Vorlesungsskript von Dr. Marc Hansmann, Lehrbeauftragter am Institut für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover im WS 2015/16 Deutsche Finanzgeschichte des 20. Jahrhunderts 1 Übersicht (I): Deutsche Finanzgeschichte des 20. Jahrhunderts Seite 1. Freitag, 06.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr: Einführung 4 2. Freitag, 06.11.15, 16.15 - 17.45 Uhr: Strukturproblem der Staatsverschuldung 14 3. Freitag, 13.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr: Strukturproblem der Finanzverfassung 26 4. Freitag, 13.11.15, 16.15 - 17.45 Uhr: Strukturproblem des Steuerrechts 45 5. Freitag, 20.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr: Strukturproblem der Finanzverwaltung 59 6. Freitag, 20.11.15, 16.15 - 17.45 Uhr: "Fiscal agony" des Kaiserreichs 80 7. Freitag, 27.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr: Fiskalschock des 1. Weltkriegs 92 8. Freitag, 27.11.15, 16.15 - 17.45 Uhr: Zäsur der Weimarer Republik 104 2 Übersicht (II): Deutsche Finanzgeschichte des 20. Jahrhunderts Seite 9. Freitag, 11.12.15, 14.30 - 16.00 Uhr: Brünings Deflationspolitik 119 10. Freitag, 11.12.15, 16.15 - 17.45 Uhr: NS-Rüstungskeynesianismus 136 11. Freitag, 15.01.16, 14.30 - 16.00 Uhr: Die fetten Jahre der Bonner Republik 152 12. Freitag, 15.01.16, 16.15 - 17.45 Uhr: Konjunkturpolitik der 70er Jahre 170 13. Freitag, 29.01.16, 14.30 - 15.30 Uhr: Konsolidierungspolitik der 80er Jahre 183 14. Freitag, 29.01.16, 15.30 - 16.30 Uhr: Fiskalschock der Deutschen Einheit 196 15. Freitag, 29.01.16, 16.45 - 17.45 Uhr: Das Schreiben einer Hausarbeit 220 3 Freitag, 06.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr 1. Einführung 4 1.1 Erkenntnisleitende Fragestellungen 1 Warum ist die Staatsverschuldung so hoch? 2 Besteht ein Zusammenhang zwischen der hohen Staatsverschuldung und der Steuerpolitik bzw. dem Steuerrecht? 3 Welche Rolle spielt die Finanzverfassung für die Höhe der Staatsverschuldung? 4 Vermag die Public-choice-Theorie die hohe Staatsverschuldung zu erklären? 5 1.2 Erklärungsansatz der Finanzgeschichte Aufzeigen und Analyse empirischer Daten der Geschichte „Die Finanzen sind einer der besten Angriffspunkte der Untersuchung des sozialen Getriebes, besonders, aber nicht ausschließlich, des politischen. Namentlich an jenen Wendepunkten – oder besser Wendeepochen –, in denen Vorhandenes abzusterben und in Neues überzugehen beginnt und die auch stets finanziell Krisen der jeweils alten Methoden sind, zeigt sich die ganze Fruchtbarkeit dieses Gesichtspunkts: Sowohl in der ursächlichen Bedeutung – insofern als staatsfinanzielle Vorgänge ein wichtiges Element des Ursachenkomplexes jeder Veränderung sind – als auch in ihrer symptomatischen Bedeutung – insofern als alles, was geschieht, sich in der Finanzwirtschaft abdrückt.“ Joseph A. Schumpeter 1918 6 1.3 Was spricht gegen eine Staatsverschuldung? Öffentliche Investitionen sind betriebswirtschaftlich in der Regel nicht rentierlich. Da die kreditfinanzierten Investitionen nicht zu Mehreinnahmen führen, verkleinern Zinsen und Tilgung die finanziellen Spielräume oder müssen mit Abgabenerhöhungen oder weiterer Kreditaufnahme finanziert werden. Crowding-out-Effekte: Verdrängung privater Nachfrage auf dem Geld- und Kapitalmarkt durch steigendes Zinsniveau infolge hoher staatlicher Nachfrage. Wirtschaftswachstum schwächer, wenn Schuldenquote größer als 90 Prozent (These empirisch nicht haltbar)* Intergenerative Gerechtigkeit (kann allerdings auch als Argument für Staatsverschuldung benutzt werden). Inflationsgefahren, wenn Staatsverschuldung zu hoch und über die Notenbank finanziert wird * Siehe Carmen M. Reinhart, Kenneth S. Rogoff, Growth in Time of Debt, Draft vom 31.12.2009. 7 1.4 Was spricht für Staatsverschuldung? „Ein Staat ohne Staatsschuld thut entweder zu wenig für seine Zukunft, oder er fordert zu viel von seiner Gegenwart.“ Dieses Zitat wird häufig als Generalrechtfertigung für die Staatsverschuldung benutzt. Allerdings hat von Stein die „Höhe der Staatsschuld“ von der „Fähigkeit“ des Staats abhängig gemacht, „die Verzinsung der Schulden regelmäßig zu decken“, und zwar durch „Überschüsse“. Wenn Zinsen nur durch neue Kreditaufnahme gedeckt werden könnten, werde das bald „seine Grenzen in sich selbst“ finden. Lorenz von Stein „Lehrbuch der Finanzwissenschaft“ aus dem Jahr 1860/1878 8 1.5 Währung und Staatsverschuldung Schuldenquote v.H. NSP/BSP/BIP 400 Mark Deutschmark (DM) Reichsmark Euro 350 bis 1914 Goldstandard 300 bis 1971/73 Dollar-Goldstandard, danach Floating Gold-Devisen-Standard ab 1931 Devisenzwangswirtschaft 250 200 150 100 Hyperinflation von 1923 Währungsreform von 1948 50 0 1913 1918 1924 1932 1938 1944 1950 1959 1969 1982 1990 2000 2010 9 1.6 Größere Handlungsspielräume durch Staatsverschuldung? Mrd. Euro 70 60 50 40 30 20 10 0 1965 1975 1985 1995 2005 Netto-Neuverschuldung sämtlicher Gebietskörperschaften Zinsausgaben sämtlicher Gebietskörperschaften Quelle: Stefan Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik. Eine praktische Einführung, Wiesbaden 2. Auflage 2007, 211 (Abbildung 24). 10 1.6 Versuche zur Begrenzung der Kreditaufnahme Versuche zur Begrenzung der Kreditaufnahme 1. Höhe der Investitionen = max. erlaubte Höhe der Neuverschuldung (Art. 115 GG) 2. Bis 1969 Kreditaufnahme nur für „außerordentlichen“ Bedarf, insbesondere für „werbende“ Zwecke (rentierliche Investitionen), erlaubt 3. Historische Grundregel des Verbots der Schuldenaufnahme für laufende Ausgaben (nur Kassenkredite zur kurzfristigen Liquiditätssicherung) 4. Euro-Kriterien als Grenze der Kreditaufnahme 5. Fast völliges Verbot struktureller Staatsverschuldung durch die „Schuldenbremse“ 11 1.7 Wege aus dem Schuldenstaat Rechtliche Begrenzungen (u.a. Schuldenbremse) Inflation / finanzielle Repression Staatsbankrott Nachhaltige Finanzpolitik + Wirtschaftswachstum 12 1.8 Weiterführende Literatur zur Einführung in die Finanzgeschichte • Werner Abelshauser, Wege aus der Staatsverschuldung. Eine Skizze, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 98 (3/2011), 300-306. • Marc Hansmann, Vor dem dritten Staatsbankrott? Der deutsche Schuldenstaat in historischer und internationaler Perspektive, München 2. Aufl. 2012. • Friedrich-Wilhelm Henning, Staatsfinanzen in historischer Perspektive, in: Klaus-Dirk Henke (Hg.), Zur Zukunft der Staatsfinanzierung, Baden-Baden 1999, 35-71. • Carmen M. Reinhart, Kenneth S. Rogoff, This Time Is Different. Eight Centuries of Financial Folly, Princeton, Oxford 2009. • Hans-Peter Ullmann, Der deutsche Steuerstaat. Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, München 2005. Sammelbände • Thorsten Beigel, Georg Eckert (Hg.), Vom Wohl und Wehe der Staatsverschuldung. Erscheinungsformen und Sichtweisen von der Antike bis zur Gegenwart, Münster 2013. • Andreas Hedwig (Hg.), Finanzpolitik und Schuldenkrisen 16.-20. Jahrhundert, Marburg 2014. • Eckart Schremmer (Hg.), Steuern, Abgaben und Dienste vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1994. • Uwe Schultz (Hg.), Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 1986. Währungen und Finanzgeschichte • Peter Bernholz, Monetary Regimes and Inflation. History, Economic and Political Relationships, Cheltenham/Northampton 2003. • Deutsche Bundesbank (Hg.), Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876–1975, Frankfurt a.M. 1976. • Barry Eichengreen, Vom Goldstandard zum Euro. Die Geschichte des internationalen Währungssystems, Berlin 2000. • Stefan Homburg, Erinnerungen an die deutschen Währungsreformen, in: ifo Schnelldienst 64 (19/2011), 17-22. 13 Freitag, 06.11.14, 16.15 - 17.45 Uhr 2. Strukturproblem der Staatsverschuldung 14 2.1 Staatsbankrott als häufiges historisches Phänomen 15 2.2 Entwicklung der deutschen Staatsverschuldung im 20. Jahrhundert v.H. NSP/BSP/BIP 90 Finanz- und Bankenkrise 80 70 Fiskalschock 2. Weltkrieg 60 Fiskalschock Deutsche Einheit (Schuldenquote 1944: 400 %) 50 40 Fiskalschock 1. Weltkrieg (Schuldenquote 1918: 300 %) Konjunkturpolitik 70er Jahre 30 20 10 2. Staatsbankrott 1. Staatsbankrott 0 1900 1913 1924/25 1932 Steuerquote 1938 1950 Abgabenquote 1959/60 1969/70 1980/82 Staatsquote 1990 2000 2010 Schuldenquote Als Folge der Finanzierung der beiden Weltkriege und ihrer Folgen sowie des frühen Beginns und des dauernden Ausbaus des Sozialstaats liegt die Staatsquote bei knapp 50 %. Da Steuer- und Abgabenquote deutlich unter der Staatsquote liegen, hat der Staat eine erhebliche jährliche Deckungslücke, die mittels Neuverschuldung geschlossen wird. Quelle: Hansmann (2012), 15, 54; Daten für 2010: BMF-Monatsbericht August 2012, 72 (Tab. 9), 73 (Tab.10) und 80 (Tab. 14). 16 2.3 Entwicklung der amerikanischen Staatsverschuldung seit 1792 17 2.4 Entwicklung der britischen Staatsverschuldung seit 1688 v.H. BIP 300 250 200 150 100 50 10 20 00 20 90 19 80 19 70 19 60 19 50 19 45 19 41 19 31 19 21 19 11 19 01 19 91 18 81 18 71 18 61 18 51 18 41 18 31 18 21 18 11 18 01 18 59 17 16 88 0 UK Schuldenquote Quelle: Bis 1970: Albrecht Ritschl, Sustainability of High Public Debt: What the Historical Record Shows, London 1996 (= CEPR Discussion Papers 1357), 21 (Table 1); ab 1980: BMF-Monatsbericht August 2012, 80 (Tab. 14). 18 2.5 Entwicklung der Schulden von Bund, Ländern und Kommunen seit 1950 Mrd. Euro 2000 1750 1500 1250 1000 750 500 250 0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 Bund 1980 Länder 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Kommunen Quelle: Statistisches Bundesamt (Hg.), Finanzen und Steuern, Fachserie 14, Reihe 5: Schulden der öffentlichen Haushalte 2011, Wiesbaden 2012, 22 (Tabelle 1.1.1); Erläuterung: Schulden einschließlich Kassenkredite. 19 2.7 Ursachen der Staatsverschuldung Kriege Ausweitung der Staatsausgaben, insbes. im Sozialbereich Verfehlte Steuerpolitik (Steuern durch Steuern und Steuersenkungen) Bankenkrisen Fehlanreize im Föderalismus Politikversagen: Budgetmaximierung und Desinteresse an solider Finanzpolitik Anspruchsinflation der Bürger/innen 20 2.8 Entwicklung der Ausgabenstrukturen des Reichs-/Bundeshaushalts im 20. Jahrhundert Übrige Ausgaben 9% Soziales Zinsen 3% 9% Übrige Ausgaben 34% Renten 13% Soziales 16% Zinsen 2% Militär 79% 1913 1963 Renten 14% Übrige Ausgaben 36% 1983 Verteidigung 19% Verteidigung 35% Arbeitsmarkt 4% Soziales 16% Übrige Ausgaben 23% Renten 29% Verteidigung 10% Zinsen 15% Zinsen 11% 2007 Soziales 9% Arbeitsmarkt 14% Quelle: Für das Jahr 1913: Ullmann (2005), 62; für die restlichen Jahre: Bundeshaushalte der entsprechenden Jahre. 21 2.9 Säkulare Tendenzen in der Entwicklung der Ausgabenstrukturen Die Ausgabenstrukturen des nationalen Haushalts spiegeln drei säkulare Tendenzen wider: 1. Sinkender Anteil der Militärausgaben: Militarisierung bis 1945 und nachfolgende Entmilitarisierung; „Friedendividende nach Ende des Kaltes Krieges“; Ausblick: Zusätzlicher Ausgabenbedarf aufgrund Neuausrichtung der Bundeswehr 2. Deutlicher Anstieg der Renten-, Arbeitsmarkt- und Sozialausgaben: Ausbau des Sozialstaats, den sämtliche Staatsformen (Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Staat, Bonner und Berliner Republik) betrieben haben; Ausblick: Hohes Haushaltsrisiko aufgrund der demographischen und ökonomische Entwicklung 3. Anstieg der Zinsausgaben: Starke Kreditfinanzierung der Ausgaben; Staatsschulden zwei Mal (1923 und 1949) durch Inflation bzw. Währungsreform weitgehend reduziert; Ausblick: Ende der historischen Niedrigzinsphase als Haushaltsrisiko 22 2.10 Entwicklung der Staats- und Sozialleistungsquote im 20. Jahrhundert v.H. NSP/BSP/BIP 50 40 30 20 10 0 1900 1913 1925 1932 1938 1950 Staatsquote 1960 1970 1980 1990 2000 2007 2010 Sozialleistungsquote Quelle Sozialleistungsquote: Für das Jahr 1913: Johannes Frerich, Martin Frey, Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland, Bd. 1: Von der vorindustriellen Zeit bis zum Ende des Dritten Reiches, München, Wien 1993, 175; für die restlichen Jahre bis 1950: Heinz Lamper, Jörg Althammer; Lehrbuch der Sozialpolitik, Berlin 8. Aufl. 2007, 510 (Tab. 18.1.); für die Jahre ab 1960: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.), Sozialbericht 2009, Bonn 2009, Tab. I-1 und 256 (Jahr 2010). 23 2.11 Warum wurde der Sozialstaat in Deutschland so früh und so stark ausgebaut? • Besonderheit der deutschen Geschichte (These von Bernd Weisbrod): Frühe Gründung einer sozialdemokratischen Partei (1863), die seit 1890 stärkste oder zumindest zweitstärkste Partei ist und folgende (finanzpolitische) Ziele der SPD verfolgt: - stark progressive Einkommensteuer als einzige Steuer (explizit gegen Mehrwertsteuer) - weitgehende Umverteilung, insbesondere durch Einkommensteuer und Sozialstaat - einheitliche Lebensverhältnisse und Unitarismus • Konservative Reaktion auf den Erfolg der SPD: Frühe Einführung und der Ausbau des Sozialstaats: - Einführung der Renten- und Krankenversicherung durch Bismarck - Einführung der Arbeitslosenversicherung durch eine konservativ geführte Reichsregierung (1927) - Einführung der dynamischen Rente 1957 durch Adenauer und des Kindergeldes durch Erhard (1964) - Einführung der Pflegeversicherung durch Kohl/Blüm - Einführung der preußischen Einkommensteuer durch den Nationalkonservativen Miquel - Durchsetzen einer stark progressiven Einkommensteuer und des Unitarismus durch Erzberger (Zentrum) - Nutzung der Einkommensteuer als Instrument der Umverteilung durch sämtliche Regierungen seit 1919 - Konzeption und Einführung des horizontalen Finanzausgleichs durch den Nationalkonservativen Popitz - Einführung des Verbundsystems durch die Große Koalition im Jahre 1969 24 2.12 Weiterführende Literatur zur Geschichte der Staatsverschuldung • Alberto Alesina, The end of large public debts, in: Francesco Giavazzi, Luigi Spaventa (Hg.), High Public Debt. The Italian Experience, Cambridge 1989, 35-89. • Rolf Caesar, Öffentliche Verschuldung in Deutschland seit der Weltwirtschaftskrise: Wandlungen in Politik und Theorie, in: Dietmar Petzina (Hg.), Probleme der Finanzgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin 1989, 9-55. • Carl-Ludwig Holtfrerich, Bewältigung der deutschen Staatsbankrotte 1918 und 1945, in: Erhard Kantzenbach (Hg.), Staatsüberschuldung, Göttingen 1996, 27-57. • Alfred Manes, Staatsbankrotte. Wirtschaftliche und rechtliche Betrachtungen, Berlin 2. Aufl. 1919. • Carmen M. Reinhart, M. Belen Sbrancia, The Liquidation of Government Debt, Cambridge, Mass. 2011 (= NBER Working Paper 16893). • Moritz Schularick, Public Debt and Financial Crises in the Twentieth Century, Berlin 2012 (= Discussion Paper School of Business & Economics Freie Universität Berlin 2012/1). • Vito Tanzi, Ludger Schuknecht, Public Spending in the 20th Century. A Global Perspective, Cambridge 2000. • Uwe Wagschal, Staatsverschuldung. Ursachen im internationalen Vergleich, Opladen 1996. • Michael Waibel, Staateninsolvenzen in historischer Perspektive, in: Georg E. Kodek, August Reinisch (Hg.), Staateninsolvenz, Wien 2011, 55-94. Grundsätzlich zur Staatsverschuldung • Hanno Beck, Aloys Prinz, Staatsverschuldung. Ursachen, Folgen, Auswege, München 2011. • Carl-Ludwig Holtfrerich, Lars P. Feld, Werner Heun et al., Staatsschulden, Ursachen, Wirkungen und Grenzen, Berlin 2015. (http://www.bbaw.de/publikationen/stellungnahmen-empfehlungen/bericht-staatsschulden) Sozialstaat und Staatsverschuldung • Hans Günter Hockerts, Der deutsche Sozialstaat. Entfaltung und Gefährdung seit 1945, Göttingen 2011. • Gerhard A. Ritter, Der Sozialstaat. Entstehung und Entwicklung im internationalen Vergleich, München 3. Aufl. 2010. • Manfred G. Schmidt, Sozialpolitik in Deutschland. Historische Entwicklung und internationaler Vergleich, Wiesbaden 3. Aufl. 2005. 25 Freitag, 13.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr 3. Strukturproblem der Finanzverfassung 26 3.1 Trenn- versus Mischsystem Trennsystem Verbundsystem Beschreibung Strikte Trennung der Einnahmen und Aufgaben der Gebietskörperschaften Beteiligung jeder Gebietskörperschaften an sämtlichen Steuern; Mischfinanzierung der Aufgaben Horizontaler Finanzausgleichs nicht vorhanden oder schwach ausgeprägt stark ausgebaut Leitbild Subsidiarität Unitarismus Charakter Wettbewerbsföderalismus Konkordanzföderalismus In der Geschichte des 20. Jahrhunderst gibt es meistens ein Mischsystem, in dem jedoch entweder die Elemente des Trenn- oder des Verbundsystems überwiegt. 27 3.2 Entwicklung des Finanzausgleichs im 20. Jahrhundert • Entwicklung des vertikalen Finanzausgleichs als Ausdruck des traditionell starken Föderalismus - 1871: Gründung des deutschen Nationalstaats als „Bund deutscher Fürsten“ - Trennsystem im Kaiserreich: Reich als Kostgänger der Länder - Miquelsche Finanzreform von 1891/93: Stärkung der Kommunalfinanzen - Zäsur der Erzbergerschen Finanzreform von 1919/20: Entstehung des unitarischen Bundesstaats - „Permanent vorläufiger Finanzausgleich“ in der Weimarer Republik - Ausschaltung der Länder in der NS-Zeit - Alliierten erzwingen 1949 ein Trennsystem, das aber nicht Verfassungswirklichkeit wird - Große Finanzreform von 1969: Verbundsystem/Unitarismus mit Bundesrat als Korrektiv (später als Blockadeinstrument benutzt) • Entwicklung des horizontalen Finanzausgleichs mit dem Ziel einheitlicher Lebensverhältnisse - Forderungen bereits im Kaiserreich (insbesondere Finanzausgleich zwischen armen und reichen Städten) - Anfänge in der Weimarer Republik - Gutachten von Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden (1932) - Ausbau in der Bundesrepublik, insbesondere ab 1969 (Leitbild des kooperativen Föderalismus) - „unsichtbarer“ Finanzausgleich über die Sozialversicherungen In Finanzgeschichte des 20. Jahrhunderts ist das Problem des Finanzausgleichs nie zufriedenstellend gelöst worden. 