Veröffentlicht in: Berg- und Hüttenmännischer Tag – Freiberger Forschungsforum 2012 Kollquium Bodenverflüssigung, Tagungsband. Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung Frieder Häfner* **, Wolfram Kudla**, Siegfried Breier*** (*GeoRes Consult Meusel&Partner, Freiberg; **TU Bergakademie Freiberg; ***Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), Senftenberg) 1 Einleitung In den flächenhaft ausgedehnten Innenkippen des Braunkohlebergbaues der Lausitz traten im niederschlagsreichen Herbst 2010/Frühjahr 2011 wiederholt spontane, schnell ablaufende Verflüssigungserscheinungen teilweise großen flächenhaften Ausmaßes auf, die in dieser Form nicht erwartet wurden. Während der Verflüssigungen bildeten sich Schlammvulkane mit Längenabmessungen bis zu 20 m, wobei die Intensität und Dauer ihrer Tätigkeit vermuten lassen, dass sie u.a. durch komprimierte Porenluft (hier als Gasphase bezeichnet) angetrieben werden (s. Abbildung 1). Abbildung 1: Geländeeinbruch Innenkippe Spreetal Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung Die Porenluft-, Schlamm- und Wassereruptionen können im Untergrund ein erhebliches Strömungsfeld und lokale Massendefizite erzeugen, welche eine wesentliche Ursache für das große Ausmaß der nachfolgenden Bodenfließbewegungen sein können. Die Ereignisse erfordern, die Strömungsmechanik des Aufsättigungsprozesses als Zweiphasenströmungsprozess Gas-Wasser zu untersuchen und zu klären, ob es infolge besonderer Ablagerungsbedingungen der Kippe zu einem Einschluss der Porenluft mit anschließendem Druckanstieg kommen kann. 2 Zweiphasenströmung Wasser-Porenluft (Gas) Die Aufsättigung einer Kippe ist ein typischer Zweiphasenprozess, da der Porenraum nach dem Verstürzen der Massen nur zu ca. 25% mit Wasser gefüllt ist. Sowohl das bei der Grundwasserneubildung von oben eindringende Niederschlagswasser als auch ein seitlicher oder Liegendzufluss von Grundwasser müssen das Gas verdrängen. Dabei entsteht u.a. auch ein Gegenstrom von Wasser und Gas, da das Gas nur noch oben entweichen kann. Die bisher übliche Berechnung der Grundwasserströmung (Einphasenströmung oder gesättigte Strömung) berücksichtigt diese Situation nicht. Die in der Bodenkunde übliche Berechnungsweise der ungesättigten Strömung (Richards-Gleichung) erfasst zwar die sättigungsabhängige Durchlässigkeit, den Kapillardruck (Saugspannung) und das sättigungsabhängige Speichervermögen, betrachtet jedoch das Gas als unbewegliche Phase, die stets unter Atmosphärendruck steht. Beide Betrachtungsweisen können dem realen Prozess der Kippenaufsättigung nicht gerecht werden, wie die Erhöhung des Gasdruckes eindrücklich zeigt. Ebenso sei daran erinnert, dass in der Geohydraulik seit langem eine entwässerbare Porosität ne und eine wiederauffüllbare Porosität na definiert sind. Beide Größen sind in der Regel deutlich kleiner als die gesamte wassergefüllte Porosität n. Was befindet sich eigentlich im Rest des Porenraumes und warum kann dieser Rest nicht wieder mit Wasser gefüllt werden? Die Zweiphasenströmung definiert den Begriff der Sättigung S, mit der Wassersättigung Sw und der Gassättigung Sg, dabei gilt: ü ü , (1) Bei der Zweiphasenberechnung wird sowohl für die Wasser- als auch für die Gasphase eine Bilanzgleichung aufgestellt, die durch den Kapillardruck pc (2) gekoppelt sind. In diesem System sind deshalb der Wasserdruck pw, der Gasdruck pg und die Wassersättigung Sw unbekannte Größen, die durch numerische Simulation simultan berechnet werden können. 