Sven Ketterer Altersheim Cusco 1. Quartalsbericht Nun bin ich schon seit 3 Monaten hier in Cusco (Peru) und muss sagen, dass die Zeit einfach total schnell vorbei geht. Am 01. August kam ich in Lima an und wurde dort sehr herzlich in Empfang genommen. Eigentlich sollte die 22 Stündige Weiterfahrt im Bus von Lima nach Cusco noch am gleichen Tag erfolgen, da es aber keine Tickets mehr gab, verzögerte sich diese Weiterfahrt um einen Tag, sodass wir eben noch einen Tag Zeit hatten Lima anzuschauen. Am 02. August gegen Nachmittag ging es dann los in Richtung Cusco, welches unser neues zuhause für das nächste Jahr darstellen wird. Als wir dann endlich nach einer mehr oder weniger anstrengenden Fahrt (eher weniger anstrengend, da der Bus sehr toll ausgestattet war und wir somit die Fahrt genossen haben) in Cusco am 03. August ankamen waren wir erleichtert nach dieser 3-tägigen Reise unsere Wohnung im Viertel Los Ángeles beziehen zu können. Da wir einen Tag später als geplant in Cusco ankamen, kamen wir somit auch einen Taag zu spät im Sprachkurs bei der Sprachschule Acupari an. Der Sprachkurs ging 2 Wochen und vermittelte uns weitere Spanischkenntnisse. Mit der Sprache hatten wir Anfangs wohl alle noch unsere Probleme, da wir nur 4 Wochen vorher angefangen haben, spanisch zu lernen. In unserer Wohnung sind wir 4 Freiwillige, 2 arbeiten im Altersheim (Lasse & ich) und 2 in Llaquepata in einem Kindergarten (Helena & Miriam). Nachdem wir die 2 Wochen Sprachkurs beendet haben, durften wir erst mal alle gemeinsam in beide Projekte jeweils für eine Woche schnuppern bevor es dann für jeden in sein Projekt ging. Das Projekt der beiden Mädchen in Llaqupata liegt etwa 35 Busminuten entfernt von Cusco und anschließend erfordert es noch einmal einen 25 minütigen Fußmarsch bergauf! Ab und zu hat man Glück und wird von einem der Vater von den Kindergartenkindern Llaquepatas mitgenommen, welches Glück aber eben auch nur selten vorkommt. Oben angekommen heißt es dann zunächst: warten! Warten bis die Kindergartenkinder nach und nach angetrödelt kommen. Nachdem dann die Kinder angekommen sind wird gespielt! Ganz anders läuft in meinem eigentlichen Projekt im Altersheim. Das Altersheim befindet sich nur 5 min zu Fuß entfernt von unserer Wohnung d.h Teile des Altersheims können wir sogar von unserem Wohnzimmerfenster aus sehen. Der Arbeitsalltag im Altersheim sieht folgendermaßen aus: Direkt bei Arbeitsbeginn wird mit dem Frühstück angefangen, das essen wird ausgeteilt, Lätze werden angezogen und die Kranken, die selbst kaum noch etwas machen können werden gefüttert. Nachdem ein Opa nach dem anderen fertig ist mit dem Essen werden die Essensreste für die Schweine in einen Topf geleert und das Geschirr gespült. Die Opas werden in ihren Gemeinschaftsraum gefahren (mit dem Rollstuhl) oder laufen selbst und danach gibt es Frühstück für die Arbeiter. Das Frühstück hier besteht jeden Tag aus süßen Brötchen und überzuckerter Milch, aber auch daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Zwischen den Mahlzeiten (Frühstück und Mittagessen) besteht Zeit, mit den Alten in der Physiotherapie ihren Zustand zu verbessern, sich mit den Alten zu unterhalten, mit ihnen zu spielen oder auch handwerkliche Arbeit auszurichten (aktuell wird die Kapelle des Altersheims komplett renoviert). Zum Mittagessen