Endokrine Disruptoren - Bundesamt für Gesundheit

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Direktionsbereich Verbraucherschutz
Factsheet
Dezember 2015
Endokrine Disruptoren
Chemikalien aus Industrie, Landwirtschaft und Umwelt, aber auch Naturstoffe biologischen
Ursprungs können einen negativen Einfluss auf die Gesundheit von Lebewesen haben. Einige
dieser Stoffe wurden verdächtigt das Hormonsystem von Mensch und Tier zu stören. Trotz
intensiver Forschung konnte bis heute noch nicht ganz geklärt werden wie gefährlich diese
sogenannten Endokrinen Disruptoren (ED) für den Mensch und Umwelt sind. Behörden und
Experten aus Forschung und Industrie arbeiten gemeinsam am Problem ED, um mit geeigneten
Massnahmen den Verbraucher zu schützen.
Was sind Endokrine Disruptoren?
Das Hormon System (auch als endokrines System bezeichnet) ist ein wichtiges Regulationssystem
beim Menschen in Tieren aber auch in Pflanzen. Es hilft dem Organismus wichtige Prozesse wie Entwicklung, Wachstum, Fortpflanzung, Stoffwechsel und Immunsystem zu steuern, aber auch sich auf
Veränderungen der Umwelt einzustellen.
Hormone sind die Botenstoffe des Hormon Systems und werden bei Wirbeltieren und beim Menschen
von verschiedenen Hormondrüsen produziert (Box 1, A). Die Hormondrüsen schütten Hormone ins
Blut aus die durch den Blutkreislauf im Körper verteilt werden. In kleinsten Mengen binden sie an spezifische Hormonrezeptoren, die Empfangseinheiten der Zellen in den Geweben, welche die Information des Botenstoffs ins Innere der Zelle weitergeben, um eine „Zellantwort“ zu produzieren (Box 1, B).
Es gibt körperfremde Stoffe, die das Hormonsystem verändern oder stören können. Die werden als
Endokrin Aktive Substanzen (EAS) bezeichnet. Nicht alle EAS sind schädlich (z.B. natürlichen Hormone).
Endokrine Disruptoren (ED) sind EAS, die gesundheitsschädigend sind. Entweder täuschen sie in
Zellen von Zielgeweben vor, Hormone zu sein (Box 1, B), oder sie können auch die Verfügbarkeit
der Hormone beeinflussen, indem sie in deren Synthese, Transport oder Abbau eingreifen. Die WHO
hat in Zusammenarbeit mit Experten aus der ganzen Welt eine Arbeitsdefinition für hormonaktive
Stoffe geschaffen:
Ein endokriner Disruptor ist eine von aussen zugeführte Substanz oder Gemisch, welche die Funktion
des Hormonsystems verändert und dadurch zu nachteiligen Wirkungen auf die Gesundheit eines intakten Organismus, seiner Nachkommen oder von (Sub)Populationen führt.
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Box 1. Das menschliche Hormonsystem.
A)
Die Hormondrüsen des Menschen. Zu den Drüsen des
Hormonsystems des Menschen gehören eine Anzahl von
Drüsen wie die Schilddrüse (4), die Drüsen der Geschlechtsorgane (8, 9) oder die Nebennieren (5) und die
Bauchspeicheldrüse (6). Sie geben Hormone wie Thyroxin,
Östrogen, Testosteron, Adrenalin oder Insulin ins Blut ab.
Die Steuerung der Drüsen (3-9) erfolgt streng hierarchisch
über Drüsen im Gehirn (1,2). Innere Signale des Körpers
und des Gehirns bewirken die Ausschüttung von Hormonen des Zwischenhirnes (2) und der Hirnanhangsdrüse (1),
die auf die untergeordneten Drüsen (3-9) wirken. Quelle:
www.internisten-im-netz.de
Legende
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Hirnanhangdrüse
Hypothalamus
Nebenschilddrüse
Schilddrüse
Nebennieren
Bauchspeicheldrüse
Nieren
Hoden
Eierstöcke
B)
Wirkungsweise von Hormonen und Endokrinen Disruptoren in den Zielgeweben. Körpereigene Hormone dringen in eine Zielzelle ein (Links), binden an Hormonrezeptoren und
bewirken die normale Zellantwort. ED können Hormone imitieren (Mitte) und wie ein Hormon
die Zellantwort aktivieren, oder als Hemmstoff die Bindungsstelle des normalen Hormons blockieren (Rechts), die Zellantwort bleibt aus. Graphik nachgezeichnet von www.niehs.nih.gov.
