Pressemitteilung - Deutsches Herzzentrum München

Deutsches Herzzentrum München
des Freistaates Bayern
Klinik an der Technischen Universität München
Pressemitteilung
München, den 02.03.2016
Großer Fortschritt im Kampf gegen den Herzinfarkt
Einer internationalen Forschergruppe unter der Leitung des Kardiologen
Prof. Heribert Schunkert, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums München, gelang jetzt ein spektakulärer Erfolg im Kampf gegen
den Herzinfarkt. Die Wissenschaftler entdeckten eine Gen-Veränderung,
die das Infarktrisiko deutlich senken kann. „Das macht es wesentlich leichter, neue Medikamente zu entwickeln, die die Effekte dieser
Mutation nachahmen“, erklärt Prof. Schunkert. „Damit hätte die weitere
Forschung ein konkretes Ziel und die Entstehung von Herzinfarkten ließe
sich künftig gezielt bekämpfen.“
Diese Entdeckung ist so bedeutend, dass die ihr zugrunde liegende
wissenschaftliche Studie morgen in der weltweit renommiertesten
medizinischen Fachzeitschrift, dem New England Journal of Medicine,
veröffentlicht wird.
In dieser groß angelegten Studie analysierten die Wissenschaftler im
Labor 13.000 verschiedene Gene von fast 200.000 Infarktpatienten und
gesunden Kontrollpersonen. Sie suchten dabei nach Veränderungen, die
das Herzinfarktrisiko beeinflussen. Dabei wurden sie tatsächlich fündig.
Sie konnten unter anderem Mutationen im ANGPTL4 Gen (Angiopoietin-like 4) identifizieren, die diese Voraussetzungen erfüllen.
„Im Zentrum unserer Daten steht dabei das Enzym Lipoproteinlipase (LPL), welches den Abbau von Triglyzeriden im
Blut bewirkt“ erklärt Prof. Jeanette Erdmann, Direktorin des Instituts für Integrative und Experimentelle Genomik an der
Universität zu Lübeck, die ebenso an der Arbeit beteiligt war. „Das sind Blutfettstoffe, die der Körper als Energiespeicher
benötigt. Zu hohe Triglycerid-Werte erhöhen jedoch ähnlich wie erhöhte LDL-Cholesterinwerte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Infarkte. Niedrige Werte vermindern es.“
Laut Prof. Schunkert wurde die Bedeutung der Triglyceride für die Gesundheit bisher unterschätzt: „Wenn es um
Blutfettstoffe geht, steht bei den meisten Patienten immer noch das Cholesterin im Vordergrund. Hier unterschied man
immer zwischen dem gesunden HDL- und dem schädlichen LDL-Cholesterin. Inzwischen wissen wir aber, dass sich die
HDL-Werte genau umgekehrt wie die Triglyceride verhalten. Bei hohen HDL-Werten sind die Triglyceride niedrig, bei nied-
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rigen HDL-Werten sind sie erhöht. In Wirklichkeit verhält sich das HDL eher neutral und hat kaum noch Bedeutung. Die
Triglyceride sind neben dem schädlichen LDL-Cholesterin der zweite wichtige Fettstoff im Blut. Das haben wir vor zwei
Jahren in Lancet veröffentlicht. Die HDL-Werte im Blut werden nur noch bestimmt, weil man aus Gesamtcholesterin, HDL
und Triglyceriden die LDL-Werte errechnen kann, die sich nicht direkt messen lassen.“
Die Konzentration von Triglyceriden im Blut wird nun neben Ernährung und Veranlagung auch von dem Gen ANGPTL4 beeinflusst. Dieses Gen bremst normalerweise das LPL-Enzym, das Triglyceride abbaut. Als Folge steigen die Fettwerte im
Blut an. Die internationale Forschergruppe fand nun aber Mutationen, die dieses Gen inaktivieren und so dafür sorgen,
dass der Triglycerid-Spiegel drastisch abnimmt.
„Gleichzeitig haben wir entdeckt“, so Prof. Jeanette Erdmann, „dass der Körper das ANGPTL4-Gen gar nicht benötigt und
auch ohne dieses Gen bestens zurecht kommt. Das ANGPTL4-Gen scheint also überflüssig zu sein. Deshalb ist es auch
einfacher, das Gen auszuschalten. Das wiederum kann letztendlich vor Herzinfarkt schützen.“
An der internationalen Studie, die über vier Jahre dauerte, nahmen insgesamt 129 Wissenschaftler aus 15 Ländern teil.
Studienleiter Prof. Schunkert: „Anhand unserer Ergebnisse gilt es jetzt, Medikamente zu entwickeln, die die Wirkung
des ANGPTL4-Gens neutralisieren und dadurch das Herzinfarktrisiko senken. Anderen Forschern ist das zumindest im
Tierversuch schon gelungen. So sanken bei Affen, die einen neutralisierenden Antikörper gegen ANGPTL4 bekamen, die
Blutfette drastisch ab. Das gibt Hoffnung, dass ähnliche wirkende Antikörper-Präparate bald auch schon bei Patienten
erfolgreich eingesetzt werden können.“
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Genetic Variants Affecting the Lipoprotein Lipase Pathway and the Risk of Coronary Artery Disease.
Panel A shows normal physiological function of lipoprotein lipase (LPL) and regulation of LPL by gene products of ANGPTL4, APOC3, and APOA5. LPL,
which is both transported across and anchored to capillary endothelial cells by the protein GPIHBP1, normally hydrolyzes the triglycerides that are
present in circulating lipoproteins and reduces the plasma triglyceride level. Its activity is reduced by ANGPTL4 and APOC3 and increased by APOA5.
Not shown here are other important regulators of LPL activity, including APOC2 and ANGPTL3. Green arrows indicate enhancers, and red blocked arrows indicate inhibitors. IDL denotes intermediate-density lipoprotein, and VLDL very-low-density lipoprotein. Panel B shows altered function of LPL in
mutation carriers. Mutations affecting LPL and proteins interacting with LPL are shown, along with expected effect on LPL activity, plasma triglyceride
levels, and risk of coronary artery disease.
Credit: DOI: 10.1056/NEJMoa1507652
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