Der Nationalmaler: Ferdinand Hodler Es war etwas seltsam, zweimal Werke des grossen Malers Ferdinand Hodler (1853 – 1918) auf Banknoten abgedruckt zu sehen, den "Holzfäller“ und den "Mäher“1. Denn Hodler wuchs in Bern in ärmlichen Verhältnissen auf und er durchlebte harte Zeiten, bis er "entdeckt“ wurde. 1881 beteiligte er sich an Edouard Castres BourbakiPanorama 2 in Luzern und vier Jahre später setzten Bilder mit dem für ihn charakteristischen Parallelismus ein. 1889 wurde "Die Nacht“, die um Schlaf, Tod und Sexualität kreiste, in Genf als sittenwidrig abgetan, aber eine Privatausstellung brachte den grossen Durchbruch. Und im Schweizerischen Landesmuseum löste "Der Rückzug der Schweizer aus der Schlacht von Marignano“ den Protest des Direktors aus, aber eine bundesrätliche Delegation setzte das Meisterwerk durch. Ein streitbarer Künstler also, der gut zu den Themen der schlachtenreichen Schweizergeschichte passte - mehr noch: zur Schweiz überhaupt. Vom Ich zum ganzen Land – Alphonse Maeder schrieb 19163 zutreffend: "Hodler hat sich in diesen Jahren zum Nationalmaler emporgearbeitet.“ Das galt vor allem für "Tell“: "Zum ersten Male hat unser Vaterland in ihm eine wirklich adaequate, ebenbürtige Darstellung des Nationalhelden erhalten.“ Maeder brachte Hodler zudem in Verbindung mit den Figuren Jeremias Gotthelfs: "Unsere zwei grossen Künstler haben an der gleichen Quelle geschöpft, sie haben den Menschen ähnlich gesehen.“ Beide waren Zofinger gewesen. "Der Studierende“ 1874 war eine von Hodlers frühen Selbstdarstellungen. Hodler gehörte von 1876 bis 1878 der Genfer Zofingia an, als Schüler der Ecole de figure. Ins Auge sticht der Vermerk "nicht A. Z. weil Kunstmaler!“, immerhin holte 1913 ein Ehrendoktorat der Universität Basel die akademischen Ehren nach, und nachdem sich Hodler künstlerisch stark entwickelt hatte, entfachten sich in Zofingerkreisen sehr lebhafte Gespräche über sein Wirken. Im Centralblatt wurde unter anderem das Bild "Der Frühling“4 interpretiert. "Pour comprendre Hodler il faut pour le moins être aussi sensuel que philosophe“, hiess es darin. "Stilprobleme bei Hodler“5 hiess ein Vortrag in der Zofingia Zürich, der Hodlers "Erkenntnisdrang“ zum Thema erhob. Dem war 1921 eine umfassende Darstellung von René Bovard6 vorausgegangen, die Hodler in die Nähe des Mitzofingers Charles-Ferdinand Ramuz7 rückte und den Symbolismus Hodlers nachvollziehbar machte. 1916 malte Hodler den General, und so sassen sie sich gegenüber: Ulrich Wille8, einst Mitglied der den Deutschen nahestehenden Tigurinia Zürich, die wegen Verstössen gegen das Duellgesetz aufgelöst, dann aber rekonstituiert wurde, und Ferdinand Hodler, der Zofinger. Eine grosse Stunde, und man mochte sich fragen: Was ging in Hodler vor, als er den mit der deutschen Sache sympathisierenden General porträtierte, den so viele Romands hassten? In Hodler, der viel welsche Denk- und Lebensweise aufgenommen hatte? 1 Banknotenserie 1911, Holzfäller auf der 50 Franken-Note, Mäher auf der 100 Franken-Note. Edouard Castre (1838 – 1902) gestaltete 1881 das Bourbaki-Museum in Luzern. 3 Alphonse Maeder. 17. 4 Cbl. 1921/22. 260. Ohne Autorenangabe. 5 W. Staub im Cbl. 1922/23. Heft vom Januar 1923. 6 Hodler. Cbl. 1920/21. 205. 7 207. Charles-Ferdinand Ramuz (1878 – 1947). 8 General Ulrich Wille (1848 – 1925). 2 Eine schöne Fotoaufnahme zeigt in der Mitte General Wille mit Blick zur Kamera – wohin denn sonst? Hodler aber, rechts im Bild, sinniert über den Formen und Farben, die ausdrücken sollten, wie er den General empfand. Links das entstehende Porträt Willes auf der Staffelei, der Oberbefehlshaber der Schweizerarmee, dessen Stärke sich breitzumachen verstand. Wenige Monate zuvor hatte Hodler gegen den deutschen Beschuss der Kathedrale von Reims protestiert und war deswegen aus deutschen Künstlervereinigungen ausgestossen worden. In wenigen Monaten aber wird General Wille gegen die Zofingia eine Attacke reiten, weil in deren Centralblatt allzu friedliebende Gedanken geäussert worden waren. 1927/28 malte Cuno Amiet9 grosse Wandgemälde von grossen Berner Persönlichkeiten in die Aula des Berner Gymnasiums Kirchenfeld, eines davon galt Ferdinand Hodler. Es zeigte, wie dieser 1908/09 den "Auszug der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813“ auf die Leinwand brachte. Ausser Hodler porträtierte Amiet übrigens noch zwei weitere Zofinger, nämlich Jeremias Gotthelf10 und Theodor Kocher11. 9 Cuno Amiet (1868 – 1961). Albert Bitzius / Jeremias Gotthelf (1797 – 1854). 11 Theodor Kocher (1841 – 1917) erhielt als Chirurg den Nobelpreis für Medizin. 10
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