Welche ED gibt es und welchen hat man am meisten Beachtung geschenkt?
Es gibt ED synthetischen Ursprungs (z.B. Anti-Baby Pille). Andererseits gibt es auch ED biologischen Ursprungs, wie die natürlichen Hormone, die von Mensch und Tier ausgeschieden werden,
oder Pflanzeninhaltstoffe, die den Pflanzen zur Abwehr gegen Mikroben und Fressfeinden dienen,
wie z.B. Genistein in Soja (Phytoöstrogene, Tabelle 1). EDs biologischen Ursprungs in Lebensmitteln
oder anderen Mischungen werden meist in Bezug auf hormonelle Wirkung als weniger bedenklich
eingeschätzt, weil diese normalerweise nach der Aufnahme vom Organismus leicht abgebaut werden
können. Im Fokus beim Schutz der Gesundheit vor gefährlichen Chemikalien neben Naturstoffen in
Lebensmitteln stehen heute aber vor allem hormonartige Stoffe in Lebensmitteln, Medikamenten, und
synthetische EDs in Alltagsgegenständen welche häufig schwer biologisch abbaubar sind, in grossen Mengen von der Industrie hergestellt werden und in vielen Alltagsprodukten oder als Altlasten in
der Umwelt zu finden sind. Eine Übersicht über die prominentesten Beispiele wo am meisten Information vorhanden ist, ist in Tabelle 1 gegeben.
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Tabelle 1. Einige Stoffgruppen und Beispiele von ED.
Substanzgruppe
Prominente
Vertreter
Funktion
Vorkommen /
Verwendung
Rechtlicher Status in der
Schweiz
Alkylphenole
Octylphenol
Nonylphenol
und deren Ethoxylate
Detergentien
Industriewaschmittel für Schaffelle
Metallverarbeitung
Reinigungsmittel für elektronische
Platinen, Spermizide
Verboten für bestimmte Anwendungen (ChemRRV Anhang 1.8)
Bisphenole
Bisphenol A, (BPA)
Bisphenol S (BPS)
Bisphenol F (BPF)
Ausgangsstoff von Polycarbonatkunststoffen und
Epoxidharzen, Zusätze in
PVC
Gegenstände aus Polycarbonat
(z. Bsp. Flaschen, CDs, medizinische Geräte oder Spielzeug).
Weiße Innenbeschichtung von
Konservendosen, Thermopapier
BPA: Migrationsgrenzwert in
Gegenständen mit Lebensmittelkontakt (0.6 mg/kg Lebensmittel).
BPS: Migrationsgrenzwert 0.05
mg/kg Lebensmittel
Phthalate
Bis(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP)
Dibutylphthalat (DBP)
Butylbenzylphthalat
(BBP)
Diisobutylphthalat (DIBP)
und viele andere
Weichmacher von Kunststoffen, Penetrations
förderer in Kosmetika,
Zusatzstoffe in Farben und
Pestiziden
Weiche Kunststoffe,
Klebstoffe in der Verpackungsindustrie, Druckerfarbe
Anreicherung in fetthaltigen
Nahrungsmitteln (Butter, Käse,
Eier), Kosmetische Cremes
Bis(2-ethylhexyl)-phthalat (DEHP),
Benzylbutylphtalat (BBP), Dibutylphthalat (DBP) und
Diisobutylphtalat (DIBP), zulassungspflichtig seit Februar 2015
Chlororganische Aromatische Verbindungen
Polychlorierte Biphenyle
(PCB)
Isoliermedien, Hydrauliköle
Weichmacher
Altlast in Transformatoren, Fugenund Dichtungsmassen, angereichert in fetthaltigen Nahrungsmitteln (Milch, Fleisch, Fisch)
Totalverbot (1986), POP Übereinkommen
Verbrennungsprodukte
von PCB (Dioxine)
Dioxine
Polychlrorierte und
bromierte dibenzo
dioxine (PCDD)
Nebenprodukte der
Verbrennung von chlororganischen Verbindungen
(Müllverbrennung aber
auch bei Waldbrände und
Vulkanausbrüchen)
Allgegenwärtig in Boden, Wasser
und Luft, in fetthaltigen Nahrungsmitteln (Milch, Fleisch, Fisch)
Emissionsbeschränkung
Mehrfachbromierte
organische Verbindungen
Pentabromdiphenylether
(PBDE)
Octabromdiphenylether
(OBDE)
Decabromdiphenylether
(DBDE)
Polybromierte Diphenyle
(PBB)
Flammschutzmittel
Kunststoffgehäuse von elektrischen
Geräten, Polsterschaumstoffe,
Textilien
PentaDBE, OctaDBE verboten.
