Schmerztherapie

SCHMERZTHERAPIE IN DER GYNÄKOLOGIE
Heinz Kölbl
Universitätsklinik für Geburtshilfe
und Frauenkrankheiten
Johannes-Gutenberg-Universität
Mainz/Deutschland
European
Training
Center
DIVINUM EST SEDARE DOLOREM
„Schmerzen zu lindern ist eine heilige
Pflicht“
Galenos von Pergamon
129-199 n.Chr.
Recht auf Schmerztherapie
Die Rechtslage in Bezug auf eine adäquate
Schmerztherapie ist klar definiert:
Ein Arzt, der es unterlässt, starke Schmerzen zu lindern, kann
sich gleich nach 3 Paragraphen des Strafgesetzbuches (StGB)
strafbar machen:
• nach § 323c StGB wegen unterlassener Hilfeleistung
• nach §§ 223 und 230 StGB wegen vorsätzlicher oder
• fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassung
Definition: Schmerz
Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder
Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder
potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist
oder mit Begriffen einer solchen Schädigung
beschrieben wird.
International Association for the Study of Pain, 1986
Definition: Akuter Schmerz
•
Normale, vorhersagbare Reaktion auf einen Reiz
•
Hervorgerufen durch Operationen, Traumen oder
akute Erkrankungen
•
Postoperativer Schmerz wird z.B. dem akuten
Schmerz zugeordnet
Definition: Chronischer Schmerz
•
keine kausale Zuordnung zu einem pathologischem
Prozess möglich
•
starke Modulation durch psychische und soziale
Faktoren
•
Verlust der biologischen Funktion, eigenes
Krankheitsbild (Schmerzerkrankung)
Schmerzformen
•
Somatische Nozizeptorschmerzen
Erregung von Nozizeptoren der Haut, Muskulatur,
Gelenken, Sehnen u.a.
•
Viszerale Nozizeptorschmerzen
Reizung von Schmerzrezeptoren an
Organen des Brust- und Bauchraumes
•
Neuropathische Schmerzen
Kompression/Irritation oder mechanische
Läsion peripherer Nerven
Schmerzursachen im Bereich der
Gynäkologie
Akuter Schmerz:
•
•
•
•
Postoperativer Schmerz
Entzündlich bedingter Unterbauchschmerz
Menstruationsbeschwerden
Lumbale Schmerzzustände (10-20% gynäkologisch)
Schmerzursachen im Bereich der
Gynäkologie
Chronischer Schmerz:
• Chronic-pelvic-pain-Syndrom
• Tumorschmerz
Schmerzursachen im Bereich der
Gynäkologie
Neuropathischer Schmerz:
• Phantomschmerzen z.B. nach
Hysterektomie/Mammaablatio
Die 5 Säulen der Schmerztherapie
Schmerztherapie
Medikamentöse Therapie:
• Nichtopioidanalgetika
• Opioidanalgetika
• Koanalgetika
Nichtopioidanalgetika
• Saure antiphlogistisch-antipyretische
Analgetika=nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR):
ASS, Diclofenac, Indometacin, Ibuprofen, Ketoprofen
• Nichtsaure antipyretische Analgetika:
Metamizol, Paracetamol
• COX2-Hemmer:
Celecoxib, Etricoxib, Parecoxib
Nichtopioidanalgetika/Kontraindikationen
NSAR:
Absolute Kontraindikationen
•
•
•
•
Allergien
Manifeste Gerinnungsstörungen
Manifeste Gastritis und Ulcera
Manifeste Nierenisuffizienz
Relative Kontraindikationen
• Asthma bronchiale
• Magen-Darmbeschwerden, Ulcusannamnese
• Hypotension, Volumenmangel, Schock
Nichtopioidanalgetika/Kontraindikationen
Metamizol:
•
•
•
•
Allergie
Erkrankungen des hämapoetischenSystems
Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel
Akute hepatische Porphyrie
Paracetamol:
• Schwere hepatocelluläre Insuffizienz (Child-Pugh>9)
Nichtopioidanalgetika
CAVE:
Bei Dauertherapie mit NSAR:
Ulcus-Prophylaxe
