Interview mit Urs Steiner, bildender Künstler Residenz in Shanghai, Mai 2015 Der Zürcher Künstler Urs Steiner, der in Zürich, Lausanne und San Francisco Szenografie und Bildende Kunst studiert hat, war dieses Frühjahr in einer Residenz in Shanghai, wo er an seinem neuen Projekt «Orbit 2046», das von Pro Helvetia Shanghai in Zusammenarbeit mit dem Museum of Contemporary Art Shanghai unterstützt wird, gearbeitet hat. Seit dem 30. Mai 2015 ist die Website zum Projekt online; dort sieht man einen Mann an einem Roulettetisch, der ein Bällchen in der Hand hält. Was hat es damit auf sich? Wir haben Urs Steiner einige Fragen dazu gestellt. Ihr Neues Projekt heisst „Orbit 2046“. Worum geht es dabei? Orbit 2046 ist ein Projekt im virtuellen Raum und online vom 30.5.2015 bis am 1.1.2046. An diesem Datum wird die Internetpräsenz gelöscht. Bis dahin werden alle Änderungen ins Logbook eingetragen. Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Website gekommen? Meine Arbeiten lassen sich als «Found Footage» im erweiterten Sinne bezeichnen, denn Kinofilme oder Fernsehserien bilden den Ausgangspunkt meiner Projekte. Ich isoliere einzelne Szenen, Bilder, Tonspuren oder Elemente aus der Filmarchitektur und Ausstattung, um sie zu rekontextualisieren und in neue Formen, Materialien und Konfigurationen zu übersetzen. Zentrale Themen, die ich mit diesem Verfahren bearbeite, sind die Beziehungen von Bild und Ton, von Zeit und Raum. Während meiner Studio Residency habe ich mich mit dem Film 2046 von Wong Kar-Wai beschäftigt. Der Gedanke, was bis 2046 geschehen könnte, interessierte mich dabei. Das war der Anfangspunkt des Projektes. Eine wichtige Referenz ist zudem die Arbeit des Schweizer Konzeptkünstlers Dieter Meier, welche er in Kassel an der Dokumenta 5 (1972) zeigte. Er liess auf eine Steinplatte den Text „Am 23. März 1994, von 15:00 bis 16:00 Uhr, wird Dieter Meier auf dieser Platte stehen.“ eingravieren. Ein solches Versprechen wollte ich in das Internet übertragen und die Idee zum Online-Projekt entstand. Was können Sie allgemein zu Residenzen als Arbeitsform sagen? Und speziell zu Ihrer aktuellen Residenz in Shanghai? In einer Residency bekommt man die Möglichkeit, in einem anderen neuen und ungewohnten Umfeld zu arbeiten. Dieser Austausch befruchtet die eigene Arbeit und neue Arbeitsweisen können entstehen. Ich zum Beispiel habe noch nie mit Video gearbeitet. Die Idee ist entstanden, weil ich ein riesiges Studio in einer chinesischen Fabrik hatte, welche bald abgerissen wird. Dort konnte ich mich austoben wie ich wollte. So sind ein Roulettetisch, eine Wandmalerei und ein mehr oder weniger selfmade Kamerafahrtsystem entstanden. Interview Eva Stensrud mit Urs Steiner 1/2 Interview mit Urs Steiner.docx 2/2
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