2 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung Das bei GeoRes Consult entwickelte numerische Simulationsprogramm ModGeo3D (HÄFNER & MEUSEL, 2012) berechnet den Vorgang im 3-dimensionalen Raum, wobei im Unterschied zu anderer Software (Tough2, Eclipse) der Gasdruck nicht mit Hilfe der Kapillardruckgleichung (2) ersetzt wird. Dieser Sachverhalt erlaubt es, sowohl Randbedingungen für die Wasserphase zu berücksichtigen (das ist die übliche Vorgehensweise zur Simulation des seitlichen oder Liegendzuflusses), sondern auch für den Gasdruck (z.B. an der Geländeoberfläche oder im noch nicht gefüllten Restloch). Im Aufsättigungsprozess ändert sich der Charakter der Randbedingungen (z.B. in einem Feuchtjahr infolge Wasseransammlung in Tieflagen oder im Verlaufe der Restlochflutung), so dass der reale Prozess nur auf diese Weise erfasst werden kann. Die o.g. Porositäten, deren physikalischer Inhalt in der Einphasenbetrachtung nicht näher definiert werden kann, sind in der Zweiphasenströmung: (3) Dabei ist Swr die unbewegliche Restwassersättigung bei Schwerkraftentwässerung und Sgr die unbewegliche Restgassättigung. Nach BUSCH&LUCKNER (1973) beträgt die entwässerbare Porosität in kippenähnlichem natürlichem Boden ca. 0.1, d.h. Swr = 0.75. Für geschüttete Kippen dagegen ist die gemessene Restwassersättigung nur ca. 0.25 und die bisher angenommene entwässerbare Porosität 0.1 bis 0.15 (bei n = 0.45). Dies führt nach Gl.(3) zu einer Restgassättigung von 0.4 bis 0.5 bei Atmosphärendruck. Da das geschüttete Material sehr stark entwässert ist und nach der Verkippung zunächst kein kapillarer Kontakt zwischen den Partikelballungen besteht (keine kohärente Wasserphase), ist tatsächlich mit einer derart hohen Restgassättigung zu rechnen, die sich allerdings bei Anstieg des Gasdruckes verringert nach . (4) Bisher wurde davon ausgegangen, dass im Zuge des Sackungsprozesses der Kippen beim Grundwasseranstieg (Erstsättigung) eine Gefügeveränderung des Korngerüstes derart erfolgt, dass auch ein Teil der Porenluft freigesetzt und der Anteil der Porenluft im Kippenboden somit insgesamt verringert wird (chemische Porengasneubildung wird hier vernachlässigt). Dieser Prozess dürfte im Wesentlichen bei den bis heute erreichten Grundwasserständen in der Lausitz in nahezu allen Kippen abgeschlossen sein. Der verbleibende Restgasanteil ist im Porenraum unter Druck eingeschlossen, dürfte aber wegen des hydrostatischen Druckes in der Wasserphase mittelfristig kaum einer weiteren wesentlichen Veränderung unterliegen. Aktuelle Untersuchungen mit Drucksondierungen an den inzwischen zahlreichen bis zum stationären Endniveau wassergesättigten Innenkippen zeigen, dass ab einer Tiefe zwischen 20-30 m unter Gelände die Sackungen nicht bzw. nicht vollständig eintreten und damit eine maßgebende Veränderung der Porosität nicht erfolgt. Im oberen Teil der Kippe (Absetzerkippe) verbleibt eine extrem lockere Lagerungsstruktur, die auch bei weiterem Anstieg der Wassersättigung erhalten bleibt. Bei relativ 3 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung geringem Wasserandrang (geringe Neubildungsrate) kann die Porenluft zur Geländeoberfläche entweichen, es kommt nicht zum Aufbau von Gasdruck. Bei durch stauende Kippenpartien oder durch Stauwasser bzw. starke Versickerung behinderten Verhältnissen ist jedoch ein erheblicher Druckanstieg im Porengas zu erwarten. Mit den Untersuchungen des Zweiphasensystems soll geklärt werden, ob die entstehenden Porengasdrücke erheblich sind und inwieweit diese als Initial bzw. Katalysator für die Geländeeinbrüche bei den spontanen Kippeneinbrüchen wirksam werden können. 