Arbeitsgemeinschaft Zahlentheorie Vorlesungsmitschrift Julius-Maximilians-Universität Würzburg Fakultät für Mathematik und Informatik gelesen von Prof. Dr. Jörn Steuding im Sommer 2015 Würzburg, 2015 Inhaltsverzeichnis Vorwort iii 1. Dirichlet Charaktere 1.1. Charaktere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Orthogonalitätsrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Dirichlet-Charaktere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 3 3 2. Dirichlet-Reihen und Euler-Produkte 2.1. Faltung zahlentheoretischer Funktionen . 2.1.1. Die Zauberformel . . . . . . . . . . 2.1.2. Möbius-Umkehrung . . . . . . . . 2.2. Konvergenzverhalten von Dirichlet-Reihen 2.3. Euler-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 5 6 7 9 3. Primitive Charaktere und Gaußsche Summen 3.1. Primitive und induzierte Charaktere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Der Betrag von Gauß-Summen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Der Satz von Pólya-Vinogradov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 12 13 4. Analytische Fortsetzung von Dirichletschen L-Reihen 4.1. Fortsetzbarkeit von Dirichletschen L-Reihen . . . . . . 4.2. Die Poissonsche Summenformel . . . . . . . . . . . . . 4.2.1. Beweis der Poissonschen Summenformel . . . . 4.2.2. Die Jacobische Theta-Funktion . . . . . . . . . 4.3. Funktionalgleichungen für Dirichletsche L-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 15 16 16 18 20 5. Der 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 25 27 29 32 36 6. Der Satz von Bombieri-Vinogradov 6.1. Das Große Sieb von Linnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Der Satz von Bombieri-Vinogradov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 39 41 A. Die Gamma-Funktion 49 Literaturverzeichnis 53 . . . . . . . . . . . . . . . Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen Die Perronsche Formel . . . . . . . . . . . . . . Nichtverschwinden auf 1 + iR . . . . . . . . . . Nullstellenanzahl-Abschätzungen . . . . . . . . Nullstellenfreie Gebiete . . . . . . . . . . . . . . Der Primzahlsatz von Page-Siegel-Walfisz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i ii Index Inhaltsverzeichnis 55 Vorwort Die vorliegende Mitschrift ist im Rahmen der Vorlesung Arbeitsgemeinschaft Zahlentheorie entstanden, welche Prof. Dr. Jörn Steuding im Sommersemester 2015 an der Universität Würzburg gelesen hat. Informationen zur Veranstaltung, sowie die Übungsblätter finden sich auf der Webseite von Prof. Dr. Steuding: https://www.mathematik.uni-wuerzburg.de/~steuding/agzt15.htm Diese Mitschrift wurde von Prof. Dr. Steuding nicht korrekturgelesen und kann (teilweise grobe) Fehler enthalten. Vertrauen auf die Richtigkeit der hier gemachten Aussagen erfolgt auf eigene Verantwortung. Auch bereits geschriebene Passagen erfreuen sich keiner Invarianz unter positiver Zeittranslation. Wer mich auf vorhandene Fehler aufmerksam machen möchte kann dies gerne via Email tun ([email protected]). — Marc Technau Version vom 17/06/2015 um 17:06 Uhr. iii iv Inhaltsverzeichnis Notation Der Buchstabe p ist (sofern nicht explizit gegenteiliges gesagt wird) stets für Primzahlen reserP viert. So sind etwa Summen, wie p≤x p1 , stets Summen über prime p, also X1 p≤5 p = X 1 1 1 1 1 1 1 1 1 + + 6= + + + + = . 