Biken ist keine Wissenschaft, sondern pure Emotion

TEST
GROSSE
FREIHEIT
Biken ist keine
Wissenschaft,
sondern pure Emotion.
Kein Wunder also,
dass selbst in Zeiten
des unerbittlichen
Preiskampfes, extravaganten Kult-Bikes
gedeiht. Ein Test fernab von Mainstream
und Vernunft.
M
34 BIKE 06-15
Fotos: O. Sxxxxxxxxx Platter, M. Greber, V. Lucasxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Mit der Einstellung zum Biken verhält es
sich wie mit der Urlaubsplanung: Individualreise oder All-inclusive-Angebot? Der
Eine sucht sich den Urlaub im Katalog aus.
Er freut sich über tolle Pauschalangebote
und liebt das Best-Price-Feeling mit Erholungsgarantie – abgesichert durch zahllose
Internet-Bewertungen. Der Andere rümpft
bei so etwas die Nase. Er sucht seine Erholung lieber jenseits vorgetretener Pfade,
plant jede Übernachtung individuell und
nimmt eventuell auftretende Herausforderungen allein schon wegen des Erlebniswertes in Kauf. Jeder Tag ein Abenteuer,
quasi. Dass er dabei am Ende wohl etwas
Fotos: O. Sxxxxxxxxx Platter, M. Greber, V. Lucasxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Text: Christian Artmann
Fotos: Markus Greber
06-15 BIKE 35
TEST
BANSHEE SPITFIRE (27,5"/26")
Das Mountainbike als Visitenkarte:
Mit Exoten wie dem Pilot Titan
hebt man sich sofort von der Masse ab.
„Wer Mainstream-Bikes kauft, der kauft den
Konsens. Die Schnittmenge dessen, was für die
meisten taugt. Exoten sind Nischenprodukte.
Und diese können manchmal viel vernünftiger
sein. In den USA haben in den Siebzigern ein paar
Hippies auch ein Exotenrad entwickelt. Mountainbike,
so wird es heute genannt.“
mehr für seinen Urlaub bezahlt als der
Pauschalurlauber, stört ihn wenig, denn es
war ja sein ganz persönliches, individuell
zusammengestelltes Erlebnis.
So ähnlich ist das auch bei unseren ExotenBikes, die wir für diesen Test gefahren sind.
Hier geht es nicht um Vergleichbarkeit,
STW-Werte und Punktetabellen. Es geht
auch nicht um das bestmögliche Preis/Leistungsverhältnis, sondern um die Charaktere der Bikes, die aus den teilweise extravaganten Exoten persönliche Traum-Bikes
machen.
Die hier getesteten Bikes sprengen Konventionen. Sie lassen sich nicht in einfache
Denkschemata oder Kategorien pressen. Sie
36 BIKE 06-15
regen an, die Faszination Biken neu zu erleben und das zuzulassen, was tief in einem
jeden von uns schlummert – der Wunsch
nach Individualität und einzigartigen Erlebnissen. Viele, wenn nicht sogar die meisten Biker, sehen in Mountainbikes Sportgeräte, die funktionieren müssen. Doch es
gibt auch jene, für die neben der tadellosen Funktion und Performance auch nicht
messbare Werte und Qualitäten zählen.
Emotionen eben. Dass das Erfüllen solcher
Träume dann auch ein wenig mehr kosten
darf, belegen die meisten Bikes im Testfeld.
Bikes wie das Koga Beachracer zeigen aber
auch, dass man bereits mit wenig Geld
spannende Produkte kaufen kann. Doch
Angesichts seiner geografischen Wurzeln in den kanadischen North-Shore-Trails bei
Vancouver sollte man den Hinweis, dass das Spitfire sich als „Trailbike für Downhiller“
versteht, nicht leichtfertig abtun. Für den Bike-Neuling ist das ein Warnhinweis, für den
Könner ein verheißungsvolles Versprechen. Trotz seines moderaten Federweges von
gemessenen 150 Millimetern am Heck, womit das Spitfire auf dem Papier ein klassisches All Mountain wäre, wartet es mit einem bemerkenswert flachen Lenkwinkel und
dementsprechend laufruhigem Handling auf. Die Sitzposition ist Race-mäßig gestreckt
und stark nach vorne ausgerichtet. Über die verstellbaren Ausfallenden kann man die
Tretlagerhöhe und Winkel noch mal feintunen. Von aggressiv bis extrem aggressiv.
