Mag. Herwig Thelen Klinischer & Gesundheitspsychologe, Graz www.thelen.at 11.11.2015 Braucht soziale Arbeit Selbstverankerung? Die stetig zunehmende persönliche und gesellschaftliche Entscheidungsfreiheit (Positivität) fördert den Anstieg ich-bezogener psychischer Auffälligkeiten. (n. Han 2014) Beinahe alle psychischen Erkrankungen sind auf Stressverarbeitung, Selbstberuhigung und Bindung zurück zu führen. Hilfreiche Bewältigungsstrategien sind stabile Allianzen und eine langfristige Erweiterung des Verhaltensrepertoires durch den Erwerb neuer, konstruktiver Gewohnheiten. (n. Roth 2014) Die Sozialarbeit hat das Potential diese (Lern)Prozesse langfristig zu begleiten. Die Haltung der Selbstverankerung (Neue Autorität) stellt ein dafür geeignetes MentorInnen-Rollenbild dar. Das Konzept der Neuen Autorität v. Haim Omer Entwicklungsschritte: a) familientherapeutische Beschäftigung mit dem Thema Nähe/Distanz - Präsenz b) Praxis des Gewaltlosen Widerstandes (NVR) nach dem politischen Modell von M. Gandhi und Gene Sharp. c) Die Entwicklung des Konzepts Neue Autorität im Setting Familie, mit Adaptionen für Unterbringung, Schule, Gemeinwesen und Störungsbilder wie Entitled Dependency & Angststörungen. Alte versus Neue Autorität nach Haim Omer Distanz Präsenz Kontrolle Selbstkontrolle Hierarchie Vernetzung Dringlichkeit Beharrlichkeit Unantastbarkeit Transparenz Vergeltung Wiedergutmachung Neue Autorität fußt auf Autorisierung (d.d. Gemeinschaft), Vorhandensein von Kräften (Beharrlichkeit, Widerstand) und auf Integrität (Gewaltverzicht, Transparenz, Selbstkontrolle). Einige praktische Grundsätze der Neue Autorität Haim Omer, 2010 1) Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist 2) Es geht nicht ums Gewinnen, nur um Beharrlichkeit 3) Ich kann dich nicht kontrollieren, aber ich kann selbstkontrolliert handeln 4) Fehler sind unvermeidbar. Aber man kann sie wieder gutmachen. 5) Näher hin ist besser als weiter weg 6) Es ist nicht der Mensch, es ist das Verhalten 7) Schwieriges muss ich nicht alleine machen 8) Ich fang schon mal ohne dich an Omer, H. & von Schlippe, A. (2004). Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Vandenhoeck + Ruprecht, Göttingen. Omer, H. & von Schlippe, A.(2010). Stärke statt Macht neue Autorität in Familie, Schule und Gemeinde. Vandenhoeck + Ruprecht,Göttingen. Was ist die Ankerfunktion? „Wenn Eltern ihr Kind unterstützen, ohne dabei auf altersangemessene Forderungen zu verzichten, erfüllen sie eine zentrale Funktion in der Entwicklung des Kindes. Wir nennen dies die Ankerfunktion.“ (Omer & von Schlippe 2011) beschützend Gut verankert fordernd Haltungen in der Selbstverankerung Thelen 2015 nach Haim Omer, 2004, 2010 Vielstimmigkeit: Dissoziation vom störenden Phänomen durch Widerstand gegen einen Verhaltensanteil Gemeinschaftsorientierung: Teilen der Verantwortung des Einzelnen durch Netzwerk und Transparenz Ermächtigung: Reifung durch Beharrlichkeit, Gewaltverzicht & Erwartung von Integration Integrität: Deeskalationshaltung, Vorbildverhalten, Eingeständnis der eigenen Fehler und einseitige Beziehungsgesten Vielstimmigkeit isoliert das Phänomen (Aufteilen der Verhaltensanteile in 3 Körbe grün/gelb/rot) leistet offenen und deklarierten Widerstand gegen besorgniserregende Verhaltensanteile, auch gegen die eigenen erkennt stets die konstruktiven Teile an (4. blauer Korb) ist sich der Bedeutung der Beziehung bewusst: „wie nützlich ist es und was macht es mit unserer Beziehung?“ Vielstimmigkeit beschützend • „ich frag mich, was du wohl erlitten hast, um so wütend zu sein“ Gut verankert • „du bist mein Gast, aber deine Drohungen sind nicht willkommen“ fordernd • „zuck hier nicht aus, sonst ist das Gespräch gleich beendet“ Gemeinschaftsorientierung „Teilen der Verantwortung des Einzelnen durch Netzwerk und Transparenz“ schafft Autorität aus der gemeinsamen Wertehaltung gibt Möglichkeit zum Delegieren gibt mir Rückendeckung bei Außergewöhnlichem erhöht Integrität durch bewussten Einsatz von Transparenz: „wen lasse ich was wissen und mit welcher Absicht/Erwartung?“ Gemeinschaftsorientierung beschützend • „was stimmt denn nicht zwischen dir und der WG?“ Gut verankert • „wenn du einen Betreuer derart angreifst, ist es gut dass wir es sofort erfahren. Denn du greifst damit die Gemeinschaft an, die für dich sorgt“ fordernd • „kannst du uns sagen, wie das weitergehen soll?“ Ermächtigungshaltung „Reifung durch Beharrlichkeit, Gewaltverzicht & Erwartung von Reintegration“ ist geprägt von klaren Wertehaltungen ersetzt Kontrolldruck durch Beharrlichkeit und angemessene Erwartungen verzichtet auf Strafe, Vergeltung und schwächende Maßnahmen bietet Verbindlichkeit an und erwartet diese auch belehrt nicht sondern inspiriert Ermächtigungshaltung beschützend • „mach dir keine Sorgen, wir finden was Passendes für dich“ Gut verankert • „es fühlt sich schwer an, aber du hast das Zeug dazu und wir haben Zeit“ fordernd • „gib Gas und enttäusch mich nicht“ Integrität Deeskalationshaltung, Vorbildverhalten, Eingeständnis der eigenen Fehlbarkeit und einseitige Beziehungsgesten erinnert mich an meine Vorbildfunktion kämpft nur, wenn es wichtig ist lässt Fehler zu (auch eigene) beginnt bereits, das Richtige zu tun, selbst wenn andere noch diskutieren wollen bleibt (auch einseitig) in Beziehung und Kontakt Integrität beschützend • „wann erkennst du endlich, dass ich es nur gut meine?“ Gut verankert • „Ich tue das, wozu ich verpflichtet bin mit Respekt und Achtung vor dir. Aber auch mit großer Entschlossenheit.“ fordernd • „du unterschreibst mir jetzt eine Vereinbarung“ Mag. Herwig Thelen Klinischer & Gesundheitspsychologe [email protected] www.thelen.at
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