28 3.3 Kompetenzverteilung auf die Gebietskörperschaften im Kaiserreich Kaiserreich Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit Reich • • für indirekte Steuern Erhebung von Matrikularbeiträgen, „solange Reichsteuern nicht eingeführt sind“ (Art. 70 der Reichsverfassung; Zusatz 1909 gestrichen) de facto keine Gesetzgebungshoheit für die Einkommensteuer • Erhebung von Matrikularbeiträgen von den Ländern Zolleinnahmen des Reichs durch Franckensteinsche Klausel gekappt • keine Basissatz der Einkommensteuer (in Preußen) Beteiligung an Zolleinnahmen (Franckensteinsche Klausel) • Zoll- und Steuerverwaltung bei den Einzelstaaten Zuschlagsrecht auf die Einkommensteuer (in Preußen) Realsteuern (in Preußen) • keine • • Länder (= Einzelstaaten) • • für direkte Steuern (de facto) Zustimmung des Bundesrates für sämtliche Gesetze erforderlich • Kommunen • keine • • • 29 3.4 Kompetenzverteilung auf die Gebietskörperschaften in der Weimarer Republik Weimarer Republik Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit Reich • Gesetzgebungshoheit über Einkommen- und Umsatzsteuer • ständige Änderung der Anteile („permanent vorläufiger Finanzausgleich“) • Reichszoll- und finanzverwaltung Länder • Beteiligung über Reichsrat • • keine keine • • Beteiligung an Einkommenund Umsatzsteuer (in Form von „Reichsüberweisungssteuern“) ab 1929 Plafondierung hohe Beteiligung an Einkommen- und Umsatzsteuer Realsteuern • keine Kommunen • • 30 3.5 Kompetenzverteilung auf die Gebietskörperschaften im NS-Staat NS-Staat Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit Reich • Gesetzgebungshoheit über (fast) sämtliche Steuern • vollständige Ertragshoheit • Reichszoll- und finanzverwaltung Länder • • keine • • Mittelzuweisung vom Reich • • keine Kommunen keine • Mittelzuweisung vom Reich sowie horizontaler Finanzausgleich Realsteuern keine 31 3.6 Kompetenzverteilung auf die Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik Bundesrepublik Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit Bund • • auf Druck der Siegermächte: Trennsystem, das sofort durch „Inanspruchnahmegesetze“ (Beteiligung des Bundes an der Einkommensteuer) durchbrochen wird seit 1969 Verbundsystem • Zollverwaltung Beteiligung an der Umsatzsteuer seit 1969 • • Finanzverwaltung Verwaltungsvereinbarung von 1970 zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern Beteiligung an der Einkommensteuer seit 1969 und an der Umsatzsteuer seit 1998 Realsteuern • keine (konkurrierende) Gesetzgebungshoheit über Einkommen- und Umsatzsteuer Länder • Zustimmung des Bundesrats in der Regel erforderlich Kommunen • keine • • • • 32 3.7 Ertragshoheit über die Einkommensteuer im 20. Jahrhundert v.H. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1913 1920 1923 1924 1925 1926 1944 1951 1952 1953 1955 1958 1967 1970 Reich/Bund Länder seit 1979 Kommunen Die Ertragshoheit über die Einkommensteuer entwickelt sich im 20. Jahrhundert eindeutig in Richtung der nationalen Ebene, und zwar vor allem auf Kosten der Kommunen. Diese besitzen bis zum Ersten Weltkrieg durch das Zuschlagsrecht den größten Aufkommensanteil und werden in den 50/60er Jahren überhaupt nicht an der Einkommensteuer beteiligt. Quelle: Hansmann (2000), passim. 33 3.8 Ertragshoheit über die Umsatzsteuer im 20. Jahrhundert v.H. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1916 1920 1923 1924 1925 1926 Reich/Bund 19441969 Länder 1970 1980 1990 2000 2010 Kommunen Als indirekte Steuer gehört die Umsatzsteuer traditionell zur nationalen Ebene. Im Rahmen des 1969 eingeführten bzw. ausgebauten Verbundsystems werden die Länder mit zunächst 30 % beteiligt. Seitdem steigt der Länderanteil deutlich an (u.a. 1995/96 wegen der Einbeziehung der neuen Bundesländer in den FAG sowie der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs). Quelle: Für die Jahre bis 1969: Hansmann (2000), passim; für die Jahre ab 1970: BMF, Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008, 77 (Schaubild 17) und Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016, 72 (Schaubild 16) . 34 3.9 Anteil der einzelnen Gebietskörperschaften am gesamten Steueraufkommen 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1913 1925 1950 1960 Reich/Bund 1970 Länder 1980 Kommunen 1990 2000 2010 Sonstige Das Popitzsche Gesetz von der Anziehungskraft des zentralen Etats lässt sich eher bezüglich der Länder- als der Bundeseinnahmen bestätigen. Die Länder weiten ihre Steuereinnahmen 1920/25 und vor allem 1950 auf Kosten der Kommunen aus. Seit 1990 verschieben sich die Gewichte zwischen Bund und Ländern zugunsten der letzteren. Quelle: Für die Jahre bis 1990: Hansmann (2007), 453; für die Jahre ab 2000: BMF, Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016, 70 (Schaubild 15) . 35 3.10 Anteil der einzelnen Gebietskörperschaften an den gesamten Staatsausgaben 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1913 1925 1937 1950 1959 Reich/Bund 1970 Länder 1980 1990 2000 2010 Kommunen Auf der Ausgabenseite wird die wichtige Stellung der Kommunen deutlich. Zwar werden sie im Laufe des 20. Jahrhundert zur Gebietskörperschaft mit den geringsten Ausgaben, doch ihr Ausgabenanteil reduziert sich nur um 9 Prozentpunkte (Steueranteil im Vergleich um 24 Prozentpunkte). Quelle: Für die Jahre bis 2000: Hansmann (2007), 454; für das Jahr 2010: BMF-Monatsbericht Dezember 2012, Tab. 7, eigene Berechnung. 36 3.11 Strukturprobleme der Länderfinanzen am Beispiel von Niedersachsen Strukturprobleme • Keine Einnahmenautonomie • Hohe Fixkosten • Schlechte Ausgabenqualität • Hohes strukturelles Defizit • Hoher Schuldenstand (Gefahr der Schuldenfalle) 37 3.12 Steuereinnahmen des Landes Niedersachsen seit 1990 Mit Ausnahme der Grunderwerbsteuer kann das Land seine Einnahmen kaum beeinflussen. 38 Quelle: Niedersächsisches Finanzministerium, Niedersächsische Haushalts- und Finanzpolitik, S. 9. 3.13 Ausgabenstruktur des Landes Niedersachsen (Haushalt 2011) Zuweisungen und Zuschüsse 41% Zinsen 9% Von den rd. 10 Mrd. € Zuweisungen und Zuschüsse erhalten die Kommunen 6,5 Mrd. €. Sachausgaben 5% Investitionen 6% Personalausgaben 39% Quelle: www.mf.niedersachsen.de und Niedersächsisches Finanzministerium, Niedersächsische Haushalts- und Finanzpolitik, S. 28, eigene Darstellung. 39 3.14 Anteil der Versorgungs- und Zinsausgaben an den Gesamtausgaben des Landes Niedersachsen 20 % 40 Quelle: Niedersächsisches Finanzministerium, Niedersächsische Haushalts- und Finanzpolitik, S. 29. 3.15 Nettokreditaufnahme und Kreditfinanzierungsquote des Landes Niedersachsen seit 1950 3500 20 18 3000 14 12 2000 10 1500 8 6 1000 4 Prozent (Kreditfinanzierungsquote) 2500 500 2 0 0 19 50 19 53 19 56 19 59 19 62 19 65 19 68 19 71 19 74 19 77 19 80 19 83 19 86 19 89 19 92 19 95 19 98 20 01 20 04 20 07 20 10 Mio. Euro (Nettokreditaufnahme) 16 Nettokreditaufnahme Quelle: MF Niedersachsen Kreditfinanzierungsquote 41 3.16 Verschuldung des Landes Niedersachsen seit 1990 Quelle: www.mf.niedersachsen.de 42 3.17 Summierte Nettokreditaufnahme und Zinsausgaben 2000 bis 2010 Mio. € 25000 20000 15000 10000 5000 Die Zinsausgaben übersteigen im Zeitraum von 2000 bis 2010 insgesamt die entsprechende Nettokreditaufnahme. 0 Nettokreditaufnahme Quelle: Niedersächsisches Finanzministerium, eigene Berechnungen. Zinsausgaben 43 3.18 Weiterführende Literatur zur Geschichte der Finanzverfassung • Charles B. Blankart, Föderalismus in Deutschland und Europa, Baden-Baden 2007. • Marc Hansmann, Kommunalfinanzen im 20. Jahrhundert. Zäsuren und Kontinuitäten: Das Beispiel Hannover, Hannover 2000. • Karl-Heinrich Hansmeyer, Manfred Kops, Die wechselnde Bedeutung der Länder in der deutschen Finanzverfassung seit 1871, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 125 (1989), 63-85. • Carsten Hefeker, The agony of central power: Fiscal federalism in the German Reich, in: European Review of Economic History 5 (2001), 119-142. • Jürgen W. Hidien, Der bundesstaatliche Finanzausgleich in Deutschland. Geschichtliche und staatsrechtliche Grundlagen, Habil. Kiel 1998, Baden-Baden 1999. • Dietmar Petzina, Veränderte Staatlichkeit und kommunale Handlungsspielräume – historische Erfahrungen in Deutschland im Bereich der Finanzpolitik, in: Dieter Grimm (Hg.), Staatsaufgaben, Baden-Baden 1994, 233-260. • Wolfgang Renzsch, Finanzverfassung und Finanzausgleich. Die Auseinandersetzungen um ihre politische Gestaltung in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Währungsreform und deutscher Vereinigung (1948-1990), Habil. Göttingen 1991, Bonn 1991. • Peter-Christian Witt, Ders., Finanzen und Politik im Bundesstaat Deutschland 1871-1933, in: Jochen Huhn, Peter-Christian Witt (Hg.), Föderalismus in Deutschland. Traditionen und gegenwärtige Probleme, Baden-Baden 1992, 75-99. 44 Freitag, 13.11.15, 16.15 - 17.45 Uhr 4. Strukturproblem des Steuerrechts 45 4.1 Vom Domänen- zum Steuerstaat Domänenstaat Steuerstaat Ertragsteuern Einkommensteuer Umsatzsteuer 1650 1700 1750 1800 1850 1900 1950 46 4.2 Liberale versus „linke“ Steuerpolitik Liberaler Ansatz „Linker“ Ansatz • „Die Untertanen jeden Staates sollten zur Unterstützung der Regierung soweit wie möglich im Verhältnis zu ihren jeweiligen Fähigkeiten beitragen; das heißt im Verhältnis zu den Einkünften, derer sie sich jeweils unter dem Schutz des Staates erfreuen.“ (Adam Smith) • „Bürger, deren Einkommen das nicht übersteigen, was für ihre elementaren Bedürfnisse notwendig ist, sollen von Leistungen für öffentlichen Ausgaben freigestellt werden; die anderen sollen diese gemäß ihrem Vermögen ansteigend unterstützen.“ (Maximilien de Robespierre) • „Ich werfe also dem jetzigen Zustande vor, dass er viel zu viel von den direkten Steuern verlangt, zu wenig von den indirekten, und ich strebe danach, direkte Steuern abzuschaffen und [...] durch indirekte Steuern zu ersetzen.“ (Bismarck 1879) • „Starke Progressivsteuer“ (Karl Marx, Kommunistisches Manifest von 1848) • „Eine einzige progressive Einkommensteuer für Staat und Gemeinde, anstatt aller bestehenden, insbesondere der das Volk belastenden indirekten Steuern.“ (Gothaer Programm der SPD von 1875) • Einkommensteuer allenfalls in Form einer „flat tax“ oder eines Stufentarifs 47 4.3 Traditionelle Ertragsteuern (z.B. Württemberg 1821) • Liberaler Ansatz, die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger unbedingt zu schützen. Das persönliche Einkommen ist Privatsache. Das schließt Selbstdeklaration und staatliche Überprüfungen aus. Steuerveranlagung daher nur anhand äußerlicher Merkmale, wie z.B. Anzahl der Fenster oder Beschäftigten, die sichtbare Kapitalausstattung, Durchschnitterträge. Anfang des 18. Jh. wird es als gerecht empfunden, dass der derjenige, der schlecht wirtschaftet, genauso viele Steuern (z.B. gemessen anhand eines durchschnittlichen Bodenertrags) zahlt, wie ein „Tüchtiger“. • Ideale Umsetzung durch Ertragsteuern = Steuern auf Objekte, also Gebäude, Grund und Boden, Gewerbebetriebe, und zwar in Höhe des im Durchschnitt erzielbaren, geschätzten (Rein-) Ertrags (Rohertrag abzüglich Produktionskosten). • Problem der schwierigen Erhebung: umfassendes Kataster für den geschätzten Ertragswert von jedem Gebäude, jeder Parzelle und jedem Gewerbebetrieb nötig einschließlich dessen Pflege. • Im Zuge der Industrialisierung steigt der Ertragswert der Betriebe erheblich, ohne dass dies laufend angepasst werden kann: Daher überproportionale Belastung der Landwirtschaft im 19. Jh. und (anfänglich) unintendierte Förderung des Strukturwandels. • Keine dynamische Einnahmequelle, da Steuern nicht konjunkturreagibel sind und in Form von Umlagen erhoben werden. Steuern haben eine feste Summe zu bringen, die vom Haushaltsplan bestimmt wird. Diese Summe wird zunächst anteilig verteilt auf die Objektarten (also Gebäude, Grund und Boden, Gewerbebetriebe) und dann gemäß des Katasteranschlags auf das einzelne Objekt verteilt. 48 4.4 Entstehung der Einkommensteuer • Anstelle der gemeindeüblichen durchschnittlich-möglichen Erträge einzelner Objekte soll bei der Einkommensteuer das tatsächlich erzielte gesamte Einkommen einer Person besteuert werden. Die Steuerlast entspricht der Leistungsfähigkeit. Der „Tüchtige“ zahlt also mehr als der „Unfähige“ oder „Faule“. • Das „unfundierte“ Einkommen aus Arbeit und Kapital wird erstmals vollständig besteuert. • Einkommensteuer ist aufkommensstärker und leichter zu erheben (Selbstdeklaration) als die traditionellen Ertragsteuern. • Grundproblem: Wie wird das zu versteuernde Einkommen (Bemessungsgrundlage) definiert? • erste moderne deutsche Einkommensteuer in Sachsen 1874/88 • Einführung durch Miquel in Preußen 1891 (erst nach Ende der „Ära Bismarck“ möglich) • Fortentwicklung durch Erzberger/Popitz (1919/25), u.a. Ergänzung durch Körperschaftsteuer • Das preußische Steuergesetz ist bis heute die Grundlage der Einkommenssteuer. • Einkommensteuer kann als Mittel zur Umverteilung eingesetzt werden. Daher fordert die SPD eine Einkommensteuer seit ihrer Gründung im Jahre 1863 und herrscht ein hoher Widerstand gegen ihre Einführung in Preußen. 49 4.5 Die Pflicht zur Einkommensteuererklärung Die Bürger müssen zum ersten Mal in der Geschichte dem Staat ihr vollständiges Einkommen offen legen. Dagegen gibt es erheblichen Widerstand: „Ganz verwerflich als eine Ausgeburt verkehrtester Finanzpolitik ist der sogenannte Fassion. Dieselbe besteht darin, dass der Steuerpflichtige den betreffenden Staatsbeamten sein Einkommen summarisch, am liebsten haarklein darlegt. … Die Methode ist freilich practiziert worden u.a. im Königreich Sachsen. Die Folge ist aber allerwege, dass dem Staat eine schwere Last von Lügen aufgebürdet wird, deren Schuld ganz allein auf ihn fällt. Denn das gestellte Verlangen ist eine Thorheit und ein Rechtsüberschreitung… Die Fanatiker der Fassion, welche Theils pedantische Ausläufer der Bureaukratie theils Kinder eines unreifen Idealismus sind, … diese Fanatiker haben zuweilen terroristische Maßregeln vorgeschlagen, um die Wirksamkeit der Fassion zu sichern, z.B. … inquisitorische Befugnisse der Behörden. Die Folge wird stets sein, dass man vieles Vermögen aus dem Lande scheucht, anderem [Vermögen] Verbergungskünste aufdrängt… Es ist sehr schlimm, wenn es ein Gebiet gibt, wo beinahe jedermann lügt, wo jeder vom anderen weiß, dass er lügt, und doch der Schein der Wahrheit immerfort erheuchelt werden muss. Der Staat hat nach dem Einkommen gar nichts zu fragen.“ Prof. Rößer 1873 in einem Gutachten für den Verein für Socialpolitik 50 4.6 Die erste deutschen Einkommensteuer in Sachsen 1874/78 • Hintergrund: Frühe Industrialisierung und Gründung der SPD in Sachsen • Selbstangabe des Einkommens auf einem vorgeschriebenen Deklarationsformular erforderlich • Tarif setzte mit 1/6 % bei einem Einkommen von 301 Mark ein und endete bei 3 % ab einem Einkommen von über 5400 Mark. • Weitgehende Definition des Einkommens: Einkommen sind – ohne Rücksicht auf die Quelle – alle in Geld oder Geldeswert bestehenden Einnahmen, mit Einschluss des Mietwerts der Wohnung im eigenen Haus oder sonstiger freier Wohnung sowie des Werts der verbrauchten Erzeugnisse aus eigener Landwirtschaft und eigenem Gewerbebetrieb. • Einführung eines „Verbrauchseinkommens“ (= Verbrauchsaufwand) zur Lösung des Problems, wenn ein hoher Lebensstandard nicht mit dem niedrig deklarierten Einkommen übereinstimmt: „Ist das Einkommen einer Person … geringer als die Summe, welche sie zur Bestreitung des Unterhalts für sich und die von ihr unterhaltenen Personen … aufwendet, so kann diese Summe … als Betrag des Einkommens angenommen werden.“ (§ 15) Die Veranlagung erfolgte durch eine Einschätzungskommission mit Fragerecht. • Heranziehung der Vorschriften des ab 1869 geltenden Allgemeinen Handelsgesetzbuches (AHGB) zur Lösung des Problems der Bemessungsgrundlage bei der Unternehmensbesteuerung 51 4.7 Das preußische Einkommensteuergesetzes von 1891 • synthetische Einkommensteuer • vier Einkunftsarten: Einkommen aus „Kapitalvermögen, Grundvermögen, Pachtungen und Miethen, [...] Handel und Gewerbe, Gewinn bringender Arbeit“ • steuerfreies Existenzminimum bis zu einem Betrag von 900 Reichsmark • für heutige Verhältnisse mäßige, damals aber umstrittene Progression bzw. Degression, fallend von einem Höchstsatz von knapp 4 Prozent für Einkommen über 100.000 Mark • Mindestsatz von durchschnittlich 0,62 Prozent für Einkommen von 901 bis 1.050 Reichsmark • Kinderfreibetrag • Abzugsmöglichkeit von Werbungskosten, Schuldzinsen und Abschreibungen sowie Beiträge zu den Sozialversicherungen • Einführung der Steuererklärungspflicht (Selbstdeklaration) für alle Einkommen über 3.000 Mark • Abschaffung des unzulänglichen Einschätzungsverfahrens nach äußeren Merkmalen, in dem Steuerpflichtige grob nach ihrem Besitz bzw. ihrem Beruf in bestimmte Klassen eingeteilt worden waren • Wohnortprinzip 52 4.8 Entwicklung der Anteile der Steuern vom Einkommen und Umsatz am Gesamtsteueraufkommen v.H. 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1913 1925 1932 1936 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2009 Steuern vom Einkommen (einschl. Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag) Steuern vom Umsatz Die Bedeutung der Umsatzsteuer nimmt seit ihrer Einführung 1916/18 stetig zu. Der säkulare Trend der Einkommensteuer als mit Abstand aufkommensstärkste Steuer scheint beendet zu sein. Quelle: für die Jahre 1913 bis 1936: Volker Hentschel (1985), 273; für die Jahre ab 1950: http://www.bundesfinanzministerium.de/ nn_4158/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Steuern/Steuerschaetzung__einnahmen/Steuereinnahmen/0601011a6002.html, eigene Berechnungen. 53 4.9 Entwicklung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer seit 1913 v.H. 100 Steuersätze der Siegermächte 90 80 Finanzreformen 70 Erzberger 60 Eichel 50 Kriegszuschläge 40 Popitz 30 20 10 0 1913 1920 1925 1939 1946 1953 1958 1970 1975 1990 2000 2001 2004 2005 Seit 1920 sind die Spitzensteuersätze der Einkommensteuer nominal hoch, jedoch ist die reale Belastung aufgrund der steuerlichen Subventionen/Abzugsmöglichkeiten deutlich niedriger. Quelle: Hansmann (2007), 441. 2007 54 4.10 „Verluderung“ der Bemessungsgrundlage durch Steuerpolitik • Die synthetische Einkommensteuer impliziert, dass alle Einkunftsarten gleich hoch belastet werden. Grundproblem der praktischen Umsetzung ist jedoch die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, und zwar insbesondere bei den Unternehmens- und Kapitaleinkünften. Die Möglichkeiten zur Steuergestaltung sind während des gesamten 20. Jh. durch die Politik gezielt vergrößert worden. • „Der Finanzminister ist der beste Sozialisierungsminister.“ (Erzberger 1919) • Der NS-Staat führte eine Reihe von Steuersubventionen ein, u.a. die Steuerfreiheit für Nachtzuschläge, um die Zustimmung zum Regime zu festigen. • In der gesamten Geschichte der Bundesrepublik wurden Anzahl und Umfang der Steuersubventionen erhöht. Der erste Bundesfinanzminister Schäffer machte aus der Not, also den hohen, von den Siegermächten auferlegten Steuersätzen, eine Tugend und förderte massiv die „Selbstfinanzierung“ der Unternehmen. Großzügige Abschreibungsregelungen und niedrige Steuern für einbehaltene Gewinne schufen starke Investitionsanreize. Die Unternehmen wurden letztlich vor die Wahl „Investition oder Finanzamt“ gestellt. „Von diesem Strukturfehler überhöhter Steuersätze und löchriger Bemessungsgrundlagen hat sich das deutsche Steuerrecht bis heute nicht erholt.“ (Paul Kirchhof). • Die ab 1967 durchgeführten Versuche, durch Steuern zu steuern, führten zu zusätzlichen Steuersubventionen bzw. Abzugsmöglichkeiten. Die Bemessungsgrundlage „verluderte“ (Klaus Tipke) zunehmend. Sämtliche bereits seit den fünfziger Jahren unternommenen Versuche, diese Entwicklung zu stoppen und das Steuerrecht grundlegend zu reformieren, scheiterten. • abnehmende Halbwertszeit der Steuerreformen, zentraler Konflikt im Bundestagswahlkampf 2005 55 4.11 Entwicklung der Lohn- und Unternehmensteuern von 1950 bis 2014 Mrd. € 175 150 125 100 75 50 25 0 1950 1955 1960 1965 Lohnsteuer 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Unternehmensteuern (Gewerbe- + Körperschaftsteuer) 56 4.12 Vergleich internationaler Steuer- und Abgabenquoten im Jahr 2008 v.H. 50 45 40 35 30 25 20 15 10 Deutschland Frankreich Schweden Steuerquote Großbritannien USA Japan Abgabenquote Quelle: BMF-Monatsbericht Juli 2010, 125 (Tab. 15), 126 (Tab. 16). 