mit Protonenpumpenhemmern
Schwachwirksame Opioide
• Tramadol (Tramadol, Amadol, Travex) 50- 200 mg
• Tilidin/Naloxon (Andolor, Tilidin) 50-200 mg
• Dihydrocodein (DHC 60-90mg ret., Paracodin)
Starkwirksame Opioide
•
•
•
•
•
•
Morphin
Fentanyl
Oxycodon
Hydromorphon
Buprenorphin
Piritramid
Nebenwirkungen Opioide
• Passagere NW
Übelkeit, Erbrechen, Atemdepression, Schläfrigkeit, Schwindel,
Verwirrtheit, Juckreiz
• Persistierende NW
Obstipation
• Häufige NW
Spastische Obstipation, Miktionsstörungen
• Seltene NW
Schwitzen, Mundtrockenheit, Myoklonien, Muskelrigidität
Opioidanalgetika
CAVE:
Bei Dauertherapie mit Opioiden:
Ileus Prophylaxe durch obligatorische
Mitverordnung von Laxantien
Koanalgetika I
Substanzen, die die neuronale Erregbarkeit modulieren:
• Alpha-2-Rezeptor-Agonisten (Clonidin): neuropathische
Schmerzen, Adjuvans zur RA oder rückenmarksnahen
Opioidgabe
• Antidepressiva (Amitryptilin): Depression,
Spannungskopfschmerz, neuropathischer Schmerz, atypischer
Gesichtsschmerz, Rückenschmerz
• Antikonvulsiva (Carbamazepin, Gabapentin):
neuropathischer Schmerz, Migräne
Koanalgetika II
Substanzen, die den Knochenstoffwechsel stabilisieren:
• Bisphosphanate: Osteoporose, Knochenmetastasen
• Calzitonin: Phantomschmerzprophylaxe, frische Frakturen bei
Osteoporose
Antiödematöse Wirkung:
• Kortikosteroide: Weichteil- u. Nervenkompression, lokale
Ödeme, Übelkeit/Erbrechen
Grundsätze der Schmerztherapie
• Multimodales Konzept
• Sinnvolle Kombination von Basis- u.ReserveAnalgetika
• Patienten aufklären
• Wirkungen/Nebenwirkungen
• Kontrolle, Anpassung !!
• Früher Wechsel des
Analgetikums/Verfahrens bei unzureichender
Wirksamkeit
Grundprinzipien der medikamentösen
Schmerztherapie
• Medikamente in ausreichender Dosierung
einsetzen
• Zeitkontingentierte Gabe entsprechend der
Wirkdauer der Medikamente
• Einsatz retardierter oraler oder transdermaler
Präparate (konstante Wirkspiegel)
Grundprinzipien der medikamentösen
Schmerztherapie
• Regelmäßige Überprüfung des Therapieeffektes
(Cave: unkontrollierte Dosissteigerungen,
fehlende Aktivitätszunahme, nur kurz anhaltende
Wirkung)
• Bei nachlassender Wirkung ohne
Befundprogredienz evtl. Opioidrotation oder
langsames Ausschleichen
Schmerzanamnese
– Schmerzbeginn
– Schmerzlokalisation
– Schmerzqualität
– Schmerzintensität
– Schmerzverlauf
Auftreten/Dauer,Schmerzdurchbrüche,
Bewegungsabhängigkeit
Schmerzanamnese
– Schmerzverstärkende/reduzierende
Faktoren
– Subjektive Beeinträchtigung
– Begleitbeschwerden
verminderte Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen,
Gewichtsverlust etc.
– Vorangegangene Therapien
– Sozial-und Familienanamnese
– Aktuelle Medikation
Schmerzmessung
Stufenschema der postoperativen
Schmerztherapie
Spezielle Analgesie
PDA
(+Nichtopioid)
Spezielle Analgesie
PCIA
Basisanalgesie
Nichtopioid/Opioid
(i.v.,s.c./p.o./rektal)
(+Infiltration/Instillation)
(+Nichtopioid))
(+Infiltration/Instillation)
Postoperative Schmerztherapie
Applikation von Nichtopioidanalgetika:
• Bei leichten Schmerzen
• Nach kleineren Eingriffen
• Supplementierung einer Schmerztherapie mit
Opioiden (balanced analgesia)
Postoperative Schmerztherapie
Applikation von Opioidanalgetika:
• Bei mittelstarken bis stärkeren Schmerzen
• Nach größeren Operationen (Abdomen, große
Weichteileingriffe etc.)