3 Kapillareigenschaften und relative Durchlässigkeiten Unter Kapillareigenschaften werden hier verstanden: • der sättigungsabhängige Kapillardruck (Saugspannung) und • die sättigungsabhängigen relativen Durchlässigkeiten für Gas und für Wasser. Für das Kippenmaterial der Lausitz ist keine geschlossene Untersuchung bekannt. Deshalb stützen wir uns auf die Korrelationsgleichungen von VAN GENUCHTEN UND MUALEM, wie sie z.B. von HELMIG (1997) empfohlen werden. Die wohl umfangreichste Analyse der Eigenschaften für unterschiedlichste Böden existiert als Ergebnisbericht „Kennwerte des Bodengefüges“ einer Arbeitsgruppe der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft aus dem Jahre 2008 nach WESSOLEK u.a. und der Bodenklassifikation der „ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden“ (DBG). Die bodenphysikalischen Kennwerte werden nach einer etwas abgeänderten Methode von Mualem berechnet. Kapillardruck: / / , (5) Relative Durchlässigkeit für Wasser: / (6) / (7) Relative Durchlässigkeit für Gas: Dabei ist die normierte Sättigung S (8) Die Koeffizienten/Exponenten für die einzelnen Bodenarten sind bei WESSOLEK u.a.. enthalten. Dabei muss bemerkt werden, dass der Exponent x in Gl.(6) sinngemäß auch in Gl.(7) eingeführt wurde. Es ist zu bedenken, dass sowohl in der Bodenkunde als auch in der Geohydraulik die Gasströmung nicht erfasst und nicht untersucht wird, da in der zugrundeliegenden Theorie (Richards-Gleichung) der Druck in der Gasphase als konstant (= 1 bar abs., d.h. als eine unbewegliche Gasphase) angenommen wird. Deshalb geben die Autoren, u.a. auch HELMIG , lapidar für Gl.(6) an: x 4 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung = +0.5. In Gl.(7) wird üblicherweise x = -0.333 gesetzt. Der Exponent x ist jedoch dabei in keiner Weise an bestimmte Bodenmaterialien angepasst, so dass die sinngemäße Übertragung nach Gl.(7) gerechtfertigt erscheint. Es soll jedoch auch betont werden, dass die so berechneten Kapillareigenschaften nur für erste Untersuchungen einen Sinn ergeben. Für eine ortsspezifische Untersuchung der Zweiphasenströmung in einer Kippe sind laborative Bestimmungen der Restsättigungen, des Kapillardruckes und der relativen Durchlässigkeiten unumgänglich. relative Durchlässigkeiten Gas und wasser 1.E+00 1.E‐01 1.E‐02 krg,Su3 (ABS‐Kippe) krw, Su3 (ABS‐Kippe) 1.E‐03 krg,Su2 (Förderbrückenkippe) krw, Su2 (Förderbrückenkippe) krg,Ss (Vorkippe) 1.E‐04 1.E‐05 krw, Ss (Vorkippe) 1.E‐06 0 0.2 0.4 0.6 Wassersättigung 0.8 1 Abbildung 2: Relative Durchlässigkeit für Wasser und Gas bei einer unbeweglichen Restgassättigung von 40% (Sw,Max=0.6),(nach WESSOLEK u.a., 2008) Nach den Untersuchungen von OEHMIG (2004) und der dort beschriebenen prinzipiellen Kornverteilung in den Niederlausitzer Kippen kann man nach DBG und WESSOLEK den Kippen die folgenden Bodenarten zuordnen: • • • Vorkippe : bis 5% Feinkornanteil, Sande (Ss,St2) Förderbrückenkippe (Hauptkippe): 10-20% Feinkornanteil, Lehmsande (Su2, Sl2) Absetzerkippe (Hangendbereich): 5-20% Feinkornanteil, Schluffsande ( Su3, St3) Die berechneten Kapillareigenschaften für diese Bodenarten bei 40% Restgassättigung sind in Abbildung 2 dargestellt. Der Kapillardruck in Abbildung 3 besitzt bei ge5 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung ringer Wassersättigung Sw = 0.3 - 0.4 die Größenordnung von 0.1 – 1 bar und ist ein Maß für die relativ große, scheinbare Kohäsion des Bodenmaterials in diesem Sättigungsbereich. 