2 3 5 1 2 3 4 5 n≤5 n Selbiges gilt für Produkte. Andere Stellen, wo die Bezeichnung der genutzten Variablen maßgeblich die Bedeutung ändert, P treten etwa bei Charakteren auf; χ mod q ist eine Summe über (Dirichlet-)Charaktere modulo P q, a mod q ist eine Summe über Restklassen modulo q. Für eine komplexe Variable s schreiben wir oft σ = Re s und t = Im s, also s = σ + it, auch ohne dies jedes mal explizit zu erwähnen. Prolog 14.04.2015 Die Primzahlen sind die von 1 verschiedenen multiplikativ unzerlegbaren Elemente von N. Wir werden zeigen, dass es ihrer unterhalb x asymptotisch logx x viele gibt (der sogenannte Primzahlsatz) und diese gleichverteilt sind in den primen Restklassen a mod q: X π(x, a mod q) := 1∼ p≤x p≡a mod q ˆ wobei x li(x) := 2 1 li(x), ϕ(q) (0.1) du x ∼ log u log x den sogenannten Integral-Logarithmus bezeichne. Der Fehlerterm hängt dabei von der Verteilung der komplexen Nullstellen gewisser erzeugender Funktionen ab, nämlich den Dirichletschen L-Funktionen: L(s, χ) := X χ(n) n≥1 ns = Y p 1 , 1 − χ(p)p−s (0.2) wobei χ ein Charakter (das ist ein nicht-trivialer Gruppen-Homomorphismus) modulo q. Speziell für den trivialen Charakter χ0 entsteht die Riemannsche Zetafunktion ζ(s) := L(s, χ0 mod 1) = X 1 n≥1 ns = Y p 1 . 1 − p−s (0.3) Die Riemannsche Vermutung (RH) besagt, dass sämtliche nicht-trivialen (nicht reellen) Nullstellen von ζ auf der sogenannten kritischen Geraden 12 + iR liegen. Die erweiterte Riemannsche Vermutung (GRH) besagt, dass kein L(s, χ) in der Halbebene Re s > 21 verschwindet. Falls richtig, so würde dies „bestmögliche“ Fehlerterme in (0.1) liefern. Für zahlreiche Anwendungen bietet der Satz von Bombieri-Vinogradov (gewissermaßen eine Mittelwertbildung über (0.1) bezüglich der a mod q und q) einen praktikablen Ersatz, z.B. bei der Behandlung des ternären Goldbach-Problems. „Analytic number theory may be said to begin with the work of Dirichlet and in particular Dirichlet’s memoir of 1837 on the existence of primes in a given arithmetic progression.“ — Davenport (2000) Kapitel 1 Dirichlet Charaktere 1.1 Charaktere ein Gruppenhomomorphismus χ : G → C× Charakter von G. Für einen solchen Charakter gilt also nach Definition χ(ab) = χ(a)χ(b) für alle a, b ∈ G. Beispiele additiver Charaktere liefert die Exponentialfunktion via R −→ C× , t 7−→ exp(2πiαt) für α ∈ R, oder via × 2πiab a mod q − 7 → exp . p × (Z/qZ) −→ C , Ist G eine endlische abelsche Gruppe, so ist G nach dem Struktursatz für endliche abelsche Gruppen isomorph zu einem direkten Produkt zyklischer Gruppen. Insbesondere besitzt dann jedes g ∈ G eine Darstellung r Y tj g= gj j=1 mit 0 ≤ tj < lj , wobei G= r Y Gj j=1 mit zyklischen Gruppen Gj := hgj i der Ordnung lj . Im Falle der primen Restklassengruppe modulo q gilt Y (Z/qZ)× ∼ = (Z/pν(q,p) Z)× p|q gemäß der Primfaktorzerlegung q= Y pν(q,p) . p Nach einem Satz von Gauß existieren Primitivwurzeln (Erzeugende) genau für die folgenden Module: 2, 4, pν und 2pν , mit primem p 6= 2 und ν ∈ N. Ferner gilt (Z/2ν Z)× ∼ = h−1 mod 2ν i × h5 mod 2ν i. 1 2 Kapitel 1. Dirichlet Charaktere Mit der strengen Multiplikativität von Charakteren gilt χ(g) = r Y χ(gj )tj , j=1 womit Charaktere χ : G → C× also durch ihre Werte auf den Erzeugenden von G eindeutig bestimmt sind. Sei 1 das neutrale Element von G, so folgt l 1 = χ(1) = χ(gjj ) = χ(gj )lj , womit χ(gj ) also lj -te Einheitswurzeln sind: ! 