Dieses Bike liebt es, mit Warp-Speed über die Trails zu jagen. Je schneller und ruppiger,
desto besser. Bei Drops und Stunts, an die man mit einem normalen 140-MillimeterBike nicht mal denken würde, bewegt man das Spitfire noch in seiner Komfortzone.
Der sehr potente Cane-Creek-DB-Inline-Dämpfer und der eigene KS-Link-Hinterbau
tragen ihren Teil dazu bei. Lobenswert ist, dass Banshee für den ansonsten komplexen
Dämpfer klare Setup-Hinweise gibt. Doch auch im Uphill überrascht das Spitfire. Unter
Pedalzug strafft sich der VPP-Hinterbau spürbar, während das Heck kaum einsinkt.
Ergänzt durch die Sitzposition mit viel Druck auf dem Vorderrad, zieht das Spitfire selbst
steilste Rampen mit offenem Dämpfer gelassen hoch. Ebenfalls fast schon exotisch:
Freunde der 26-Zoll-Laufräder können den Rahmen auch in dem Format aufbauen.
FAZIT Mit seiner für die Federwegsklasse ungewöhnlichen Downhill-Performance und dem sehr sicheren Handling lebt das Spitfire klar für den wilden
Ritt bergab. Es ist aber auch bergauf überraschend effizient. Ein Bike für fortgeschrittene Fahrer, die ständig versuchen, ihre Limits zu erweitern.
1
2
1 Mit den speziellen, auswechselbaren Ausfallenden kann man
die Geometrie tunen, aber auch
26"-Laufräder montieren.
2 Das KS-Link ist Banshees Interpretation eines Virtual-PivotHinterbaus.
www.bansheebikes.com (www.everyday26.de)
MATERIAL/GRÖSSEN
Alu/S/M/L/XL (47 cm)
PREIS (RAHMEN)
4899 Euro (1999 Euro mit DB Inline)
GEWICHT OHNE PEDALE
13,2kg
GABEL/DÄMPFER
Rock Shox Pike RTC3/DB Inline
KURBELN/SCHALTUNG
Race Face Next SL /Sram X1/X01
ÜBERSETZUNG/LENKERBREITE 30; 10–42/800 mm
BREMSANLAGE/DISC-Ø VO./HI. Sram Guide RS /180/160 mm
LAUFRÄDER
Spank Oozy 27,5-Systemlaufräder, Onza Ibex C3/120,
27,5x2,4-Reifen
REACH
442 mm
STACK
596 mm
BB-OFFSET -5 mm
50
615
115
470
Gerolf Meyer mag ungewöhnliche Bikes und moderiert die Fahrradsendung „Antritt“ beim OnlineRadio detektor.fm (jeden ersten Donnerstag im Monat um 20 Uhr).
nicht der Preis ist es, der unsere Testkandidaten zu Exoten stempelt, sondern der
Mut, anders zu sein. Träume zu leben und
Träume zu erfüllen. Wer kommt nicht ins
Schwärmen, wenn er einen edlen Titanrahmen wie den des Moots Softtails sieht? Wer
denkt da nicht an Begriffe wie Zeitlosigkeit
oder Kult? Und wer würde nicht mal gerne
ein Turner über die Trails jagen? Verkörpert
es doch die Neuinterpretation eines der ersten Fullys der Mountainbike-Geschichte. Es
ist klar, dass diese Bikes fernab vom Mainstream nicht für jedermann gemacht und
geeignet sind. Zeigt sich das Pivot Mach
6 beispielsweise noch als Allround-Talent,
so macht das Banshee Spitfire mit seiner
Gravity-Mentalität schnell klar, dass es für
eine ganz bestimmte Zielgruppe entwickelt wurde. Ebenso das extravagante Pilot
Twentynineplus oder die Unchained-Version des Tranny-29ers.
Am Ende kann man aber auch mit den Exoten nicht mehr tun als biken. Womit wir
wieder bei der Grundsatzfrage vom Anfang
wären. Pauschalurlauber oder Individualreisender – wer hat nach dem Urlaub mehr
erlebt und tiefere Eindrücke gesammelt?