1.E+01 Kapillardruck (Saugspannung), bar Pcap,Su3 (ABS‐Kippe) Pcap,Su2 (Förderbrückenkippe) 1.E+00 Pcap,Ss (Vorkippe) 1.E‐01 1.E‐02 1.E‐03 1.E‐04 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 Wassersättigung Abbildung 3: Kapillardruck (nach WESSOLEK u.a.,2008) 4 Druck- und Sättigungsverhalten während der Aufsättigung Als typische Innenkippe wird eine bis 60 m mächtige Kippe mit 45% Porosität und einer Anfangswassersättigung von 25% betrachtet. Die Werte sind als Mittelwerte von Messungen im Institut für Bergbau und Spezialtiefbau der TU Bergakademie an Material des Tagebaues Reichwalde genommen. Die Simulation der Aufsättigung soll durch Grundwasserneubildung (von „oben“) ohne und mit Liegendzufluss (von „unten“) erfolgen. 6 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung Abbildung 4: Schnitt durch eine typische Kippe des Lausitzer Braunkohlenbergbaus In den folgenden Abbildungen sind die wesentlichen Ergebnisse der Simulation bezüglich Wassersättigung und Gasdruck dargestellt. Der Vergleich der Varianten wird möglich, weil die totalen Speisungsmengen ungefähr gleich sind, was zu einer mittleren Wassersättigung von Sw = 0.7-0.85 führt. In Tabelle 1 ist ein Vergleich der Gasenergie mit der potentiellen Energie der Hangendkippe bei einem Setzungsereignis zusammengestellt. In Abbildung 7 ist der Einfluss einer Feuchtperiode mit Wasseransammlung an der Geländeoberfläche (z.B. in einer Muldenstruktur) dargestellt. 7 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung Wassersättigung 0.0 0.5 1.0 Gasdruck, bar absolut 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 Tiefe, m 0 4.5 5.0 5.5 6.0 Pg,GWN(Sgr=0.4) ‐5 Pg,GWN(Sgr=0.05) ‐10 Pg,GWN+L(Sgr=0.4) ‐15 Pg,H+L, (Sgr=0.4) ‐20 Sw,GWN(Sgr=0.4) Sw,GWN(Sgr=0.05) ‐25 Sw,GWN+L (Sgr=0.4) ‐30 Sw,H+L, Sgr=0.4) ‐35 ‐40 ‐45 ‐50 ‐55 ‐60 Abbildung 5: Simulation der Aufsättigung: Gasdruck und Wassersättigung In Abb.5 bedeuten pg Gasdruck und Sw Wassersättigung und: • • • GWN: Speisung nur durch Grundwasserneubildung, GWN + L: Speisung durch Grundwasserneubildung und Liegendzufluss bzw. seitlichem Zufluss in die Vorkippe, H+L: Hangend- und Liegendzufluss bei einer Standrohrspiegelhöhe von h = -0.25 m (Wasseransammlung auf der Geländeoberfläche in einem Feuchtjahr und/oder in einer Mulde). Die Hauptergebnisse aus Abb.5 sind: • • • Bei geringer Restgassättigung und Hangendzufluss durch Grundwasserneubildung kann die Gasphase entweichen, kein Druckaufbau Bei starkem Hangendzufluss (H, GWN) steigt die Wassersättigung im Hangendbereich, das Gas aus den tieferen Bereichen kann nicht entweichen, der Gasdruck steigt an. Der Liegendzufluss (L) ist der Motor für die Gasdruckerhöhung. Die Energie des komprimierten Gases wird für ein ideales Gas bei isothermer Druckänderung abgeschätzt aus (9) 8 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung Energie des komprimierten Gases, MJ/m3 0.0E+00 5.0E‐03 1.0E‐02 1.5E‐02 2.0E‐02 2.5E‐02 3.0E‐02 3.5E‐02 4.0E‐02 4.5E‐02 5.0E‐02 0 E‐Gas, GWN(Sgr=0.4) Tiefe, m ‐5 ‐10 E‐Gas, GWN(Sgr=0.05) ‐15 E‐Gas, GWN+L(Sgr=0.4) ‐20 E‐Gas, H+L (Sgr=0.4) ‐25 ‐30 ‐35 ‐40 ‐45 ‐50 ‐55 ‐60 Abbildung 6: Energie des komprimierten Gases in der Kippe je m2 Kippenoberfläche Die Hauptaussagen aus Abb. 6 sind: • • Bei geringer Restgassättigung wird keine Energie gespeichert, Das gemeinsame Wirken von GWN / H als Verstopfung der Gasströmungswege und L als Druckerhöhungsantrieb führt zu hoher „gespeicherter Systemenergie“. 