2πikj χ(gj ) = exp , lj mit 1 ≤ kj ≤ lj . Insbesondere existieren somit höchstens r Y lj = ord G j=1 viele Charaktere. Umgekehrt stiftet aber jede entsprechende Wahl von k1 , . . . , kr einen verschiedenen Charakter. Also besteht ein Isomorphismus ! b := {χ : G → C× Charakter}, G −→ G 2πi . gj − 7 → exp lj b = #G = ord G. Vermöge Superposition, Insbesondere gilt #G (χ1 · χ2 )(g) := χ1 (g) · χ2 (g) b erhält G b die Struktur einer Gruppe. Die Gruppe G b heißt Charakfür g ∈ G und χ1 , χ2 ∈ G, tergruppe von G oder auch die zu G duale Gruppe. Das neutrale Element ist der sogenannte Hauptcharakter χ0 , gegeben durch χ0 (g) := 1 für alle g ∈ G. b durch komplexe Konjugation: Wegen |χ(g)| = 1 = χ0 (g) ergibt sich das Inverse von χ ∈ G χ−1 (g) = χ(g). Beispiel. Für q = 5 gilt (Z/5Z)× = h2 mod 5i. Wir haben die Charaktere 1 = 20 2 3 ≡ 23 4 ≡ 22 χ0 1 1 1 1 χ1 1 −1 −1 1 χ2 1 i −i −1 χ3 1 −i +i −1 und es gilt \ × = hχ2 i = hχ3 i. (Z/5Z) Das Legendre-Symbol ist stets ein (reeller) Charakter modulo ungerader Primzahlen. 1.2. Orthogonalitätsrelationen 3 1.2 Orthogonalitätsrelationen Satz 1.1. Für beliebiges g ∈ G gilt ( X χ(g) = b χ∈G ord G, falls g = 1, 0, sonst. b Ferner haben wir für festes χ ∈ G ( X χ(g) = g∈G ord G, 0, falls χ = χ0 , sonst. b genügt es die zweite Formel zu beweisen. Der Fall χ = χ0 Beweis: Wegen der Isomorphie G ∼ =G ist trivial. Sei daher χ 6= χ0 . Es gibt also h ∈ G mit χ(h) 6= 1 und somit X χ(g) = g∈G X χ(gh) = χ(h) g∈G X χ(g). g∈G Diese Gleichung kann nur gelten, wenn die Summe verschwindet. Wendet man Satz 1.1 mit g1 g2−1 statt g bzw. χ1 χ2 statt χ an, so erhält man b gilt Korollar 1.2. (Orthogonalitätsrelationen) Für beliebige g1 , g2 ∈ G bzw. χ1 , χ2 ∈ G ( X ord G, 0, falls g1 = g2 , sonst ord G, 0, falls χ1 = χ2 , sonst. χ(g1 )χ(g2 ) = b χ∈G und ( X χ1 (g)χ2 (g) = g∈G 1.3 Dirichlet-Charaktere Im Falle einer primen Restklassengruppe (Z/qZ)× sprechen wir von Dirichlet-Charakteren χ mod q und setzen diese vermöge ( χ(n) := χ(n mod q), 0, falls gcd(n, q) = 1, sonst nach Z fort. Damit ist χ : N → C nach wie vor streng multiplikativ und q-periodisch, χ(mn) = χ(m)χ(n), χ(n + q) = χ(n), für alle m, n ∈ N. Wegen ord (Z/qZ)× = ϕ(q) übersetzen sich die Orthogonalitätsrelationen für teilerfremde a und q zu X 1 χ(n)χ(a) = ϕ(q) χ mod q ( X 1 χ1 (b)χ2 (b) = ϕ(q) b mod q ( 1, 0, falls n ≡ a mod q, sonst. (1.1) 1, 0, falls χ1 = χ2 , sonst. (1.2) 15.04.2015 4 Kapitel 1. Dirichlet Charaktere Damit lassen sich prime Restklassen a mod q aus N „heraussieben“. Wir illustrieren dies anhand der formalen Identität X X X χ(p) 1 1 = ; (1.3) χ(a) p ϕ(q) χ mod q p p p p≡a mod q die rechte Seite divergiert wie log