57 4.13 Weiterführende Literatur zur Geschichte des Steuerrechts • Peter Bareis, Die Reform der Einkommensteuer vor dem Hintergrund der Tarifentwicklung seit 1934, in: Paul Kirchhof, Wolfgang Jakob, Albert Bermann (Hrsg.), Festschrift für Klaus Offerhaus zum 65. Geburtstag, Köln 1999, S. 1053-1069. • Giacomo Corneo, The Rise and Likely Fall of the German Income Tax, 1958-2005, in: CESifo Economic Studies 51 (2005), 159-186. • Dieter Dziadkowski, 50 Jahre Reformansätze bei der Einkommensteuer. Anmerkungen zu den Reformschritten seit der „Großen Steuerreform 1955“, in: Ifo-Schnelldienst 58 (2005), S. 23-29. • Volker Hentschel, Steuersystem und Steuerpolitik in Deutschland 1890-1970, in: Werner Conze, M. Rainer Lepsius (Hg.), Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zum Kontinuitätsproblem, Stuttgart, 2. Aufl., 1985, 256-295. • Stefan Homburg, Allgemeine Steuerlehre, München 6. Aufl. 2010. • Paul Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit. Für ein neues Steuerrecht – klar, verständlich, gerecht, München, Wien 2004. • Fritz Neumark, Der Aufstieg der Einkommensteuer. Entstehung und Entwicklung der direkten Besteuerung, in: Uwe Schultz (Hg.), Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 1986, 232244. • Eckart Schremmer, Einfach und gerecht? Die erste deutsche Einkommensteuer von 1874/78 in Sachsen als Lösung eines Reformstaus in dem frühindustrialisierten Lande, in: Scripta Mercaturae 35/2 (2001), 38-64. • Ders., Warum die württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die sächsischen Einkommensteuer von 1874/78 so interessant sind, Stuttgart, Leipzig 2002. • Uwe Wagschal, Steuerpolitik und Steuerreformen im internationalen Vergleich. Eine Analyse der Ursachen und Blockaden, Münster 2005 • Klaus Tipke, Ein Ende dem Einkommensteuerwirrwarr!? Rechtsreform statt Stimmenfangpolitik, Köln 2006. 58 Freitag, 20.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr 5. Strukturproblem der Finanzverwaltung 59 5.1 „Institutions do matter“: Strukturprobleme des Finanzministeriums und ihre Folgen Eigeninteresse des Inhaltliches Interesse Finanzministeriums des Finanzministeriums Strukturprobleme des Finanzministeriums Ausweitung der eigenen Kompetenzen (in Form neuer Aufgaben sowie zu Lasten anderer Ressorts und der Länder) • stete Vergrößerung und Diversifizierung (siehe steigende Anzahl der Abteilungen, Referate, Beschäftigen und Staatssekretäre) • extreme Arbeitsteilung und Zuständigkeitsdenken • ausgeprägte Hierarchieebenen • großer Overhead • geringe organisationsübergreifende Zusammenarbeit • Orientierung am Detail, kein ganzheitlicher Ansatz • Perfektionismus und Regelorientierung, geringe Zielorientierung • Problem „Führung und Steuerung“ • Prinzipal-Agent-Problem (Max Weber: „Experten-Laien-Dilemma“) • Durchsetzen einer soliden Finanzpolitik • Perfektionierung der Gesetze (insbesondere im Steuerbereich) • Funktionierende Finanzverfassung „Es bestand und besteht ein krasses Missverständnis zwischen akribischen haushaltspolitischen Bemühungen im Bereich der unmittelbaren Bundesausgaben und einer eher sorglosen Nichtbeachtung der großen Strukturprobleme in der Sozialversicherung.“ (Thilo Sarrazin 1983, S. 382) „... gerade der Perfektionismus des Reichsfinanzministeriums [war in den 20er Jahren, M.H.] eine der wesentlichen Ursachen für die finanziellen Mißerfolge und die soziale Unausgewogenheit der Steuerpolitik “ (PeterChristian Witt 1975, S. 69) Darüber hinaus dürfte in der strikten, von Anfang an bestehenden organisatorischen Trennung zwischen Haushalt 60 und Steuern ein weiterer Grund für die Etatprobleme liegen. 5.2.1 Entwicklung der Organisation vom Reichsschatzamt zum Bundesfinanzministerium 1848/49 Reichsfinanzministerium der Provisorischen Zentralgewalt 1871-1878 Finanzbüro/Finanzabteilung in der Reichskanzlei 1879-1918 Reichsschatzamt 1919-1945 Reichsfinanzministerium 1946-1949 1919-1923: Reichsschatzministerium (zusätzlich) 1957-1969: Bundesschatzministerium (zusätzlich) (bis 1961: Bundesministerium für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes) 1971-1972: Fusion zum Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen Gemeinsamer Deutscher Finanzrat Verwaltung für Finanzen (der Bizone) Bundesfinanzministerium seit 1949 61 5.2.2 Aufbau und Aufgaben des Reichsschatzamts 1879 und 1912 Reichsschatzamt 1879 (Gründung) Reichsschatzamt 1912 Abteilung I Abteilung I Etat-, Kassen- und Rechnungswesen Abteilung II Indirekte Steuern und Zölle Abteilung II A Verkehr- und Besitzsteuern Zusätzlich (seit 1908) Volkswirtschaftliches Büro (Kernaufgabe: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) Referate Anzahl nicht bekannt Beschäftigte 95 (im Jahr 1913) Finanzverwaltung (Etat-, Kassen- und Rechnungswesen) Abteilung II Zölle und Steuern Referate Anzahl nicht bekannt Beschäftigte 55 Haushalt sowie Steuern und Zölle sind bis heute die Kernaufgaben des Finanzministeriums. 62 5.2.3 Aufbau und Aufgaben des Reichsfinanzministeriums 1919/20 und 1927 Reichsfinanzministerium 1919/20 Reichsfinanzministerium 1927 Abteilung Z („Zentralbüro“) Personalien des Ministeriums Abteilung Z Personalien des Ministeriums Abteilung I Haushaltsfragen Abteilung I Allgemeines Etat-, Kassen- und Rechnungs- und Besoldungswesen Abteilung II Zölle und Verbrauchabgaben Abteilung I a Haushalt der Verkehrsverwaltungen Abteilung III Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung II Zollwesen und Verbrauchsabgaben Abteilung IV Abteilung III Besitz- und Verkehrsteuern Reparationen, Finanzausgleich, Rechtsangelegenheiten Abteilung IV Organisation der Reichsfinanzverwaltung und laufende Personalverwaltung Referate 80 Beschäftigte 668 (im Jahr 1929) Abteilung V Währungs-, Münz- und Bankwesen, Anleihen, Ausführung des Friedensvertrags, finanzielle Beziehungen zum Ausland zusätzlich Ministerbüro und „Nachrichtenstelle“ (= Pressestelle) Referate Anzahl nicht bekannt Beschäftigte 193 (1919), 758 (1920) Zusätzliche Aufgaben seit 1919: 1. Organisation der Reichsfinanzverwaltung 2. Kriegsfolgen/Reparationen 3. Finanzausgleich Seit 1919/20 gibt es zudem eine separate Zentralabteilung, ein Ministerbüro und eine Pressestelle 63 5.2.4 Aufbau und Aufgaben des Reichsfinanzministeriums 1944 Reichsfinanzministerium 1944 Abteilung I Reichshaushalt und Finanzwesen der Gebietskörperschaften Abteilung I A Finanzwesen der Ländern, der Reichsgaue, der Gemeinden und sonstigen Gebietskörperschaften, Reichsreform, Finanzausgleich Abteilung II Zölle und Verbrauchsteuern Abteilung III Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung IV Besoldungs-, Beamten- und Versorgungsangelegenheiten, Angestellten- und Arbeiterfragen, Liegenschaften Abteilung V Zwischenstaatliche Finanzfragen, allgemeine Wirtschafts- und Rechtsfragen Abteilung VI Personal und Verwaltung Abteilung VII Reichsbauverwaltung zusätzlich Statistisches Büro (Anfänge einer „Grundsatzabteilung“) Referate 115 Beschäftigte 1.547 (im Jahr 1943) Neue Zuständigkeiten im NS-Staat: 1. Zuständigkeit für Dienst- und Tarifrecht 2. Reichsbauverwaltung 3. Anfänge einer „Grundsatzabteilung“ 64 5.2.5 Aufbau und Aufgaben des Bundesfinanzministeriums 1950 und 1960 Bundesfinanzministerium 1950 Bundesfinanzministerium 1960 Abteilung I Abteilung I Organisation und Personalien, Allgemeine Verwaltung Abteilung II Bundeshaushalt Abteilung III Zölle, Verbrauchsteuern, Monopole Abteilung IV Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung V Schuldenwesen, allgemeine und internationale Finanzierungsfragen, Finanzbeziehungen zu den Ländern, Wirtschaftsförderung, Abteilung II Organisation, Personalien, Allgemeine Verwaltung, Beamten-, Versorgungs-, Besoldungs- und Tarifrecht Allgemeine Finanzpolitik und öffentliche Finanzwirtschaft (mit Volkswirtschaftlicher Gruppe, Bundeshaushalt, Bundesvermögen, Bund und Länder, Bundesbauangelegenheiten) Abteilung III Zölle und Verbrauchsteuern Abteilung IV Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung V Banken, internationale Finanzierungsfragen, Devisen, öffentliches Versicherungswesen Abteilung VI Abteilung VI Rechtsangelegenheiten, Liquidation des Krieges Liquidation des Krieges, Verteidigungslasten, Rechtsangelegenheiten zusätzlich Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung Finanzpolitische und Volkswirtschaftliche Gruppe Referate 101 Sondergruppe Lastenausgleich Beschäftigte 1.278 Referate 82 Beschäftigte 780 Zusätzliche Aufgaben seit 1950: 1. Kriegsfolgen und Lastenausgleich 2. Volkswirtschaftliche Gruppe 65 5.2.6 Aufbau und Aufgaben des Bundesfinanzministeriums 1969 und 1970 Bundesfinanzministerium 1969 Bundesfinanzministerium 1970 Abteilung Z Organisation und Personalien, Allgemeine Verwaltung Abteilung Z Organisation und Personalien, Allgemeine Verwaltung Abteilung I Grundsatzfragen der Finanzpolitik, Finanzbeziehungen zu den Ländern und Gemeinden, Finanzreform Abteilung I Grundsatzfragen der Finanzpolitik, Finanzbeziehungen zu den Ländern und Gemeinden, Finanzreform Abteilung II Bundeshaushalt Abteilung II Bundeshaushalt Abteilung III Zölle, Verbrauchsteuern, Monopole Abteilung III Zölle, Verbrauchsteuern, Monopole Abteilung IV Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung IV Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung V Schuldenwesen, allgemeine und internationale Finanzierungsfragen, Wirtschaftsförderung Abteilung V Schuldenwesen, allgemeine und internationale Finanzierungsfragen, Wirtschaftsförderung Abteilung VI Liquidation des Krieges, Verteidigungslasten, Rechtsangelegenheiten Abteilung VI Liquidation des Krieges, Verteidigungslasten, Rechtsangelegenheiten Referate 119 Abteilung VII Bauwesen Beschäftigte 1.387 Abteilung VIII Industrielles Bundesvermögen Referate 153 Beschäftigte 1.766 1970: Eingliederung des Schatzministeriums 66 5.2.7 Aufbau und Aufgaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen 1971 Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen 1971 Abteilung W/Z Zentralabteilung Abteilung F/Z Organisation und Personalien, Allgemeine Verwaltung Abteilung W/E Europaabteilung Abteilung F/I Grundsatzfragen der Finanzpolitik, Finanzbeziehungen zu den Ländern und Gemeinden, Finanzreform Abteilung W/I Wirtschaftspolitik Abteilung F/II Bundeshaushalt Abteilung W/II Strukturpolitik für kleine und mittlere Unternehmen, Handwerk Abteilung F/III Zölle, Verbrauchsteuern, Monopole Abteilung W/III Energiepolitik und Grundstoffe Abteilung F/IV Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung W/IV Gewerbliche Wirtschaft Abteilung F/V Schuldenwesen, allgemeine und internationale Finanzierungsfragen, Wirtschaftsförderung Abteilung W/V Außenwirtschaft und Entwicklungshilfe Abteilung F/VI Liquidation des Krieges, Verteidigungslasten, Rechtsangelegenheiten Abteilung W/VI Geld und Kredit Abteilung F/VII Bauwesen Abteilung F/VIII Industrielles Bundesvermögen Referate 268 Beschäftigte 3.176 67 5.2.8 Aufbau und Aufgaben des Bundesfinanzministeriums 1989 Bundesfinanzministerium 1989 Abteilung Z Zentralabteilung (Organisation und Personalien, Allgemeine Verwaltung) Abteilung I Grundsatzfragen der Finanzpolitik, finanzpolitische Fragen einzelner Bereiche, industrielles Bundesvermögen Abteilung II Bundeshaushalt Abteilung III Zölle, Verbrauchsteuern, Branntweinmonopol Abteilung IV Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung V Finanzbeziehungen zu der EG, den Ländern und Gemeinden, internationale Finanzfragen, Staatsrecht Abteilung VI Rechtsangelegenheiten, Abwicklung der finanziellen Folgen des Krieges, Verteidigungslasten, Bundesliegenschaften Abteilung VII Geld und Kredit Referate 140 Beschäftigte 1.649 Aus der kurzen Episode der Zusammenlegung mit dem Wirtschaftsministerium bleibt dem BMF die Abteilung „Geld und Kredit“. 68 5.2.9 Aufbau und Aufgaben des Bundesfinanzministeriums 1993 Bundesfinanzministerium 1993 Abteilung Z Zentralabteilung (Organisation und Personalien, Allgemeine Verwaltung) Abteilung I Grundsatzfragen der Finanzpolitik, finanzpolitische Fragen einzelner Bereiche Abteilung II Bundeshaushalt Abteilung III Zölle, Verbrauchsteuern, Branntweinmonopol Abteilung IV Besitz- und Verkehrsteuern Abteilung V Finanzbeziehungen zu den Ländern und Gemeinden, Rechtsangelegenheiten, Abwicklung der finanziellen Folgen des Krieges, offene Vermögensfragen Abteilung VI Liegenschaftsangelegenheiten der ausländischen Streitkräfte, Bundesliegenschaften, bewegliches Bundesvermögen Abteilung VII Geld und Kredit Abteilung VIII Bundesbeteiligungen, Treuhandanstalt Abteilung IX Internationale Währungs- und Finanzbeziehungen, Finanzbeziehungen zu der EU Referate 173 Beschäftigte 2.189 Nach der Deutschen Einheit erhält das BMF die Regelung offener Vermögensfragen sowie die Rechtsund Fachaufsicht über die Treuhandanstalt als zusätzliche Aufgaben. Zudem ist im organisatorischen Aufbau erkennbar, dass insbesondere europäische Themen bedeutsamer werden (Abt. IX). 69 5.2.10 Aufbau und Aufgaben des Bundesfinanzministeriums 2005 Bundesfinanzministerium 2005 Abteilung Z Zentralabteilung (Organisation und Personalien, Allgemeine Verwaltung) Abteilung I Grundsatzfragen der Finanzpolitik, finanzpolitische Fragen einzelner Bereiche, Wirtschaftsförderung Abteilung II Bundeshaushalt Abteilung III Zölle, Verbrauchsteuern, Branntweinmonopol Abteilung IV Besitz- und Verkehrsteuern, Umweltbezogene Steuer- und Abgabenpolitik Abteilung V Finanzbeziehungen zu den Ländern und Gemeinden, Rechtsangelegenheiten, Abwicklung der finanziellen Folgen des Krieges, offene Vermögensfragen Abteilung VII Nationale und internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik Abteilung VIII Privatisierungs- und Beteiligungspolitik, Bundesimmobilien, Treuhandnachfolgeaufgaben Abteilung E Europapolitik Referate 153 Beschäftigte 2.050 Auf Druck des neuen Finanzministers Lafontaine übernimmt das BMF 1998 vom Wirtschafts-ministerium die Kompetenz, die deutsche Europapolitik (die gesamte „Nichtaußenpolitik“) zu koordinieren. Jedoch hat sich die Aufbauorganisation (Gliederung in Abteilungen) mit den klassischen Schwerpunkten Haushalt, Steuern und Zölle seit 1879 wenig verändert. 70 5.3.1 Vergrößerung des Apparats: Anzahl der Abteilungen und Referate 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 1879 1912 1920 1923 1927 1944 1950 1960 1969 1970 1971 1989 1993 2005 Die Verkleinerung des Apparats durch die durchsetzungsstarken Staatsekretäre Popitz (1925-1929) und Hartmann (1949-1957) ist im NS-Staat und den 70er Jahren rückgängig gemacht worden. In absehbarer Zukunft wird das Finanzministerium wieder die Größe von der Zeit vor der Deutschen Einheit erreichen. Abteilungen 300 Analog zu den zunehmenden Aufgaben und der wachsenden Diversifizierung steigt die Anzahl der Referate (= Arbeitseinheiten). Kausalität mit zunehmender Regelungsdichte und die Detailorientierung? 250 200 150 100 50 0 1879 1912 1920 1923 1927 1944 1950 1960 Referate 1969 1970 1971 1989 1993 2005 71 5.3.2 Vergrößerung des Apparats: Anzahl der Beschäftigten und (Unter-)Staatssekretäre Analog zum Anwachsen der Staatsaufgaben bzw. -ausgaben nimmt die Anzahl der Beschäftigten im Finanzministerium zu. Allerdings dürfen auch umgekehrte Kausalitätsbeziehungen vermutet werden. 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 1879 1913 1920 1923 1929 1944 1950 1960 1969 1970 1971 1980 1989 1993 2005 Beschäftigte 6 Seit 1968 gibt es die (problematische) Trennung zwischen Steuerund Haushaltsstaatssekretär, was Popitz und Hartmann vorher verhindert hatten. Die Trennung besteht auch auf der Ebene der in der ersten Großen Koalition eingeführten Parlamentarischen Staatssekretäre. 5 4 3 2 1 0 1879 1913 1920 1923 1929 1944 1950 1960 1969 Staatssekretäre 1970 1971 1980 1989 1993 2005 72 5.4 Ansatz des Public choice: Finanzministerium und Finanzminister im Interessengeflecht Machtgruppe Eigeninteresse Inhaltliches Interesse Finanzministerium Ausweitung der eigenen Kompetenzen insbesondere durch Vergrößerung des Apparats Durchsetzen einer soliden Finanzpolitik; Perfektionierung der Gesetze Finanzminister Machterhalt; Erweiterung der Machtstellung gegenüber Fachressorts und Parlament Durchsetzen einer soliden Finanzpolitik Parteien und Fraktionen Machterhalt durch Stimmenmaximierung; Erweiterung der Machtstellung im Parlament; Kampf für Rechte der Legislative Erreichen der politischen Ziele Kanzler Machterhalt durch Stimmenmaximierung; Sicherung der Machtstellung in der Regierung und im Parlament Reibungsloses Funktionieren der Regierung; Erreichen der politischen Ziele Fachressorts Machterhalt; Erweiterung der Machtstellung Erreichen der fachlichen Ziele Länder Machterhalt im eigenen Land; Erweiterung der Machtstellung auf der nationalen Ebene Erreichen der politischen Ziele Sonstige Machtgruppen (Verbände/Tarifparteien) Rechtfertigung ihres Daseins durch effektive Klientelpolitik Subventionierung ihrer jeweiligen Klientel Mit Ausnahme des Finanzministers und der Finanzverwaltung haben sämtliche Machtgruppen allenfalls ein partielles Interesse an einer soliden Finanzpolitik. 73 5.5 Stellung des Finanzministers als weiteres Strukturproblem der Organisation gegenüber Politik (Parteien und Parlament/ Fraktionen) gegenüber anderen Ressorts bzw. innerhalb der Regierung Stellung des Finanzministers gegenüber den Ländern gegenüber Interessenvertretungen und Verbänden (schwer messbar, daher im folgenden nicht analysiert) Wenn nur der Finanzminister ein genuines Interesse an einer soliden Finanzpolitik hat, ist für die Durchsetzung dieses Interesses entscheidend, wie stark seine Stellung gegenüber den anderen Machtgruppen ist. Diese Stellung wird für die einzelnen Zeitphasen nachfolgend aufgezeigt. 