Eine Frage, auf die es nur individuelle Antworten gibt.
Kompakte Federwege und maximale Bergab-Performance sind Charakteristiken, die nicht
unbedingt zusammenpassen. Beim Banshee Spitfire schon. Kein Bike für die Massen, sondern
für solche, die das Spezielle zu schätzen wissen.
161
785
150
74-74,9°
65,4-66,3°
1203
442
+
–
345-358
Die sehr sensible Federung und flache Geometrie bringen maximale
Bergab-Performance bei dennoch guten Bergaufeigenschaften
Gewöhnungsbedürftig flache und frontlastige Sitzposition
RACE/MARATHON
2400 N
2000
1600
1200
800
400
0
TOUR/ALL MOUNTAIN
150 mm
30
161 mm
120 150 mm
90
60
Federkennlinien: ■ vorne ■ hinten
ENDURO
Die beiden Kennlinien sind fast deckungsgleich –
ein Garant für eine
sehr gute Fahrwerksbalance.
06-15 BIKE 37
TO EUR BI
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15
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TEST
€
*
3.999,90
*unverbindliche Preisempfehlung
PILOT TWENTYNINEPLUS
Was der jungen Custom-Schmiede Pilot noch an Erfahrungen fehlt, gleichen die Niederländer
mit viel Innovationsbereitschaft und Mut aus. Das Twentynineplus ist der beste Beweis.
www.pilotcycles.com
Titan/Maßrahmen (48 cm)
5999 Euro (3500 Euro – inkl. Pinion)
GEWICHT OHNE PEDALE
13,11 kg
GABEL
Pilot Titan starr (custom)
KURBELN/SCHALTUNG
Pinion/Pinion P1.18
ÜBERSETZUNG/LENKERBREITE 18-Gang-Getriebe/730 mm
BREMSANLAGE/DISC-Ø VO./HI. Hope Tech 3/180/180 mm
LAUFRÄDER
Notubes ZTR Hugo 52-Systemlaufräder, Veetire Trax Fatty
29x3,0"-Reifen
MATERIAL/GRÖSSEN
PREIS (RAHMEN)
REACH
410 mm
STACK
623 mm
BB-OFFSET -59 mm
44 BIKE 06-15
3
765
74,3°
1116
452
+
–
320
Sehr innovativer Titanrahmen mit viel Detailliebe und maximaler
Laufruhe für Fahrten abseits ausgetretener Pfade
Geringe Steifigkeit der Gabel und des Rahmens beim Test-Bike
RACE/MARATHON
TOUR/ALL MOUNTAIN
STARKE PERFORMANCE,
GENIALES HANDLING.
69°
ENDURO
Die selbst gefertigte Titanstarrgabel ist wunderschön,
aber zu weich für den harten Trail-Einsatz.
2 Um das Pinion-Getriebe an den Rahmen anzubinden,
bedarf es einer komplex geformten Platte – stilecht und
natürlich auch in Titan.
3 Auf den sehr breiten Felgen generieren die 3"-TraxFatty-Reifen ein Fatbike-artiges Fahrverhalten.
Fotos: O. Sxxxxxxxxx Platter, M. Greber, V. Lucasxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
2
125
0
1
1
80
597
480
Pilot Cycles entstammt, wie so oft, der Bike-Begeisterung zweier Freunde. Der Eine ein
Ingenieur aus der Automobilbranche. Der Andere Bikeshop-Besitzer und Kaufmann.
Aktuell produziert man nur Custom-Rahmen auf Bestellung. Kein Bike gleicht dem anderen, aber alle bestehen aus Titan. Unser Test-Bike war ursprünglich als Showbike für
die Eurobike 2014 gefertigt worden und sollte die handwerklichen Fähigkeiten sowie
die Kreativität des Pilot-Teams zur Schau stellen. Mit dem noch seltenen 29+Format,
einem Pinion-Getriebe und dem Gates-Riemenantrieb ausgestattet, tut es das auch. Die
in den Gabelscheiden der selbst gefertigten Titanstarrgabel und im Unterrohr verlegten
Leitungen setzen weitere Akzente. Im Fahrbetrieb gibt sich das Twentynineplus durch
das hohe Gesamtgewicht und die Riesenräder eher von der gemächlichen Sorte. Fahrstabilität satt. Bedingt durch die sehr große Aufstandsfläche der Reifen bei niedrigem
Luftdruck lenkt es sich auf hartem Untergrund recht gewöhnungsbedürftig. Auf Trails
und in unwegsamem Gelände wacht das 29+ dagegen auf. Es erklimmt jede noch so
fiese Steigung, surft maximal gelassen über Wurzel-Trails und verwöhnt den Fahrer mit
echtem Fatbike-Komfort – von der einzigartigen und coolen Optik mal ganz abgesehen.
