1 2.Kor 9,15 15.11.2015 Dankmahl Stell dir vor, du hast dein Auto zu

2.Kor 9,15
15.11.2015
Dankmahl
Stell dir vor, du hast dein Auto zu Schrott gefahren, selbst verschuldet. Du hast nicht das Geld für ein Neues, im Gegenteil, noch Schulden für das Alte. Und da kommt ein Freund, drückt dir Autoschlüssel in die
Hand, „für dich - du brauchst doch ein Auto, ich gebe dir meines - geschenkt.“ Wie reagierst du? Du
nimmst es gerne an, weil du wirklich auf ein Auto angewiesen bist. Aber reicht einfach Danke zu sagen? Es
ist schwer, die Dankbarkeit angemessen auszudrücken. Noch ein Beispiel: Dein Vermieter hat dir und deiner Familie gekündigt. Ihr suchst schon lange nach einer neuen Wohnung und findest nichts. Die Zeit drängt
und ihr wisst nicht wo ihr demnächst wohnen sollst. Ein Freund klingelt an eurer Tür. Du öffnest und er
reicht dir einen Schlüssel. Nein, keinen Autoschlüssel, auch keinen Wohnungsschlüssel. „Mein Haus - für
euch!“ Ich habe noch ein Haus - ich gebe euch mein Haus. Du bist sprachlos. So ein Geschenk annehmen,
fällt unheimlich schwer, das ist unvorstellbar, ein Haus geschenkt zu bekommen. Aber ihr braucht es und du
bist unbeschreiblich dankbar. Ja, und das ist es auch. Unbeschreiblich dankbar - wie kannst du deine Dankbarkeit beschreiben und ausdrücken. Ein letztes Beispiel. Du badest mit einem guten Freund in einem Fluss.
Plötzlich gerätst du in einen Strudel. Der Strudel zieht dich gnadenlos in die Tiefe. Du schaffst es nicht aus
eigener Kraft, dich aus dem Strudel zu befreien. Das spürst du die Hand deines Freundes. Er zieht dich hoch,
du kommt aus dem Strudel und tauchst auf. Wie du dich aus dem Bereich des Strudels entfernst, siehst du
auf einmal, wie es deinen Freund in die Tiefe zieht. Du hast nicht die Kraft, ihn zu retten und musst zusehen, wie er ertrinkt. Er hat sein Leben für dich gegeben. Du bist ihm unendlich dankbar. Aber wie drückt
man diese unendliche Dankbarkeit aus?
Am Freitag sprach Prof. Dr. Henning Freund beim Gesprächsforum zum Thema Dankbarkeit. Er forscht mit
einem Kollegen seit einigen Jahren über Dankbarkeit. Ein Aspekt aus seinem Vortrag ist mir aufgefallen:
Dankbarkeit will ausgedrückt werden. Und das höfliche Danke, das wir unseren Kindern anerziehen ist
nicht die beste Art. Es ist gezwungen. Wir brauchen Formen, wie wir unsere Dankbarkeit ausdrücken. Z.B. in
dem wir mit anderen darüber reden. Das ist eine Form, Dankbarkeit auszudrücken. Aber wie drückt man
Dankbarkeit bei sehr großen Geschenken aus, wie in meinen Beispielen: Auto, Haus, Leben? Gibt es eine
angemessene Form, wie man seinem Lebensretter dankt? Wie würdest du deinem Lebensretter danken?
Ihr ahnt vermutlich schon, worauf ich hinaus will. Wie danken wir unserem Lebensretter, Jesus Christus.
Wir danken wir Jesus Christus, der sein Leben für uns gegeben hat. Beim Abendmahl erinnern wir uns in
besonderer Weise daran. Wenn wir Jesus zitieren: „Mein Leib für dich gegeben. - Mein Blut für euch gegeben.“ Wie danken wir angemessen für dieses Opfer? Und ist das Abendmahl vielleicht eine Form, wie wir
unsere Dankbarkeit ausdrücken können? Sozusagen als Dankmahl. Darüber möchte ich mit euch nachdenken und das wollen wir dann auch beim Abendmahl tun.