DecaBDE und PBB verboten in
Elektronikgeräten und Haushaltleuchten
Pflanzenschutzmittel
Aldrin
Lindan
DDT
Hexachlorphenol
Insektizide
Fungizide
Altlast in Boden, Wasser, in
fetthaltige Nahrungsmitteln, in
Obst, Gemüse
Eine Reihe von schwer biologisch
abbaubaren Pflanzenschutzmitteln
wie z.B. DDT sind verboten
Pentachlorphenol (PCP)
Holzschutzmittel
Lederkonservierung
Altlast in behandelten Hölzern
Importlederwaren
Totalverbot (1986), POP Übereinkommen
Herbizide
Atrazin, Simazin,
Propazine
Herbizide
Grundwasser, Rückstande auf
Lebensmittel
Die genannten Vertreter sind als
Herbizide in der CH nicht zugelassen
Trialkylzinnverbindungen
Tributylzinn
Antifouling-Anstriche
Altlast in Schiffsrümpfen
Totalverbot, 1986
UV-Filtersubstanzen
4-Methylbenzylidencampher (4-MBC)
3-Benzylidencampher (3BC)
Schutz vor UV-Strahlen
Sonnenschutzmittel
Erlaubt in Kosmetikprodukten nur
als UV Filter bis zu einem Anteil
von 4% (4-MBC) und 2% (3-BC)
Synthetische Hormone,
und hormonähnliche
Arzneimittel
Ethinylöstradiol
Lenovogestrel
Anabolika,synthetische
Glukokortikoide
Levothyroxin
Tamoxifen, Flutamide
Wirkstoffe in Antibabypille
Muskelaufbau-Präparate,
Entzündungshemmende
Stoffe
Hormonersatzstoffe
Krebsmedikamente
Arzneimittel, Cremen, Abwasser,
Grundwasser, Seen, Flüsse
Zugelassene Arzneimittel
ausser Anabolika
Perfluorierte Chemikalien (PFCs)
Perfluoroctan Säure
(PFOA)
Perfluoroctan Sulfonat
(PFOS)
Oberflächenmodifizierung.
Antihaftbeschichtung,
Wasser und Fettabstossung
PFOA: Kochgeschirr, Teflon
PFOS: Textilien, Teppiche, Ledermöbel, Papier und Verpackungen
PFOA gelistet als SVHC, Informationspflicht (ChemV, Anhang 3)
PFOS, verboten ab 1. August 2011
wegen persistenter Eigenschaften
(Anhang 1.16 ChemRRV)
Parabene
Methyl- und Ethyl,
Propyl, Butylparaben;
Konservierungsstoffe
Konservierungsmittel in Lebensmittel, Arzneimitteln und kosmetischen
Produkten und technischen Ölen
Verboten: Isopropyl-, Isobutyl-,
Phenyl, Benzylp- und Pentylparaben: Höchstkonzentration für
Propylparaben und Butylparaben,
0.4 % bei einzelner Verwendung
und 0.8 % bei der Verwendung
zusammen mit anderen Estern
Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe (Isoflavone und
Lignane) zur Abwehr von
Mikroben
Hülsenfrüchte, Getreide, Samen
und Früchten, Wein, Sojaprodukte
Kein (Natürliche Inhaltsstoffe in
bestimmten Lebensmitteln)
Isopropyl-, IsobutylPhenyl-, Benzyl und
Pentylparaben
Phytoöstrogene
Genistein, Daidzein
Resevatrol
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Was sind die Auswirkungen von ED auf Mensch und Tier?
