102 BetrVG

Mitbestimmungsrecht I
§ 95 I, II - Auswahlrichtlinien
Auswahlrichtlinien sind allgemeine Grundsätze die festlegen, nach
welchen Kriterien Arbeitnehmer bzw. Bewerber in personelle Einzelmaßnahmen einbezogen werden
Wichtige Regelungsinhalte von Auswahlrichtlinien
Generelle
Einstellungskriterien
12.12.2011
Arbeitsplatzbezogene
Auswahlkriterien
Kriterien für
Versetzung- und
Umgruppierung
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Gewichtung der
Sozialauswahlkriterien bei
Kündigung
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 I, II - Auswahlrichtlinien
Beispiel
Auswahlrichtlinien bei Einstellung
1. Alle neu oder wieder zu besetzenden Arbeitsplätze, bei denen eine Ausschreibung vereinbart oder vom Betriebsrat verlangt worden ist, werden
innerbetrieblich ausgeschrieben.
2. Einem Bewerber des eigenem Betriebs ist bei gleicher Qualifikation der Vorzug zu geben.
3. Bei der Besetzung von Arbeitsplätzen, die für Schwerbehinderte geeignet
sind, haben Bewerber dieses Personenkreises Vorrang vor nichtbehinderten
Bewerbern. Im übrigen gilt Ziff. 2.
4. Besteht die Besorgnis, dass infolge der Einstellung im Betrieb beschäftigte
Arbeitnehmer entlassen werden oder sonstige Nachteile erleiden, unterbleibt
die Einstellung.
5. Bei der Auswahl der Bewerber werden nur die aus den folgenden Unterlagen ersichtlichen Tatsachen herangezogen werden:
5.1.
Die Angaben aus dem vereinbarten Personalfragebogen.
[…]
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 I, II - Auswahlrichtlinien
[…]
5.2.
Schulzeugnisse und Zeugnisse von anderen Bildungseinrichtungen.
5.3.
Bescheinigungen über Weiterbildungskurse sowie Referenzen von
anderen Arbeitsstellen.
5.4.
Bescheinigungen eines Arztes über die Fähigkeit den angestrebten
Beruf auszuüben, soweit eine solche Bescheinigung nach Eigenart
des Arbeitsverhältnisses beigebracht werden muss.
5.5.
Die Erkenntnisse aus dem Einstellungsgespräch.
5.6.
Soweit in Einzelfällen zusätzliche Merkmale in die Entscheidung mit
einbezogen werden sollen, ist hierüber eine gesonderte
Vereinbarung mit dem Betriebsrat/entsprechenden Fachausschuss
zu treffen.
6. Dem Betriebsrat werden auch solche Bewerber benannt, die nach Ansicht
der Personalabteilung für die engere Auswahl nicht in Betracht kommen.
Widerspricht der Betriebsrat dem Ausscheiden des Bewerbers in der
Vorauswahl, so nimmt der Bewerber an dem weiteren Auswahlverfahren teil.
7. Auf Verlangen des Betriebsrats stellen Bewerber sich auch bei ihm vor.
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Versetzung
Vorliegen einer Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG
Voraussetzung
Zuweisung
eines anderen
Arbeitsbereichs
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+
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Erheblichkeit
der Änderung
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Versetzung
Zuweisung
eines anderen
Arbeitsbereichs
räumlichörtlich
Bsp: Zeitweise Tätigkeit im
Betrieb des kooperierenden
Unternehmens in Japan
Nicht: Umzug in anderes
Zimmer der gleichen Abteilung
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inhaltlichfunktionell
Bsp: Lagerarbeiter erhält
Aufgaben eines Lagerverwalters
Nicht: Wechsel von Schreibmaschinen- zu Computertätigkeit bei gleicher Aufgabe
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betrieblichorganisatorisch
Bsp: Wechsel einer
Sekretärin von der Verkaufsin die Einkaufabteilung
Nicht: Änderung der
Zuständigkeit des leitenden
Direktors für eine Abteilung
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Versetzung
Erheblichkeit der Änderung
Geplante Änderung
des Arbeitsbereichs
soll mehr als 1 Monat andauern
(= Vermutung der Erheblichkeit)
bewirkt Änderung von Umständen die
für vernünftigen AN bedeutsam sind
Erhebliche Änderung
i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Versetzung
Erheblichkeit der Änderung
Beispiele für bedeutsame Änderungen der Arbeitsumstände:
•
Croupier einer Spielbank soll für 2 Tage auf einer
Messe als Werbemaßnahme Roulette vorführen
(BAG vom 01.08.1989 - 1 ABR 51/88 - NZA 1990, 196 ff.)
•
Zuweisung eines dreiachsigen Lkw mit nur 12,5 t
Ladegewicht anstelle eines vierachsigen Sattelschleppers mit 21 t Zuladungsgewicht
(BAG vom 26.05.1988 - 1 ABR 18/87 - NZA 1989, 438 ff.)