9 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung Tabelle 1: Energie des komprimierten Gases je m2 Fläche einer 60 m mächtigen Kippe unter verschiedenen Annahmen für die Restgassättigung und die Speisung Gas-Energie, SgRest Swm E10m Etotal bezogen auf poAufsättigung % % MJ/m2 MJ/m2 tentielle Energie nur GWN=350 mm/a 40 70.2 0.0021 0.85 5.09 Nur GWN=350 mm/a 5 70.2 0.0035 0.057 0.34 GWN + Liegendzufluss 40 76.7 0.011 1.26 7.54 GWN + Liegendzufluss 5 85.6 0.0023 0.168 1.0 40 84.2 0.096 1.53 9.16 5 95.3 0.0151 0.205 1.22 40 76.1 0.059 1.51 9.04 GWN + Liegendzufluss, nach Feuchtjahr GWN + Liegendzufluss, nach Feuchtjahr Hangend + Liegendzufluss Anmerkungen zu Tabelle 1: Als potentielle Energie im Falle eines spontanen Setzungsereignisses wurde angenommen, dass sich die Geländeoberkante um 2 m absenkt und im Mittel die oberen 10 m der Kippe um 1 m fallen. Bei einer Feuchtdichte von 1,67 g/cm3 beträgt damit die potentielle Energie 0.164 MJ/m2. Swm ist die mittlere Wassersättigung in der Kippe als Maß für den Stand der Aufsättigung (Zeit), E10m ist die Gasenergie in den oberen 10 m, Etotal die Gasenergie der Gesamtkippe. Hauptaussagen Tab.1: • • hohe Restgassättigung bedingt i.a. hohe Gasenergieanteile im System, die Gasenergie beträgt bis zum 9-fachen der potentiellen Systemenergie. 10 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung 1.5 Tiefe = ‐4.75 m 1.4 Wassersättigung; Gasdruck, bar absolut 1.3 1.2 1.1 1.0 Feuchtjahr mit Wasserstand an GOK 0.9 0.8 0.7 Pg (Sgr=0.4) 0.6 Sw(Sgr=0.4) 0.5 Pg(Sgr=0.05) 0.4 Sw(Sgr=0.05) 0.3 0.2 0.1 0.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 2.6 2.8 3.0 Zeit, Jahre Abbildung 7: Zeitlicher Verlauf von Gasdruck und Sättigung in 4.75 m Tiefe nach einem Feuchtjahr Die Hauptaussagen aus Abb.7 sind: • • 5 Unter normalen Niederschlagsbedingungen kann das Porengas im Gegenstrom gegen das Sickerwasser entweichen, es kommt nicht zum Druckanstieg. In Feuchtjahren (hier als Wasserbedeckung der GOK bei h=-0.25 m simuliert) sättigt sich die Hangendkippe bis nahe an den Maximalwert der Wassersättigung auf und verhindert den Gasaustritt, das Porengas unterhalb wird komprimiert. Ergebnisse der Simulationsstudie 5.1 Sättigung/Gasdruck /Gasenergie (Abb.5, 6, Tab.1) • Unabhängig von der Variantenwahl kommt es in der Absetzerkippe (Hangend) zu einer höheren Wassersättigung als in der Hauptkippe (AFB-Kippe), so dass das Entweichen des Porengases stärker behindert ist – es tritt ein Anstieg des Gasdruckes ein. Der Gasdruck erreicht maximal den jeweiligen hydrostatischen Druck. Bodenmechanisch bedeutsam ist dabei, dass der Kapillardruck im Hangendbereich gering ist bzw. völlig verschwindet (s.Abb.3) 11 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung und damit die scheinbare Kohäsion im nahezu gesättigtem Kippenboden nicht mehr gegeben ist. • Nur bei der (unrealistischen) Annahme einer geringen