74 5.6 Stellung des Finanzministers von 1879 bis 1918 Zeit Stellung gegenüber anderen Ressorts bzw. innerhalb der Regierung Stellung gegenüber Politik (Parteien und Parlament/ Fraktionen) Stellung gegenüber den Ländern 1900-1918 Schwach • Keine Kontrolle über Militärhaushalt • Schwache Position bei Haushaltsaufstellung gegenüber Ressorts und Bundesrat Schwach • Keine Minister- bzw. Ressortstellung (zumindest de jure) • Keine parteipolitische Bindung • Prekäre Mehrheiten der Reichsregierungen im Parlament (keine sichere Budgetmehrheit) • Budgetrecht des Parlaments als Instrument der innenpolitischen Auseinandersetzung Schwach • Insbesondere wenn nicht gleichzeitig preußischer Staatsminister • De facto nur schwache Gesetzgebungskompetenz, da starke Stellung des Bundesrates mit einem dominierenden Preußen • Zoll- und Steuerverwaltung bei Ländern 75 5.7 Stellung des Finanzministers von 1919 bis 1945 Zeit Stellung gegenüber anderen Ressorts bzw. innerhalb der Regierung Stellung gegenüber Politik (Parteien und Parlament/ Fraktionen) Stellung gegenüber den Ländern 1919-1932 Stark (zumindest de jure) • Starke Position bei Haushaltsaufstellung • Starke Position durch Reichshaushaltsordnung vom 31.12.1922 • Schaffung von Generalreferenten für den Haushalt in den Ressorts (heute Beauftragte für den Haushalt) • Aber: De facto abhängig von der Unterstützung durch den Reichskanzler Mittel Sehr stark • Minister- bzw. • Umfassende (Steuer-) Ressortstellung Gesetzgebungskompetenz • In der Regel parteipolitische • Reichszoll- und Bindung steuerverwaltung • Prekäre Mehrheiten der • Durchweg konstruktives Reichsregierung im Verhalten Preußens Parlament (keine sichere Budgetmehrheit) 1933-1945 Sehr schwach • Finanzierung der Aufrüstung außerhalb des Haushalts • Weitgehender Funktionsverlust der Ministerien Sehr schwach • Schwache Stellung innerhalb der NS-Polykratie Nicht definierbar • Völliger Funktionsverlust der Länder 76 5.8 Stellung des Finanzministers von 1949 bis 2000 Zeit Stellung gegenüber anderen Ressorts bzw. innerhalb der Regierung Stellung gegenüber Politik (Parteien und Parlament/ Fraktionen) Stellung gegenüber den Ländern 1949-2000 Stark (zumindest de jure) • Starke Position bei Haushaltsaufstellung • Ausgabenbewilligungsrecht nach Art. 112 GG • Aber: De facto abhängig von der Unterstützung durch den Bundeskanzler Stark • Minister- bzw. Ressortstellung • Starke parteipolitische Bindung • Stabile Mehrheiten der Bundesregierung im Parlament (sichere Budgetmehrheit) • Aber: Häufig Ansehensund damit Machtverlust im Laufe der Amtszeit Mittel • Umfassende (Steuer-) Gesetzgebungskompetenz, aber Zustimmung des Bundesrats erforderlich • Verhalten des Bundesrates zunehmend parteipolitisch geprägt • Bundeszollverwaltung • Steuerverwaltung der Länder 77 5.9 „Schwäche des Finanzministers“ „In der Schwäche des Reichsfinanzministers spiegelte sich also nur die Führungsschwäche der gesamten Regierung wieder, die außerstande war, die Leistungserwartungen der Bürger nach Prioritäten zu ordnen bzw. Kompromisse darüber zu schließen, welche dieser Leistungserwartungen sofort, welche später und welche angesichts der Finanzlage des Reiches überhaupt nicht befriedigt werden konnten, und daher lieben allen Ansprüchen – und damit letzten Endes auch kaum einem der berechtigten – entsprechen wollte. Manches spricht dafür, daß dieses Verhalten als typisch für eine Regierung angesehen wurde, die von einer prinzipiell reformwilligen Partei, der Sozialdemokratie, geführt wurde, die aber über ihren Reformwillen das Augenmaß für das Machbare, für die finanzielle Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hände verloren hatte. Man meinte, daß sich diese Führungsschwäche der Regierung – denn um nichts anderes handelte es sich ja – aber beheben lassen würde, wenn wieder eine Parteienkoalition mit stärker konservativem Interessenhintergrund die Regierung übernahm. Genau diese Annahme erwies sich aber als Irrtum...“ Peter-Christian Witt 1975, S. 34f. Die Stellung des Finanzministers gegenüber den verschiedenen Machtgruppen ist in den einzelnen Phasen der Finanzgeschichte in der Regel zu schwach gewesen, um den Schuldenanstieg wirkungsvoll zu begrenzen. 78 5.10 Weiterführende Literatur zur Geschichte der Finanzverwaltung • Bundesministerium der Finanzen (Hg.), Von der Reichsschatzkammer zum Bundesfinanzministerium. Geschichte, Leistungen und Aufgaben eines zentralen Staatsorgans, mit einem Geleitwort von Franz Josef Strauß, Bonn 1969. • Dass. (Hg.), 40 Jahre Verantwortung für die Finanzen des Bundes. Das Bundesministerium der Finanzen. Geschichte, Aufgaben, Leistungen, München 1989. • Marc Hansmann, Management und Controlling in der Ministerialverwaltung, Sternenfels u.a. 2004. • Kurt Bienert, Rolf Caesar, Karl-Heinrich Hansmeyer, Das Ausgabenbewilligungsrecht des Bundesfinanzministers nach Art. 112 GG. Historische Entwicklung, praktische Handhabung und finanzwirtschaftliche Bedeutung, Berlin 1982. • Stefan Mehl, Das Reichsfinanzministerium und die Verfolgung der deutschen Juden 1933-1943, Berlin 1990 (= Berliner Arbeitshefte und Berichte zur sozialwissenschaftlichen Forschung Nr. 38). • Peter-Christian Witt, Reichsfinanzminister und Reichsfinanzverwaltung. Zum Problem des Verhältnisses von politischer Führung und bürokratischer Herrschaft in den Anfangsjahren der Weimarer Republik (1918/19-1924), in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 25 (1975), 1-61. 79 Freitag, 20.11.15, 16.15 - 17.45 Uhr 6. "Fiscal agony" des Kaiserreichs 80 6.1 Das Reich als „lästiger Kostgänger der Einzelstaaten“ (Bismarck) Reich (1871 gegründet als „Bund deutscher Fürsten“) Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit • • für indirekte Steuern Erhebung von Matrikularbeiträgen, „solange Reichsteuern nicht eingeführt sind“ (Art. 70 der Reichsverfassung; Zusatz 1909 gestrichen) de facto keine Gesetzgebungshoheit für die Einkommensteuer • abhängig von Matrikularbeiträgen der Länder, also Kostgängergängersituation Zolleinnahmen des Reichs durch Franckensteinsche Klausel von 1879 gekappt (übersteigen die jährlichen Einnahmen des Reiches aus den Zöllen und der Tabaksteuer 130 Mio. RM, ist der Überschuss an die Länder abzuführen) • keine Basissatz der Einkommensteuer (in Preußen) Beteiligung an Zolleinnahmen (1879-1904) • Zoll- und Steuerverwaltung bei den Einzelstaaten Zuschlagsrecht auf die Einkommensteuer Realsteuern • keine • • Länder (= Einzelstaaten) • • für direkte Steuern (de facto) Zustimmung des Bundesrates für sämtliche Gesetze erforderlich • Kommunen • keine • • • 81 6.2 Problem der steigenden Verschuldung des Kaiserreichs Mio. Mark 6000 5000 Sydow 4000 Wermuth 3000 Stengel 2000 Thielmann 1000 0 1877 1890 1892 1894 1896 1898 1900 1902 1904 1906 1908 1910 1912 Reichsschulden (fundiert und unfundiert) Quelle: Peter-Christian Witt (1970), 386. 82 6.3 Versuche zur Finanzreform/Erschließung neuer Einnahmen 1900-1909 Name und Amtszeit Ergebnisse Max Freiherr von Thielmann (18.08.189720.08.1903) • • • Herrmann Freiherr von Stengel (21.08.190320.02.1908) Reinhold Sydow (21.02.190814.07.1909) • • • • • • • • 2. Flottengesetz von 1900 Einführung einer Schaumweinsteuer im Jahre 1902 neuer Zolltarif von 1902 (Lex Trimborn: Mehreinnahmen aus den landwirtschaftlichen Zöllen fließen für Witwen- und Waisenversicherung) Scheitern des Reichswirtschaftsgesetzes von 1902 („Reichshaushaltsordnung“) Reichshaushalt defizitär Lex Stengel von 1904: Vereinfachung des Finanzausgleichs zwischen Reich und den Einzelstaaten (Abschaffung der Franckensteinschen Klausel) Scheitern der Versuche, eine bessere Planung und Kontrolle des Reichshaushalts gegenüber den Ressorts und den Einzelstaaten durchzusetzen Finanzreform von 1905/06: Erhöhung zahlreicher Steuern und Einführung erster direkter Steuern für das Reich (Tantiemesteuer und Erbanfallsteuer) Rücktritt wegen schwieriger Haushaltslage Große Finanzreform von 1908/09: Steuererhöhung und Einführung einer „Talonsteuer“ auf Dividenden und Zinsen sowie Erhöhung des Reichsanteils an der Erbschaftsteuer zusammen mit Reichskanzler Bülow Rücktritt wegen der aus ihrer Sicht gescheiterten Finanzreform 83 6.4 Versuche zur Finanzreform/Erschließung neuer Einnahmen 1909-1913 Name und Amtszeit Ergebnisse Adolf Wermuth (15.07.190916.03.1912) • • • Haushaltskonsolidierung von 1909 bis 1911 durch Deckelung der Militärausgaben Scheitern des Reichshaushaltsgesetzes Rücktritt wegen unzureichender Deckung der Flotten- und Heeresvorlage von 1912 Hermann Kühn (16.03.191231.01.1915) • • • „Militarisierung der Reichsfinanzpolitik“ (Peter-Christian Witt) Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe („Wehrbeitrag“) im Jahre 1913 Einführung einer Vermögenszuwachsteuer 1913 84 6.5 Schwache Stellung des Staatssekretärs im Reichschatzamt Zeit Stellung gegenüber anderen Ressorts bzw. innerhalb der Regierung Stellung gegenüber Politik (Parteien und Parlament/ Fraktionen) Stellung gegenüber den Ländern 1900-1918 Schwach • Keine Kontrolle über Militärhaushalt • Schwache Position bei Haushaltsaufstellung gegenüber Ressorts und Bundesrat Schwach • Keine Minister- bzw. Ressortstellung (zumindest de jure) • Keine parteipolitische Bindung • Prekäre Mehrheiten der Reichsregierungen im Parlament (keine sichere Budgetmehrheit) • Budgetrecht des Parlaments als Instrument der innenpolitischen Auseinandersetzung Schwach • Insbesondere wenn nicht gleichzeitig preußischer Staatsminister • De facto nur schwache Gesetzgebungskompetenz, da starke Stellung des Bundesrates mit einem dominierenden Preußen • Zoll- und Steuerverwaltung bei Ländern 85 6.6 Political economy des Kaiserreichs: Fiscal agony Verfassungspolitik/Parlamentarisierung Reichstagsmehrheit kämpft um das Budgetrecht und für direkte Steuern Reich/Länder Reich als Kostgänger der Länder; Finanzausgleich als Machtkampf Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik erstarkende SPD und sich abzeichnende „Weimarer Koalition“ gegen schwächer werdende Regierungsfraktionen Exekutive zunehmende Abhängigkeit der Reichsregierung vom Reichstag; schwache Stellung des Finanzstaatssekretärs in der Regierung Blockade der Reichsfinanzen durch den starken Föderalismus und den Kampf um Parlamentarisierung/Demokratisierung 86 6.7 Johannes von Miquel: Bedeutendster Finanzminister des 19. Jahrhunderts Johannes von Miquel (preußischer Finanzminister 1890-1901) Leistungen • • • Miquelsche Finanzreform von 1891/93 Einführung der Einkommensteuer in Preußen Stärkung der Kommunalfinanzen (3-Säulen-Modell: Gewerbesteuer, Grundsteuer und Einkommensteuerzuschlag), die den Aufbau der kommunalen Leistungsverwaltung und Infrastruktur ermöglicht Weiterführende Literatur: Thorsten Kassner, Der Steuerreformer Johannes von Miquel. Leben und Werk. Zum 100. Geburtstag des preußischen Finanzministers. Ein Beitrag zur Entwicklung des Steuerrechts, Osnabrück 2001. 87 6.8 Die starke Stellung der Kommunen im Kaiserreich Hohe Einnahmen durch Miquelsche Finanzreform von 1891/93 und durch die Gewinne der Kommunalunternehmen „Alles bar bezahlt, Majestät!“ Stadtdirektor Tramm zu Kaiser Wilhelm II. bei der Einweihung des Neuen Rathauses im Jahre 1913 Forderungen zum horizontalen Finanzausgleich zwischen armen und reichen Städten (insbesondere zur Verteilung der Schullasten) 88 6.9 Quelle: „Gesetz der wachsenden Ausdehnung der Staatsthätigkeit“ „Wir bedürfen einer gesicherten Rechtsordnung im Innern und nach Aussen. … Wir bedürfen nicht minder zahlloser fördernder öffentlicher Thätigkeiten im Interesse der Volkswirthschaft und Cultur. Die Privatthätigkeit reicht auch hier immer weniger aus. … Ich erinnere nur an drei grosse Gebiete, die gegenwärtig in unseren Culturstaaten überall im Vordergrund stehen: an das Unterrichtswesen mit seinen immer grösseren und feineren Bedürfnissen, an das Verkehrswesen, die Wege und Verkehrsanstalten, Post, Telegraphen, Eisenbahnen usw., und an speciell städtische Bedürfnisse, der Reinlichkeit, Gesundheitspflege, Bequemlichkeit, der Versorgung mit Lebensmitteln usw., daher Anstalten der Wasserleitung, Canalisirung, Gasbeleuchtung - vielleicht bald electrische Beleuchtung -, öffentliche Gärten, Markthallen, Viehhöfe usw. Ueberall hat hier bereits und wird immer mehr die öffentliche Thätigkeit des Staats, Kreises, der Gemeinde Platz greifen, - was nichts anderes heisst, als Steigerung der Gemeinwirthschaft, mithin des Finanzbedarfs, wobei man freilich öfters die speciellen Nutzniesser zu Kostenbeiträgen heranziehen kann und soll.“ Adolph Wagner, Ueber die schwebenden deutschen Finanzfragen, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 35 (1879), 76-78. 89 6.10 Quelle: Sociale Frage und Steuerreform „Dem Reiche aber, dem Hort und Schutz der Nation, welches nach Innen und Aussen den Vermögenserwerb sichert, würde in einer solchen Erbschaftssteuer eine angemessene Gabe zu Theil werden. Es ist auch politisch nicht richtig, den Hauptaufwand des Reichs, denjenigen für die Kriegsmacht, allein durch Verbrauchssteuern zu decken, welche doch zumeist von der Masse des Volkes getragen werden. Eine solche Erbschaftssteuer, welche die besitzenden Classen für diesen Aufwand mit heran zieht, würde der Polemik gegen Militarismus und Steuerdruck der unteren Stände eine Waffe entziehen. So in grossen Zügen, denke ich mir eine tiefergreifende Steuerreform, welche neben den finanziellen namentlich die politischen und socialen Momente gebührend berücksichtigt. So denke ich mir eine „Lösung der schwebenden deutschen Finanzfragen“. Opfer werden uns Allen zugemuthet. Das ist unvermeidlich. Worauf es aber ankommt, das ist, die Opfer soweit es uns möglich, gleichmässig zu vertheilen. Dazu müssen auch die wohlhabenden, die gebildeten Classen mitwirken. Die Zeit ist ernst, hüten wir uns vor Allem, was den ärmeren Classen einen mehr oder weniger begründeten Vorwand geben kann, über Verletzung der Gerechtigkeit zu klagen. Justititia regnorum fundamentum, das sei auch in der Steuerpolitik unsere Parole.“ Adolph Wagner, Ueber die schwebenden deutschen Finanzfragen, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 35 (1879), 76-78. 90 6.11 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte des Kaiserreichs • Julia Cholet, Der Etat des Deutschen Reiches in der Bismarckzeit, Berlin 2012. • Wilhelm Gerloff, Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reiches nebst ihren Beziehungen zu Landesund Gemeindefinanzen von der Gründung des Norddeutschen Bundes bis zur Gegenwart, Jena 1913. • Mark Hallerberg, The political economy of taxation in Prussia, 1871-1914, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2002/2, 11-33. • Carsten Hefeker, The agony of central power: Fiscal federalism in the German Reich, in: European Review of Economic History 5 (2001), 119-142. • Rudolf Kroboth, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches während der Reichskanzlerschaft Bethmann Hollwegs und die Geld- und Kapitalmarktverhältnisse (1909-1913/14), Frankfurt a.M. u.a. 1986. • Jürgen Baron Kruedener, The Franckenstein Paradox in the Intergovernmental Fiscal Relations of Imperial Germany, in: Peter-Christian Witt (Hg.), Wealth and Taxation in Central Europe. The History and Sociology of Public Finance, Leamington Spa u.a. 1987, 111-123. • Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte1866-1918, Bd. II: Machtstaat vor der Demokratie, München 1992. • Eckart Schremmer, Steuern und Staatsfinanzen während der Industrialisierung Europas. England, Frankreich, Preußen und das Deutsche Reich 1800 bis 1914, Berlin u.a. 1994. • Mark Spoerer, Steuerlast, Steuerinzidenz und Steuerwettbewerb. Verteilungswirkungen der Besteuerung in Preußen und Württemberg (1815-1913), Berlin 2004. • Ders., The Evolution of Public Finances in Nineteenth-Century Germany, in: José Luís Cardoso, Pedro Lains (Hg.), Paying for the Liberal State. The Rise of Public Finance in Nineteenth Century Europe, Cambridge u.a. 2010, 103-131. • Hans-Peter Ullmann, Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, Frankfurt a.M. 1995. • Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3: 1849-1914, München 1995. • Peter-Christian Witt, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1903 bis 1913. Eine Studie zur Innenpolitik de Wilhelminischen Deutschland, Lübeck, Hamburg 1970. 91 Freitag, 27.11.15, 14.30 - 16.00 Uhr 7. Fiskalschock des Ersten Weltkriegs 92 7.1 Die Kriegsschuldfrage Ansicht des britischen Premiers David Lloyd George, die Völker Europas seien „in den Weltkrieg hineingeschlittert“. In den 1960er-Jahren stellte der Hamburger Historiker Fritz Fischer dieses Geschichtsbild in Frage. Er löste einen ersten, jahrelangen Historikerstreit aus, vor allem mit seinem Buch „Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18“. Er vertrat die These, Deutschland habe bewusst auf einen Krieg hingearbeitet und die eigene Überlegenheit genutzt, bevor der Gegner mächtiger würde. Mittlerweile hat sich eine vermittelnde Position durchgesetzt: Die deutsche Führung strebte nicht nach der Weltmacht, kalkulierte aber einen großen Krieg ein. These von Niall Ferguson (1994): Reich drohte aufgrund seiner chronischen Unterfinanzierung den Rüstungswettlauf zu verlieren und forcierte daher den 1. Weltkrieg. 93 7.2 Finanzpolitische Belege für eine aggressives Kaiserreich? Soziales Zinsen Übrige 3% 9% Ausgaben 9% Militär 79% Großbritannien, Frankreich und Russland geben für die Aufrüstung 1913 prozentual weniger im jeweiligen nationalen Haushalt aus. Ist das ein Beleg für ein besonders aggressives Kaiserreich? Ausgabenstruktur des Reichshaushalts im Jahre 1913 94 7.3 Finanzpolitische Mobilmachung der europäischen Mächte Anteil der Rüstungsausgaben am NSP im Jahr 1914 Deutsches Reich 3,9 % Großbritannien 3,2 % Frankreich 4,8 % Russland 5,1 % Österreich-Ungarn 2,0 % Italien 5,1 % Quelle: Niall Ferguson (2002), 145. Es werden oftmals nur der Anteil der Kriegsausgaben am nationalen Haushalt oder die Steuer/Ausgabenquote der nationalen Ebene angegeben. Aufgrund der föderalen Struktur erscheint dann das Kaiserreich als militarisierter und unseriöser in seiner Finanzpolitik als die anderen europäischen Staaten. 95 7.4 Finanzpolitik im 1. Weltkrieg Name und Amtszeit Maßnahmen Hermann Kühn (16.03.191231.01.1915) • • • „Militarisierung der Reichsfinanzpolitik“ (Peter-Christian Witt) Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe („Wehrbeitrag“) im Jahre 1913 Einführung einer Vermögenszuwachsteuer 1913 Karl Helfferich (31.01.191522.05.1916) • • • • Finanzierung des Kriegs weitgehend über Anleihen 1. Kriegsteuerreform von 1916 Einführung einer Kriegsgewinnabgabe Einführung einer allgemeinen Umsatzsteuer als Stempelsteuer in Höhe von einem Prozent auf Zahlungen für Warenlieferungen erbitterte Auseinandersetzung mit Erzberger/dem Reichstag und Rücktritt Siegfried Graf von Roedern (22.05.191614.11.1918) Eugen Schiffer (14.11.191812.02.1919) • • • • • 2. und 3. Kriegsteuerreform von 1917 und 1918 weitere Kriegsgewinnabgabe Ersatz der Stempelsteuer durch eine Bruttoallphasenumsatzsteuer in Höhe von 0,5 Prozent im Jahre 1918 Erarbeitung eines umfassenden Finanzprogramms 96 7.5 Entwicklung des ordentlichen Reichshaushalts 1914-1919 Mio. Mark 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 1914 1915 1916 Ordentliche Einnahmen 1917 1918 1919 Ordentliche Ausgaben Quelle: Konrad Roesler (1967), 196 (Übersicht 2) und 197 (Übersicht 3). 97 7.6 Entwicklung des außerordentlichen Reichshaushalts 1914-1919 Mio. Mark 50.000 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 1914 1915 1916 Außerordentliche Einnahmen Quelle: Konrad Roesler (1967), 199 (Übersicht 5). 