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Mitbestimmungsrecht I
§ 99 – Ablauf des Zustimmungsverfahrens
Weg von der Planung bis zu Umsetzung
einer personellen Einzelmaßnahme
Planung einer
Maßnahme
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Unterrichtung
des BR
Erteilung /
Ersetzung der
Zustimmung
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Umsetzung
der
Maßnahme
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Mitbestimmungsrecht I
§ 99 – Ablauf des Zustimmungsverfahrens
Unterrichtung des BR mit Bitte um Zustimmung
Reaktion des BR
Erteilung der
Zustimmung
Keine Reaktion
binnen 1 Woche
Verweigerung der
Zustimmung
formell fehlerhaft
Zustimmung gilt
als erteilt
Maßnahme kann durchgeführt werden
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formell wirksam
ggf. Ersetzung der Zustimmung durch ArbG
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Zustimmungsverweigerung
Anforderungen die Zustimmungsverweigerung nach § 95 III BetrVG
 Einhaltung der Wochenfrist
Formelle
Anforderungen
 Vorliegen einer ordnungsgemäßen Begründung der
Verweigerung
 Einhaltung der Schriftform
 Formell wirksam zustande gekommener BRBeschluss
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Zustimmungsverweigerung
Anforderungen die Zustimmungsverweigerung nach § 95 III BetrVG
BR darf Zustimmung nur verweigern, wenn:
1. die Maßnahme gegen
• ein Gesetz (z.B. AGG),
• eine Verordnung,
Materielle
• eine Unfallverhütungsvorschrift oder
Anforderungen
• eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in
einer Betriebsvereinbarung,
• eine gerichtliche Entscheidung oder
• eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Zustimmungsverweigerung
Anforderungen die Zustimmungsverweigerung nach § 95 III BetrVG
2. die Maßnahme gegen eine Auswahlrichtlinie nach
§ 95 BetrVG verstoßen würde,
3. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht,
dass infolge der Maßnahme im Betrieb beschäftigte
AN gekündigt werden oder sonstige Nachteile
Materielle
erleiden (z.B. Nichtberücksichtigung eine befristet
Anforderungen
Beschäftigten bei unbefristeter Einstellung),
4. der betroffene AN durch die Maßnahme benachteiligt
wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder
personenbedingten Gründen gerechtfertigt ist,
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Mitbestimmungsrecht I
§ 95 III - Zustimmungsverweigerung
Anforderungen die Zustimmungsverweigerung nach § 95 III BetrVG
5. eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung
unterblieben ist oder
6. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht,
dass der für die Maßnahme in Aussicht genommene
Materielle
Bewerber oder AN den Betriebsfrieden durch
Anforderungen
gesetzeswidriges Verhalten oder durch grobe
Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen
Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder
fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
Der Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe ist abschließend!
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Mitbestimmungsrecht I
§ 102 I – BR-Anhörung bei Kündigung
Ablauf der Anhörung bei Kündigung
„Planung“ der Kündigung
Anhörung des BR mit Mitteilung
aller relevanten Angaben
Zustimmung Fristablauf
Unvollständige oder
fehlerhafte Information
Kündigung vor
abschließender
Widerspruch
Stellungnahme bzw.
Ablauf der
Aber: vorläufiger WBA Anhörungsfrist
Kündigung bei Vorliegen der
übrigen Voraussetzungen wirksam
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Kündigung ohne Anhörung
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Kündigung
formell unwirksam!
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Mitbestimmungsrecht I
§ 102 I – BR-Anhörung bei Kündigung
Stellungnahmefristen nach § 102 Abs. 2 BetrVG
ordentliche Kündigung
außerordentliche Kündigung
Anhörung des BR
3 Tage
7 Tage
Nach Fristablauf gilt
Zustimmung als erteilt
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Mitbestimmungsrecht I
§ 102 I – BR-Anhörung bei Kündigung
Maßgeblicher Empfänger der Anhörungsinformationen
I.d.R. an BR-Vorsitzenden
(§ 26 BetrVG)
Sonstige BR-Mitglieder sind
i.d.R. nur Bote
Ausnahme: Keine Vorkehrung
für Fall der Verhinderung von
Vorsitzendem und Stellvertreter
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Mitbestimmungsrecht I
§ 102 I – BR-Anhörung bei Kündigung
Bei der Anhörung des Betriebsrats muss der AG
folgende Informationen mitteilen
Sozialdaten des
Arbeitnehmers
Name, Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten,
Schwerbehinderung, Position und Vergütung, etwaige
Besonderheiten im Kündigungsschutz, Kündigungsfrist
Art der Kündigung
Änderungs- oder Beendigungskündigung; ordentliche
oder außerordentliche Kündigung; Gewährung einer
sozialen Auslauffrist; Verdachts- oder Tatkündigung
Kündigungssachverhalt
Grundsatz der subjektiven Determination: Angabe nur
derjenigen Tatsachen und Kündigungsgründe auf die
der
AG
die
Kündigung
stützen
will;
bei
Änderungskündigung muss auch geändertes Angebot
mitgeteilt werden
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Mitbestimmungsrecht I
§ 102 I – BR-Anhörung bei Kündigung
„Nachschieben“ von Kündigungsgründen
Neue Erkenntnisse
Neue Kündigungsgründe
Können nachgeschoben werden, soweit
• sie aus der Zeit vor Ausspruch der
Kündigung stammen
• nicht „verfristet“ sind
• bei der ersten Anhörung noch nicht
bekannt waren
• BR (erneut) angehört wurde
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• Neue Kündigungsgründe können nur für den Ausspruch einer
neuen Kündigung genutzt
werden
• Für diese ist dann auch eine
erneute Anhörung erforderlich
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Mitbestimmungsrecht I
§ 102 I – BR-Anhörung bei Kündigung
Wirkung des Anhörungsverfahrens im Kündigungsschutzprozess
Fehler im
Anhörungsverfahren
führen zur formellen
Unwirksamkeit der
Kündigung
12.12.2011
Im Fall eines
Widerspruchs durch BR
steht dem AN ein
Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102
Abs. 5 BetrVG zu
Nur in der Anhörung
mitgeteilter Sachverhalt kann zur
Begründung der
Kündigung herangezogen werden
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