Restgassättigung (5%) und Speisung alleine durch Neubildung ist der Gasabfluss so wenig behindert, dass kein wesentlicher Druckaufbau stattfindet. • Der ohne Zweifel existente Liegendzufluss bzw. seitliche Zufluss aus dem Gewachsenen oder einem Restloch (vorwiegend in die besser durchlässige Vorkippe) komprimiert das Gas, wenn die Gasabströmung nach oben durch Wasseraufstau an der Geländeoberfläche oder duch einsickerndes Niederschlagswasser behindert ist. • Das komprimierte Porengas enthält eine deutlich höhere Energie als die potentielle Energie des Bodenmaterials, die bei einem Setzungsereignis frei wird (bis zum 9-fachen höher). Dabei muss beachtet werden, dass das Gas infolge seiner ca. 100-mal geringeren Viskosität als Wasser ungleich beweglicher ist und nach einem bodenmechanischen Initial am ehesten Fließwege nach oben findet. Dieser Vorgang steigert sich selbsttätig und führt infolge des exponentiellen Zusammenhanges von Gas- bzw. Wassersättigung und Gasdurchlässigkeit (s. Abb.2) zu einem eruptionsartigen Gasaustritt. 5.2 Einfluss einer Feuchtperiode (Abb.7) • • 5.3 Eine Feuchtperiode kann in Muldenstrukturen zur Ansammlung von Wasser führen, so dass eine maximale Speisung eintritt. Die Wassersättigung der Absetzerkippe steigt bis zum Maximalwert Sw=0.95 (bei Restgas von 0.05) bzw. Sw=0.6 (bei Restgas von 0.4) , wie Abb.7 zeigt. Der messbare Wasserstand in Pegelbohrungen kann dann dem Wasserspiegel in der Hangendkippe entsprechen, obwohl im tieferen Teil gar keine Vollsättigung erreicht ist. Der übliche Begriff „Grundwasserspiegel“ ist bei ungesättigten Bedingungen nicht definiert – es existiert i.d.R. kein Wasserspiegel für kleine Wassersättigungen. Konsequenzen für die Standsicherheit der Kippe Die beobachteten Phänomene bei den zahlreichen Geländeeinbrüchen der Jahre 2010/ 2011: • starke und langandauernde Niederschlagsperiode, • gemessener hoher Wasserstand (nahe GOK) in den Kippen und • starke Eruptionen während des Geländeeinbruchs können u.E. aus den Simulationen der Zweiphasenströmung schlüssig erklärt werden. • Kippen besitzen eine unbewegliche Restgassättigung, deren Größe bisher laborativ nicht bestimmt wurde, aber mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich über 20% liegt. Untersuchungen in der Kippe Espenhain z.B. zeigten einen 12 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung • • • • 6 Grundwasseranstieg von ca. 1 m/a, der durch die gemessene Grundwasserneubildung und die sehr geringen Liegendzuflüsse nur dann erklärbar ist, wenn der Porenraum nur teilweise wiederauffüllbar ist – der Rest bleibt luft (gas)-gefüllt. Im Fall von starker Aufsättigung der Hangendkippe (Feuchtjahr, langandauernder Starkregen, Wasseransammlung in Muldenstrukturen) steigt der Gasdruck unterhalb der Hangendkippe, da das Entweichen des Gases verhindert wird. In der Hangendkippe verschwindet der Kapillardruck und mit ihm die scheinbare Kohäsion als standfestigkeitsfördernde Wirkung. Durch ein Initial (Bodenerschütterung, Gefügezusammenbruch, lokale Rutschung einer Hanglage etc.) bilden sich zunächst kleinste Fließwege in vertikaler Richtung, die aber vorrangig vom Gas genutzt werden. Durch die dabei auftretende Verringerung der Wassersättigung = Erhöhung der Gassättigung steigt die relative Durchlässigkeit für Gas exponentiell an – es bildet sich eine Eruption, die Wasser und Bodenmaterial mitreißt. Die