1917 1918 1919 Außerordentliche Ausgaben 98 7.7 Die „finanzielle Wehrpflicht“ (Helfferich) Kriegsanleihe Nennbetrag der Zeichnung Ausstehende Schatzanweisungen Saldo I. Sept. 1914 4.460 2.632 +1.832 II. März 1915 9.060 7.209 +1.851 III. Sept. 1915 12.101 9.691 +2.410 IV. März 1916 10.712 10.388 +324 V. Sept. 1916 10.652 12.766 -2.114 VI. März 1917 13.122 14.855 -1.733 VII. Sept. 1917 12.626 27.204 -14.578 VIII. März 1918 15.001 38.971 -23.970 IX. Sept. 1918 10.443 49.414 -38.971 Erläuterung: jeweils in Mio. Mark Quelle: Konrad Roesler (1967), 79. Roesler bezieht sich auf die Angaben von Helfferich. 99 7.8 Entwicklung der schwebenden Schuld im 1. Weltkrieg Mrd. Mark 60 55,2 50 40 28,6 30 20 12,6 10 5,7 0 2,9 1918 1917 1916 1915 1914 Schwebende Schuld (jeweils zum Jahresende) 100 Quelle: Carl-Ludwig Holtfrerich, Die deutsche Inflation 1914-1923. Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive, Berlin, New York 1980, 65. 7.9 Political economy des 1. Weltkriegs Verfassungspolitik/Parlamentarisierung Reichsregierung wird immer abhängiger vom Parlament, Kreditbewilligung als Druckmittel Reich/Länder Konflikt tritt in den Hintergrund Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik nach Burgfrieden formt sich eine Große Koalition, die auf Frieden und Reformen drängt; Radikalisierung an den Rändern Exekutive zunehmend schwächer werdende Stellung der Reichsregierung; de facto-Militärdiktatur von Ludendorff und Hindenburg Reichsregierung verliert völlig die Kontrolle über die Finanzpolitik. 101 7.10 Quelle: Rede von Staatssekretär Helfferich im August 1915 „Wir wollen während des Krieges die gewaltigen Lasten, die unser Volk trägt, nicht durch Steuern erhöhen, solange hierfür keine zwingende Notwendigkeit vorliegt. Meine Herren, wie die Dinge liegen, bleibt also vorläufig nur der Weg, die endgültige Regelung der Kriegskosten durch das Mittel des Kredits auf die Zukunft zu verschieben, auf den Friedensschluss und auf die Friedenszeit. Und dabei möchte ich auch heute wieder betonen: Wenn Gott uns den Sieg verleiht und damit die Möglichkeit, den Frieden nach unseren Bedürfnissen und nach unseren Lebensnotwendigkeiten zu gestalten, dann wollen und dürfen wir neben allem anderen auch die Kostenfrage nicht vergessen;“ (lebhafte Zustimmung) „das sind wir der Zukunft unseres Volkes schuldig. Die ganze künftige Lebenshaltung unseres Volkes muss, soweit es irgend möglich ist, von der ungeheuren Bürde befreit bleiben und entlastet werden, die der Krieg anwachsen lässt. Das Bleigewicht der Milliarden haben die Anstifter dieses Krieges verdient; sie mögen es durch die Jahrzehnte schleppen, nicht wir.“ Karl Helfferich in seiner Reichstagsrede am 20. August 1915 102 7.11 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte des 1. Weltkriegs • Theodore Balderston, War finance and inflation in Britain and Germany, 1914-1918, in: Economic History Review 42 (1989), 222-244. • C. Edmund Clingan, Finance from Kaiser to Führer. Budget politics in Germany 1912-1934, Westport (Connecticut) und London 2001. • Niall Ferguson, Public finance and national security: The domestic origins of the First World War revisited, in: Past and Present 142 (1994), 141-168. • Ders., Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, München, 2. Aufl., 2002. • Carl-Ludwig Holtfrerich, Bewältigung der deutschen Staatsbankrotte 1918 und 1945, in: Erhard Kantzenbach (Hg.), Staatsüberschuldung, Göttingen 1996, 27-57. • Wolfgang J. Mommsen, Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914-1918, Stuttgart 2002 (= Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte, 10. Aufl., Bd. 17). • Konrad Roesler, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg. Berlin 1967. • Hew Strachan, Financing The First World War, New York 2004 (ND 2007). • Manfred Zeidler, Die deutsche Kriegsfinanzierung 1914 bis 1918 und ihre Folgen, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München, Zürich 1994, 415-433. 103 Freitag, 27.11.15, 16.15 - 17.45 Uhr 8. Zäsur der Weimarer Republik 104 8.1 Staatsbankrott als Resultat der Finanzierung des 1. Weltkriegs Dollarnotierung von 1914 bis 1923 Juli Januar Juli Januar Juli Januar Juli Januar Juli Januar Juli August September Oktober 20. November 1914 1919 1919 1920 1920 1921 1921 1922 1922 1923 1923 1923 1923 1923 1923 4,2 8,9 14,0 64,8 39,5 64,9 76,7 191,8 493,2 17.972,0 353.412,0 4.620.455,0 98.860.000,0 25.260.208.000,0 4.200.000.000.000,0 Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Während anfänglich die Inflation die Finanzierung der zusätzlichen staatlichen Aufgaben erleichtert, kommt es mit der Hyperinflation zum 1. Staatsbankrott. Infolge der Verwüstung des Kapitalmarktes ist das Zinsniveau nachfolgend sehr hoch und die öffentliche Hand hat insbesondere während der Weltwirtschaftskrise Schwierigkeiten, 105 überhaupt an Kredite zu kommen. 8.2 Der Versailler Vertrag von 1919 • Inhalt: Alleinschuld Deutschlands, 13 % Gebietsabtretungen, 10 % Bevölkerungsverlust, Aufgabe der Kolonien, Berufsarmee mit max. 100.000 Mann, hohe Reparationen in unbestimmter Gesamthöhe • Problem der Finanzierung der Reparationszahlungen durchzieht die gesamte Weimarer Republik: • 1919: Höhe der Reparationen: zunächst 20 Milliarden Goldmark (GM) bis 1921 • 1921: Forderung über 132 Mrd. GM (ungefähr 47.000 Tonnen Gold = 700 Milliarden €) • 1923: Ruhrgebietsbesetzung, um Reparationszahlungen zu erzwingen → Hyperinflation • 1924: Dawes-Plan: geringere Jahreszahlungen + amerikanische Anleihe • 1930: Reduzierung der Gesamtschuld , zahlbar bis 1988 + amerikanische Anleihe • 1931: Hoover-Moratorium • 1932: Konferenz von Lausanne: Streichung der Reparationen + Restzahlung von 3 Mrd. GM • 1933: Keine Restzahlung und Einstellung des Schuldendienstes insbes. der Dawes- und Young-Anleihen • Folgen: „Weimarer Revisionssyndrom“: Vergiftung der innenpolitischen Lage durch Dolchstoßlegende (Ermoderung mehrerer „Erfüllungspolitiker“ wie Finanzminister Erzberger und Außenminister Rathenau); zentrales Wahlkampfthema für die extreme Rechte • John Maynard Keynes als Kritiker: The Economic Consequences of the Peace • Vergleich: Frieden im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und von Brest-Litowsk mit Russland 1918 von Deutschland mit noch größerer Härte diktiert • Literatur: - Eberhard Kolb: Der Frieden von Versailles. München 2005. - Max Hantke, Mark Spoerer, The imposed gift of Versailles: the fiscal effects of restricting the size of Germany's armed forces, 1924–9,in: The Economic History Review 63/4 (2010), S. 849-864. 106 8.3 Doppelter Displacement-Effekt am Anfang „des kurzen 20. Jahrhunderts“ (I) v.H. NSP/BSP 30 25 20 25,2 15 16,5 10 1913 1925 Staatsquote Niveauverschiebung zu einer höheren Staatsquote, insbesondere wegen der Konstituierung der Weimarer Republik als Wohlfahrtsstaat 107 8.4 Doppelter Displacement-Effekt am Anfang „des kurzen 20. Jahrhunderts“ (II) v.H. des gesamtes Steueraufkommens 100 80 32 37 60 26 23 40 20 40 42 1913 1925 0 Reich Einzelstaaten Kommunen Niveauverschiebung zugunsten des Staates (zu Lasten der Kommunen), insbesondere wegen der Zäsur der Erzbergerschen Finanzreform 108 8.5 Kompetenzverteilung auf die Gebietskörperschaften in der Weimarer Republik Weimarer Republik Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit Reich • Gesetzgebungshoheit über Einkommen- und Umsatzsteuer • ständige Änderung der Anteile („permanent vorläufiger Finanzausgleich“) • Reichszoll- und finanzverwaltung Länder • Beteiligung über Reichsrat • • keine keine • • Beteiligung an Einkommenund Umsatzsteuer (in Form von „Reichsüberweisungssteuern“) ab 1929 Plafondierung Verlust des Zuschlagsrechts auf die Einkommensteuer, aber hohe Beteiligung an Einkommenund Umsatzsteuer Realsteuern • keine Kommunen • • 109 8.6 Der permanent vorläufige Finanzausgleich bei der Einkommensteuer v.H. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1913 1920 1923 Reich/Bund 1924 Einzelstaaten 1925 1926 Kommunen 110 8.7 Der permanent vorläufige Finanzausgleich bei der Umsatzsteuer v.H. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1916 1920 1923 Reich/Bund 1924 Einzelstaaten 1925 1926 Kommunen 111 8.8 Matthias Erzberger: Bedeutendster Finanzminister des 20. Jahrhunderts Ergebnisse während der Amtszeit • Nur kurze Amtzeit (21.06.1919-17.03.1920), aber grundlegende Weichenstellungen: • • • • • • • • Zäsur der Erzbergerschen Finanzreform: Reich als „Steuersouverän“ Landessteuergesetz zur Regelung des Finanzausgleichs Modernisierung und drastische Erhöhung der Einkommensteuer Einführung der Körperschaftsteuer Modernisierung und Ausbau der im Krieg eingeführten Umsatzsteuer Einführung der Reichsabgabenordnung Schaffung der Reichsfinanzverwaltung Gescheiterter Versuch, die Inflation zu stoppen 112 8.9 Reichsfinanzminister 1920-1925 Name und Amtszeit Ergebnisse während der Amtszeit Josef Wirth (Zentrum) (27.03.1920-22.10.1921) • • drastische Steuererhöhungen zur Finanzierung der „Erfüllungspolitik“ Durchsetzung einer starken Stellung des Finanzministers (u.a. wesentliche Stärkung des Finanzministers, der nur vom Kanzler und einer Kabinettsmehrheit überstimmt werden kann) Andreas Hermes (Zentrum) (26.10.1921-13.08.1923) • • kein finanzpolitisches Programm (gescheiterter) Versuch, die Steuereinnahmen der galoppierenden Inflation anzupassen Reichshaushaltsordnung vom 31.12.1922 Rudolf Hilferding (SPD) (13.08.1923-04.10.1923) (29.06.1928-21.12.1929) • • • • Hans Luther (parteilos) (06.10.1923-15.01.1925) (26.10.1925-05.12.1925) • • • Entscheidung zur Einführung der Rentenmark Sparpolitik in der beginnenden Weltwirtschaftskrise Rücktritt wegen Differenzen mit Reichsbankpräsident Schacht Stabilisierung der Währung drei Steuernotverordnungen harte Sparpolitik (u.a. deutliche Verkleinerung der Verwaltung) 113 8.10 Reichsfinanzminister 1925-1930 Name und Amtszeit Ergebnisse während der Amtszeit Otto von Schlieben (DNVP) (19.01.192526.10.1925) • umfassende („Popitzsche“) Steuerreform, die Erzbergers Steuergesetze auf sicheres juristisches und finanzwissenschaftliches Fundament stellt Peter Reinhold (DDP) (20.01.192629.01.1927) • erstmals Anwendung einer antizyklischen Finanzpolitik, um die Rezession von 1926 zu überwinden Heinrich Köhler (Zentrum) (29.01.192729.06.1928) • • Finanzpolitik „hart am Rande des Defizits“ Reform der Beamtenbesoldung, die zu erheblichen Personalmehrausgaben führt Paul Moldenhauer (DVP) (23.12.192920.06.1930) • • Bruch der Großen Koalition wegen Finanzierung der Arbeitslosenversicherung weitgehende Übereinstimmung mit den finanz- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen Brünings Rücktritt infolge von Differenzen mit der eigenen Partei • 114 8.11 Entwicklung des Finanzierungssaldos 1925-1930 v.H. BSP 0,5 0,2 0 0 -0,2 -0,4 -0,5 -0,9 -1 -1,1 -1,5 1925 1926 1927 1928 1929 1930 Finanzierungssaldo des Reichshaushalts Quelle: Ritschl (2002), Tabelle A.11. 115 8.12 Political economy der Weimarer Republik Verfassungspolitik/Sozialstaat nach anfänglichem „Stinnes-Legien-Abkommen“: Erbitterte Tarifkonflikte, die vom Staat geschlichtet werden müssen Reich/Länder ständige Reibereien; Länder jetzt Kostgänger des Reichs Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik große Fragmentierung Finanzpolitik als ständiger Streitpunkt Exekutive Regierungen ohne keine sichere Parlamentsmehrheit allenfalls geringe finanzpolitische Verteilungsspielräume Die Weimarer Republik war auch bezüglich der political economy ein „Probelauf der Moderne“ (Peukert). 116 8.13 Quelle: Rede von Matthias Erzberger 1919 „Der Krieg ist der Verwüster der Finanzen. … Ein Reichsbankrott wäre ein wahrer Volksbankrott, wie in Weltgeschichte hierfür keinen Vorgang kennt. Eherne Pflicht der Reichsfinanzverwaltung ist es, die ganzen Kräfte dafür einzusetzen, daß der Zinsendienst der Kriegsanleihe geleistet werden kann. … Ein guter Finanzminister ist der beste Sozialisierungsminister. … Schon vor dem Kriege war der Unterschied in Deutschland zwischen den Besitzenden und Nichtbesitzenden zu groß und damit zur sozialen Ungerechtigkeit und zu einer Krankheit am Wirtschaftskörper geworden. … Der damalige Vizekanzler und leichtfertigste aller Finanzminister, Staatsminister Helfferich… In den Trümmern des Krieges muß nach Neuland gesucht werden. So vieles, fast alles ist anders geworden. ... Wo ist hier Neuland für die Reichsfinanzen zu gewinnen? Der große Steuersouverän der Zukunft kann nur das einige Deutsche Reich sein ... Dieses kostbare Gut unserer Väter, der deutsche Nationalstaat, ... muß leben und sich entwickeln können. Dazu braucht das Reich nicht nur Geld, sondern auch ein neues System der Steuerordnung. ... Die Steuerlast wird eine geradezu entsetzliche Höhe erreichen. … Die mangelhafte Ausstattung des alten Reichs mit Steuern war vielleicht der schwächste Punkt unserer alten Reichsverfassung.“ Matthias Erzberger, Reden zur Neuordnung des deutschen Finanzwesens, Berlin 1919, S. 3- 10, 111. 117 8.14 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte der Weimarer Republik • Theodore Balderston, Economics and Politics in the Weimar Republic, Cambridge 2002. • Fritz Blaich, Die Wirtschaftskrise 1925/26 und die Reichsregierung. Von der Erwerbslosenfürsorge zur Konjunkturpolitik, Kallmünz 1977. • Klaus Epstein, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, Frankfurt a.M. 1976. • Gerald D. Feldman, The Great Disorder. Politics, Economics, and Society in the German Inflation, 19141924, New York und Oxford 1993. • Niall Ferguson, Constraints and room for manoeuvre in the German inflation of the early 1920s, in: Economic History Review 49 (1996), 635-666. • Dieter Hertz-Eichenrode, Wirtschaftskrise und Arbeitsbeschaffung. Konjunkturpolitik 1925/26 und die Grundlagen der Krisenpolitik Brünings, Frankfurt a.M., New York 1982. • Carl-Ludwig Holtfrerich, Rüstung, Reparationen und Sozialstaat. Die Modernisierung des Steuersystems im Ersten Weltkrieg und in der großen Inflation, in: Uwe Schultz (Hg.), Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 1986, 200-208. • Klaus Karsten, Die Reichssteuerpolitik in der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte 17 (1995), 60-90. • Detlev J. K. Peukert, Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt a.M. 1987. • Jürgen Baron Kruedener, Die Überforderung der Weimarer Republik als Sozialstaat, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), 358-376. • Ilse Maurer, Reichsfinanzen und Große Koalition. Zur Geschichte des Reichskabinetts Müller (19281930), Bern u.a. 1973. • Fritz Terhalle, Zur Reichsfinanzreform von 1925, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 80 (1926), 289-340. 118 Freitag, 11.12.15, 14.30 - 16.00 Uhr 9. Brünings Deflationspolitik 119 9.1 Das Ausmaß der Weltwirtschaftskrise NIP in Mrd. RM (nominal) NIP in Mrd. RM (real) Preise (1913/14 = 100) Arbeitslosigkeit in Mio. 1929 79,5 78,9 154 1,8 1930 71,8 76,1 148 3,1 1931 58,5 67,9 136 4,5 1932 50,8 66,2 121 5,6 Quelle: Raymond L. Cohn, Fiscal Policy in Germany during the Great Depression, in: Explorations in Economic History 29 (1992), 318-342, hier 320 (Tabelle 1). 120 9.2 Entwicklung der Nettoinvestitionen des Unternehmenssektors 1925-1935 Mio. RM 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 1925 -2000 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 -4000 Private Nettoinvestitionen Quelle: Ritschl (2002), Tabelle B.3. 121 9.3 Analyse der Weltwirtschaftskrise: Keynes, Friedman oder Hayek? Keynes Friedman Hayek Analyse der Großen Depression / Weltwirtschaftskrise von 1929 ff. • • Zu geringe Nachfrage Zu repressive Finanzund Geldpolitik • Zu kontraktive Geldpolitik der FED • • Zu viele Staatseingriffe Zu lockere Geldpolitik in den 1920er Jahren Lösungsansätze • • Deficit spending Arbeitsbeschaffung • • Zinssenkungen Steigerung der Geldmenge • Krise „ausbrennen“ lassen Sparpolitik • • Deficit spending Konjunkturpakete • Ultralockere Geldpolitik der FED („HelikopterBen“) • Lehren aus der Großen Depression? Vergleich zur Weltwirtschaftskrise 2008/09 • • Zu lockere Geldpolitik der FED vor der Krise Position Deutschlands in der Staatsschuldenkrise Quelle: Florian Pressler, Die erste Weltwirtschaftskrise. Eine kleine Geschichte der großen Depression, München 2013, 216-245. Weitere Literatur zu den Lehren aus der „Great Depression“: - Nicholas Crafts, Peters Fearon (Hg.), Lessons from the 1930s, in: Oxford Review of Economic Policy 26/3 (2010), 285-580. - Aktuell: Barry Eichengreen, Hall of Mirrors, Oxford u.a. 2015 - s. Seite 218 (14.22) des Vorlesungsskripts. - Jan-Otmar Hesse, Roman Köster, Werner Plumpe, Die Große Depression. Die Weltwirtschaftskrise 1929-1939, Frankfurt 2014. 122 - Harold James, Finanzmarkt macht Geschichte. Lehren aus den Wirtschaftskrisen, Jena 2014. - Albrecht Ritschl, War 2008 das neue 1931?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 20/2009, 27-32. 9.4 Finanzpolitik Heinrich Brünings Ergebnisse während der Amtszeit • Strenge Sparpolitik (Kürzungen der Sozialleistungen, der Beamtengehälter und Investitionen; Militär und Landwirtschaft allerdings weitgehend ausgenommen) • Erhöhung der Steuersätze und Einführung neuer Steuern (u.a. Bürgersteuer, Krisensteuer, Reichsfluchtsteuer) • Haushaltsausgleich und Ende der Reparationszahlungen als zentrale Ziele (trotz Weltwirtschaftskrise) • Folgen der Massenarbeitslosigkeit insbesondere durch Kommunen zu tragen • • Notverordnungspraxis (anfänglich toleriert von der SPD) „Zwangslagen“ (Knut Borchardt): Kein Zugang zum Kapitalmarkt und „Krise vor der Krise“ 123 9.5 Die Borchardt-Kontroverse: „Krise ohne Alternative?“ Knut Borchardt Carl-Ludwig Holtfrerich Historikerstreit in der Wirtschaftsgeschichte; neoklassische Interpretation/Revision der Deflationspolitik Brüning aus dem Jahr 1979 klassische keynesianische Kritik an der Deflationspolitik Brünings „Krise vor der Krise“: „kranke“ Wirtschaft in den 20er Jahren; Überforderung der Wirtschaft durch den Weimarer Sozial- und Umverteilungsstaat Nicht zu hohe Löhne und zu hohe staatliche Leistungen als Grundproblem, sondern zu hohe Zinsen Keine rechtzeitige Gegensteuerung möglich, da erst mit Bankenkrise von 1931 das Ausmaß der Krise deutlich Konjunkturpolitik ab Sommer 1931 möglich, hohe psychologische Bedeutung eines New Deals Keine Gegensteuerung sinnvoll, da Dosierung auf jeden Fall zu gering gewesen wäre (Kreditknappheit und „golden fetters“ des Goldstandards) Betonung des Multiplikatoreffektes und negativen Wirkung der Beschleunigung der debt-deflation, Kreditschöpfung nach Devisenbewirtschaftung möglich Keine Träger einer antizyklischen Politik Verweis u.a. auf Finanzstaatssekretär Schäffer und WTB-Plan der Gewerkschaften Rationale Zielsetzung: der „Bereinigung der Situation“ und der Streichung der Reparationen Falsche „Prioritätenskala“ Brünings 124 9.6 Entwicklung des Finanzierungssaldos 1929-1933 v.H. BSP 0,5 0,5 0,2 0 -0,2 -0,5 -0,9 -1 -1,4 -1,5 1929 1930 1931 1932 1933 Finanzierungssaldo des Reichshaushalts Quelle: Ritschl (2002), Tabelle A.9. 