Im 2. Korintherbrief schreibt der Apostel Paulus am Ende seines Spendenaufrufes: „Gott sei Dank für seine
unbeschreibliche Gabe.“ Ich finde das hochinteressant, Paulus bringt seinen Spendenaufruf mit dem Opfer
von Jesus in Verbindung. „Er, der reich war, wurde arm für uns, damit wir durch seine Armut, reich würden.“ Das ist das Grundmotiv zum Spenden. Aber das ist heute nicht unser Thema. Mir kommt es nur auf
diesen abschließenden Satz an: Gott sei Dank für seine unbeschreibliche Gabe. Das ist eine freie Übersetzung von mir. Luther und Elberfelder übersetzen, „für seine unaussprechliche Gabe.“ Das griechische Wort
dahinter bedeutet beides: unaussprechlich und unbeschreiblich. Ich habe mich für „unbeschreiblich“ entschieden, weil es umgangssprachlich vertrauter ist. Wir sagen im Blick auf faszinierende Dinge: „Das ist
unbeschreiblich.“ „Das ist unbeschreiblich schön.“ Wenn uns die Worte fehlen. Oder: „Das ist unbeschreiblich“, wenn uns Dinge faszinieren, wir sie aber im letzten nicht fassen und erklären. Es gibt Dinge in der
Natur, die wir nicht vollends erklären können. Dann sagen wir, das ist unbeschreiblich. So meinte es auch
Paulus, wenn er von der unbeschreiblichen Gabe Gottes sprach. Er ist fasziniert von dieser Gabe und er
kann sie nicht vollends erklären. Der Duden definiert unbeschreiblich so: In seiner Außerordentlichkeit sich
nicht beschreiben lassend, sehr groß, sehr stark. Da ist also etwas außerordentlich. Es ist etwas, für das es
keine Vergleiche gibt. Man kann es mit unseren Kategorien nicht beschreiben. Und das ist die Gabe Gottes.
Sie ist so außerordentlich, wir können sie im Tiefsten nicht erklären. Sie ist zu groß, zu außergewöhnlich,
unbeschreiblich eben. Und so versuchten die Autoren des Neuen Testamentes, diese Gabe zu beschreiben.
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Und alle diese Beschreibungen bleiben Versuche, das Unbeschreibliche zu beschreiben. Diese Beschreibungen sind vom Geist Gottes inspiriert. D.h. selbst der Heilige Geist kann die unbeschreibliche Gabe Gottes
nicht beschreiben. Natürlich kann er sie beschreiben. Der Heilige Geist ist vollkommen. Aber wenn er die
Gabe Gottes ins Menschliche übersetzen muss, dann stößt er an Grenzen. Das zeigt uns die Dimension an,
in der wir uns bewegen. Die unbeschreibliche Gabe Gottes ist göttlich, sie kann mit menschlichen Kategorien nicht beschrieben werden. Alle Aussagen der Bibel bleiben letztlich Versuche, diese außergewöhnliche
Gabe zu beschreiben.
Versuchen wir trotzdem die Gabe zu beschreiben: Sie hat einen Namen: Jesus Christus. Paulus schreibt im
Brief an die Römer: 5,15
Was für ein Unterschied zwischen der Sünde und Gottes überwältigendem Geschenk der Vergebung.
Denn wenn der eine Mensch, Adam, durch seine Sünde vielen den Tod brachte,
um wie viel größer ist dann das Geschenk Gottes, seine Vergebung,
das der andere Mensch, Jesus Christus, so vielen brachte.
Adam brachte die Sünde in die Welt und damit den Tod. Wobei Sünde nicht nur das Vergehen meint und
Tod nicht nur unseren leiblichen Tod. Sünde ist nicht das Vergehen, sondern Sünde ist Trennung von Gott.