Eruptionen sind verbunden mit einem Druckabfall und einem Massendefizit in immer größeren Tiefen, so dass die Standsicherheitskriterien in einem ständig anwachsenden Kippenvolumen verletzt werden können. Einige Schlußfolgerungen für die Sanierung Diese Studie kann keine bodenmechanischen Ergebnisse vorweisen. Wir wollen jedoch deutlich machen, dass die Natur beide Prozesse gleichzeitig und sich gegenseitig beeinflussend ablaufen lässt: die Setzung von Bodenkörpern und die Strömung in Bodenkörpern. Die wissenschaftliche Durchdringung und Erklärung der Prozesse muss nichts anderes tun. Die nachfolgenden Schlußfolgerungen sind allein strömungsmechanisch begründet und damit sicher unvollständig. Wir gehen davon aus, dass die Kombination der Phänomene: • • • lockere Lagerung des Kippenmaterials mit relativ geringer Festigkeit, starke Aufsättigung des Hangendbereiches in Feuchtperioden bzw. bei ungünstiger Geländegestaltung und damit einhergehender Verlust der scheinbaren Kohäsion und Ansammlung von leicht beweglicher Energie in Form von komprimierter Bodenluft unterhalb des gesättigten Bereiches zur Auslösung der Verflüssigungsereignisse in den Jahre 2010/2011 erheblich beigetragen hat. Die Sanierung könnte versuchen, die Verkettung der o.g. Phänomene zu durchbrechen. Das wäre jedoch nur möglich, wenn die Wassersättigung in der Hangendkippe 13 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung dauerhaft auf einem niedrigen Wert gehalten werden könnte. Dann wäre Kapillardruck (scheinbare Kohäsion) vorhanden und das Porengas könnte an die Erdoberfläche entweichen (kein Druckanstieg in der Gasphase). Damit ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: 1. Die Sanierung kann nicht alleine über die Wasserphase erreicht werden. Eine Dränierung des Hangendbereiches müsste bis in Tiefen von etwa 10 m erfolgen und die Wassersättigung dauerhaft gering halten. Das wäre eine Aufgabe für sehr lange Zeiten, denn es muss immer mit Feuchtperioden gerechnet werden. Außerdem ist bekannt, dass die Entwässerung des Kippenmaterials entweder eine Flächendränage (bis in die angegebene Tiefe) oder ein dichtes Netz von Entwässerungsbohrungen erfordern würde. Ob mit solchen Maßnahmen der anstehende Boden tatsächlich soweit entwässert werden kann, dass die Wassersättigung stark absinkt, ist bisher nicht bekannt. Eine großflächige, dauerhaft wirksame Kippenentwässerung wird nicht zuletzt an den in der Lausitz überwiegend flurnahen Grundwasserständen und der fehlenden Gefällesituation zu Restlöchern und Vorflut scheitern. 2. Die Entspannung des komprimierten Gases kann ebenfalls nicht im Zentrum von Maßnahmen stehen. Das Gas ist in tiefer gelegenen Teilen der Kippe vorhanden, die aber infolge einer Teilsättigung (u.a. scheinbare Kohäsion vorhanden) standfest sind. Die „Entgasung“ durch Bohrungen gestaltet sich technisch noch aufwendiger als die Entwässerung, denn es wird immer auch Wasser und feines Bodenmaterial bei der Entlastung hinzutreten. 3. Der Vorschlag, durch Auflasten eine Verdichtung des Hangendbereiches mit Festigkeitszunahme zu erreichen, erscheint zumindest dann nicht ungefährlich, wenn die Wassersättigung in der Nähe des Maximalwertes liegt und die Auflast zu einer vollständigen Sättigung mit Porendruckerhöhung führen würde. Die hohe Wassersättigung wird dann zu einer weiteren Blockierung des Gasstromes und dem Verlust der scheinbaren Kohäsion führen. 