125 9.7 Entwicklung der Nettoneuverschuldung des Reichs 1924-1933 Mio. RM 800 768 600 400 356 200 11 0 150 134 -161 -200 -295 -400 -600 -768 -785 -796 -800 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 Nettoneuverschuldung (-) des Reiches Quelle: Ritschl (2002), Tabelle A.9. 126 9.8 Entwicklung der öffentlichen Investitionen 1925-1938 Mio. RM 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 Öffentliche Investitionen Quelle: Ritschl (2002), Tabelle A.12. 127 9.9 Entwicklung der Reparationszahlungen 1925-1935 Mio. RM 2500 2000 1500 1000 500 0 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 Reparationen Quelle: Ritschl (2002), Tabelle A.11. 128 9.10 Entwicklung der Aktienrenditen 1886-1939: Beleg für Profit-squeeze der 20er Jahre? v.H. 8 7,9 7,3 6 6,9 7,1 4 4 3,5 2 0 -3,1 -2 -4 1886-1894 1895-1900 1902-1908 1909-1913 1924-1929 1930-1932 1933-1939 Handelsbilanzielle Aktienrenditen Quelle: Mark Spoerer, Von Scheingewinnen zum Rüstungsboom. Die Eigenkapitalrentabilität der deutschen Industriegesellschaften 1925-1941, Stuttgart 1996. 129 9.11 Kommunen als am meisten belastete Gebietskörperschaft: Wegbrechende Steuern Mio. RM 14 12 10 8 6 4 2 0 1929 Gewerbesteuer 1930 Grundsteuer Einkommensteuer 1931 Körperschaftsteuer Erläuterung: Daten beziehen sich auf die Hauptstadt Hannover. Quelle: Marc Hansmann (2000), 93 (Tabelle 39) und 96 (Tabelle 42). 1932 Umsatzsteuer Bürgersteuer 130 9.12 Kommunen als am meisten belastete Gebietskörperschaft: Explodierende Sozialausgaben v.H. 45 40 35 30 25 20 1929 1930 1931 1932 Anteil der Wohlfahrtsausgaben an den Gesamtausgaben Erläuterung: Daten beziehen sich auf die Hauptstadt Hannover. Quelle: Marc Hansmann (2000), 103 (Tabelle 52). 131 9.13 Bewusste Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung In Hannover kommen im Verlaufe der Weltwirtschaftskrise zwei Mal Staatskommissare. Notverordnung vom 5. Juni 1931: Bei einer defizitären Haushaltsentwicklung können Staatskommissare in diejenigen Kommunen geschickt werden, die die Ausgaben nicht weitestgehend senken oder die Einnahmen voll ausschöpfen. 132 9.14 Political economy in der Weltwirtschaftskrise Verfassungspolitik/Sozialstaat Bewusstes Downsizing des Sozialstaats; Beschränkung der Gewerkschaftsmacht Reich/Länder gescheiterter Versuch der Reichsreform Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik KPD und NSDAP in der Mehrheit; Tolerierung Brünings durch die SPD Exekutive Regierung ohne sichere Parlamentsmehrheit Revisionspolitik als Priorität Die Weimarer Republik scheitert nicht zuletzt an dem Versuch, die Finanzpolitik zu instrumentalisieren. 133 9.15 Quelle: Regierungserklärung von Heinrich Brüning 1931 „Kein Staat kann auf die Dauer einen wirklichen Vorteil aus der Not der anderen Länder erwarten. (Erneute lebhafte Zustimmung) Die verderblichen Folgen politischer Zahlungen ohne wirtschaftliche Gegenleistungen haben die gesamte Weit ohne Ausnahme in heute noch unabsehbare Bedrängnis geführt. (Sehr wahr! -- Lachen bei den Kommunisten) … Deutschland fordert bei aller verständnisvollen Rücksichtnahme auf die Lebensnotwendigkeiten der Nachbarn die Verwirklichung des Grundsatzes der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung unter den Völkern. (Bravo! in der Mitte) … Die Reichsregierung nimmt es für sich als einen Erfolg in Anspruch, daß sie rechtzeitig und als erste im Kreise der großen Nationen mit entscheidenden Sparmaßnahmen in den öffentlichen Ausgaben und mit möglichstes Senkung der Erzeugungskosten begonnen hat. (Sehr gut! im Zentrum - Zurufe von den Kommunisten) … in kurzer Frist [wird] ein Wirtschaftsprogramm für die nächsten Monate ausgearbeitet. Dieses Programm hat als erste Voraussetzung (Zuruf von den Kommunisten: Hungerprogramm!) die Aufrechterhaltung der Stabilität unserer Währung, an der unter keinen Umständen gerüttelt werden kann. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und bei der Deutschen Arbeiterpartei. Zuruf: Dann werden die anderen rütteln) Von entscheidender Wichtigkeit ist die Durchführung eines ausgearbeiteten Planes zur Tilgung der kurzfristigen Schulden und ebenso eine endgültige Klärung der Reparationsfrage.“ Heinrich Brüning, Regierungserklärung vom 13. Oktober 1931 134 9.16 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte in der Weltwirtschaftskrise • Knut Borchardt, Wachstum, Krisen und Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1982. • Ursula Büttner, Politische Alternativen zum Brüningschen Deflationskurs. Ein Beitrag zur Diskussion über "ökonomische Zwangslagen" in der Endphase von Weimar, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 37 (1989), 209-251. • Barry Eichengreen, Peter Temin, The Gold Standard and the Great Depression, in: Contemporary European History 9 (2000), 183-207. • Carl-Ludwig Holtfrerich, Alternativen zu Brünings Wirtschaftspolitik in der Weltwirtschaftskrise?, in: Historische Zeitschrift 235 (1982), 605-631. • Ders., Zu hohe Löhne in Weimar?, in: Geschichte und Gesellschaft 10 (1984), 122-141. • Herbert Hömig, Brüning. Kanzler in der Krise der Republik. Eine Weimarer Biographie, Paderborn u.a. 2000. • Harold James, The German Slump. Politics and Economics 1924-1936, Oxford 1986 . • Jürgen Baron Kruedener (Hg.), Economic Crisis and Political Collapse. The Weimar Republic 1924-1933, New York u.a. 1990. • Florian Pressler, Die erste Weltwirtschaftskrise. Eine kleine Geschichte der großen Depression, München 2013. • Albrecht Ritschl, Deutschlands Krise und Konjunktur 1924-1934. Binnenkonjunktur, Auslandsverschuldung und Reparationsproblem zwischen Dawes-Plan und Transfersperre, Berlin 2002. • Bernd Weisbrod, Die Befreiung von den "Tariffesseln". Deflationspolitik als Krisenstrategie der Unternehmer in der Ära Brüning, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), 295-325. • Peter-Christian Witt, Finanzpolitik als Verfassungs- und Gesellschaftspolitik. Überlegungen zur Finanzpolitik des Deutschen Reiches in den Jahren 1930 bis 1932, in: Geschichte und Gesellschaft 8 (1982), 386-414. 135 Freitag, 11.12.15, 16.15 - 17.45 Uhr 10. NS-Rüstungskeynesianismus 136 10.1 Ein NS-Wirtschaftswunder? v.H. 175 150 125 100 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 75 50 Industrieproduktion (1929 = 0) 1938 (1913 = 0) BSP Produktivität Reallöhne USA 172 208 153 Großbritannien 147 167 133 Deutschland 136 137 109 Quelle: Tooze (2007), 913 (Tabelle A.2) und Overy (1982), 11 (Tab. II). 137 10.2 Johann Ludwig Schwerin von Krosigk, Finanzminister von 1932 bis 1945 Ergebnisse während der Amtszeit • Konfiszierung des jüdischen Eigentums sowie Ausbeutung der besetzten Länder durch Reichsfinanzverwaltung • Verankerung der nationalsozialistischen Weltanschauung im Steuerrecht und ideologische Schulung der Steuerbeamten durch Staatssekretär Fritz Reinhardt (überzeugter Nationalsozialist) • • Finanzierung der Arbeitsbeschaffung („Reinhardt-Programme“) • Eingliederung des preußischen Finanzministeriums in das Reichsfinanzministerium • direkte Finanzbeziehungen des Reichs mit den Kommunen und Einführung eines horizontalen kommunalen Finanzausgleichs Finanzierung der Aufrüstung/Wehrmacht außerhalb des Reichshaushalts 138 10.3 Entwicklung der Nettoneuverschuldung des Reichs 1930-1938 Mio. RM 1000 0 -1000 -2000 -3000 -4000 -5000 -6000 -7000 -8000 -9000 -10000 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 Nettoneuverschuldung (-) des Reiches Quelle: Ritschl (2002), Tabelle A.9. 139 10.4 Mefo-Wechsel Mrd. RM 14 12 10 8 6 4 2 0 1934 1935 1936 1937 Mefo-Wechsel Quelle: Willi A. Boelcke (1992), 99. 140 10.5 Entwicklung der Rüstungsausgaben 1928-1938 Mio. RM 18000 16000 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 1928 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 Rüstungsausgaben Quelle: René Erbe, Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933-1939 im Lichte der modernen Theorie, Zürich 1958, 26, 109. 141 10.6 Entwicklung der Reichsschuld 1938-1945 Mrd. RM 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 1938 1939 1940 1941 Fundierte Schuld 1942 1943 1944 1945 Schwebende Schuld Quelle: Willi A. Boelcke (1992), 110. 142 10.7 „Gesamtbilanz“ der Kriegsfinanzen Mrd. RM Prozent Wehrmachtsausgaben 414 67 Ausgaben ziviler Ressorts 200 33 Insgesamt 614 100 Ordentliche Einnahmen 276 45 Kredite 339 55 Quelle: Willi A. Boelcke (1992), 110. 143 10.8 „Geräuschlose“ Kriegsfinanzierung: Verteilung der Reichsschuld im Inland zum 30.09.1944 Mrd. RM Prozent Sparkasse 86 30 Postsparkasse etc. 10 3 Kreditbanken 52 18 Kreditgenossenschaften 19 7 Versicherungen 25 9 Reichsbank etc. 45 16 Publikum, Unternehmen 47 17 Insgesamt 284 100 Quelle: Willi A. Boelcke (1992), 112. 144 10.9 Die Aly-These von der „Gefälligkeitsdiktatur“ • Laut Götz Aly war das »Dritte Reich« eine »Gefälligkeitsdiktatur«; Hitler und die Männer seiner Entourage agierten als »klassische Stimmungspolitiker«, die geradezu peinlich darauf bedacht waren, die Masse der Bevölkerung bei Laune zu halten. Zu diesem Zwecke gossen sie das Füllhorn sozialpolitischer Wohltaten aus: Familienlastenausgleich, Ehestandsdarlehen, Kindergeld, Erhöhung des steuerfreien Grundbetrags, et cetera [u.a. Steuerfreiheit für Nachtzuschläge]. Gleichzeitig sorgte das Regime nach dem Motto »Mehr Chancengleichheit wagen« für eine kräftige soziale Aufwärtsmobilität. • „Aly sieht in der großen Mehrzahl der Deutschen angepasste Mitläufer, die sich nach der Devise »Geld ist geil« der Mitnahmemöglichkeiten, die das Regime ihnen bot, dankbar erfreuten, sich ansonsten aber in passiver Loyalität übten, was indes für die Funktionsfähigkeit der Diktatur vollkommen ausgereicht habe. Das gläubige Vertrauen auf den charismatischen »Führer«, das Verfallensein an den Hitler-Mythos, das Ian Kershaw und jüngst Hans-Ulrich Wehler als stärkstes Bindemittel des Regimes beschrieben haben – es taucht nicht einmal mehr auf.“ Volker Ullrich, Hitlers zufriedene Räuber, in: Die Zeit 11/2005. • Götz Aly: "Wer von den vielen Vorteilen für Millionen einfacher Deutscher nicht reden will, der sollte vom Nationalsozialismus und vom Holocaust schweigen." • Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt a.M. 2005. 145 10.10 Kompetenzverteilung auf die Gebietskörperschaften im NS-Staat NS-Staat Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit Reich • Gesetzgebungshoheit über (fast) sämtliche Steuern • vollständige Ertragshoheit • Reichszoll- und finanzverwaltung Länder • • keine • • Mittelzuweisung vom Reich • • keine Kommunen keine • Mittelzuweisung vom Reich sowie horizontaler Finanzausgleich Realsteuern keine 146 10.11 Bedeutung der Länder auf dem historischen Tiefpunkt v.H. der Gesamtausgaben 100% 90% 80% 21 24 33 11 70% 34 60% 50% 32 40% 65 30% 20% 45 35 10% 0% 1913 1937 Reich/Bund Länder 1950 Kommunen 147 10.12 Johannes Popitz Lebenslauf und Leistungen • • • Staatssekretär im Reichsfinanzministerium (1925-1929) • Schöpfer des modernen (kommunalen) Finanzausgleichs: Johannes Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden. Gutachten erstattet der Studiengesellschaft für den Finanzausgleich, Berlin 1932. • Popitzsches Gesetz von der Anziehungskraft des zentralen Etats • von den Nationalsozialisten 1944 hingerichtet Preußischer Finanzminister 1932-1944 Popitzsche Steuerreform von 1925, die Erzbergers Steuergesetze auf ein sicheres juristisches und finanzwissenschaftliches Fundament stellen 148 10.13 Political economy in der NS-Zeit Verfassungspolitik/Sozialstaat Sicherung der Vollbeschäftigung und partieller Ausbau des Sozialstaats zur Herrschaftssicherung Reich/Länder Ausschaltung der Länder Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik Dualismus Partei/Staat; sich radikalisierende NS-Bewegung; Fraktionen in NS-Polykratie Exekutive partieller Funktionsverlust der Ministerialverwaltung, insbes. des Finanzministeriums; Finanzpolitik als Mittel zur Finanzierung des Angriffskrieges Die Finanzpolitik des NS-Regimes dient vorrangig einem Zweck: Der Vorbereitung und Durchführung des 2. Weltkriegs. 149 10.14 Quellen: Johann Ludwig Schwerin von Krosigk und John Maynard Keynes „Ein Volk, das auf Zunahme verzichtet, und ein Volk, das auf seine Wehrkraft verzichtet, ist tot. Daß in diesen beiden entscheidenden Fragen durch Adolf Hitler die große Wendung in unserem nationalen Leben eingetreten ist, das allein schon wird ihm für alle Zeiten den Ehrenplatz in der Geschichte unseres Volkes einbringen. Wenn man an die aktive Finanz- und Wirtschaftspolitik des Frühjahrs 1933 zurückdenkt, dann wird sie immer wieder in erster Linie gekennzeichnet sein durch die Arbeitsbeschaffungspolitik, nämlich die, daß damals diese Arbeitsbeschaffung auf Kredit genommen worden ist. Hier ist in einer beispielhaften Form der Weg gegangen worden, daß ein finanziell und wirtschaftlich am Boden liegender Staat das Letzte eingeworfen hat, über das er verfügte, nämlich den Kredit des Staates. Die Arbeitsbeschaffung in der Form des Frühjahrs 1933 ist jetzt abgeschlossen, und an ihre Stelle ist etwas anderes getreten, nämlich die Ausgaben für die Wehrmachung unseres Volkes.“ Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Nationalsozialistische Finanzpolitik, Jena 1936 (= Kieler Vorträge, Nr. 41). „Nevertheless the theory of output as a whole, which is what the following book purports to provide, is much more easily adapted to the conditions of a totalitarian state …“ John Maynard Keynes, The General Theory of Employment, Interest and Money, Cambridge 1936 (ND 1993) (= The Collected Writings of John Maynard Keynes Bd. 7), XXVI (Preface to the German Edition). 150 10.15 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte der NS-Zeit • Willi A. Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg. Kriegsfinanzierung und finanzielles Kriegserbe in Deutschland 1933-1948, Paderborn 1985 • Ders., Die Finanzpolitik des Dritten Reiches. Eine Darstellung in Grundzügen, in: Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke, Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.), Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, Bonn 1992, S. 95-117. • Friedrich-Wilhelm Henning, Die nationalsozialistische Steuerpolitik. Programm, Ziele und Wirklichkeit, in: Eckhart Schremmer (Hg.), Steuern, Abgaben und Dienste vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1994, 197-211. • Friedrich-Wilhelm Henning, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Teil II: 1933-1945, hg. v. Markus A. Denzel, Paderborn u.a. 2013. • Christiane Kuller, Bürokratie und Verbrechen. Antisemitische Finanzpolitik und Verwaltungspraxis im nationalsozialistischen Deutschland, München 2013 (= Das Reichsfinanzministerium im Nationalsozialismus Bd. 1). • Richard J. Overy, The Nazi Economic Recovery 1932-1938, London 1982. • Ders., Die Wurzeln des Sieges. Warum die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewannen, Hamburg 2002. • Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Staatsbankrott. Die Geschichte der Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1920 bis 1945, Göttingen u.a.1974. • Mark Spoerer, Demontage eines Mythos? Zu der Kontroverse über das nationalsozialistische „Wirtschaftswunder“, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), 415-438. • J. Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007. • Reimer Voß, Steuern im Dritten Reich. Vom Recht zum Unrecht unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, München 1995. 151 Freitag, 15.01.16, 14.30 - 16.00 Uhr 11. Die fetten Jahre der Bonner Republik 152 11.1 Entwicklung des Finanzierungssaldos des Bundeshaushalts 1950-1969 v.H. BSP 2 1,5 1 0,5 0 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966 1968 -0,5 -1 -1,5 Finanzierungssaldo des Bundeshaushalts Quelle: Für die Jahre bis 1959: Bundesministerium der Finanzen (Hg.), Haushaltsreden. Die Ära Schäffer, bearb. v. KurtDieter Wagner u.a., Bonn 1992, 428 und 437; für die Jahre ab 1960: Bundesministerium der Finanzen (Hg.), Haushaltsreden. Starke, Dahlgrün, Schmücker, bearb. v. Kurt-Dieter Wagner u.a., Bonn 1995, 308f, jeweils eigene Berechnungen. 153 11.2 Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts von 1963 Übrige Ausgaben 34% Renten 13% Soziales 16% Zinsen 2% 1963 Verteidigung 35% • hohe Sozialausgaben durch Wiedereinführung des Kindergelds (1954) und Versorgung der Kriegsopfer • Einführung der dynamischen Rente im Jahr 1957: „Teuerstes Wahlgeschenk aller Zeiten.“ • Zinsanteil niedrig, da Entschuldung aufgrund Inflation und einer sparsamen Haushaltspolitik in den 50er Jahren • hoher Anteil der Verteidigungsausgaben durch kostenintensiven Aufbau der Bundeswehr 154 11.3 Der erste Bundesfinanzminister: Fritz Schäffer (1949-1957) Ergebnisse während der Amtszeit • Investitionsförderung mittels der Steuerpolitik („Investition oder Finanzamt“) • sparsame Haushaltspolitik ( „Politik der geschlossenen Hand“), die zu Haushaltsüberschüssen (Juliusturm) führt • • • Finanzierung des Lastenausgleichs und der Wiederaufrüstung • Opfer des so genannten Kuchenausschusses gegen die Einführung der dynamischen Rente durch Adenauer Regelung der Altschulden im Londoner Schuldenabkommen von 1953 155 11.4 Entwicklung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer 1946-1970 100% Steuersätze der Siegermächte 90% 80% Finanzreformen 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1913 1920 1925 1939 1946 1953 1958 1970 1975 1990 2000 2004 Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer Der erste Bundesfinanzminister Schäffer machte aus der Not, also den hohen, von den Siegermächten auferlegten Steuersätzen, eine Tugend und förderte massiv die „Selbstfinanzierung“ der Unternehmen. Großzügige Abschreibungsregelungen und niedrige Steuern für einbehaltene Gewinne schufen starke Investitionsanreize. Die Unternehmen wurden letztlich vor die Wahl „Investition oder Finanzamt“ gestellt. „Von 156 diesem Strukturfehler überhöhter Steuersätze und löchriger Bemessungsgrundlagen hat sich das deutsche Steuerrecht bis heute nicht erholt.“ (Paul Kirchhof) 11.5 Der Lastenausgleich von 1952 • Ziele des Gesetzes über den Lastenausgleich von 1952: Solidarischer Ausgleich der Kriegsschäden und finanzielle Entschädigung für die 14 Mio. Vertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler • Inhalt: Umverteilung über Lastenausgleichsfonds • Umverteilungsvolumen: 115 Mrd. DM (insbes. 