Artikel - China-MwSt wird

August 2015
VDMA Steuer aktuell
Umsatzsteuer
China: Mehrwertsteuer (VAT) wird Geschäftsteuer (BT)
im Bausektor ersetzen
von Alexander Prautzsch, Tax Director, PwC China, Shanghai Office und Michaela Chen,
Tax Senior Manager, PwC China, Shanghai Office
Ein kurzer Überblick über die Umsatzsteuerreform in China
Lange Zeit sah das chinesische Umsatzsteuersystem zwei unterschiedliche Spielarten der
Umsatzsteuer vor, um Lieferungen und sonstige Leistungen in China zu erfassen: Mehrwertsteuer (Value Added Tax, VAT) war grundsätzlich auf die Lieferung bzw. die Einfuhr
von Gütern sowie die ausgewählten Dienstleistungen Verarbeitung, Reparatur und Austausch anzuwenden. Geschäftsteuer (Business Tax, BT) war grundsätzlich auf andere
Dienstleistungen sowie die Übertragung von immateriellen oder unbeweglichen Wirtschaftsgütern anzuwenden.
Anders als bei der VAT sieht das BT-System grundsätzlich keine Anrechenbarkeit von Vorsteuer vor. Insoweit kumuliert die Steuerbelastung im Fall von mehreren Stufen der Leistungserbringung, ohne dass dem ein echter Mehrwert zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund wurde das BT-System von der chinesischen Regierung als entwicklungs- und wachstumshemmend erkannt; die schrittweise Integration in das VAT-System mit der Folge des
Wegfalls der BT wurde beschlossen (die sog. „B2V-Reform“).
Die B2V Reform startete am 1. Januar 2012 mit einem Pilotprogramm für ausgewählte
Dienstleistungen in Shanghai und wurde seither über die Jahre schrittweise ausgeweitet,
sowohl in geographischer als auch in inhaltlicher Hinsicht mit Blick auf die abgedeckten
Dienstleistungen. Es war erklärtes Ziel, die B2V Reform innerhalb des Zwölften Fünfjahresplans (also bis Ende 2015) abzuschließen.
Die noch zur Reform ausstehenden Dienstleistungssektoren umfassen die Bereiche Bau,
Finanzen sowie bestimmte Dienstleistungen aus den Bereichen Konsum, Kultur und Sport.
Wie aus informierten Kreisen zu hören ist, muss man für diesen letzten Reformschritt aktuell
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jedoch mit weiterer zeitlicher Verzögerung rechnen: Anders als geplant könnte dieser letzte
Schritt der Reform erst im Frühjahr nächsten Jahres veröffentlicht werden.
Zeitliche
Anwendung
01.01.2012
01.09.2012
Geographische
Anwendung
Nur in Shanghai
Ausweitung um
ausgewählte
Pilotregionen
Transportleistungen und bestimmte moderne Dienstleistungen
Ausweitung auf
landesweite Anwendung
Ausweitung um Film- und
Sendeleistungen
Ausweitung um Schienentransport und Post
Ausweitung um Telekommunikation
Ausweitung um Bau, Finanzen, Konsum, Kultur, Sport
01.08.2013
01.01.2014
01.06.2014
Möglicherweise erst
2016
Inhaltliche Anwendung
Veröffentlichung am
Zeit zur
Vorbereitung
06.11. 2011
31.07.2012
1,5 Monate
1 Monat
24.05. 2013
2 Monate
12.12. 2013
½ Monat
29.04. 2014
1 Monat
Möglicherweise erst
2016
Noch offen
Die Umstellung von BT zu VAT im Dienstleistungssektor in China hat bereits erhebliche
Änderungen für das chinesische Umsatzsteuersystem sowie für die Steuerpflichtigen in den
betroffenen Branchen mit sich gebracht. Sowohl inländische als auch ausländische Marktakteure sind von den Neuregelungen betroffen.