Der Begriff ED wurde in den 90er Jahren geprägt als in wildlebenden Tieren (Fische, Vögel, Fischottern, Schnecken und Alligatoren) Missbildungen und Veränderungen an Fortpflanzungsorganen und
Bestandes Rückgänge beobachtet wurden (Colborn et al. 1993). Weil die Häufigkeit dieser Veränderungen mit den Mengen an ED in den betroffen Gebieten vereinbar war, hat man vermutet, dass
Chemikalien aus Industrie und Naturstoffe die Ursache dafür sein könnten. Dies sollte aber eher als
Hinweis betrachtet werden, es ist kein Beweis. In der Schweiz wurden ähnliche Beobachtungen bei
wildlebenden Tieren gemacht, die aber auch andere unbekannte Ursachen haben könnten (NFP-50,
2007).
Beim Menschen wurde seit den 70er Jahren eine Häufung von Veränderungen festgestellt welche
mit dem Vorkommen von ED in Verbindung stehen könnten (WHO, 2002, engl.):
 Zunahme von Hoden-, Prostata- und Brustkrebs
 Verschiebung des Geschlechterverhältnisses von Neugeborenen
 Abnahme der Spermienqualität
 Mögliche Zunahme von Hodenhochstand und Fehlbildungen der Harnröhre
 Verhaltensänderungen bei Neugeborenen und Kindern
 Verfrühte Pubertät
Obwohl diese Veränderungen, die zur Unfruchtbarkeit führen können, durchaus mit Störungen des
Hormonsystems vereinbar sind, könnten diese auch hier wie oben schon erwähnt ganz andere Ursachen haben. Zum Beispiel Faktoren wie psychische Belastung, Ernährungsgewohnheiten, Genussmittelkonsum oder Drogenmissbrauch könnten geradesogut auch zu diesen Veränderungen geführt haben (Siehe Faktenblatt Unfruchtbarkeit, BAG).
Was sind Quellen von ED und wie gelangen sie in unserer Körper?
Man findet ED in Alltagsprodukten wie Nahrungsmitteln, Medikamente, Kosmetika oder in Kunststoffen. Durch menschliche Aktivitäten wie das Verbrennen von Materialien, Entsorgung oder Abwasser
aber auch durch Naturkatastrophen gelangen ED in Luft, Wasser und Boden und damit in die Nahrungskette von Mensch und Tier. ED können über Nahrung, durch die Haut oder durch die Atmung in
den Blutkreislauf aufgenommen werden. Einige ED werden schnell vom Körper abgebaut und wieder
ausgeschieden, andere hingegen können sich in den Geweben (vor allem Fettgewebe) anreichern, wo
sie über lange Zeit einwirken. Zu solchen Stoffen zählen u.a. halogenierte organische Substanzen
(Tabelle 1). Man findet diese Stoffe trotz weltweitem Verbot 1986 durch die „Persistent Organic Pollutants“ (POP) Konvention immer noch in Fisch, Meeresfrüchten und Fleisch, aber auch in tierischen
Produkten wie Milch und Eiern (BLV, 2013-2014). Besonders bedenklich ist die Belastung von Lebewesen im Entwicklungsstadium, die auf ED besonders empfindlichen wie z. Bsp. Säuglinge und ungeborenen Kinder. Die im Mutterblut zirkulierenden ED können über die Plazenta in den Kreislauf von
ungeborenen Kindern gelangen, oder sie können sich in der Muttermilch anreichern und durch das
Stillen von der Mutter auf Säuglinge übertragen werden.
Warum ist das Risiko von EDs so schwierig zu erfassen?