43 Mrd. DM Hauptentschädigung für Vermögensschäden, 10 Mrd. DM Hausratsentschädigung, 53 Mrd. DM Renten) • Finanzierung: 42 Mrd. DM Vermögensabgabe (50 % des Vermögenswertes zum Stichtag 21. Juni 1948, zahlbar innerhalb von max. 30 Jahren), 9 Mrd. DM Hypothekengewinnabgabe, 2 Mrd. DM Kreditgewinnabgabe, 61 Mrd. DM Zuschüsse aus den öffentlichen Haushalten) • Belastungswirkung: 1,67 % p.a., wg. langen Zahlungszeitraumes, hoher Einkommenssteigerungen und Inflation relativ leicht leistbar, also faktisch kein Verlust an Vermögenssubstanz • Wertung: erfolgreiches Instrument zur Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge • Vorläufer in der Weimarer Republik, aber keine Wirkung wg. Hyperinflation; später Hauszinssteuer als Belastung für Inflationsgewinne im Immobilienbereich • Diskussion über einen erneuten Lastenausgleich nach der Deutschen Einheit • Aktuelle Diskussion im Rahmen der europäischen Staatsschuldenkrise • Literatur: Stefan Bach, Gert G. Wagner, Steuergerechtigkeit als Zukunftsinvestition, in: Wirtschaftsdienst 92 (9/2012), 594-598; Richard Hauser, Zwei deutsche Lastenausgleiche - Eine kritische Würdigung, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 80 (2011), 103-122; Lutz Wiegand, Der Lastenausgleich in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1985, Frankfurt am Main 1992. 157 11.6 Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 • Vorgeschichte: 1931 Moratorium für die deutschen Auslands- bzw. Reparationsschulden; seit 1933 faktischer Staatsbankrott, da die Nationalsozialisten den Schuldendienst einseitig einstellen → Bundesrepublik daher kreditunwürdig. • Höhe der Schulden: Altschulden: 13,5 Mrd. DM (u.a. Dawes- und Young-Anleihe), aufgelaufende Zinszahlungen seit 1934: 14 Mrd. DM, Nachkriegsschulden (u.a. Zahlungen aus dem Marshall-Plan): 15 Mrd. DM • Inhalt: Großzügiger Schuldenerlass: 14 Mrd. DM, zahlbar bis 1988 • Reparationen: Bis zum Abschluss eines Friedensvertrags zurückgestellt. Um diese Problematik zu umgehen, wurde 1990 nur ein Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet. • Hintergrund: USA brauchen Bundesrepublik im Kalten Krieg und wollen nicht die Fehler des Versailler Vertrags wiederholen. • Folgen: Bundesrepublik wird kreditwürdig und kann die Konvertibilität der Mark einleiten. • Aktuelle Diskussion: Historisches Vorbild für Griechenland? • Literatur: - Christoph Buchheim: Das Londoner Schuldenabkommen, in: Ludolf Herbst (Hrsg.): Westdeutschland 1945–1955. Unterwerfung, Kontrolle, Integration, München 1986, S. 219–229. - Ursula Rombeck-Jaschinski: Das Londoner Schuldenabkommen. Die Regelung der deutschen Auslandsschulden nach dem Zweiten Weltkrieg. München 2005. - 27. Februar 2003 – 50 Jahre Londoner Schuldenabkommen, in: BMF-Monatsbericht 02/2003, S. 91-95. Hermann Josef Abs, der deutsche Verhandlungs158 führer, bei der Unterschrift 11.7 Bundesfinanzminister 1957-1966 Name und Amtszeit Ergebnisse während der Amtszeit Franz Etzel (CDU) (29.10.195714.11.1961) • • • • • Steuerreform von 1958 (Körperschaftsteuer und Einkommensteuer) Sparprämiengesetz von 1959 Haushaltspolitik „am Rande des Defizits“ (Abbau des Juliusturms) Beginn der Konjunkturpolitik • • • • starker Anstieg der Ausgaben und - dank der Konjunktur - auch der Einnahmen Haushaltsdefizit in der Rezession von 1966/67 Initiative zur Umformung der Umsatzsteuer zur Mehrwertsteuer Rücktritt sämtlicher FDP-Minister wegen Ablehnung von Steuererhöhungen Heinz Starke (FDP) (14.11.196119.11.1962) Rolf Dahlgrün (FDP) (13.12.196228.10.1966) kompromisslose Ablehnung gegenüber Ausgabewünschen der Fachminister und der Regierungsfraktionen 159 11.8 Franz Josef Strauß als Bundesfinanzminister (1966-69): Der erste Keynesianer Ergebnisse während der Amtszeit • „Plisch und Plum“ mit Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) in der ersten Großen Koalition • erfolgreiche Überwindung der ersten Nachkriegsrezession durch eine keynesianische Finanzpolitik • • • Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 • • Grundlegende Haushaltsreform „Mit Steuern steuern“ Umsatzsteuerreform (Umstellung von Brutto-Allphasen auf Mehrwertsteuer) Große Finanzreform von 1969 160 11.9 Die schwierige Geburt der bundesdeutschen Finanzverfassung Parlamentarischer Rat Besatzungsmächte 1. Konfliktpunkt Unitarischer Grundzug mit Verbundmasse aus den großen Steuern Förderaler Grundzug mit striktem Trennsystem 2. Konfliktpunkt Bundesfinanzverwaltung Finanzverwaltung der Länder Die Besatzungsmächte setzen sich durch. Eine Bundesfinanzverwaltung wird untersagt. Der Bund erhält die Umsatzsteuer zu 100 %, kann aber über den Weg eines zustimmungspflichtigen Gesetzes auch am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer partizipieren, falls der Haushalt anderweitig nicht auszugleichen ist. Dies machte der Bund umgehend über sogenannte Inanspruchnahmegesetze. 1955 wird dann seine direkte Beteiligung an der Einkommensteuer im Grundgesetz verankert. Mit der ersten größeren Finanzreform wird also die Finanzverfassung grundlegend reformiert. 161 11.10 Kompetenzverteilung auf die Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik Bundesrepublik Gesetzgebungshoheit Ertragshoheit Verwaltungshoheit Bund • • auf Druck der Siegermächte: Trennsystem, das sofort durch „Inanspruchnahmegesetze“ (Beteiligung des Bundes an der Einkommensteuer) durchbrochen wird seit 1969 Verbundsystem • Zollverwaltung Beteiligung an der Umsatzsteuer seit 1969 • • Finanzverwaltung Verwaltungsvereinbarung von 1970 zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern Beteiligung an der Einkommensteuer seit 1969 Realsteuern • keine (konkurrierende) Gesetzgebungshoheit über Einkommen- und Umsatzsteuer Länder • Zustimmung des Bundesrats in der Regel erforderlich Kommunen • keine • • • • 162 11.11 Die Gemeindefinanzreform von 1969 Gemeindefinanzreform von 1969 Einführung der kommunalen Beteiligung an der Einkommensteuer (14 %) Bebehaltung des kommunalen Hebesatzrechts an der Gewerbesteuer Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechts an der Grundsteuer dafür Gewerbesteuerumlage an Bund/Land 163 11.12 Ertragshoheit über die Einkommensteuer 1944-1970 v.H. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1944 1951 1952 1953 Bund Länder 1955 1958 1967 1970 Kommunen 164 11.13 Ertragshoheit über die Umsatzsteuer 1944-1970 v.H. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1944-1969 1970 Bund Länder Kommunen Im Rahmen des 1969 eingeführten bzw. ausgebauten Verbundsystems werden die Länder mit zunächst 30 % beteiligt. 165 11.14 Political economy der Bonner Republik bis 1969 Verfassungspolitik/Sozialstaat Ausbau des Sozialstaats zur Sicherung der Demokratie Bund/Länder de facto Unitarisierung Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik zunehmende Instrumentalisierung für Wahlkampf; Bruch der CDU-/FDP-Koalition wegen Finanzpolitik Exekutive Konflikte zwischen Finanzministerium und Kanzleramt/Fachministerien 166 11.15 Quelle: Rede von Fritz Schäffer aus dem Jahre 1950 „Die Bundesregierung selbst ist aufgerufen, den Damm gegen jede inflatorische Politik zu bilden, und sie muss für diese Entwicklung die persönliche Verantwortung übernehmen. Sie muss und kann diese persönliche Verantwortung selbstverständlich nur im Rahmen dessen übernehmen, was die Verfassung selbst vorschreibt, also insbesondere im Rahmen des Art. 110 des Grundgesetzes, in dem die Abgleichung in Einnahmen und Ausgaben vorgesehen ist. Damit die Bundesregierung diesem Zwang nicht ausweichen kann, hat der Gesetzgeber des Grundgesetzes in Art 115 auch den Weg für eine leichtfertige Schuldenpolitik verbaut. Er hat vorgeschrieben, dass zur Aufnahme jeden Kredites und zur Gewährung jeder Bürgschaft und aller Sicherheitsleistungen, deren Wirkung über das laufende Haushaltsjahr hinausgehen, ein besonderes Bundesgesetz erforderlich ist. Die Bundesregierung ist hier also an die Beschlussfassung der beiden gesetzgebenden Körperschaften, Bundesrat und Bundestag, gebunden. Durch diese Bestimmungen suchte der Gesetzgeber des Grundgesetzes zunächst einen Schutz gegen jene inflatorische Entwicklung in der deutschen Finanzpolitik zu schaffen. Um ein modernes Wort zu gebrauchen: „deficit spending“ ist durch das Grundgesetz in der deutschen Finanzpolitik untersagt.“ Rede zur Einbringung des Haushalts von Fritz Schäffer vom 09.11.1950, in: Bundesministerium der Finanzen (Hg.), Haushaltsreden. Die Ära Schäffer. 1949 bis 1957, bearbeitet von Kurt-Dieter Wagner u.a., Bonn 1992 (= Schriftenreihe zur Finanzgeschichte Bd. 1), 81. 167 11.16 Quelle: „3 Jahre neuer Finanzpolitik“ „Öffentliche Schulden – gut oder schlecht? Die „klassische“ Rechtfertigung der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben – nach der im Grunde nur solche Investitionen des Staates mit Kredit finanziert werden dürfen, die ihren Zinsendienst selbst zu tragen vermögen oder an deren Nutzung auch noch spätere Generationen teilhaben – muss als überholt angesehen werden. Die öffentliche Schuldenpolitik („debt management“) wird heute als ein legitimes Mittel einer modernen Finanz- und Wirtschaftspolitik – insbesondere zur Dämpfung von Konjunkturschwankungen und zur Sicherung eines angemessenen Wirtschaftswachstums – angesehen. In der Stagnation der vergangenen Jahre hat sie sich als ein wirksames konjunkturpolitisches Instrument bewährt. Als in der Phase der wirtschaftlichen Abschwächung ein Rückgang der privaten Investitionstätigkeit zu beobachten war, erhöhte der Staat die Nachfrage durch eigene Investitionen und führte brachliegende Liquidität über den Weg der Kreditaufnahme in den Wirtschaftskreislauf zurück. Auf diese Weise wurde die Volkswirtschaft vor Wachstumsverlusten bewahrt, die gleichbedeutend sind mit Einkommensverlusten der Arbeitnehmer, der Wirtschaft und des Staates. Ihre antizyklische Funktion erfüllt die öffentliche Kreditpolitik, wenn im Aufschwung öffentliche Schulden beschleunigt abgebaut werden, falls sich die Gefahr einer Überforderung der Volkswirtschaft abzeichnet.“ Bundesministerium der Finanzen (Hg.) mit einem Vorwort von Franz Josef Strauß, Drei Jahre neuer Finanzpolitik, Bonn 1969, 21. 168 11.17 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte von 1946-1969 • Werner Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2. Aufl. 2011. • Nikolaus Adami, Die Haushaltspolitik des Bundes von 1955 bis 1965, Bonn 1970. • Gerold Ambrosius, Staatsausgaben und Staatsquoten in der Bundesrepublik in den 50er Jahren. Ihre Einflußnahme im internationalen Vergleich, in: Dietmar Petzina (Hg.), Ordnungspolitische Weichenstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg, Berlin 1991, 31-53. • Bundesministerium der Finanzen (Hg.), Chronologie zur Finanzgeschichte. 1945-1969, bearbeitet von KurtDieter Wagner u.a., Bonn 1993. • Kurt Düwell, „Etzel werde, sei und bleibe hart!“ Franz Etzel (1902-1970) und die Anfänge einer Finanzpolitik „am Rande des Defizits“, in: Wilfried Feldenkirchen, Susanne Hilger, Kornelia Rennert (Hg.), Geschichte Unternehmen - Archive, Essen 2008 , 93-104. • Klaus Franzen, Die Steuergesetzgebung der Nachkriegszeit in Westdeutschland (1945-1961), Bremen 1994. • Dieter Grosser, Die Rolle Fritz Schäffers als Finanzminister in den ersten beiden Kabinetten Konrad Adenauers, in: Wolfgang Mückl (Hg.), Föderalismus und Finanzpolitik. Gedenkschrift für Fritz Schäffer, Paderborn u.a. 1990, 67-81. • Wolfgang Kitterer, Öffentliche Finanzen und Notenbank, in: Deutsche Bundesbank (Hg.), Fünfzig Jahre Deutsche Bank. Notenbank und Währung in Deutschland seit 1948, München 1998, 199-256, insbes. 202218. • Jutta Muscheid, Die Steuerpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949 - 1982, Berlin 1986. • Wolfgang Renzsch, Finanzverfassung und Finanzausgleich. Die Auseinandersetzungen um ihre politische Gestaltung in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Währungsreform und deutscher Vereinigung (1948-1990), Habil. Göttingen 1991, Bonn 1991. • Franz Josef Strauß, Finanzpolitik. Theorie und Wirklichkeit, Berlin 1969. • Dietrich Yorck, Franz Etzel als Finanzpolitiker, in: Historisch-politische Mitteilungen 2 (1995), 173-187. 169 Freitag, 15.01.16, 16.15 - 17.45 Uhr 12. Konjunkturpolitik der 70er Jahre 170 12.1 Stagflation der 70er Jahre v.H. 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 Wachstumsrate reales BSP 1976 1977 Inflationsrate 1978 1979 1980 1981 1982 Arbeitslosenquote Quelle: Scherf (1986), 8f. 171 12.2 Fiskalschock der Konjunkturpolitik der 70er Jahre v.H. NSP/BSP/BIP 60 46,9 50 34,8 40 30 39,6 38,5 38 23,8 23 18 20 10 0 1970 Steuerquote 1980/82 Abgabenquote Staatsquote Schuldenquote 172 12.3 Entwicklung des Finanzierungssaldos des Staats 1970-1982 v.H. BIP 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 Finanzierungssaldo des Staats Quelle: BMF-Monatsbericht Mai 2009, 100 (Tab. 12). 173 12.4 Entwicklung des Finanzierungssaldos des Bundeshaushalts 1969-1982 Mrd. DM 5 0 -5 -10 -15 -20 -25 -30 -35 -40 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 Finanzierungssaldo des Bundeshaushalts Quelle: Scherf (1986), 98. 174 12.5 Entwicklung der Deckungsquote des Bundeshaushalts 1969-1982 v.H. 100 95 90 85 80 75 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 Deckungsquote des Bundeshaushalts Quelle: Scherf (1986), 92. 175 12.6 Anstieg der öffentlichen Ausgaben 1969-1982 v.H. 15 12,5 10 7,5 5 2,5 0 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 Anstieg der öffentlichen Ausgaben gegenüber dem Vorjahr Quelle: Scherf (1986), 92. 176 12.7 Entwicklung der Sozialleistungsquote 1969-1982 v.H. BSP 32 31 30 29 28 27 26 1982 1981 1980 1979 1978 1977 1976 1975 1974 1973 1972 1971 1970 1969 25 Sozialleistungsquote Quelle: Scherf (1986), 87. 177 12.8 Bundesfinanzminister 1969-1974 Name und Amtszeit Ergebnisse während der Amtszeit Alex Möller (SPD) (21.10.196913.05.1971) • Karl Schiller (SPD) (13.05.197107.07.1972) • • • • • • Helmut Schmidt (SPD) (07.07.197215.05.1974) • • starke Ausgabensteigerungen infolge der vor allem verteilungspolitisch motivierten Reformen der sozialliberalen Koalition Rücktritt infolge finanz- und währungspolitischer Turbulenzen Superminister für Wirtschaft und Finanzen Keynesianischer Steuerungsoptimismus: „Konjunktur ist nicht unser Schicksal, Konjunktur ist unser Wille.“ Wegbereiter des Schuldenstaats (von ihm nicht intendiert) Rücktritt wegen grundsätzlicher Differenzen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit seiner Partei Literatur: Torben Lütjen, Karl Schiller (1911-1994). „Superminister“ Willy Brandts, Bonn 2007. Konjunkturprogramme als Reaktion auf die 1. Ölkrise Freigabe der Wechselkurse (Ende von Bretton Woods) 178 12.9 Bundesfinanzminister 1974-1982 Name und Amtszeit Ergebnisse während der Amtszeit Hans Apel (SPD) (16.04.197416.02.1978) • • • Steuerreform von 1975 mit Steuersenkungen Zukunftsinvestitionsprogramm von 1977 Quelle: Hans Apel, Staat ohne Maß. Finanzpolitik in der Sackgasse, Düsseldorf 1997. Hans Matthöfer (SPD) (16. 02.197828.04.1982) • • jährliche Steuerpakete Sparpolitik und eher angebotsorientierte Politik seit 1980 Literatur: Werner Abelshauser, Nach dem Wirtschaftswunder. Der Gewerkschafter, Politiker und Unternehmer Hans Matthöfer, Bonn 2009. Manfred Lahnstein (SPD) (28.04.198204.10.1982) • • • • Übergangsminister Sparpolitik „Die sozialliberale Koalition ist letztlich an der Finanzpolitik gescheitert.“ (Thilo Sarrazin 1983, S. 373) 179 12.10 Political economy der 70er Jahre Verfassungspolitik/Sozialstaat harte tarifpolitische Auseinandersetzungen mit hohen Lohnabschlüssen Bund/Länder Bundesratsmehrheit gegen Bundestagsmehrheit Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik scharfe Auseinandersetzungen Exekutive Planungs- und Steuerungseuphorie der Ministerialverwaltung Die Finanzpolitik ist in den 70er Jahren ein zentrales Konfliktfeld im politischen Machtkampf. 180 12.11 Quelle: Thilo Sarrazin aus dem Jahr 1983 „Es hätte von Anfang an entweder eine stärkere Zurückhaltung bei der Ausgabenentwicklung oder eine Absicherung des geplanten Ausgabenpfades durch dauerhafte Einnahmen geben müssen. So aber dominierten, vereinfacht ausgedrückt, auf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts die Vorstellungen der SPD und auf der Einnahmenseite die Vorstellungen der FDP.“ „Es bestand und besteht ein krasses Missverständnis zwischen akribischen haushaltspolitischen Bemühungen im Bereich der unmittelbaren Bundesausgaben und einer eher sorglosen Nichtbeachtung der großen Strukturprobleme in der Sozialversicherung.“ Thilo Sarrazin, Die Finanzpolitik des Bundes 1970-1982 – Eine kritische Würdigung –, in: Finanzarchiv N.F. 41 (1983), 375 und 382. 181 12.12 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte der 70er Jahre • Gérard Bökenkamp, Das Ende des Wirtschaftswunders: Geschichte der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Bundesrepublik 1969 -1998, Stuttgart 2010. • Alexandra Ehrlicher, Die Finanzpolitik 1967-1976 im Spannungsfeld zwischen konjunkturpolitischen Erfordernissen und Haushaltskonsolidierung, Berlin 1991. • Jutta Muscheid, Die Steuerpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949 - 1982, Berlin 1986. • Claus-Martin Gaul, Konjunkturprogramme in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Einordnung und Bewertung der Globalsteuerung von 1967 bis 1982, Berlin 2009 (= Info-Brief WD 5 - 3010 - 009/09 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags). • Monika Hanswillemenke, Bernd Rahmann, Zwischen Reformen und Verantwortung für Vollbeschäftigung. Die Finanz- und Haushaltspolitik der sozial-liberalen Koalition von 1969 bis 1982, Frankfurt a.M. 1997. • Tim Schanetzky, Die große Ernüchterung: Wirtschaftspolitik, Expertise und Gesellschaft in der Bundesrepublik 1966 bis 1982, Berlin 2007. • Thilo Sarrazin, Die Finanzpolitik des Bundes 1970-1982 – Eine kritische Würdigung –, in: Finanzarchiv N.F. 41 (1983), 373-387. • Harald Scherf, Enttäuschte Hoffnungen – vergebene Chancen. Die Wirtschaftspolitik der Sozial-Liberalen Koalition 1969-1982, Göttingen 1986. • Hans-Peter Ullmann, Im Strudel der „Maßlosigkeit“? Die „Erweiterung des Staatskorridors“ in der Bundesrepublik der sechziger bis achtziger Jahre, in: Ders., Staat und Schulden, Öffentlichen Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, hg. v. Hartmut Berghoff und Till van Rahden, Göttingen 2009, 149162. 182 Freitag, 29.01.16, 14.30 - 15.30 Uhr 13. Konsolidierungspolitik der 80er Jahre 183 13.1 Konsolidierungspolitik der 80er Jahre v.H. NSP/BSP/BIP 80 70 60 46,9 50 34,8 40 30 39,6 38,5 23 18 20 38 23,8 37,3 43,6 41,3 21,6 10 0 1970 Steuerquote 1980/82 Abgabenquote Staatsquote 1990 Schuldenquote 184 13.2 Entwicklung des Finanzierungssaldos des Staats 1982-1989 v.H. BIP 0,5 0,1 0 -0,5 -1,1 -1 -1,1 -1,5 -1,8 -2 -2 -2 -2,5 -2,9 -3 -3,4 -3,5 1982 1983 1984 1985 1986 Finanzierungssaldo des Staats Quelle: BMF-Monatsbericht Juli 2010, 122 (Tab. 12). 1987 1988 1989 185 13.3 Entwicklung des Finanzierungssaldos des Bundeshaushalts 1982-1988 Mrd. DM 0 -5 -10 -15 -17,4 -20,5 -20 -23 -26,3 -25 -27,3 -30 -33,5 -34,8 -35 1982 1983 1984 1985 1986 Finanzierungssaldo des Bundeshaushalts Quelle: Suntum (1989), 6. 1987 1988 186 13.4 Entwicklung der Gewinnüberweisung der Bundesbank 1982-1988 Mrd. DM 14 12 10 8 6 4 2 0 1981 1982 1983 1984 1985 1986 Gewinnüberweisung der Bundesbank Quelle: Suntum (1989), 6. 1987 1988 187 13.5 Entwicklung der Sozialleistungsquote 1982-1988 v.H. BSP 32 31 30 29 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 Sozialleistungsquote Quelle: Suntum (1989), 6. 