Das Bike ist für ein Fahrergewicht von 80 Kilo konstruiert. Schwere Fahrer spüren den
Flex der Starrgabel und des Rahmens. Aber so etwas lässt sich ja bereits in der Planung
optimieren. Nicht zu vergessen: Als junge Custom-Schmiede sind die Wartezeiten noch
recht kurz – drei bis vier Monate. Auch die Preisgestaltung ist moderat. Einen maßgefertigten Titanrahmen gibt es bereits für weniger als 2000 Euro.
FAZIT Mehr Individualität als ein Custom-Rahmen aus Titan, geht kaum.
Das 29+ weiß seine Qualitäten zur Schau zu stellen. Mit seiner Laufruhe
und der endlosen Traktion ein echtes Edel-Spaß-Bike, das aber noch Detailschwächen aufweist.
LAS VEGAS 2.0
Besuchen Sie einen Händler in Ihrer Nähe und fahren Sie unser Las Vegas 2.0 doch einfach einmal zur Probe:
Bike in Bicycles, 06108 Halle | Bike Market Concept Store, 13507 Berlin | Fahrradhaus Steen, 14612 Falkensee | Fahrradhandel Klaus, 15517
Fürstenwalde | Fahrrad Outlet, 21423 Winsen Luhe | Rad + Service Niendorf, 22455 Hamburg | Fahrradladen Lorenz, 22769 Hamburg | Rad Ab
Dahlke, 24937 Flensburg | Fahrrad und Meer, 25335 Elmshorn | Meyer’s Fahrradcenter, 26935 Rodenkirchen | Rund ums Rad Krispin, 27383
Scheeßel | Zweirad & Service Kracke, 31177 Harsum-Asel | Bunny Hop, 31785 Hameln | Schreck Fahrrad Service, 31832 Springe | Fahrrad Becker,
32657 Lemgo | bs bikestore GmbH, 33100 Paderborn | Ullis-Radshop, 35260 Stadtallendorf | Bad Bikes, 38855 Wernigerode | 123 Rad Walfort,
48653 Coesfeld | Bike Park Dissen, 49201 Dissen | Pützfeld GmbH, 50739 Köln | Radwelle, 51063 Köln | Zweirad Bülke, 52353 Düren | mp2rad Shop,
55294 Bodenheim | Friedrich Kg, 57290 Neukirchen-Salch | Bike Center Obertshausen GmbH, 63179 Obertshausen | Radsport König, 63500
Seligenstadt | Freetime Fahrräder, 64331 Weiterstadt | Zweirad Walz OHG, 70567 Stuttgart-Möhring | Rocco der Radladen, 78467 Konstanz |
Bikesportworld, 79117 Freiburg | Die Speiche - Radhaus, 79539 Lörrach | Bikemax, 81241 München | Rad & Sport Mayer GmbH, 83278 Traunstein |
06-15 BIKE 45
Radsport Ingo Jausovec, 88131 Lindau | Fahrradkiste, 91054 Erlangen | Peter Stadler GmbH, 92224 Amberg | Peter Stadler GmbH, 92318
Neumarkt | PS 2 Rad Center, 93128 Regenstauf | Schauer Fahrrad-Fachmarkt, 96052 Bamberg | Zweiradcenter Seyfer GmbH, 97990 Weikersheim
TEST
PIVOT MACH 6 CARBON
Geboren in der Wüste Arizonas und von einem ehemaligen BMX-Pro entwickelt, glänzt das
Carbon-Enduro in verschiedenen Disziplinen – solange der Dämpfer korrekt eingestellt ist.