Sünde beschreibt eine zerstörte Beziehung. Die einzelne Tat war nur der Auslöser. Wie viele Taten darauf
folgen, ist eigentlich egal. Unser Schicksal ist, dass wir von Gott getrennt sind. Adam war der Auslöser, und
wir stehen in seiner Linie. Die Folge dieser Trennung von Gott ist, dass wir ewig von Gott getrennt sind. Das
meint Tod. Wir werden nach unserem Tod weiterhin und für immer von Gott getrennt sein. Nun aber hat
Gott uns Jesus Christus geschenkt. Durch seinen Tod bekommen wir Vergebung. Und durch diese Vergebung wird die Beziehung zu Gott wieder hergestellt. Das ist Versöhnung. Durch Jesus Christus, durch seinen
Tod, werden wir mit Gott versöhnt. Jesus Christus ist ein unbeschreibliches Geschenk. Kolosser 1,20ff:
Durch ihn hat er alles mit sich selbst versöhnt.
Durch sein Blut am Kreuz schloss er Frieden mit allem, was im Himmel und auf der Erde ist.
Darin seid auch ihr eingeschlossen, obwohl ihr früher so weit von Gott entfernt wart.
Ihr wart seine Feinde, und eure bösen Gedanken und Taten trennten euch von ihm,
doch nun hat er euch wieder zu seinen Freunden gemacht.
Durch seinen Tod am Kreuz in menschlicher Gestalt hat er euch mit sich versöhnt,
um euch wieder in die Gegenwart Gottes zurückzuholen und euch heilig und makellos vor sich hinzustellen.
Aus Feinden werden Freunde. Durch den Tod am Kreuz werden wir mit Gott versöhnt. Er hat uns in Gottes
Gegenwart zurückgeholt. In Gottes Augen sind wir heilig und makellos. Diese Aussagen kann man nur betrachtend auf sich wirken lassen. So auch eine letzte Aussage aus dem Epheserbrief (2,4-8)
Gott ist so barmherzig und liebte uns so sehr, dass er uns, die wir durch unsere Sünden tot waren,
mit Christus neues Leben schenkte, als er ihn von den Toten auferweckte.
Nur durch die Gnade Gottes seid ihr gerettet worden!
Denn er hat uns zusammen mit Christus von den Toten auferweckt
und wir gehören nun mit Jesus zu seinem himmlischen Reich. …
Weil Gott so gnädig ist, hat er euch durch den Glauben gerettet.
Und das ist nicht euer eigenes Verdienst; es ist ein Geschenk Gottes.
Ein weiterer Versuch mit menschlichen Kategorien zu beschreiben, was Gott uns durch den Tod von Christus geschenkt hat. Und hier wird ein wichtiger Aspekt deutlich. Es ist das wesentliche Kennzeichen eines
Geschenkes: Ein Geschenk wird muss angenommen werden. Ein Geschenk wird nicht aufgedrängt. Gottes
bietet uns ein unbeschreibliches Geschenk an. Wir brauchen es nur noch anzunehmen. Das bedeutet aber
auch, es bekommt nicht automatisch jeder Mensch. Es ist nicht automatisch jeder Mensch mit Gott versöhnt und gerettet. Die Versöhnung gilt für alle Menschen. Aber annehmen muss sie jeder persönlich. Die2
ses Geschenk nehmen wir an durch den Glauben. Wer glaubt, dass Jesus für seine Schuld stellvertretend
gekreuzigt wurde, der wird gerettet. Und Glauben bedeutet nichts anderes, als dieses unbeschreibliche
Geschenk anzunehmen. Am dichtesten erleben wir das im Abendmahl. Da wird unser Glaube sozusagen
sichtbar und erlebbar. Wenn wir hören, was Jesus gesagt hat: „Mein Leib, für euch gegeben.“ „Mein Blut,
für euch vergossen, zur Vergebung der Sünden.“ Wenn wir das Brot essen und den Wein trinken, dann
nehmen wir dieses unbeschreibliche Geschenk an.
Jetzt möchte ich unsere Gedanken wieder auf die Ausgangsfrage lenken. Es ging ja um die Frage, wie danken wir angemessen für dieses unbeschreibliche Geschenk. Wie können wir Gott angemessen dafür danken, dass er seinen Sohn für uns geopfert hat? Wie können wir Jesus Christus danken, dass er diesen
schweren Weg für uns gegangen ist? Dr. Henning Freund sagte am Freitag, „Dankbarkeit wird intensiviert
mit einer Handlung.“ Das fand ich sehr aufschlussreich. Wir verstärken unseren Dank mit einer Handlung.