In der Vergangenheit war, wie in der Tabelle illustriert, die Vorbereitungszeit für die Umstellung regelmäßig äußerst kurz bemessen, da neu erlassene Regelungen auch zeitnah in
Kraft gesetzt wurden. Mit Blick auf den noch umzustellenden Bereich Bau, Finanzen und
Konsum/ Kultur/ Sport muss wohl mit einer ähnlichen Praxis gerechnet werden. Insoweit
sollten die möglichen Auswirkungen der Reform auf das eigene Geschäft sowie die möglichen Positionen der Zulieferer und Kunden frühzeitig analysiert werden, um Reaktionsstrategien rechtzeitig entwickeln und deren Umsetzung vorbereiten zu können.
Schlüsselthemen im Rahmen der B2V Reform im Bausektor
Die finalen Regelungen der B2V Reform im Bausektor sind noch nicht veröffentlicht, so
dass Steuerpflichtige sich bei der Analyse notgedrungen mit Regelungsentwürfen behelfen
müssen. Nach dem jüngsten Regelungsentwurf soll der Mehrwertsteuersatz für Bauleistungen grundsätzlich 11% betragen. Zum Vergleich: Der Regelsteuersatz der Mehrwertsteuer
in China ist 17%; viele andere Dienstleistungen unterliegen allerdings nur einem Mehrwertsteuersatz von 6%. In jedem Fall stellt die Entscheidung für 11% eine erhebliche Erhöhung
des Steuersatzes von aktuell 3% bzw. 5% Geschäftsteuer auf Bauleistungen dar.
Daneben gibt e seine ganze Reihe von Unsicherheiten, ob die Vorsteuer wie technisch vorgesehen in der Praxis auch wirklich gezogen werden kann. Aus Sicht eines Bauträgers
werden sich Fragen rund um Altverträge (z.B. inwieweit die Umstellung auf VAT auch für
Altverträge sofort oder mit Übergangsfrist erfolgt), Zulieferer (z.B. inwieweit diese rechtlich
und praktisch in der Lage sein werden, offizielle VAT Quittungen rechtzeitig auszustellen)
sowie mit Blick auf das Geschäftsmodell (z.B. welche finanziellen Auswirkungen sich aus
dem erheblichen zeitlichen Auseinanderfallen von Auszahlungen und Einzahlungen ergeben).
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Zu beachten ist an dieser Stelle, dass die chinesische Vorsteuer von den Finanzämtern in
der Regel nicht erstattet wird; sie ist vielmehr so lange vorzutragen, bis sie über Außenumsätze vollständig zur Anrechnung gelangt ist. Die Finanzierungskosten für die ausstehende
Vorsteueranrechnung trägt in der Zwischenzeit der Steuerpflichtige.
Auch aus Sicht der Subunternehmer und Zulieferer im Bausektor werden sich im Zusammenhang mit der Umstellung eine Reihe von Themen stellen. Zunächst werden wohl je
nach Leistungsart verschiedene Steuersätze zu berücksichtigen sein, z.B.
Kategorie
Steuersatz
Technische Beratung
6%
Überwachung
6%
Instandhaltung
6%
Installation
11%
Reparatur
17%
Lieferung der Teile
17%
Im Fall gemischter Leistungen sind die Leistungen nach Art und Höhe klar zu trennen; wo
dies nicht gemacht wird oder gemacht werden kann, kommt der jeweils höchste Steuersatz
zur Anwendung. Dies betrifft nicht nur inländische, sondern auch ausländische Leistungserbringer mit ihren Aktivitäten in China.
Mit Blick auf ausländische Leistungserbringer ist weiter zu beachten, dass die chinesische
Mehrwertsteuer über den Leistungsempfänger im Wege des Steuereinbehalts erhoben werden soll. Auf diese Weise wird das Nettoentegelt des ausländischen Leistungserbringers im
Regelfall gemindert. Ungeachtet dessen steht dem chinesischen Leistungsempfänger möglicherweise dennoch ein Anspruch zur Anrechnung als Vorsteuer zu. Insoweit wäre aus
Sicht des Leistungserbringers zu prüfen, ob ein Steuerabzug sachgerecht ist oder wirtschaftlich auf den Leistungsempfänger überzuwälzen wäre. In Fällen bestehender Verträge
wäre dies auch mit Blick auf die vertraglichen Grundlagen zu beurteilen. Für Neuverträge
sollte dementsprechend eine angemessene Verhandlungsposition gefunden werden.