4. Durch Rütteldruck- bzw. Sprengverdichtung wurde neben einer Verdichtung mit Festigkeitszunahme auch eine Porendruckverringerung für Gas und Wasser erreicht (Schaffung vertikaler Fließwege während des Bohrvorganges und bei der Rüttelung des Bodenmaterials). Deshalb erscheinen diese Maßnahmen auch hier erfolgversprechend. 5. Die Ereignisse der Jahre 2010/2011 zeigen, dass die größte Gefährdung von einem (zeitlich begrenzten) Sättigungsanstieg in der Absetzerkippe in Feuchtperioden ausgeht. In Teilen der Kippe, in denen keine Spreng- oder Rütteldruckverdichtung mehr vorgenommen werden kann (z.B. Hanglagen, bebaute Gebiete), kann ein System von Entwässerungs-Entgasungsbrunnen (bis in die AFB-Kippe in eine Tiefe von 15-20 m gebohrt) wirksam sein. Diese Brunnen werden nur in Feuchtperioden abgepumpt und sollen dabei den Wasserspiegel im Brunnen unterhalb der Absetzerkippe halten. Damit kann der Aufbau von Gasdruck 14 Aufsättigung von Kippen unter Beachtung der Bodenluft und mögliche Einflüsse auf eine Bodenverflüssigung gemindert und gleichzeitig die nähere Umgebung des Brunnens auf einem niedrigen Sättigungsstand gehalten werden. Die technischen Arbeiten dazu könnten u.E. in der trockenen Jahreszeit gefahrlos durchgeführt werden. 6. Die Geländegestaltung der Innenkippen sollte, dort wo noch möglich, die Entstehung von Oberflächenwasseransammlungen verhindern bzw. durch zeitweises Ableiten/Abpumpen beseitigen. Bei der weiteren Planung von Sanierungsmaßnahmen halten wir es für unbedingt notwendig, neben den bodenmechanischen Untersuchungen zum Verflüssigungsverhalten auch die strömungsmechanischen Folgen von Maßnahmen zu beachten. Jede Maßnahme sollte neben den Aspekten der Bodenverdichtung und Festigkeitszunahme auch berücksichtigen, dass Porenwasser- und Porenluftdruck auf einem möglichst niedrigen Niveau erreicht werden. Die vollständige Sättigung der Hangendkippe darf auch in Feuchtperioden nur eintreten, wenn sie soweit verdichtet ist, dass keine Verflüssigung mehr eintreten kann. Literatur Biemelt, D. Bestimmung der Grundwasserneubildung auf Offenlandbereichen derLausitzer Bergbaufolgelandschaft. Dissertation. Cottbus : Brandenburgische Technische Universität, 2008. Busch,K.F & L.Luckner: Geohydraulik. Leipzig: Dt.Verlag für Grundstoffindustrie, 1973. DBG. Bodenartengruppen des Feinbodens. http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Boden/Netzwerke/Adhocag/Downloads/KA5Korrekturen_20060801.pdf;jsessionid=FA5122ADEC75DC20E11F1DB244882F63.2_ cid137?__blob=publicationFile&v=2. Hannover : Ad-hoc Arbeitsgruppe Boden, 2008. Häfner,F. & L.Meusel: Das Simulationsprogramm ModGeo3D für die Zweiphasenströmung, Stoff- und Wärmetransport einschl. chemischer Reaktionen. Unveröff. Manual, GeoRes Consult,Freiberg, 2012. Helmig, R. Multiphase Flow and Transport Processes in the Subsurface. Berlin : Springer, 1997. Oehmig, R. Die Geologische Erkundung von Abraumförderbrücken-Innenkippen in Niederlausitzer Braunkohlentagebauen. Habilitationsschrift,. Cottbus : Brandenburgische Technische Universität, 2004. Wessolek, G. u.a. Ergebnisse und Vorschläge der DBG Arbeitsgruppe "Kennwerte des Bodengefüges" zur Schätzung bodenphysikalischer Kennwerte. http://www.boden.tuberlin.de/fileadmin/fg77/_pdf/publikationen/bodenphysikalischeKennwerte.pdf TU Berlin, 2008. 15
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