Deutschlands Erwachen Otto Riethmüller 1933 Über den deutschen Strom dröhnen die Glocken vom Dom: Finsternis weicht und der Tag kommt herbei, Deutschland, steh auf, denn der Herr macht dich frei. Vaterland, Mutterland, schirm dich Gottes Hand. Sturmwind im Eichengrund, Mahnruf der Väter tut kund: Deutscher, vergiß nicht, daß Recht nur und Treu bauen das heilige Reich wieder neu. Siegfriedland, Bismarckland, schirm dich Gottes Hand. Stand einst ein graues Heer, rang von den Alpen zum Meer. Kämpfe du mit für das künftige Land, Arbeit und Freiheit für jeglichen Stand. Kämpferland, Hitlerland, schirm dich Gottes Hand. Sonne durch Wetter bricht, Deutschland, verzage nur nicht. Äcker ergrünen in hoffender Saat, Räder umschwingen zu helfender Tat. Heimatland, Zukunftsland, schirm dich Gottes Hand. Das Lied des evangelischen Pfarrers, Schriftstellers und Jugendverbandleiters Otto Riethmüller (1889–1938) zeigt beispielhaft, wie sich Christentum, romantische „Reichs“-Nostalgie, Naturschwärmerei der Wandervogelbewegung, das Trauma des verlorenen Weltkriegs und die Erfahrung der Wirtschaftskrise mit Massenverelendung und Bereicherung Weniger 1933 zu einem nationalsozialistischen Aufbruchspathos vermischen konnten. Dass dessen Ziele sich nicht in einer hier wohl vorrangig erträumten inneren Werteerneuerung auf der Basis von „Recht und Treu“ erschöpften, sondern Judenvernichtung und Eroberungskrieg waren, ist bestenfalls (absichtlich) nicht gesehen, jedenfalls aber mitlesbar. Immerhin kann die zweite Strophe auch als ein Korrekturversuch an den brutalen Begleiterscheinungen der – grundsätzlich begrüßten – „Machtergreifung“ verstanden werden. Peter Gerloff
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