Das kann ein Händedruck sein oder eine Umarmung. Dann wird aus dem Wort Danke eine Berührung. Der
Dank wird intensiver. Freund sagte, das können auch Rituale sein. Und jetzt sind wir beim Abendmahl. Das
ist eine Handlung, ein Ritual.
Es gibt eine interessante Entwicklung beim Abendmahl. Schon am Ende des ersten Jahrhunderts wurde das
Abendmahl als Eucharistia bezeichnet. Mit dem Übergang vom ersten zum zweiten Jahrhundert wurde aus
dem Herrenmahl die Eucharisti-Feier. Diese Bezeichnung blieb in der katholischen Kirche erhalten. Eucharistie heißt Danksagung. Wenn Paulus schreibt, Gott sei Dank, für seine unbeschreibliche Gabe, dann steht
dort eucharistein. Danksagung heißt eucharistia. Wie kamen die Christen dazu, die Mahlfeier in Eucharistie
umzubenennen? Warum wurde aus dem Herrenmahl die Danksagung?
Eine Erklärung könnte sein, weil das Dankgebet in der alten Kirche ein grundlegendes Merkmal des Abendmahls ist. So wurde aus dem Herrenmahl die Danksagung, die Eucharistie. Es geht mir jetzt nicht um Begriffe. Wir nennen unser Abendmahl weiterhin Abendmahl und nicht Eucharistie. Interessant finde ich aber
den Gedanken der Danksagung. Dankbarkeit wird durch eine Handlung intensiviert, sagen die Dankbarkeitsforscher. Das Abendmahl ist eine Handlung, in der wir unseren Dank intensivieren können. Das könnte
die Intention der alten Kirche gewesen sein. Sie wird diese Intention vom Alten Testament abgeleitet haben. Beim Passahfest - dem Vorbild des Abendmahls, dankte Gottes Volk für seine Befreiung. Sie erinnerten
sich daran, was Gott für sie getan hat und sie dankten dafür. Das Dankgebet ist ein wesentliches Element
der Passahfeier. Beim Abendmahl erinnern wir uns an die Versöhnung durch das Blut Jesu und wir danken
Gott für seine unbeschreibliche Gabe. Dazu kommt ein weiterer Gedanke aus dem Alten Testament: Nach
dem Dankopfer aß man zusammen ein Opfermahl im Heiligtum. Dieses gemeinsame Mahl im Heiligtum war
ein Zeichen für den tiefen Frieden mit Gott. In Gottes Gegenwart aß man gemeinsam das Opferfleisch und
freute sich am tiefen Frieden mit Gott und auch an der Versöhnung untereinander. Das war ein Bestandteil
des Dankopfers. So ist es nachvollziehbar, dass aus der Mahlfeier eine Dankesfeier mit Essen wurde.
Das Abendmahl ist also eine Handlung, durch die wir unserer Dankbarkeit Gott gegenüber intensivieren
können. So ist das Abendmahl in zweifacher Hinsicht eine Intensivierung. Wir nehmen Gottes Gabe. Wir
nehmen sie in die Hand, wir nehmen sie in uns auf wir essen und trinken. Wir schmecken intensiv. Dadurch
wird das Annehmen im Glauben intensiver. Und wir danken durch diese Handlung. Wir danken Gott für
seine unbeschreibliche Gabe. Wir drücken unseren Dank aus, indem wir immer wieder dieses Mahl feiern.
Wenn wir gleich das Abendmahl nehmen, dann nehmt es einmal ganz bewusst in dieser dankbaren Grundhaltung. Sagt Gott damit Danke für seine unaussprechliche Gabe. Dadurch kann unsere Dankbarkeit Gott
gegenüber intensiver werden. Probieren wir es aus Und nach der Austeilung wollen wir uns Zeit nehmen
zum Danken in einer Gebetsgemeinschaft.
Amen.
Reinhard Reitenspieß
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