www.pivotcycles.com (www.shock-therapy.com)
MATERIAL/GRÖSSEN
Carbon/XS/S/M/L/XL (48,5 cm)
PREIS (RAHMEN)
7300 Euro (3600 Euro inkl. Float X)
GEWICHT OHNE PEDALE
13,15 kg
GABEL/DÄMPFER
Fox 34 Float FIT Factory CTD/Float X
KURBELN/SCHALTUNG
Sram X0/Shimano XT
ÜBERSETZUNG/LENKERBREITE 30/22; 11–36/770 mm
BREMSANLAGE/DISC-Ø VO./HI. Shimano XT/180/160 mm
LAUFRÄDER
DT-Swiss 350-Naben, DT-Swiss Mx
401-Felgen, Maxxis High Roller II
3c Exo 27,5x2,3-Reifen
REACH
412 mm
STACK
609 mm
BB-OFFSET -15 mm
46 BIKE 06-15
2
150
745
71,3°
66,2°
1155
432
+
–
335
Trotz hoher Laufruhe maximal vielseitige Geometrie gepaart mit
sehr leichtem und steifem Rahmen
Highend-Carbon-Enduro mit gesalzenem Preis
2400 N
2000
1600
1200
800
400
0
TOUR/ALL MOUNTAIN
147 mm
30
150 mm
120 150 mm
90
60
Federkennlinien: ■ vorne ■ hinten
ENDURO
Die Hinterbaukennlinie ist mustergültig linear mit einer
spät einsetzenden
Progression als Sicherheitsreserve.
Fotos: O. Sxxxxxxxxx Platter, M. Greber, V. Lucasxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
1
120
147
RACE/MARATHON
1 Der durchdachte und formschöne Carbon-Rahmen ist sehr
steif für ein präzises Handling.
2 Der vielseitige DW-Link-Hinterbau vereint eine super Federungs-Performance mit tollen Allround-Eigenschaften.
60
619
485
Chris Cocalis, der Mann hinter Pivot Cycles und Mitentwickler des PressFit-Tretlagers,
hat einen notorischen Hang zum Perfektionismus und ein feines Gespür für Bikehandling. Kein Wunder also, dass die Geometrie des Mach 6 perfekt ausbalanciert ist.
Das Bike schafft den Spagat zwischen neutraler Sitzposition, der Vielseitigkeit eines
All-Mountain-Bikes sowie dem Handling eines Enduro-Racers. Der flache Lenkwinkel
und die hochsensible Federung aus der Feder des Suspension-Papstes Dave Weagle
geben viel Sicherheit in grobem Geläuf. Durch das kurze Heck kommt aber auch die
Quirligkeit nicht zu kurz. Der durchdachte Carbon-Rahmen im schicken Mattgrau gibt
mit seiner hohen Lenkpräzision und Steifigkeit ebenfalls keinen Anlass zur Kritik. Wichtig: Der Dämpfer ist so ausgelegt, dass der Trail-Modus für den Normalbetrieb gedacht
ist. In dieser Einstellung glänzt das Mach 6 in fast jeder Situation mit einer optimalen
Federungs-Performance – bergauf wie bergab. Im Trail bietet das Mach 6 sehr viel
Kontrolle und Komfort. Bergauf krallen sich die Reifen fest in den Untergrund, und sogar im Wiegetritt bleibt das Heck für ein Bike dieser Federwegsklasse bemerkenswert
ruhig. Selbst auf dem sonst kritischen kleinen Blatt sind die Antriebseinflüsse so gering,
dass man sie nur bei technischen Steilanstiegen wahrnimmt. „Bei den aktuell ausgelieferten Bikes ist aber sogar das durch ein noch mal optimiertes Dämpfer-Tuning schon
behoben“, verspricht Chris Cocalis. Fährt man den Dämpfer doch mal ganz offen, erlebt
man einen echten „magic carpet ride“, bei dem die Federgabel an ihre Grenzen stößt.
FAZIT Ein Carbon-Enduro mit sehr breitem Einsatzbereich. Ausgesprochen sicher und potent bergab, ohne bergauf echte Schwächen zu zeigen. Ein Bike, mit
dem man von sportlichen Touren bis Enduro-Rennen wirklich alles fahren kann.
06-15 BIKE 47
TEST
TURNER BURNER 275
David Turner gehört zu den Urgesteinen des Bike-Sports. Das Burner war 1994 der erste TurnerFully-Rahmen und feiert in der brandneuen 27,5-Zoll-Version sein Comeback als Alleskönner.