gibt es meist irgendetwas mit Reis, Kartoffeln, Nudeln oder Quinua, was aber alles andere als negativ ist, da das Essen dennoch abwechslungsreich ist und es als Nachtisch meist ein Stück frische Papaya, eine Mandarine oder eine Banane gibt. Die Zeit zwischen Mittag- und Abendessen wird wieder genutzt, um den Alten einfach ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, was schon durch eine einfache Unterhaltung passieren kann. Zu Abendessen gibt es immer Mazamorra, welches eine typische peruanische, puddingartige Speise ist. Hier gibt es aber täglich verschiedene Mazamorras (morada, Pfirsich, Banane, Erdbeere...). Sven Ketterer Altersheim Cusco 1. Quartalsbericht Mazamorra ist nicht jedermans Sache, mir jedoch schmeckt es gut und deshalb freue ich mich auch immer auf das Abendessen hier. Abendessen gibt es hier leider schon sehr früh und zwar geht es um 15:10 Uhr los. Nachdem alles aufgegessen, abgespült und abgeschlossen ist, gehen die Senioren schon gegen 16:15 Uhr schlafen. Bis jedoch jeder in seinem Bett ist und auch umgezogen ist vergeht noch einmal etwa eine halbe Stunde. Wenn alle in ihrem Bett sind ist der Arbeitstag auch schon vorbei. Seit ich im Altersheim arbeite, arbeite ich auch hauptsächlich in der Enfermería Varones (Krankenstation der Herren) und kenne dort inzwischen jeden der knapp 30 Herren. Bei vielen kenne ich nur Spitznamen, da der echte Name nicht immer benutzt wird, bei anderen wiederum kenne ich den richtigen Namen. Platanito (auf deutsch: Banane) war ein Opa der letzte Woche leider verstorben ist. Ihn habe ich seit ich hier bin jeden Tag gefüttert und ins Bett gebracht. Er konnte weder sehen, sprechen noch hören und war deshalb besonders auf Hilfe angewiesen. Mit dem Tod habe ich ehrlich gesagt so meine Probleme, da ich damit nicht so gut umgehen kann, vor allem, wenn ein Mensch den ich innerhalb kürzester Zeit ins Herz geschlossen habe plötzlich verstirbt, aber in einem Altersheim gibt es nun mal Todesfälle und auch wenn es mir schwer fällt denen Menschen für immer Tschüss sagen zu müssen, bleiben sie doch dafür in guter Erinnerung! Eigentlich sollte man ja jeden Opa und jede Oma gleich mögen, aber ich denke, dass es normal ist, dass auch hier jeder so seine Lieblinge hat. Meine beiden Lieblingsopas sind Raymundo und Ayacucho (sein Nachname, gleichnamig: peruanische Stadt). Ayacucho redet für gewöhnlich nur das nötigste. Er ist scon seit Geburt an blind und auch schwerhörig. Er ist etwa 65 Jahre alt und hat weder Bekannte noch Verwandte. Er spricht eher Quechua als Spanisch, denn seine Muttersprache ist Quechua und Spanisch kann er nur bedingt sprechen. Einige Wörter, die ich in Quechua bisher gelernt habe, habe ich ihm zu verdanken! Ihm ist auch ständig kalt, deshalb sagt er auch immer „Casaca falta“ (Jacke fehlt). Dadurch, dass er schon imer blind ist, kennt er es natürlich gar nicht anders, was für mich umso erstaunlicher ist, wenn ich ihm beim Essen zusehe. Es überwältigt mich einfach zu sehen wie Ayacucho und Luis (sein Sitznachbar, welcher auch blind ist) essen und am wenigsten von allen kleckern. Nach dem sie aufgegessen haben, stellen sie alles sorgfältig zusammen, stehen auf und warten bis sie jemand zu ihrem Sitzplatz führt. Die Aufgabe übernehme ich total gerne, da es für mich auch schön ist, dass mir die beiden wortwörtlich