Strophenformen Deutsch Oberstufe / grn Definition ‚Strophe‘ • Aus mehreren Versen bestehende, sich wiederholende metrische Einheit eines Gedichts Dreizeiler Deutsch Oberstufe / grn Terzine • Im ernsten Beinhaus war's, wo ich beschaute • Wie Schädel Schädeln angeordnet passten; • Die alte Zeit gedacht' ich, die ergraute. • Sie steh‘n in Reih' geklemmt' die sonst sich hassten, • Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen, • Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten. • Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen • Fragt niemand mehr, und zierlich tät'ge Glieder, • Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen. … • Goethe / Bei Betrachtung von Schillers Schädel Terzine • Im ernsten Beinhaus war's, wo ich beschaute • Wie Schädel Schädeln angeordnet passten; • Die alte Zeit gedacht' ich, die ergraute. • Sie steh‘n in Reih' geklemmt' die sonst sich hassten, • Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen, • Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten. • Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen • Fragt niemand mehr, und zierlich tät'ge Glieder, • Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen. … • Goethe / Bei Betrachtung von Schillers Schädel • … • Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend • Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen, • Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend. • • • • Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen, Als dass sich Gott-Natur ihm offenbare? Wie sie das Feste lässt zu Geist verrinnen, Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre. • Goethe / Bei Betrachtung von Schillers Schädel • … • Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend • Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen, • Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend. • • • • Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen, Als dass sich Gott-Natur ihm offenbare? Wie sie das Feste lässt zu Geist verrinnen, Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre. • Goethe / Bei Betrachtung von Schillers Schädel Merkmale Terzine • dreizeilig • fünfhebiger Jambus • Kettenreim (= Terzinenreim oder geflochtener Reim) Vierzeiler Deutsch Oberstufe / grn 1. Volksliedstrophe • • • • • • Der Mond ist aufgegangen, Die goldnen Sternlein prangen Am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus dem Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar. • Matthias Claudius 1. Volksliedstrophe • • • • • • Der Mond ist aufgegangen, Die goldnen Sternlein prangen Am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar. • Matthias Claudius • In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad Mein Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. • Joseph von Eichendorff • In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad Mein Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. • Joseph von Eichendorff Merkmale Volksliedstrophe • meist vierzeilig • überwiegend Kreuzreim • alternierende Kadenzen • meist dreihebig (aber auch vierhebig oder auch auftaktlos) • generell gilt: Füllungsfreiheit möglich • singbar 2. Chevy-Chase-Strophe • Im Feld vor einem grünen Wald • Rief Knecht und Reutersmann, • Laut rief von Lothringen Renald: • Wir wollen vorne dran. • aus Des Knaben Wunderhorn 2. Chevy-Chase-Strophe • Im Feld vor einem grünen Wald • Rief Knecht und Reutersmann, • Laut rief von Lothringen Renald: • Wir wollen vorne dran. • aus Des Knaben Wunderhorn Merkmale Chevy-Chase-Strophe • vier- und dreihebige Verse alternieren • männliche Kadenz • ganzer oder halber Kreuzreim • Füllungsfreiheit möglich • Balladendichtung Merkmale Chevy-Chase-Strophe • Na gut, was ist ein halber Kreuzreim? • Na? Merkmale Chevy-Chase-Strophe • „Ich vermute, du meinst den heterogenen Kreuzreim (auch unterbrochener oder halber Kreuzreim genannt), also das Reimschema abcb: • • • • Mein Herz, mein Herz ist traurig, Doch lustig leuchtet der Mai; Ich stehe, gelehnt an der Linde, Hoch auf der alten Bastei. (Heinrich Heine: Mein Herz, mein Herz ist traurig) … Merkmale Chevy-Chase-Strophe • … Und was will der Dichter mit der Wahl dieses Reimschemas ausdrücken? Gar nichts. Er will einfach nur Endreim verwenden, ohne sich zu sehr einzuschränken oder ohne das Gedicht zu streng wirken zu lassen – also verwendet er den heterogenen Kreuzreim.“ (aus gutefrage.net / Antwort von von mittern8eule, 06.05.2012) dt. Variante: Vagantenstrophe • Es zog eine Hochzeit den Berg entlang, Ich hörte die Vögel schlagen, Da blitzten viel Reiter, das Waldhorn klang, Das war ein lustiges Jagen! • Joseph von Eichendorff dt. Variante: Vagantenstrophe • Es zog eine Hochzeit den Berg entlang, Ich hörte die Vögel schlagen, Da blitzten viel Reiter, das Waldhorn klang, Das war ein lustiges Jagen! • Joseph von Eichendorff Merkmale Vagantenstrophe • meist vierzeilig • Wechsel von vierhebigen und dreihebigen Versen • Kreuzreim oder halber Kreuzreim • Kadenzen streng alternierend Merkmale Vagantenstrophe • meist vierzeilig • Wechsel von vierhebigen und dreihebigen Versen • Kreuzreim oder halber Kreuzreim • Kadenzen streng alternierend • Differenz zur Chevy-Chase-Strophe? Merkmale Vagantenstrophe • meist vierzeilig • Wechsel von vierhebigen und dreihebigen Versen • Kreuzreim oder halber Kreuzreim • Kadenzen streng alternierend 3. Kirchenliedstrophe • Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? • Es ist der Vater mit seinem Kind; • Er hat den Knaben wohl in dem Arm, • Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm. • Johann Wolfgang von Goethe 3. Kirchenliedstrophe • Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? • Es ist der Vater mit seinem Kind; • Er hat den Knaben wohl in dem Arm, • Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm. • Johann Wolfgang von Goethe Merkmale Kirchenliedstrophe • vierhebig und auftaktig • Paarreim • männliche Kadenzen 4. Romanzenstrophe • • • • Drüben geht die Sonne scheiden, Und der müde Tag entschlief. Niederhangen hier die Weiden In den Teich, so still, so tief. • Nikolaus Lenau, Schilflieder 4. Romanzenstrophe • • • • Drüben geht die Sonne scheiden, Und der müde Tag entschlief. Niederhangen hier die Weiden In den Teich, so still, so tief. • Nikolaus Lenau, Schilflieder • • • • Wie die Flamme scheu noch lodert, Von den Fluten rings belagert, Bis die traurig tote Kohle Leicht umschaukelt in dem Wasser. • Clemens Brentano • • • • Wie die Flamme scheu noch lodert, Von den Fluten rings belagert, Bis die traurig tote Kohle Leicht umschaukelt in dem Wasser. • Clemens Brentano Merkmale Romanzenstrophe • vierfüßige Trochäen • Kreuzreim oder halber Kreuzreim (oder assonierend) • alternierende Kadenzen • sowohl Strophen- als auch Gedichtform 5. Strophe im 20. Jh. 5. Strophe im 20. Jh. • • • • Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. • Rainer Maria Rilke, Der Panther 5. Strophe im 20. Jh. • • • • Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. • Rainer Maria Rilke, Der Panther Merkmale 20. Jahrhundert • fünfhebiger Jambus • Kreuzreim • alternierende Kadenzen Achtzeiler Deutsch Oberstufe / grn Stanze • Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Versuch´ ich wohl, euch diesmal festzuhalten? Fühl´ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert, Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. • Goethe, Faust I, Zueignung Stanze • Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Versuch´ ich wohl, euch diesmal festzuhalten? Fühl´ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert, Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. • Goethe, Faust I, Zueignung Merkmale Stanze • fünfhebiger Jambus • Reimform: ab ab ab cc • alternierende Kadenzen (bis auf cc) • pointierter Schluss
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