In bestimmten Fällen zeichnen ausländische Leistungserbringer auch Verträge mit erhöhter
Komplexität, z.B. wenn neben dem Importanteil noch ein lokaler Anteil der Leistungserbingung festgeschrieben werden soll. In solchen Fällen haben chinesische Umsatzsteuerüberlegungen neben anderen Faktoren traditionell einen erheblichen Einfluss auf die Rentabilität
eines Projekts. Unter dem Eindruck der B2V Reform ist zu erwarten, dass die Bedeutung
des Planungsaspekts Steuern mit Blick auf die Bereiche Steuersatz, Steuertragung und
Anrechenbarkeit in Zukunft noch weiter zunehmen wird.
Für die Käufer von Gebäuden in China sollte die B2V Reform in erster Linie einmal die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs mit sich bringen, zumindest wenn der Käufer ein sog. „general
VAT payer“ ist sowie über ausreichende Außenumsätze verfügt. Das könnte grundsätzlich
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einen positiven Effekt auf die Kostenbelastung haben. Auf der anderen Seite ist aktuell vorgesehen, dass die Anrechnung der Vorsteuer für Gebäudekäufe über mehrere Jahre verteilt
werden soll, z.B. auf zehn Jahre. Auch könnte eine Übergangsregelung für Altverträge, bei
der VAT zwar erhoben, aber nicht zur Anrechnung zugelassen wird, die Anrechnung von
Vorsteuer für solche Fälle verhindern.
Insgesamt stellt die B2V Reform nicht nur eine komplexe und grundlegende Veränderung
des chinesischen Umsatzsteuerrechts dar, sondern hat auch einen erheblichen Einfluss auf
das Geschäft und den finanziellen Erfolg von Unternehmen der betroffenen Branchen. Das
Unternehmensmanagement hat in der Regel die Aufgabe, diese Umstellung effektiv und
effizient zu gestalten. In einer Umfrage unter betroffenen Unternehmen haben wir sieben
Herausforderungen identifizieren können, die dem Management bei der Umstellung die
meisten Kopfzerbrechen bereiten.
B2V Reform
Ausarbeitung der Vertrags- und Preisstrategie
合同以及定价策…
Zusammenfassung der
77%
Training der verschiedenen Teams
核心团队和所有…
Umfrage
54%
Anpassung des IT Systems
Welche
Schritte …
46%
IT系统的升级
stellen für Ihr
Sensitivitätsanalyse für Gewinn, Steuern und Zahlungsflüsse
Unternehmen
die größten
46%
Anpassung des Geschäftsmodells und der Leistungsbeziehungen
31%
业务模式以及运…
Herausforderungen bei der
Vorbereitung der Prozessanweisungen
标准操作政策的…
Umstellung
von
23%
Aufbau einer Steuerdatenbank
BT auf VAT
23%
增值税法律知识…
dar?
0%
100%
(Quelle: Umfrage unter CFOs von Unternehmen des Bausektors in China im Februar 2015.)
Vor dem Hintergrund der Komplexität der vertraglichen Strukturen und der Unsicherheiten
bezüglich der Reform ist es keine Überraschung, dass der Einfluss auf die Vertrags- und
Preisstrategie von den Marktteilnehmern prominent herausgestellt wird. In der Theorie sollte
VAT einfach auf den Käufer übergewälzt werden können und von diesem als Vorsteuer
gegen die eigene Mehrwertsteuer gerechnet werden können. In der Praxis hängt die Anrechenbarkeit und damit die Überwälzbarkeit von einer Reihe zusätzlicher Faktoren ab, z.B.
der Status als „general VAT payer“, die Verfügbarkeit offizieller Mehrwertsteuerquittungen,
ausreichend Außenumsätze, etc. Im Ergebnis erwarten Praktiker erhebliche Schwierigkeiten, bis mit den Kunden und Geschäftspartnern ein für alle akzeptables Vertrags- und
Preismodell gefunden sein wird.