Y L(s, χ)χ(a) χ mod q 1 bei s = 1, wegen L(s, χ0 ) ∼ ζ(s) ∼ s−1 und L(1, χ) 6= 0, ∞ für χ 6= χ0 . Insbesondere muss es also unendlich viele Primzahlen in der primen Restklasse a mod q geben (die hier getätigten Aussagen werden wir später noch präzisieren und formal beweisen). Bereits Euler hatte 1737 X1 p bzw. in moderner Notation: p = 1 1 1 1 1 + + + + + . . . = log log ∞, 2 3 5 7 11 X1 p≤x p ∼ log log x. Dirichlet führte 1837 für (1.3) seine Dirichlet-Charaktere ein. Neben diesen algebraischen Werkzeugen entwickelte er zudem hierfür noch ein analytisches Werkzeug, seine Dirichlet-Reihen. Kapitel 2 Dirichlet-Reihen und Euler-Produkte 2.1 Faltung zahlentheoretischer Funktionen 2.1.1. Die Zauberformel Funktionen der Form f : N → C bezeichnet man als zahlentheoretische Funktion. Diese nennt man multiplikativ, falls f (mn) = f (m)f (n) für alle teilerfremden Zahlen m, n ∈ N gilt. Gilt obige Gleichung sogar für sämtliche (nicht notwendig teilerfremde) m, n ∈ N, so sprechen wir von einer stark multiplikativen Funktion. Ein wichtiges Beispiel ist die Möbiussche µ-Funktion: bezeichnet ω(n) die Anzahl der verschiedenen Primteiler von n > 1 und ω(1) := 0, so ist ( µ(n) := (−1)ω(n) , falls n quadratfrei ist, 0, sonst. Diese zahlentheoretische Funktion spielt eine zentrale Rolle in der Siebtheorie (z.B. bei der Formel vom Ein- und Ausschluss, oder beim Sieb des Erastosthenes). Satz 2.1. (Zauberformel) Die Möbiussche µ-Funktion ist multiplikativ und es gilt ( X µ(d) = ε(n) := d|n 1, falls n = 1, 0, sonst. Beweis: Für teilerfremde m und n gilt ω(mn) = ω(m) + ω(n) und damit µ(mn) = µ(m)µ(n) (beachte, dass mn genau dann quadratfrei ist, wenn dies für m und n gilt). Ferner besteht eine eineindeutige Zerlegung der Teiler von mn in die Teiler von m und n, d.h. X µ(d) = d|mn XX µ(d1 )µ(d2 ) = d1 ,d2 d1 |m, d2 |n X d1 |m µ(d1 ) X µ(d2 ). d2 |m Also genügt es die Formel auf den Primzahlpotenzen zu verifizieren: X d|pν Der Fall n = 1 ist trivial. µ(d) = ν X µ(pj ) = µ(p0 ) + µ(p1 ) = 1 − 1 = 0. j=0 5 6 Kapitel 2. Dirichlet-Reihen und Euler-Produkte Mit durch Superposition definierter Addition und der (Dirichlet-)Faltung (f ? g)(n) = X n d f (d)g d|n als Multiplikation wird die Menge der zahlentheoretischen Funktionen zu einem kommutativen Ring mit Einselement ε aus Satz 2.1. Hierzu isomorph ist der Ring der assoziierten Dirichlet-Reihen (als formale Objekte) ∞ X f (n) L(s, f ) := n=1 ns mit kanonischer Addition L(s, f ) + L(s, g) := L(s, f + g) und Multiplikation L(s, f ) · L(s, g) := L(s, f ? g). Diese Gleichung rechtfertigt sich, wenn man die beiden unendlichen Reihen L(s, f ) und L(s, g) formal ausmultipliziert und Terme sammelt, welche denselben Faktor n1s liefern: ∞ X f (d) d=1 ds ! · ∞ X g(b) b=1 ! = bs ∞ X 1 X n=1 ns f (d)g(b). d,b bd=n Dabei ist f genau dann invertierbar, wenn f (1) 6= 0 gilt: man kann dann die Inverse g von f sukzessive berechnen. Man startet mit g(1) := 1/f (1) und löst für n > 1 die Gleichung ! 0 = ε(n) = (f ? g)(n) = f (1)g(n) + X n d f (d)g d|n d6=1 nach g(n) auf. Dies liefert die Definition 1 X n g(n) := − f (d)g . f (1) d|n d d6=1 Für das so konstruierte g gilt dann tatsächlich f ?g = . Umgekehrt kommt aus einer bestehenden Gleichung f ? g = sofort f (1)g(1) = 1, also f (1) 6= 0. 