blind vertrauen. Nun zu meinem anderen Lieblingsopa Raymundo. Raymundo ist 80 Jahre alt und leider sehr vergesslich bzw. dement. Er hat eine Tochter, die auch in Cusco wohnt, ihn aber nicht einmal monatlich besucht. Durch seine lustige und offene Art habe ich ihn trotz dass er sich meinen Namen nicht merken kann total ins Herz geschlossen, da er sich immer an mich erinnert, wenn ich auf ihn zugehe, mich fragt wie es mir geht und ob ich denn Lust habe, mich etwas mit ihm zu beschäftigen. Eine stärkere Verletzung, die er vor kurzem an der Hand hatte, wurde von keinem beachtet. Er fragte mich wie das denn je wieder heilen könne, daraufhin nahm ich ihn mehrere Tage hintereinander mit in die Physiotherapie um seine Hand mit einer Schmerzheilenden Salbe einzucremen. Inzwischen ist seine Wunde wieder verheilt, was mich total gefreut hat. Beim Essen ist Raymundo der einzige der so gut wie nie warten kann bis er seine Portion erhalten hat und steht deshalb immer auf und fragt, ob er sein Essen denn jetzt bekommen kann. Victoriano ein weiterer Opa, welcher an Parkinson leidet läuft immer durch das Esszimmer gemeinsam mit Raymundo während de anderen essen. Das heißt, dass man nicht wartet, bis alle aufgegessen haben, sondern eher darauf achtet, dass alle aufessen. Die Arbeit in Sven Ketterer Altersheim Cusco 1. Quartalsbericht der Enfermeria erinnert etwas an einen Kindergarten, denn genauso werden hier Windeln gewechselt, die Opas ins Bett gebracht, gefüttert und vor allem auch mit ihnen gespielt. Hier bin ich mit Ayacucho auf der monatlichen Geburtstagsfeier aller Alten Mit den anderen Mitarbeitern komme ich auch sehr gut klar und alle sind auch immer wieder mal für Scherze offen. Jeden Donnerstag kommen die Studentinnen und Studenten der UNSAAC, der Universität, welche Krankenpfleger und Krankenschwestern ausbilden um praktische Erfahrungen zu sammeln. Die Alten (insgesamt ~160 Opas und Omas) werden vermessen, gewogen, allgemeine Gesundheitschecks werden durchgeführt und auch Zahnarztstudenten kommen hin und wieder mal, um die Senioren zu pflegen und untersuchen. Die Arbeit im Altersheim macht mir wirklich so sehr Spaß, dass ich über eine Ausbildung als Altenpfleger nachdenke und fester Überzeugung bin, dass mich dieser Beruf glücklich machen kann. Mir ist bewusst, dass Altersheime in Deutschland anders sind als in Peru oder anderen Entwicklungsländern, aber genau hier gefällt es mir total gut, da das ganze Arbeiterteam wirklich zusammen arbeitet. Jeder, sogar Opas, die noch einigermaßen gut sehen können und etwas Kraft übrig haben, alle Arbeiter und Menschen die im Altersheim sind helfen zum Beispiel bei der Kapellenrenovierung mit. Das Altersheim besitzt eine eigene Schweineschlachtung, eine große Kleiderkammer, einen Garten, eine Physiotherapiepraxis, eine Kapelle, 2 Semanerias (Herren und Frauen) für die gesünderen, fitteren Opas und Omas, 2 Enfermerias (Herren und Frauen) als Krankenstationen, eine große Essenskammer und 2 Gemeinschaftssäle für regelmäßige Feiern und Feten. All das gibt es wohl in deutschen Altersheimen nicht, aber es ist nicht die Ausstattung sondern es sind die Menschen, die Bewohner die das Altersheim doch zu einem schönen und gemütlichen Arbeitsplatz machen. Nun ein wenig zu meiner Freizeit, denn nach der Arbeit unternehme ich gerne etwas. Gehe