188 13.6 Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts von 1983 Renten 14% Übrige Ausgaben 36% 1983 Verteidigung 19% Arbeitsmarkt 4% Soziales 16% Zinsen 11% • • Steigende Renten-, Arbeitsmarkt- und Sozialausgaben • relativ hoher Anteil der Verteidigungsausgaben wegen des Kalten Kriegs Zinsanteil relativ hoch aufgrund starker Verschuldung in den 70er Jahren und hohem Zinsniveau 189 13.7 Steuerreformen der 80er Jahre Unter der Leitung von Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg wird eine dreistufige Steuerreform durchgesetzt, die die Steuerstruktur verbessert und die Steuern senkt, um dadurch die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für private Initiativen günstiger zu gestalten: Die erste Stufe 1986 entlastet Familien und Bezieher geringerer Einkommen. Die zweite Stufe 1988 führt zu einer weiteren, deutlichen Abflachung der Steuerprogression und zur Verbesserung der Sonderabschreibungsmöglichkeit für kleine und mittlere Betriebe. Die dritte Stufe 1990 realisiert das wichtigste Element, die Einführung des linear-progressiven Einkommensteuertarifs mit einem jeweils um 3 Prozentpunkte abgesenkten Eingangs- und Höchststeuersatz. Mit der nachhaltigen Senkung der Steuersätze geht auch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch einen Abbau von steuerlichen Vergünstigungen und Sonderregelungen einher. Das Steuerentlastungsvolumen umfasst brutto fast 39 Mrd. DM bzw. netto rund 25 Mrd. DM. 190 13.8 Gerhard Stoltenberg: Bundesfinanzminister 1982-1989 Ergebnisse während der Amtszeit • • • • • Sparpolitik (insbesondere 1982-84) Erhöhung der Sozialabgaben dreistufige Steuerreform 1986/88/90 mit deutlichen Entlastungen Verkauf Bundesanteile u.a. von VW AG, VIAG, VEBA AG Angebotsorientierte Finanz- und Ordnungspolitik 191 13.9 Kohl als deutsche Antwort auf Reagan und Thatcher? Aspekte USA GB Geistige Wegbereiter • • • F.A. von Hayek Milton Friedman J. Buchanan • Politische Triebkräfte • • Liberale Think Tanks Ronald Reagan (Gouverneur von Kalifornien, Präsident) • • Liberale Think Tanks Margaret Thatcher (Oppositionsführerin, Premierministerin) Ökonomische Ausgangslage • • Stagflation Keynesianische Wirtschaftspolitik seit der Weltwirtschaftskrise • • Stagflation mit hoher Arbeitslosigkeit „Englische Krankheit“ (mangelnde Wettbewerbsfähigkeit) Ausgebauter Wohlfahrtsstaat Extrem mächtige Gewerkschaften Politik • • • • • Reduzierung Staatswachstum Reduzierung Steuern Reduzierung Inflation durch Geldmengenbegrenzung Deregulierung Hohe Militärausgaben • • • • • • • • • F.A. von Hayek (persönlicher Kontakt zu Thatcher) Anthony Fischer (Institute of Economic Affairs) Ende Mixed Economy Privatisierungen Ende Zusammenarbeit mit Gewerkschaften Abbau Sozialstaat Reduzierung Inflation Inkaufnahme steigender Arbeitslosigkeit und hoher sozialer Ungleichheiten 192 Quelle: Michael von Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte nach 1945, Göttingen 2006, 229f. 13.10 Political economy der 80er Jahre Verfassungspolitik/Sozialstaat moderate Reduzierung des Sozialstaats Bund/Länder relativ wenig Konflikte Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik stabile Koalitionsregierung Exekutive Kanzleramt als Machtzentrum Finanzministerium relativ schwach 193 13.11 Quelle: Helmut Kohls erste Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 „Die Ansprüche an den Staat und die Systeme der sozialen Sicherung wurden an der optimistischen Vorstellung eines ständigen und kräftigen Wachstums der Wirtschaft orientiert. Als diese hohen Wachstumsraten ausblieben, fehlte es an Einsicht und Kraft, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und die notwendigen Korrekturen durchzusetzen. Wir haben … ein haushaltspolitisches Dringlichkeitsprogramm beschlossen, das die zerrütteten Bundesfinanzen neu ordnen soll. Dabei wollen wir vorrangig die öffentliche Neuverschuldung durch eine strenge Haushaltsdisziplin wieder unter Kontrolle bringen. Nach den jetzt vorliegenden katastrophalen Ergebnissen der Bestandsaufnahme werden wir für 1982 unverzüglich einen weiteren Nachtragshaushalt einbringen. Insgesamt stellen wir mit diesem Dringlichkeitsprogramm die Weichen zur Erneuerung: weg von mehr Staat, hin zu mehr Markt; weg von kollektiven Lasten, hin zur persönlichen Leistung; weg von verkrusteten Strukturen, hin zu mehr Beweglichkeit, Eigeninitiative und verstärkter Wettbewerbsfähigkeit.“ Helmut Kohl, Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 194 13.12 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte der 80er Jahre • Norbert Andel, Die Steuerreformen der 80er Jahre: Erreichtes und Aufgeschobenes, in: Diether Döring, Paul Bernd Spahn (Hg.), Steuerreform als gesellschaftliche Aufgabe der neunziger Jahre, Berlin 1991, 23-39. • Gérard Bökenkamp, Das Ende des Wirtschaftswunders: Geschichte der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Bundesrepublik 1969 -1998, Stuttgart 2010. • Ulrich Johann, Die Steuergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland von 1983 bis 1998: die Zeit der christlich-liberalen Koalition, Frankfurt a.M. u.a. 2006. • Ulrich Suntum, Finanzpolitik in der Ära Stoltenberg, Bochum 1989 (= Diskussionsbeiträge der Ruhr-Universität Bochum, Seminar für Wirtschafts- und Finanzpolitik Nr. 8; auch veröffentlicht in: Kredit und Kapital 23 (1990), 251-276. • Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5: Bundesrepublik und DDR. 1949-1990, München 2008. • Andreas Wirsching, Abschied vom Provisorium. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1982 -1990, München 2006, 264-288. • Klaus Zimmermann, Zur Realität von Kurswechseln, Wenden und ähnlichen Manövern aus budgetpolitischer Sicht, in: Der Gemeindehaushalt 9 (1984), 208-213. • Reimut Zohlnhöfer, Die Wirtschaftspolitik der Ära Kohl. Eine Analyse der Schlüsselentscheidungen in den Politikfeldern Finanzen, Arbeit und Entstaatlichung, 1982-1998, Opladen 2001. • Ders., Globalisierung der Wirtschaft und finanzpolitische Anpassungsreaktionen in Westeuropa, Baden-Baden 2009. 195 Freitag, 29.01.16, 15.30 - 16.30 Uhr 14. Fiskalschock der Deutschen Einheit 196 14.1 Fiskalschock der Deutschen Einheit und der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/09 v.H. NSP/BSP/BIP 90 83 80 70 60,2 60 50 37,3 40 30 43,6 41,3 42,1 47,6 39,1 23,5 21,6 46,6 22,2 20 10 0 1990 Steuerquote 2000 Abgabenquote Staatsquote Quelle: BMF-Monatsbericht August 2012, 72 (Tab. 9), 73 (Tab.10) und 80 (Tab. 14). 2010 Schuldenquote 197 14.2 Auswirkungen der Finanz- und Bankenkrise auf den Schuldenstand Schuldenstandseffekte der Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen der Finanzmarktkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise Schuldenstandsquote - in % des BIP 85 80 75 70 65 60 2007 Maastricht-Schuldenstand ohne Maßnahmen im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise ohne Maßnahmen im Zusammenhang mit der Finanzmarkt- und der europäischen Staatsschuldenkrise 2008 Quelle: BMF 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 198 14.3 Entwicklung des Finanzierungssaldos und des Wirtschaftswachstums seit 1989 v.H. BIP 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 -1 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 -1 -2 -2 -3 -3 -4 -4 -5 -5 -6 -6 Finanzierungssaldo des Staats BIP-Wachstumsrate Quelle: BMF-Monatsbericht September 2014, 108 (Tab. 14) und Statistisches Bundesamt. 199 14.4 Entwicklung der Schuldenquoten von Frankreich, Großbritannien und Deutschland seit 1980 v.H. BIP 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1980 1985 1990 Frankreich 1995 2000 Großbritannien Quelle: BMF-Monatsbericht September 2014, 110 (Tab. 16). 2005 2010 2015 (Plan) Deutschland 200 14.5 Entwicklung der Schuldenquoten der USA, Irland und Schweden seit 1980 v.H. BIP 120 100 80 60 40 20 0 1980 1985 1990 1995 USA Irland 2000 2005 2010 2015 (Plan) Schweden Quelle: BMF-Monatsbericht September 2014, 110 (Tab. 16). 201 14.6 Entwicklung der Schuldenquoten von Japan, Italien, Belgien und Griechenland seit 1980 v.H. BIP 250 200 150 100 50 0 1980 1985 Japan 1990 Italien 1995 2000 Belgien Quelle: BMF-Monatsbericht September 2014, 110 (Tab. 16). 2005 2010 2015 (Plan) Griechenland 202 14.7 Ausgabenstrukturen des Bundeshaushalts von 2007 Übrige Ausgaben 23% Renten 29% Verteidigung 10% Zinsen 15% 2007 Soziales 9% Arbeitsmarkt 14% • Zuschuss an Rentenversicherung als mit Abstand größter Kostenblock • hohe Arbeitsmarktausgaben wegen struktureller Arbeitslosigkeit • • hoher Zinsanteil aufgrund hoher Verschuldung relativ niedriger Anteil der Verteidigungsausgaben („Friedensdividende“) 203 14.8 Langfristig gebundene und politisch verfügbare Ausgaben im Bundeshaushalt 1970 - 2009 Politisch verfügbar Schuldendienst Sozialhilfe/ALG II Zuschüsse zu den Sozialversicherungen Personal Verteidigung Kriegsfolgelasten Quelle: Wolfgang Streeck, Daniel Mertens, Politik im Defizit: Austerität als fiskalpolitisches Regime, in: MPIfG Discussion Paper 10/5 (2010), 17 (Abbildung 3). 204 14.9 Entwicklung des Primärsaldos des Bundeshaushalts seit 1969 Mrd. Euro 30 15 0 -15 1969 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 (Plan) Primärsaldo (Zinsen abzüglich Netto-Kreditaufnahme) des Bundeshaushalts Quelle: BMF-Monatsbericht August 2013, 94f. (Tab. 5 und 6) und Entwurf Haushaltsgesetz 2015 (BT-Drucksache 17/2000), jeweils eigene Berechnungen. 205 14.10 Entwicklung finanzwirtschaftlicher Kennzahlen des Bundeshaushalts seit 1969 v.H. 20 17,5 15 12,5 10 7,5 5 2,5 0 1969 1975 1980 Zins-Steuer-Quote 1985 1990 1995 2000 Zins-Ausgaben-Quote 2005 2010 2015 (Plan) Kreditfinanzierungsquote Quelle: BMF-Monatsbericht August 2013, 94f. (Tab. 5 und 6) und Entwurf Haushaltsgesetz 2015 (BT-Drucksache 17/2000), jeweils eigene Berechnungen. 206 14.11 Umschichtung der Staatsfinanzierung von direkten zu indirekten Steuern seit 1989 v.H. des gesamten Steueraufkommens 60 58 56 54 52 50 48 46 44 42 Quelle: BMF-Monatsbericht September 2014, 101f. (Tab.10). 15 14 20 13 20 12 20 11 20 10 20 09 20 08 20 07 20 06 20 05 20 04 direkte Steuern 20 03 20 02 20 01 20 00 20 99 20 98 19 97 19 96 19 95 19 94 19 93 19 92 19 91 19 90 19 19 19 89 40 indirekte Steuern 207 14.12 Senkung der Einkommensteuer % 60 50 40 Durchschnittssteuersatz 1975 30 Grenzsteuersatz 1975 20 Durchschnittssteuersatz 2008 10 Grenzsteuersatz 2008 Quelle: Peter Bofinger, Präsentation beim 5. Deutschen Kämmerertag. 127 120 113 106 99 92 85 78 71 64 57 50 43 36 29 22 15 8 1 0 Einkommen In Tsd. Euro 208 14.13 Senkung der Unternehmensteuern v.H. 25 20 15 10 5 0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Anteil der Gewerbe- und Körperschaftsteuer am gesamten Steueraufkommen 209 14.14 Erhöhung der Mehrwertsteuer 210 14.15 Fiskalföderalismus in der Berliner Republik 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1970 1980 Bund 1990 Länder Kommunen 2000 2010 Sonstige • • Sonderförderung der neuen Bundesländer bis 2019 • • Weiterhin Konkordanzföderalismus Keine wirkliche Entflechtung von Bundes- und Landesaufgaben im Zuge der Föderalismusreform Verbot der Schuldenaufnahme der Länder ab 2020 211 14.16 Theo Waigel, Bundesfinanzminister 1989-1998 Ergebnisse während der Amtszeit • Finanzierung der deutschen Einheit (über Kredite, Steuern und Sozialabgaben) • • • Versuch einer großen Steuerreform 1998 Privatisierung Post und Telekom Verhandlung über Euro und MaastrichtKriterien 212 14.17 Oskar Lafontaine, Bundesfinanzminister vom 27.10.1998 bis 18.03.1999 Ergebnisse während der Amtszeit • • ökologische Steuerreform • • Initiative zur Veränderung des Weltwährungssystems „Der letzte Keynesianer“: Versuch einer keynesianischen Finanzpolitik Rücktritt wegen Differenzen mit dem Bundeskanzler 213 14.18 Hans Eichel, Bundesfinanzminister 1999-2005 Ergebnisse während der Amtszeit • • • • • • Sparpolitik (insbesondere 1999/2000) deutliche Senkung der Einkommensteuersätze in drei Stufen Unternehmensteuerreform Versuch einer Gemeindefinanzreform Nettoneuverschuldung-Null als Ziel Verletzung der Maastricht-Kriterien 214 14.19 Peer Steinbrück, Bundesfinanzminister 2005-2009 Ergebnisse während der Amtszeit • • • • • Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % • Nettoneuverschuldung-Null in 2008 erstmals seit fast vier Jahrzehnten fast erreicht • Konjunkturprogramme und Bankenrettung in der Wirtschafts- und Finanzkrise • Massive Neuverschuldung in 2009 Kürzung von Steuersubventionen Unternehmensteuerreform Reform der Finanzverfassung Verankerung einer Schuldenbremse ins Grundgesetz 215 14.20 Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister seit 2009 Ergebnisse während der Amtszeit • • • Schuldenkrise im Euro-Raum Abwehr von Steuersenkungswünschen Erster ausgeglichener Bundeshaushalts seit 1969 216 14.21 Erster ausgeglichener Bundeshaushalt seit 1969 217 14.22 Aus der Geschichte gelernt? Vergleich der Politik 1929/33 und heute 218 14.23 Political economy seit 1990 Verfassungspolitik/Sozialstaat Harte Auseinandersetzungen zw. Regierung und Gewerkschaften aufgrund Schröders Agenda 2010 Bund/Länder Sonderproblem der Integration der fünf neuen Länder; Weiterhin KonkordialFöderalismus Politisierung des Bundesrats Finanzpolitik als Instrument der Machtpolitik Parteipolitik relative Instabilität im Parteiensystem und wechselnde Regierungen Exekutive Kanzleramt als Machtzentrum Finanzministerium häufig relativ schwach 219 14.24 Quelle: Haushaltsstaatssekretär Manfred Overhaus im Jahr 2002 „Der generelle Verzicht auf eine öffentliche Neuverschuldung ist nicht nur ökonomisch, sondern auch fiskalisch vernünftig: Die Kredite, die der Bund von 1972 bis 2002 aufgenommen hat bzw. noch aufnimmt, reichen gerade aus, um die in diesem Zeitraum zu zahlenden Zinsen zu bezahlen: (Summe der Kredite: 569 Mrd. Euro, Summe der Zinsen: 538 Mrd. Euro, Differenz: 31 Mrd. Euro in 30 Jahren). Mit anderen Worten: Ohne die Neuverschuldung hätten wir uns in etwa die gleichen Ausgaben – also auch Investitionen – leisten können, nur hätten wir dann heute nicht die hohen Zinsverpflichtungen von rd. 20 v.H. unserer Steuereinnahmen.“ Haushaltsstaatssekretär Manfred Overhaus, Rede am 24.01.2002 an der Universität in Kiel 220 14.25 Weiterführende Literatur zur Finanzgeschichte seit 1990 • Maximilian Grasl, Markus König, Von außen getrieben. Die Finanzpolitik der Großen Koalition 2005-2009, in: Christoph Egle, Reimut Zohlnhöfer (Hg.), Das zweite Große Koalition. Eine Bilanz der Regierung Merkel 2005-2009, Wiesbaden 2010, 205-233. • Heinz Grossekettler, Die ersten fünf Jahre. Ein Rückblick auf die gesamtdeutsche Finanzpolitik der Jahre 1990 bis 1995, in: Finanzarchiv N.F. 53 (1996), 194-303. • Wolfgang Kitterer, Rechtfertigung und Risiken einer Finanzierung der deutschen Einheit durch Staatsverschuldung, in: KarlHeinrich Hansmeyer (Hg.), Finanzierungsprobleme der deutschen Einheit, Bd. 1, Berlin 1993, 39-76. • Walther Otremba, Finanzpolitik 1989-1998 - die Dämme haben gehalten, in: Wirtschaftsdienst 79 (1999), 18-26. • Wolfgang Renzsch, Die Finanzierung der deutschen Einheit und der finanzpolitische Reformstau, in: Wirtschaftsdienst 78 (1998), 348-356. • Gerhard A. Ritter, Der Preis der deutschen Einheit. Die Wiedervereinigung und die Krise des Sozialstaats, München 2. Aufl. 2007. • Wolfgang Streeck, Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, Berlin 2013. • Roland Sturm, Die Wende im Stolperschritt. Eine finanzpolitische Bilanz, in: Göttrik Wewer (Hg.), Bilanz der Ära Kohl. Christlich-liberale Politik in Deutschland 1982-1998, Opladen 1998, 183-200. • Uwe Wagschal, Auf dem Weg zum Sanierungsfall? Die rot-grüne Finanzpolitik seit 2002, in: Christoph Egle, Reimut Zohlnhöfer (Hg.), Ende des rot-grünen Projekts: Eine Bilanz der Regierung Schröder 2002-2005, Wiesbaden 2007, 241-270. • Florian Zinsmeister, Die Finanzierung der deutschen Einheit – Zum Umgang mit den Schuldlasten der Wiedervereinigung, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 78 (2009), 146-160. • Reimut Zohlnhöfer, Die große Steuerreform 1998/99: Ein Lehrstück für Politikentwicklung bei Parteienwettbewerb im Bundestag, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 30 (1999), 326-345. • Ders., Der lange Schatten der schönen Illusion: Finanzpolitik nach der deutschen Einheit, 1990-1998, in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 28 (2000), 14-38. • Ders., Rot-grüne Finanzpolitik zwischen traditioneller Sozialdemokratie und neuer Mitte, in: Christoph Egle, Tobias Ostheim, Reimut Zohlnhöfer (Hg.), Das rot-grüne Projekt. Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998-2002, Wiesbaden 2003, 193-214. 221 15. Checkliste zum Anfertigen einer Hausarbeit (I) 1. Themenwahl: Welches Thema interessiert mich? 2. Literaturrecherche und -beschaffung: Die Qualität der Hausarbeit hängt maßgeblich von der benutzten Literatur ab! Literaturrecherche und -beschaffung erfordern relativ viel Zeit. 3. Wissenschaftliche Belege: Prinzipiell muss jede (Kern-)Aussage über eine Fußnote belegt werden. 4. Erkenntnisinteresse: Die Hausarbeit muss eine oder mehrere Fragestellungen (oder Thesen) haben. Mittels der Fragestellung wird die Literaturfülle überblickt und die Hausarbeit gegliedert. Sie ist der rote Faden der Arbeit. 5. Gliederung: Je klarer die Gliederung ist, desto leichter schreibt und liest sich die Arbeit. Der rote Faden sollte unbedingt zu erkennen sein! 6. Einleitung: Die Einleitung sollte zuletzt geschrieben werden, damit sie zum Text passt. In ihr ist auf jeden Fall die Fragestellung und der Aufbau der Arbeit zu beschreiben. Sie sollte nicht zu lang sein (nicht mehr als eine Seite). 7. Hauptteil: Im Hauptteil sollten nicht zu viele Details aufgezeigt werden. Die Gefahr besteht darin, zu deskriptiv (beschreibend) und zu wenig analysierend zu arbeiten. Ein paar Eye-catcher (Graphiken, Tabellen, ggf. Fotos) können auflockern. 222 15. Checkliste zum Anfertigen einer Hausarbeit (II) 8. Schluss: Der Schluss beantwortet die Fragestellung(en) der Hausarbeit. Er besteht aus einer (wertenden) Zusammenfassung und – wenn möglich – einem kurzen Ausblick. Der Schluss ist der vielleicht wichtigste Teil der Hausarbeit und sollte daher auch in zeitlicher Hinsicht angemessen bearbeitet werden. 9. Literaturverzeichnis: Lieber mehr Literatur als zu wenig! Viele Lexika und Internetquellen sind übrigens nicht zitierfähig. 10. Stil: Einfach und verständlich ausdrücken. Nicht zu lange Sätze formulieren. Nicht zu viele Füllwörter benutzen. 11. Korrekturlesen: Am besten wird die Arbeit von einer anderen Person Korrektur gelesen. Rechtschreib-, Grammatik- und Stilfehler können eine Arbeit ganz erheblich verschlechtern. 12. Umfang: ca. 15 Seiten 13. Ausführliche Hinweise (auch zur formalen Gestaltung): Manuel René Theisen, Wissenschaftliches Arbeiten, 13. Aufl., München 2006. (Preis: 13,00 €) 223
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