Kinderurologie - Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz

BETHANIEN - Das Thema
Kinderurologie
Dr. med. Steffi Kabisch, Fachärztin der Klinik für Urologie; Prof. Dr. med. Dirk Fahlenkamp, Chefarzt der Klinik für Urologie
Die Kinderurologie umfasst eine Vielzahl urologischer Krankheitsbilder,
von denen hier nur einige im Folgenden kurz vorgestellt werden.
Enuresis und kindliche Harninkontinenz
Von einer Enuresis spricht man,
wenn
Kinder
oberhalb
des
6. Lebensjahres mehr als zwei Mal
wöchentlich nachts einnässen. Kommen zusätzlich noch Störungen der
Miktion am Tage vor, handelt es sich
um eine kindliche Harninkontinenz.
Bei der Erstvorstellung werden
zunächst alle Störungen im Gespräch mit dem Kind und den Eltern
ausführlich erfragt, es wird eine körperliche Untersuchung sowie eine
Ultraschalluntersuchung des Harntraktes durchgeführt. Sehr wichtig ist
die Anfertigung eines sogenannten
Miktionsprotokolles. Dieses muss
den Eltern mitgegeben und erläutert
werden.
Normalerweise erfolgt dann nach
zwei Wochen die zweite Vorstellung.
Hier werden die Ergebnisse des Miktionsprotokolles besprochen und
eine Harnstrahlmessung mit gleichzeitiger Überprüfung der Beckenbodenmuskulatur durchgeführt. Es
ist wichtig, dass die Kinder mit gefüllter Harnblase zur Untersuchung
erscheinen sollten.
Alle Untersuchungen sind für die Kinder nicht schmerzhaft und nicht
belastend.
In der Regel sind diese Untersuchungen ausreichend, um die richtige
Diagnose zu stellen und einen individuellen Behandlungsplan erarbeiten
zu können.
Hierbei spielen das Einüben eines
richtigen Trinkverhaltens sowie das
Miktionstraining eine große Rolle.
Häufig müssen zusätzlich vorübergehend Medikamente eingesetzt werden. Manchmal ist auch noch eine
physiotherapeutische Behandlung
mit speziellen Biofeedbackgeräten
erforderlich.
Nach etwa drei Monaten wird der
Therapieerfolg überprüft und der weitere Behandlungsplan festgelegt. Nur
sehr selten sind weitere diagnostische Maßnahmen, wie z. B. eine Blasenfunktionsmessung, eine Röntgenuntersuchung der Harnblase
oder eine Blasenspiegelung notwendig.
Phimose
Die Vorhautverengung sollte in der
Regel nicht vor dem 4. Lebensjahr
behandelt werden. Eine Ausnahme
stellen Komplikationen, wie z. B. Entzündungen im Bereich der Vorhaut
oder Störungen bei der Miktion dar,
dann muss unter Umständen früher
etwas unternommen werden.
Hierbei kann zunächst ein Behandlungsversuch mit kortisonhaltigen
Salben unternommen werden. Sollte
dies nicht erfolgreich sein, muss die
Vorhautverengung operativ behandelt werden. Es wird dann die Zirkumzision, eine vollständige oder
auch sparsame Beschneidung der
Vorhaut, durchgeführt.
Hodendeszensusstörungen
Ist einer oder sind beide Hoden nach
der Geburt nicht im Hodensack gelegen, spricht man von einer Deszensusstörung. Während der fetalen Entwicklung wandern die Hoden normalerweise aus dem Bauchraum durch
den Leistenkanal in den Hodensack.
Aus diesem Grund kann ein nicht im
Hodensack tastbarer Hoden theoretisch überall auf diesem Weg liegen
geblieben sein.
Der Arzt wird durch die klinische
Untersuchung und den Ultraschall
prüfen, ob der Hoden entlang seines
Deszensusweges auffindbar ist.
Liegt der Hoden nicht zu hoch, kann
durch eine 4- bis 6-wöchige Hormonbehandlung versucht werden, den
Deszensus durch diese Stimulation
in den Hodensack zu verbringen.
Gelingt das nicht oder ist der Hoden
nicht sicher identifizierbar muss gelegentlich eine Laparoskopie (Bauchspiegelung) durchgeführt werden.
Mit deren Hilfe kann der Hoden identifiziert und entweder in seine richtige
Lage gebracht, oder wenn nötig, entfernt werden.
Dies sollte spätestens bis zum Ende
des zweiten Lebensjahres erfolgt
sein, da sonst Einschränkungen in
der Funktion des Hodens zu erwarten sind.
Da dystope Hoden ein erhöhtes Entartungsrisiko aufweisen, müssen die
betroffenen Jungen und ihre Eltern
später darüber aufgeklärt werden.