Postoperative Schmerztherapie
Intravenöse PCA (Patient Controlled Analgesia)
Vorteile:
• Bessere postoperative Analgesie und
Patientenzufriedenheit
• Entlastung der Pflege
• Geringe Komplikationsraten
• Reduktion der Krankenhausverweildauer
• Reduzierter Analgetikabedarf
Postoperative Schmerztherapie
Intravenöse PCA (Patient Controlled Analgesia)
Nachteile:
• Erfordert kooperativen Patient
• Durch Opioid bedingte NW:
• Atemdepression, Übelkeit, Erbrechen,Juckreiz,
Sedierung
• Personalintensiv (ASD)
• Kontraindikation: respiratorische Insuffizienz
Postoperative Schmerztherapie
Intravenöse PCA (Patient Controlled Analgesia)
Wahl des Opioids:
• Piritramid
• Morphin
• Tramadol
Postoperative Schmerztherapie
Intravenöse PCA (Patient Controlled Analgesia)
Grundeinstellungen:
•
•
•
•
•
Art und Konzentration des Opioids in der Spritze
Bolusdosis
Bolusrate
Sperrzeit
Gesamthöchstmenge
Postoperative Schmerztherapie
Periduralanästhesie
Indikation:
• Große Abdominelle Eingriffe
Kontraindikation:
•
•
•
•
Gerinnungsstörungen
Infektion im Bereich der Punktionsstelle
Sepsis
Unkorrigierter Schock
Postoperative Schmerztherapie
Vorteile der thorakalen PDA:
•
•
•
•
•
Optimale segmentale Analgesie
Myokardprotektion
Optimierung der Lungenfunktion
Viszerale Sympathikolyse
Erhaltene Motorik u. Sensibilität der unteren
Extremität
Postoperative Schmerztherapie
Nachteile der thorakalen PDA:
• Technisch anspruchsvoll
• Negativer kardio-pulmonaler Effekt bei kranialer
Ausdehnung der Analgesie möglich
• Hypotension
Postoperative Schmerztherapie
Medikamente zur thorakalen PDA:
Lokalanästhetika:
• Bupivacain
• Ropivacain
evtl. in Kombination mit hochpotenten Opioiden:
• Sufentanil
• Fentanyl
• Morphin
Postoperative Schmerztherapie
Applikationsformen zur thorakalen PDA:
• Kontinuierliche epidurale Infusion über
Perfusor
• PCEA (Patient-controlled epidural analgesia)
Grundsätze der postoperativen Schmerztherapie
• Die Therapie erfolgt nach dem individuellen Bedarf
der Patienten
• Die Therapie erfolgt in Abhängigkeit von der
Operation nach dem Stufenschema der akuten
Schmerztherapie
• Wird eine Kombination Nichtopioid/Opioid geplant,
erfolgt zuerst die Gabe des Nichtopioids
• Die i.v.Medikation ist aufgrund ihres raschen
Wirkungseintrittes adäquat
Grundsätze der postoperativen Schmerztherapie
• Subcutane oder rektale Applikation ist eine Alternative
• Vermeidung einer i.m.-Applikation
• Orale Medikation sollte so bald wie möglich begonnen
werden
• Ein unter der Schmerztherapie ungewöhnlich hoher
ansteigender Analgetikabedarf erfordert diagnostische
Abklärung
Postoperative Schmerztherapie
Vorteile einer effektiven Schmerztherapie:
•
•
•
•
•
Frühzeitige Mobilisierung
Pneumonieprophylaxe
Stressprophylaxe
Vermeidung einer Schmerzchronifizierung
Beschleunigte Rekonvaleszenz, Verkürzung der
Krankenhausverweildauer
• Patientenzufriedenheit
„Glück ist die Freiheit von
Schmerz...
...und allzu oft dem Zufall
überlassen.“
Arthur Schopenhauer