2.1.2. Möbius-Umkehrung Nach der Zauberformel ist µ ? 1 = mit 1 : n 7→ 1 und für die Riemannsche Zetafunktion gilt ζ(s) = ∞ X 1 n=1 ns = L(s, 1). Diese besitzt die Inverse ζ(s)−1 = L(s, µ) = ∞ X µ(n) n=1 ns . Korollar 2.2. (Möbius-Umkehrung) Es gilt f = 1 ? g genau dann wenn g = µ ? f gilt. In Formeln, X X n f (n) = g(d) ⇐⇒ g(n) = µ(d)f . d d|n d|n 2.2. Konvergenzverhalten von Dirichlet-Reihen 7 Beweis: Gilt etwa f = 1 ? g, so liefert Einsetzen und Satz 2.1 X n d µ(d)f d|n = X µ(d) X g(b) = b| n d d|n X g(b) X µ(d) = d| nb b|n X n d g(b)ε b|n = g(n). Die andere Richtung funktioniert ähnlich. Beispiel. • Es gilt id = 1 ? ϕ und also ϕ = µ ? id, bzw. ϕ(n) = X µ(d) d|n X n µ(d)b. = d b,d n=bd • ∞ X ϕ(n) ζ(s − 1) = L(s, µ)L(s, id) = . s n ζ(s) n=1 Nun war es Eulers Idee durch Untersuchungen der erzeugenden Funktionen mit analytischen Methoden Rückschlüsse auf die zugehörigen zahlentheoretischen Funktionen zu gewinnen. 2.2 Konvergenzverhalten von Dirichlet-Reihen Für eine komplexe Variable s schreiben wir oft σ = Re s und τ = Im s, also s = σ + it. Wegen ns = exp(s log n) = nσ exp(it log n) gilt |ns | = nσ . Darum konvergieren Dirichlet-Reihen in rechten Halbebenen. Angenommen −s n |f (n)n | konvergiert nicht für alle s ∈ C. Dann existiert ein σa (absolute Konvergenzabszisse) so, dass P ∞ X f (n) n=1 ( konvergiert für σ > σa , konvergiert nicht absolut für σ < σa . ns Dabei gilt X n σa = sup σ ∈ R o n |f (n)|n−σ = ∞ . Ist f beschränkt, etwa |f (n)| ≤ B für alle n ∈ N, so gilt ∞ X |f (n)| n=1 nσ ≤B ∞ X 1 nσ n=1 = Bζ(σ) = B 1 + ∞ X ˆ n n=2 n−1 du uσ ˆ ! =B+B 1 ∞ du σB = uσ σ−1 für σ > 1. Mit der Singularität von ζ in 1 (Divergenz der harmonischen Reihe, „ n n1 = log ∞“) folgt σa = 1. P Angenommen, n f (n)n−s konvergiert nicht für alle s oder divergiert nicht für alle s, so gibt es ein σc (Konvergenzabszisse), so dass P ∞ X f (n) n=1 ns ( konvergiert für σ > σc , divergiert für σ < σc . Tatsächlich gilt im Falle σc < ∞ stets 0 ≤ σa − σc ≤ 1 und f (n) = (−1)n liefert den Extremfall (σa = 1 und σc = 0). Satz 2.3. Eine Dirichlet-Reihe n f (n)n−s konvergiert gleichmäßig in jeder kompakten Teilmenge im Inneren der Konvergenzhalbebene {s ∈ C | σ > σc }. P Für den Beweis benötigen wir ein technisches Hilfsmittel: 21.04.2015 8 Kapitel 2. Dirichlet-Reihen und Euler-Produkte Lemma. (Abelsche Teilsummation) Sei g : [1, ∞) → C stetig differenzierbar, f : N → C und P F (x) := n≤x f (n). Dann gilt ˆ x X F (u)g 0 (u) du. f (n)g(n) = F (x)g(x) − 1 n≤x Beweis: Mit dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung kommt ˆ x X X f (n)(g(n) − g(x)) = − f (n) g 0 (u) du. n≤x n n≤x Nach Vertauschen von Summation und Integration folgt die Behauptung. Beweis von Satz 2.3: Wir zeigen gleichmäßige Konvergenz auf σ ≥ σ1 , |t| ≤ T für belieP bige σ1 > σc und T > 0. Sei s0 = σ0 + it0 mit σ0 ∈ (σc , σ1 ) und F (x) := n≤x f (n)n−s0 . Dann gilt |F (x)| ≤ B für eine hinreichend große Konstante B (auf Grund der Konvergenz von P −s0 ). Mit partieller