ED wirken wie Hormone und schon in kleinsten Mengen. In der Toxikologie geht man davon aus, dass die schädliche Wirkung eines Stoffes auf einen Organismus mit zunehmender
Dosis steigt (die Dosis macht das Gift). Für ED ist jedoch dieses Prinzip unter Wissenschaftlern umstritten, weil ED nach dem Wirkungsprinzip der Hormone wirken. Dort kann schon eine
kleine Menge für einen Effekt ausreichen, während bei großen Konzentrationen entweder
kein- oder ganz verschiedene Effekte auftreten können.
Verschiedene ED gelangen gleichzeitig in den Körper und wirken als Mischung. Die Effekte aller in einer Mischung enthaltenen Stoffe können einen unterschiedlichen Gesamteffekt
ergeben, während der einzelne Stoff keine oder schwer nachweisbare Wirkung zeigen kann
(„Cocktail Effekt“).
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


ED können bei Mensch und Tier verschieden wirken. Das Hormon System von Mensch
und Tier funktioniert zwar ähnlich, jedoch gibt es Unterschiede in der Art wie die Hormone wirken. Darum ist es schwierig die Ergebnisse aus Tierstudien für den Menschen abzuleiten.
ED wirken unterschiedlich in verschiedenen Entwicklungsphasen. Man denkt, dass Erwachsene Organismen hormonale Störungen durch die Steuerung des Hormonsystems kompensieren können. Andererseits ist eine Exposition von ED während der Entwicklung meist
schwerwiegender. Eine Exposition während der Zeit vor der Geburt und bis zum Erreichen
des Erwachsenenalters kann eine kleine Störung bewirken die im späteren Leben ein irreversibler Schaden verursacht.
Methoden fehlen oder reichen nicht aus um Effekte von ED eindeutig nachzuweisen.
Oftmals sind Ergebnisse aus der Forschung nicht aussagekräftig genug und schwierig zu reproduzieren, weil oft verschiedene Methoden angewendet werden die (noch) nicht standardisiert wurden. Zudem können heutige Methoden bei weitem nicht die Wirkung von ED in allen
Hormon Systemen erfassen, noch können sie die Effekte beim Menschen genau vorhersagen.
Aus den oben genannten Gründen sind sich Experten in vielen Fällen uneinig über die Gefahr und
Risiko von bestimmten Stoffen. Eine internationale Expertengruppe (OECD Gruppe) wurde gegründet,
wo Experten an einheitlichen und vergleichbaren Testmethoden und Prozesse arbeiten mit denen
man reproduzierbare Daten für die Risikobeurteilung von ED bekommt. Man erhofft sich damit in Zukunft wissenschaftlich fundierte regulatorische Entscheidungen zu treffen und auch Missverständnisse
in der Öffentlichkeit und damit Verängstigung des Verbrauchers zu vermindern.
Wie ist die Lage in der Schweiz?
In der Schweiz wurden ED in der Umwelt seit den neunziger Jahren nachgewiesen(NFP-50, 2007).
ED wie beispielsweise Alkylphenolpolyethoxylate, DDT und Lindan, PCB und Phthalate in Fliessgewässern und Organozinn-Verbindungen in Schiffshäfen gefunden. Nach entsprechenden Verboten
nahmen die Konzentrationen dieser teilweise krebserregenden oder entwicklungsschädigenden Substanzen in der Umwelt deutlich ab. Ausnahmen stellten die Ausflüsse von Abwasserreinigungsanlagen
(ARA) dar, wo die Umweltbelastung solcher Stoffe (v.a. Oestrogene) neben Mikroverunreinigungen
höher ausfiel (NFP-50, 2007). Daraufhin hat das BAFU Projekte initiiert mit dem Ziel, die Umweltbelastung durch Mikroverunreinigungen in den Abflüssen der ARA durch Ozonung oder Adsorption an Pulveraktivkohle zu reduzieren (BAFU 2012, EAWAG 2015). Die Aufrüstung der Anlagen soll durch den
Bund subventioniert werden mit dem Ziel, alle Anlagen in Zukunft mit diesen Filtern auszustatten (Projekt Mikro Poll).
