Erasmus MMXVI – das Erasmusjubiläum in Basel

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Gastbeitrag
Erasmus MMXVI – das Erasmusjubiläum in Basel
von Christine Christ-von Wedel
Erasmus, ein kritischer Geist
Er forderte, Toleranz gegenüber Anders­
gläubigen zu üben, durch eine weise
Politik, durch Schiedsgerichte und
anerkannte Grenzen Frieden zu
wahren, durch eine kindgerechte,
aber auch herausfordernde Pä­
dagogik die Jugend zu erziehen,
durch eine historisch kritische
Lektüre der Bibel starren Dog­
matismus und Enge zu überwin­
den, durch Menschlichkeit dem
Völkerhass zu wehren und die
Rechtsprechung zu reformieren,
durch zivilisierte Umgangsformen das
Zusammenleben zu erleichtern, aus Er­
fahrungen zu lernen und Vorurteile abzulegen.
Erasmus war ein kritischer Geist mit spitzer Feder. Wenn
es gelingt, sein Lachen wiederzubeleben, dann wird das
Jubiläum ein Erfolg sein.
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Langjährige Vorarbeiten gingen voraus.
Erasmus musste dafür erst Grie­
chisch lernen und dann verschie­
dene Handschriften miteinander
vergleichen, bei fraglichen Stel­
len frühere Übersetzungen hin­
zuziehen und überhaupt erst eine
textkritische Methode erarbeiten.
Die Universitätsbibliothek wird die­
sem Neuen Testament eine Aus­
stellung im Basler Münster wid­
men. Mit seiner neuen lateinischen
Version, mit den gelehrten Anmerkun­
gen und den für die Theologie massgeb­
lichen Einleitungsschriften bildete es zusam­
men mit dem bereinigten griechischen Text die Grundlage
für Übersetzungen in die Volkssprachen und für die
Kommentare gelehrter Theologen bis ins 18. Jahrhun­
dert hinein. Es hat die reformatorische wie die katholi­
sche Theologie nachhaltig geprägt. Auch andere Werke
von Erasmus haben bleibende Spuren im abendländi­
schen Denken und in der Kunst hinterlassen. Wie
Erasmus Künstler zu neuen Christusdarstellungen moti­
vierte, wird das Kunstmuseum Basel zeigen mit Christus­
bildern aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Das Historische Museum Basel wird mit einer virtuellen Erweiterung
seiner Dauerausstellung und mit Eingriffen in den öffent­
lichen Raum die Aktualität des Erasmus hervortreten
lassen. Stoff dafür bietet der Gelehrte Erasmus genug.
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Im Jahr 2016 begeht Basel ein Erasmusjubiläum: Zu
feiern ist das erste gedruckte griechische Neue Testament, das vor 500 Jahren in der Offizin Froben in Basel
erschien. Erasmus von Rotterdam (1466/67–1536) verantwortete es.
Erasmus in der Reihe Schwabe reflexe
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Die an den Ausstellungsvorbereitungen beteiligte His­
torikerin und Erasmusspezialistin Christine Christ
von Wedel gibt zum Jubiläum im Schwabe Verlag
ein handliches Buch heraus. Es erschliesst die viel­
schichtige, humorvolle Persönlichkeit des grossen
Humanisten, der scharfzüngig zu spotten wusste,
und breitet den Reichtum seiner in einer verwirren­
den Umbruchzeit entstandenen kühnen Ideen aus.
Albert de Pury hat dazu Karikaturen geschaffen. In
ihnen prallen die gegensätzlichen Charaktere des
sensiblen und kompromissbereiten Humanisten Eras­
mus und des jüngeren, streitbaren Reformators
Martin Luther aufeinander. Das ca. 120 seitige Buch
wird im März in der Reihe Schwabe reflexe erscheinen.
Das erste gedruckte Neue Testament in griechischer Sprache.