48 BIKE 06-15
2
REACH
401 mm
STACK
609 mm
BB-OFFSET -12 mm
50
603
95
150
745
140
71,8°
67,3°
1148
449
+
–
335
Sehr steifer Rahmen mit vielen funktionellen Details
Für steile Anstiege und Wiegetritt spürbar zu weiche Dämpferabstimmung, extravagant-Gravity-lastige Ausstattung des Test-Bikes
RACE/MARATHON
2400 N
2000
1600
1200
800
400
0
TOUR/ALL MOUNTAIN
140 mm
30
ENDURO
Ohne die zu weiche
Dämpferabstimmung,
147 mm ergäben die fast deckungsgleichen Kennlinien ein wunderbar
150 mm stimmiges Fahrwerk.
120
90
60
Federkennlinien: ■ vorne ■ hinten
Fotos: O. Sxxxxxxxxx Platter, M. Greber, V. Lucasxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
1
1 Die aufwändigen CNC-Frästeile wie der Tretlagerblock samt
Schwingenaufhängung und die
austauschbaren Gewinde der
Bremssockel, 2 sind Details, die
einfach jeden begeistern.
www.fooh.eu/www.turnerbikes.com
MATERIAL/GRÖSSEN
Alu/S/M/L/XL/XXL (43 cm)
PREIS (RAHMEN)
6500 Euro (2599 Euro)
GEWICHT OHNE PEDALE
14,14 kg
GABEL/DÄMPFER
Fox 34 Float FIT CTD/Fox Float CTD
KURBELN/SCHALTUNG
Sram X01/X01
ÜBERSETZUNG/LENKERBREITE 30; 10–42/760 mm
BREMSANLAGE/DISC-Ø VO./HI. Hope Tech 3/180/180 mm
LAUFRÄDER
Chris King-Naben/Velocity Blunt 35Felgen/Maxxis High Roller II DH 2.4/
Maxxis Ard. Exo 27,5x2,25-Reifen
430
Auch wenn die goldorange Eloxierung und die groben Schweißraupen den Augen
schmeicheln, macht der technische Look des Burners sofort klar: Dieses Bike will gefahren werden. Besonders stolz ist man bei Turner darauf, dass das Bike komplett „Made
in USA“ ist, vom Design bis zur Rahmenfertigung. Zahlreiche CNC-Frästeile und die
Turner-typischen abschmierbaren Reibungslager inklusive. Auch beim Burner kommt
ein DW-Link-Hinterbau zum Einsatz. Hier allerdings mit indirekter Dämpferanlenkung
und vertikal stehendem Dämpfer. Insgesamt ergibt das einen sehr steifen Rahmen, der
mit über drei Kilo aber auch kein Leichtgewicht ist. Dem Turner Burner spürt man sofort
an, wo es entwickelt wurde und wie man dort fährt. Mit seinem Ursprung in Südkalifornien ist es für lange, gemäßigte Fireroad-Anstiege und anschließenden technischen
Trails gemacht. Die Geometrie und die Hinterbau-Kinematik fallen neutral aus. Sie
passen gut für ein All-Mountain-Bike. Leider schränken der montierte Dämpfer, der mit
zu weicher Druckstufen- und nur schwachen Plattformdämpfung das Heck bergauf
wegsacken lässt, die ansonsten tollen Allround-Eigenschaften des Turners etwas ein.
Das Klettervermögen leidet, und im Wiegetritt wippt es. Für unsere Trail-Bedingungen
sollte man eine andere Dämpfer-Grundeinstellung ordern oder gleich das optionale
Upgrade zu einem Cane-Creek-Inline-Dämpfer wählen. Das vom europäischen Vertrieb
mit recht Gravity-lastiger Ausstattung (vorne DH-Reifen und sehr kurzer Vorbau) ausgelieferte All-Mountain-Bike konnte sein Allrounder-Potenzial im Test nicht voll ausleben.
FAZIT Sehr steifes All Mountain „Made in USA“ mit einer ausgereiften Kinematik,
tollen Details und technischer Optik. Die zu weiche Dämpfer-Grundeinstellung
(ab Werk) mindert die Vielseitigkeit und die Uphill-Performance. Ansonsten
wäre das Turner Burner ein klasse Bike.
06-15 BIKE 49