Nach der Pubertät sollten sie sich die
Hoden regelmäßig selbst abtasten.
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Normalbefund
Nieren- und Harnleitersteine
Nieren- und Harnleitersteine sind bei
Kindern eine seltene Erkrankung. Im
Vergleich zu Erwachsenen ist die
Symptomatik oft untypisch. Die Kinder können durch Bauchschmerzen,
Harnwegsinfekte oder seltener
durch kolikartige Beschwerden auffallen. Manchmal sind die Kinder
auch beschwerdefrei und fallen
lediglich durch einen pathologischen
Urin- oder Ultraschallbefund auf.
Neben einer körperlichen Untersuchung und einer Ultraschalluntersuchung lassen sich Röntgenaufnahmen oft nicht vermeiden. Selten ist
auch die Gabe von Kontrastmittel
nötig, wobei aber so strahlensparend wie möglich untersucht wird.
Gehen die Steine nicht von selbst
ab, wird häufig eine sogenannte
ESWL-Behandlung durchgeführt.
Hierbei wird der Stein mittels Stoßwellen zertrümmert. Bei kleinen Kindern ist hierzu eine Narkose notwendig.
Andere Verfahren, die bei Kindern
wesentlich seltener zum Einsatz
kommen, sind die endoskopische
Steinentfernung (perkutane Nephrolitholapaxie), die Steinentfernung
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mögliche Lageanomalien des Hodens
mittels Bauchspiegelung oder offener Operation.
Selten kann man auch bei Kindern
Steine durch Medikamente auflösen.
Bei allen Kindern mit Steinen muss
unbedingt nach der Ursache der
Steinbildung gefahndet werden. Sie
haben ein hohes Risiko, erneut
einen Stein zu bilden. Auch muss
immer an die große Gefahr einer
Nierenschädigung gedacht werden.
Diesbezüglich werden bestimmte
Blut- und Urinuntersuchungen
durchgeführt, gewonnenes Steinmaterial wird zur Steinanalyse eingeschickt. Aus den Ergebnissen kann
dann ein Plan zur Vorbeugung
erneuter Harnsteinbildung erstellt
werden. Generell gilt bei allen Harnsteinen, dass eine hohe und regelmäßige Flüssigkeitszufuhr sowie
körperliche Bewegung die entscheidenden Maßnahmen zur Vermeidung neuer Steine darstellen.
Kind mit einem Nierenstein zur ESWL-Therapie
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Harnleiterabgangsenge, Harnleitermündungsenge und vesikoureterale Reflux (VUR)
Einengungen des Harnleiterabganges aus der Niere und der Einmündungsstelle des Harnleiters in die
Harnblase zählen zu den häufigeren
urologischen Missbildungen. Sie
können zu Abflussbehinderungen
des Urins aus der Niere führen. Häufig fällt die Erweiterung des Nierenbeckens schon in den Routineultraschalluntersuchungen während der
Schwangerschaft auf. Diese Kinder
müssen später engmaschig kontrolliert werden. Zumeist reicht dazu
neben der klinischen Untersuchung
zur Bildgebung der Ultraschall aus.
Da bei einigen dieser Kinder durch
die fortdauernde Harnstauung eine
Nierenschädigung drohen kann,
muss diese Gefahr erkannt und ggf.
rechtzeitig eine Operation durchgeführt werden.
Neben der Ultraschalluntersuchung
müssen dann auch eine Nierenfunktionsprüfung (Nierenszintigraphie),
unter Umständen auch zusätzliche
Röntgenuntersuchungen vorgenommen werden.
Eine operative Versorgung kann entweder laparoskopisch oder offen
chirurgisch erfolgen.
Von einem vesikoureteralen Reflux
(VUR) spricht man dann, wenn Urin
aus der Harnblase zurück in die Nieren fließt. Normalerweise wird diesem Phänomen durch einen Ventil-
Harnstauungsniere mit Nierenschädigung
mechanismus an der Einmündung
der Harnleiter in die Harnblase vorgebeugt. Liegt eine Störung dieses
Mechanismus vor, kann es schon
bei geringer Blasenfüllung zum
Rückfluss von Urin kommen. Die
Folge kann eine Nierenschädigung
sein. Die Kinder fallen zumeist durch
immer wiederkehrende Harnwegsinfektionen auf. Durch spezielle Röntgenuntersuchungen kann die Diagnose gestellt und eine geeignete
Therapie eingeleitet werden. Die
Behandlung besteht in lang andauernder Antibiotikatherapie, selten
muss auch operativ (Neubildung der
Verbindung zwischen Harnleiter und
Blase) eingegriffen werden.
hochgradiger Vesikoureteraler Reflux
(VUR) von Urin mit Erweiterung des
gesamten linken Harnsystems
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