In der Bevölkerung kann die Schadstoffbelastung mittels Human Biomonitoring (HBM) bestimmt
werden. Schadstoffe werden u. a. in Blut-, Urin-, Muttermilch oder Haarproben von gezielt gewählten
Bevölkerungsgruppen gemessen. Zum Beispiel hat die Schweiz 2008 - 2009 an einer weltweit
durchgeführten HBM Studie teilgenommen, mit dem Ziel die Belastung von einigen gefährlichen Stoffen (u.a. PCB) in Muttermilch zu messen. Die Schadstoffbelastung ist im Vergleich mit Werten von
einer BAG Studie von 2002 um die Hälfte gesunken (WHO-UNEP/BAFU 2011). Dies hat gezeigt, dass
die entsprechenden Verbote ihre Wirkung haben. Ein weiteres Beispiel in der Schweiz ist die Teilnahme an einer EU-weiten HBM Pilotstudie mit 1844 Mutter Kind Paaren (DEMOCOPHES, 20092014), davon 120 aus der CH. Es wurden einige bedeutende Schadstoffe gemessen darunter zwei ED
- DEHP und Bisphenol A, letzteres wurde aber nicht in der Schweiz gemessen. Insgesamt hat die
Studie gezeigt, dass ein europaweites HBM Projekt funktionieren könnte und die Belastung der Bevölkerung durch die gemessenen Stoffe unbedenklich ist. Die Anzahl Probanden insgesamt und in der
CH relativ klein und deshalb sollte das Ergebnis mit Vorsicht interpretiert werden.
Soweit gab es nur wenige HBM Studien in der Schweiz. Deshalb ist es wichtig in der Zukunft bundesweite HBM Studien durchzuführen um Informationen über die Belastung der Bevölkerung mit ED zu
bekommen. Mit dieser Information könnten nachhaltige regulatorische Massnahmen im Bereich ED
getroffen werden (BAG, 2013).
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Wie werden ED in anderen Ländern und in der EU geregelt?
Das Problem der ED ist in den meisten Ländern in Bearbeitung. Organisationen wie beispielsweise
die WHO und die Europäische Kommission und einige nichtstaatliche Organisationen haben in den
90er Jahren angefangen, Listen von Kandidaten Stoffen zu erstellen und bei denen eine Verbindung
zu Hormon bedingten Störungen in Tier und Mensch beobachtet wurde. Einige dieser Stoffe wurden
aufgrund von besonderen gefährlichen Eigenschaften (Giftigkeit, krebserregende Wirkung, Auswirkungen auf die Fortpflanzung, biologisch schwere Abbaubarkeit 1) schon früher gesetzlich eingeschränkt.
Die neue EU-REACH-Verordnung (Registration Evaluation Authorisation and Restriction of Chemicals) sieht besondere Verfahren für ED vor. Die Europäische Chemikalienagentur kann Stoffe, die
nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ED Eigenschaften haben, neben anderen Stoffen mit gefährlichen Eigenschaften1 auf die Kandidatenliste besonders besorgniserregender Stoffe (Substances of
Very High Concern, SVHC) aufnehmen. Stoffe die wegen ED Eigenschaften auf dieser Kandidatenliste sind unterliegen besonderen Informationspflichten und diese sind gleichzeitig Kandidaten für eine
Verbotsliste, der Liste der Zulassungspflichtigen Stoffe (Anhang XIV REACH).
Weiterhin verbietet die EU-Biozidprodukteverordnung (Verordnung (EU) Nr. 528/2012) bzw. beschränkt die Verwendung von Stoffen mit endokrin schädigenden Eigenschaften (ED) in Biozidprodukten. Auch in der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1107/2009) ist die Verwendung von ED beschränkt. In der EU-Kosmetikverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1223/2009) wird
die Verwendung von Stoffen mit ED Eigenschaften geprüft und durch Verbots, Zulassungslisten und
Einschränkungen geregelt.
Bezüglich Ausschlusskriterien für ED ist die EU zurzeit daran die wirtschaftlichen Folgen von bestimmten gesetzliche Regulierungen bezüglich EDs abzuschätzen. Der Entscheid durch die Kommission
über die Regelungen soll aber frühestens 2017 fallen.
Wie sind ED in der Schweiz gesetzlich geregelt?