Schließlich werden neue Vereinbarungen vor dem Hintergrund der B2V Reform auch Ergebnis der Verhandlungsmacht der Marktteilnehmer sein. Dennoch ist jeder Verhandlungs-
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partner gut beraten, die Neuregelungen und deren Implikationen für alle Beteiligten detailliert zu verstehen, bevor er in Neuverhandlungen mit seinen Kunden und Geschäftspartnern
einsteigt. Daneben erfordern auch das Training der verschiedenen externen und internen
Teams, die Anpassung des IT Systems, die Anpassung des Geschäftsmodells, etc. eine
solide Analyse der erwarteten Auswirkungen der Reform. Aus Erfahrung mit den vorhergehenden Reformschritten steht dem Management für diese Analyse nur sehr wenig Zeit zur
Verfügung. Um verlässliche und effiziente Prozesse aufzusetzen, ist es daher ratsam, mit
den Vorbereitungen Schritt-für-Schritt, aber vor allem frühzeitig anzufangen.
Zusammenfassung
Mit der Umstellung der Bau-, Finanz- sowie Konsum-/ Kultur-/ Sportbranche von BT auf
VAT im Rahmen der B2V Reform sollen die letzten Anwendungsbereiche der BT abgeschafft werden. Nach ursprünglicher Planung sollte die Umstellung bis Ende 2015 fertiggestellt sein; es zeichnet sich jedoch aktuell ab, dass die Umstellung erst im Jahr 2016 erfolgen und in Kraft treten könnte.
Während in der Vergangenheit viele (wenn auch nicht alle) Branchen von der B2V Reform
profitieren konnten, werden für den Bausektor eine Reihe besonderer Faktoren erwartet, die
den eigentlichen Kostenvorteil aus der Anrechenbarkeit von Vorsteuer schnell überwiegen
könnten, wie z.B. die Komplexität der verschiedenen Steuersätze, die praktischen Schwierigkeiten bei der Vorsteueranrechnung, die langfristige Natur der Bauprojekte, etc.
Es ist sicherlich ratsam, dass die betroffenen Marktteilnehmer die Entwicklung der B2V
Reform weiterverfolgen und sich schon zu einem frühen Zeitpunkt proaktiv mit möglichen
Szenarien in Reaktion auf die Regelungsänderungen auseinandersetzen. Das könnte umfassen:
•
Analyse der möglichen Auswirkungen der B2V Reform auf Steuern, Gewinn und Zahlungsflüsse, inklusive Sensitivitätsanalyse mit Blick auf mögliche Marktreaktionen
•
Bei Identifizierung erheblicher Risiken sollte auch die Einschaltung von Verbänden und
Handelskammern als Sprachrohr gegenüber dem chinesischen Regelungsgeber in Betracht gezogen werden
•
Erarbeitung von Szenarien zur Anpassung des Geschäftsmodells und der Preisstrategie
•
Erarbeitung der möglichen Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung sowie der Strategien zur Umsetzung im Rahmen von Verhandlungen mit den Geschäftspartnern
•
Wegen der erhöhten Komplexität von VAT im Vergleich mit BT sollten zuverlässige
Prozesse und Kontrollen geplant und implementiert werden; das IT System ist entsprechend anzupassen
•
Alle relevanten Teams (Vertrieb, Einkauf, Controlling, Buchhaltung, etc.) sind durch
Trainings auf die neue Situation vorzubereiten; das gilt insbesondere auch für die direkten Ansprechpartner der Zulieferer und Kunden
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Die Autoren:
Alexander Prautzsch, Tax Director, PwC China, Shanghai Office
Telefon +86 21 2323 3375, E-Mail [email protected] und
Michaela Chen, Tax Senior Manager, PwC China, Shanghai Office
Telefon +86 21 2323 8330, E-Mail [email protected]
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Kontakt
Ulrich Meißner
Telefon +49 69 6603 1391
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