folglich Stellen im Garten, wo wir die Nachteile für Gräser nie
ganz beseitigen können und an denen sprichwörtlich kein Kraut gegen
das Moos gewachsen ist. Warum sich nicht mit dieser Situation aussöhnen und mit den Moosen anfreunden?
Wunderbare Welt im Kleinen
Als Kind war ich von den Waldmoosen immer fasziniert. Gemäss Ihrem
Aussehen habe ich Ihnen meine eigenen Namen gegeben: Sternenmoos,
Tannenmoos und Farnmoos. Die offiziellen Namen sind um einiges fantastischer: Goldenes Frauenhaar, Glockenhutmoos, Schwarzkopfmoos,
Flügelmoos, Rosenmoos, Perlmoos, Siebenzahnmoos und Goldschlafmoos. Führen Sie uns nicht in ferne, vergangen Welten der Elben und
Nymphen?
In diesem Sinne liebe Liese danke ich dir für deinen Anstoss zu diesem
Artikel. Wer sich wundert, dem öffnen sich die Wunder!
Verena
Quellen wie immer aus den virtuellen Zwischenwelten, vor allem www.ijon.de