Die Schweiz ist nicht direkt an die Europäische Chemikaliengesetzgebung REACH angebunden. Die
wissenschaftliche Arbeit der EU in diesem Bereich wird aber auch in der Schweizer Rechtssetzung
berücksichtigt. Das Schweizer Chemikalienrecht wird deshalb regelmässig an die EU Gesetzgebung
angepasst. Die SVHC Liste ist in der Chemikalienverordnung (Anhang 3) und die Verbotsliste ist in
der Chemikalienrisikoreduktionsverordnung (Anhang 1.17) umgesetzt. Durch den autonomen Nachvollzug werden die Stoffe zeitverzögert auf die entsprechenden Schweizer Listen aufgenommen.
In der Schweizer Biozidprodukteverordnung sind die Beschränkungen der Verwendung von ED in
Biozidprodukten aus der EU-Biozidprodukteverordnung ebenfalls umgesetzt. Auch in der Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) sind ED besonders geregelt. Die Kosmetik- und Lebensmittel- und
Gebrauchsgegenständeverordnung übernehmen die Vorgaben der EU.
Prävention durch Verbote und Verwendung von alternativen Stoffen?
Bei Unsicherheiten über das Risiko eines Stoffs wegen unzureichenden wissenschaftlichen Belegen,
kann basierend auf den vorhandenen wissenschaftlichen Kenntnissen als präventive Massnahmen ein
Verbot angeordnet werden (Vorsorgeprinzip). Bevor ein Verbot oder die Einschränkung umgesetzt
wird müssen die Behörden jedoch überprüfen, ob es mögliche Alternativen gibt, die nach dem gegenwärtigen Wissensstand sicher, gleichwertig und auf dem Markt verfügbar sind. Nicht immer haben Verbote zur Verminderung des Risikos geführt, da Ersatzstoffe ebenso gefährlich sein
könnten. Beispielsweise wurden die aus heutiger Sicht nicht weniger gefährlichen bromierten Flammschutzmittel als Ersatzstoff für chlororganische Verbindungen wie PCB eingesetzt. Ein gegenwärtiges
Beispiel in der Schweiz ist BPA, wo man sich weltweit uneinig ist ob es ein Risiko darstellt oder nicht
1
CMR (Krebserzeugend, Erbgutverändernd, Fortpflanzungsschädigend), PBT (persistent, bioakkumulierbar und toxisch), vPvB (sehr persistent, sehr bioakkumulierbar)
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(Siehe Factsheet BPA). Dessen Handhabung ist deshalb auch in vielen Ländern sehr unterschiedlich
geregelt. Abklärungen über die Risiken von BPA in Thermopapier (Kassenzettel) und ob Alternativen
vorhanden sind wurden in der Schweiz unternommen (Demierre et al. 2012; Goldinger et al. 2015),
jedoch müssen diese Ergebnisse noch mit mehr Daten belegt werden.
Wie beteiligt sich der Bund?
Der Bund beteiligt sich auf nationaler Ebene bei der Bearbeitung des Problems ED mit der Angleichung oder Anpassung der schweizerischen an die Europäische Gesetzgebung. Dabei arbeiten die
Bundesämter der verschiedenen Bereiche wie Gesundheit und Verbraucherschutz, Umwelt, Arbeitssicherheit, Lebensmittelsicherheit und Landwirtschaft und die Industrie eng miteinander zusammen. Der
Bund fördert die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus der Toxikologischen Forschung, und Industrie z. B. durch Finanzierung von Projekten des Schweizerischen Zentrums für humane Toxikologie (SCAHT). Auf internationaler Ebene beteiligt sich die Schweiz am Problem ED durch Zusammenarbeit und Teilnahme in Expertengruppen der OECD und EU.
Was ist der Stand der Dinge?
Der gegenwärtige Wissensstand und der Stand der Aktivitäten auf dem Gebiet der ED lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
 Das Auftreten von hormonbedingten Störungen bei Mensch und Tier, welche im Zusammenhang stehen mit der Exposition einer hormonaktiven Substanz, weisen auf mögliche Risiken
von ED für den Menschen hin. Das Risiko welches von ED ausgeht, wird trotz Uneinigkeit in
der Wissenschaft von den Behörden ernst genommen.