in die Stadt, lerne Menschen kennen, verbessere mein Spanisch oder sehe mir einfach die für mich schönste Stadt überhaupt an! Cusco ist wunderschön, hat vieles zu bieten und ist natürlich ein wahrhaftiger Touristenmagnet, da die Stadt der Ausgangspunkt Sven Ketterer Altersheim Cusco 1. Quartalsbericht für das Weltwunder Machu Picchu ist. Bisher haben wir einen Ausflug auf den knapp 6400m hohen Ausangate gemacht, natürlich nicht ganz hoch. Bei etwa 4500 m hörten wir auf, da nur ein Wochenende zur Verfügung stand und wir wieder nach unten mussten. Letztes Wochenende (4. Oktoberwochenende) gingen wir in die etwa 500 km südlich gelegene Stadt Arequipa. Arequipa ist bekannt als die weiße Stadt und ist Ausgangspunkt für den Colca-Canyon, von dem aus man wilde Andenkondore beobachten kann. In Arequipa nahmen wir an der Free-Walking City Tour teil und lernten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt ziemlich schnell kennen. Das Kloster Santa Catalina, welches von Einheimischen als „die Stadt in der Stadt“ bezeichnet wird ist tatsächlich eine Stadt mitten im Zentrum der Stadt Arequipas. Das Kloster war total schön und in andalusischem Stil aufgebaut. Sehr Farbenfroh, mit schönen Gärten, Gebäuden und Gemälden. Ganz besonders war der Ausblick aus einem kleinen Turm des Klosters auf die 3 Vulkane, die sich in unmittelbarer Umgebung von Arequipa befinden. Am letzten Tag besuchten wir noch das Museo de Santuarios Andinos , welches wertvolle Funde aus der Inkazeit inklusive einer Mumie beheimatet. Juanita, das Mädchen aus dem Eis, welches um 1450 n. Chr. Gestorben bzw. geopfert worden ist. Das Museum hat mich total begeistert. Nächste Wochenendausflüge sind zwar noch nicht fest geplant, aber ich habe schon ein paar Dinge im Auge, die bald auch gesehen werden müssen. … hier unten der Vulkan Misti (5822m) In den letzten 3 Monaten habe ich besonders gelernt, wie wichtig es doch ist, sich um die Leute zu kümmern, die einem wichtig sind. Die meisten Altersheimbewohner haben niemanden, haben keine Familie mehr, haben keine Freund. Nicht einmal untereinander... je schwächer und kränker jemand ist, desto weniger Anschluss hat er im Altersheim. Ich weiß jetzt umso mehr zu schätzen, was es bedeutet jemanden zu haben, jemandem sagen zu können „ich bin für dich da, du bist nicht allein!“ Familie, Freunde, Freundin haben für mich seit meiner Zeit hier in Cusco sogar noch mehr an Wert gewonnen! Ich bin wirklich sehr froh dass ich mich für diesen Freiwilligendienst entschieden habe, denn neben sozialen Erfahrungen auch der kulturelle Austausch täglich Sven Ketterer Altersheim Cusco 1. Quartalsbericht stattfindet. Hier habe ich viele neue Freundschaften geschlossen und einiges über dieses wunderschöne, eindrucksvolle Land gelernt. Die Inkakultur, die archäologischen Stätten, die Sprache, die Menschen, selbst der Verkehr, das Nachtleben und all die Dinge die sich hier von den deutschen Sitten und Gegebenheiten unterscheiden, scheinen mich bisher weitergebracht zu haben und haben mir auch ein anderes Bild meiner, der deutschen Kultur vermittelt. Wenn der Rest des Auslandsaufenthaltes hier nur halb so gut weitergeht, wie er angefangen, dann brauche ich nichts zu befürchten. Viele Liebe Grüße aus dem weit entfernten Peru, Sven Ketterer
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