 Viele Stoffe, die heute als ED identifiziert wurden, wurden in der Schweiz schon wegen ihrer
besonders besorgniserregenden Eigenschaften verboten, aber es gibt noch weitere Stoffe die
geprüft werden müssen.
 Standardisierte Testmethoden werden entwickelt und angewendet um ED zu identifizieren
und zu charakterisierten. Für die Risikobeurteilung wird die Belastung der Umwelt, Mensch
und Tier durch Monitoring Studien bestimmt.
 Die Belastung von Mensch und Umwelt mit ED, wo die Verwendung und Verteilung durch
Einschränkungen und Verbote reduziert wurde, hat in der Schweiz in den letzten Jahren immer mehr abgenommen. Hingegen hat die Belastung mit unbekannten Ersatzstoffen immer
mehr zugenommen.
 Einschränkungen von Stoffen wegen ED Eigenschaften und Vorschläge für alternative Stoffe
könnten die Risiken bei Unsicherheiten soweit reduzieren bis ein Konsens auf wissenschaftlicher und politischer Ebene stattfindet.
 Der Bund arbeitet auf nationaler und internationaler Ebene mit Politik, Forschung und Industrie am Problem ED indem er Gesetze revidiert, nationale und internationale Forschungsprojekte fördert, die Bevölkerung über mögliche Risiken informiert und Maßnahmen zur Verminderung der Exposition einleitet.
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Literatur und weiterführende Informationen
Informationen vom Bund
BAG: Chemikalien, Themen von A-Z. http://www.bag.admin.ch/themen/chemikalien/07843/index.html?lang=de
BAFU 2012: Mikroverunreinigungen aus kommunalen Abwässern.
http://www.sib.admin.ch/fileadmin/_migrated/content_uploads/UW-1214-D_Mikroverunreinigungen.pdf
BLV: Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände. http://www.blv.admin.ch/themen/04678/?lang=de
BLW: 2015: Pflanzenschutzmittel. http://www.blw.admin.ch/themen/00010/00071/01819/index.html?lang=de
Oekotoxzentrum: Hormonaktive Substanzen. http://www.oekotoxzentrum.ch/dokumentation/info/index/doc/hormonaktive.pdf
Informationen von internationalen-, staatlichen- und nichtstaatlichen Organisationen
WHO, 2002: Global Assessment of the State-of-the-Science of Endocrine Disruptors
http://www.who.int/ipcs/publications/new_issues/endocrine_disruptors/en/index.html
WHO/IPCS Endocrine Disruptors 2004
http://www.who.int/ipcs/publications/endocrine_disruptors/endocrine_disruptors/en/index.html
OECD endocrine disruptor testing and assessment:
http://www.oecd.org/document/62/0,3746,en_2649_34377_2348606_1_1_1_1,00.html
EU Endocrine Disrupters Website: http://ec.europa.eu/environment/chemicals/endocrine/index_en.htm
US EPA: Endocrine Disruptors Research Initiative. http://www.epa.gov/endocrine/
Wissenschaftliche Publikationen
Colborn, T.; vom Saal, F S; Soto, A. M. (1993): Developmental effects of endocrine-disrupting chemicals in wildlife and humans.
In: Environmental health perspectives 101 (5), S. 378–384.
Demierre, Anne-Laure; Peter, Ronald; Oberli, Aurelia; Bourqui-Pittet, Martine (2012): Dermal penetration of bisphenol A in
human skin contributes marginally to total exposure. In: Toxicology letters 213 (3), S. 305–308. DOI:
10.1016/j.toxlet.2012.07.001.
Goldinger, Daniela M.; Demierre, Anne-Laure; Zoller, Otmar; Rupp, Heinz; Reinhard, Hans; Magnin, Roxane et al. (2015):
Endocrine activity of alternatives to BPA found in thermal paper in Switzerland. In: Regulatory toxicology and pharmacology :
RTP 71 (3), S. 453–462. DOI: 10.1016/j.yrtph.2015.01.002.
Informationen und Anfragen zu Endokrinen Disruptoren:
Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Chemikalien, 3003 Bern
Tel. : +41(0)31 322 96 40
E-Mail: [email protected]
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