Summation kommt n f (n)n X f (n) ns n≤M X f (n) ns0 −s = F (M )M s0 −s + (s − s0 ) s = n≤M n 0 bzw. X N <n≤M ˆ f (n) = F (M )M s0 −s − F (N )N s0 −s + (s − s0 ) ns M F (u)us0 −s−1 du, 1 ˆ M F (u)us0 −s−1 du. (2.1) N Mit der Beschränktheit von F folgt X N <n≤M f (n) ≤ B M σ0 −σ + N σ0 −σ + |s − s0 | ns ≤ 2BN σ0 −σ ˆ ! M σ0 −σ−1 u du N |s − s0 | 1+ . σ − σ0 Speziell für s0 = σ0 ist dies ≤ 2BN σ0 −σ1 2 + T , σ1 − σ0 also unabhängig von s. Dieser Ausdruck verschwindet bei N → ∞ und wir erhalten gleichmäßige Konvergenz. Aus der Funktionentheorie ist bekannt, dass der Grenzwert einer gleichmäßig konvergenten Folge holomorpher Funktionen wieder holomorph ist (Satz von Weierstraß). Also gilt: Korollar 2.4. Eine Dirichlet-Reihe L(s, f ) = n f (n)n−s ist holomorph in ihrer Konvergenzhalbebene {s ∈ C | σ > σc }. Selbiges gilt für ihre Ableitung P L0 (s, f ) := X f (n) log n d L(s, f ) = − . ds ns n≥2 Darstellungen durch Dirichlet-Reihen sind eindeutig. Auch existiert stets eine nullstellenfreie rechte Halbebene, sofern die Reihe nicht identisch verschwinde. Beispielsweise ist −2s ζ 0 (s) = X 2 s n≥2 bei σ → ∞. n log n = log 2 + s 2 3 σ log 3 + . . . = log 2 + O 2 3 2.3. Euler-Produkte 9 2.3 Euler-Produkte Uns interessieren im Folgenden (streng) multiplikative zahlentheoretische Funktionen. Für deren assoziierte Dirichlet-Reihen besteht Satz 2.5. (Euler 1737) Angenommen multiplikativ. Dann gilt X f (n) ns n Y = P n f (n)n −s konvergiert absolut für σ > σa und f ist (1 + f (p)p−s + f (p2 )p−2s + . . .). p Ist f sogar streng multiplikativ, so gilt weiter X f (n) ns n = Y p 1 . 1 − f (p)p−s Das sogenannte Euler-Produkt ist jeweils über sämtliche Primzahlen zu erstrecken und konvergiert absolut. Beweis: Mit f ist auch n 7−→ f (n)n−s = Y f (pν(n,p) )p−ν(n,p)s p multiplikativ bzw. streng multiplikativ. Sei Ax := {n ∈ N | p | n =⇒ p ≤ x}. Dann gilt X f (n) n∈Ax ns = Y (1 + f (p)p−s + f (p2 )p−2s + . . .) =: Π(x) p≤x aufgrund der eindeutigen Primfaktorzerlegung. Wegen X f (n) X − Π(x) = s n n n∈N\Ax f (n) X f (n) X |f (n)| ≤ = ns n>x ns n>x nσ und der absoluten Konvergenz der Dirichlet-Reihe folgt nunmehr lim Π(x) = X f (n) x→∞ n ns . Hierbei besteht absolute Konvergenz des Euler-Produktes aufgrund von X |f (p)p−s + f (p2 )p−2s + . . . | ≤ X |f (n)| n p≤x nσ . Ist f streng multiplikativ, so liefert die geometrische Reihe 1 + f (p)p−s + f (p2 )p−2s + . . . = 1 . 1 − f (p)p−s Hieraus ergeben sich unmittelbar die Formeln (0.2) und (0.3), bzw. allgemein L(s, χ) = X χ(n) n ns = Y p 1 1 − χ(p)p−s 10 Kapitel 2. Dirichlet-Reihen und Euler-Produkte für σ > 1. Ferner gilt Y Y X µ(n)χ(n) 1 = (1 − χ(p)p−s ) = (1 + µ(p)χ(p)p−s + µ(p2 )χ(p2 )p−2s + . . .) = L(s, χ) n−s p p n für σ > 1. Beispiel. • In Fortsetzung zum Beispiel von weiter oben haben wir L(s, ϕ) = X ϕ(n)n−s = ζ(s − 1)/ζ(s) = n Y 1 − p−s 1 − p1−s p für σ > 2. • Für die Teileranzahlfunktion d : N −→ N, n 7−→ X 1 = (1 ? 1)(n) d|n gilt X d(n) n 22.04.2015 ns = ζ(s)2 = (1 − p−s )−2 . Y p Abschließend ein wichtiges Beispiel: logarithmisches Ableiten eines Euler-Produktes liefert wieder eine Dirichlet-Reihe. Logarithmieren von (0.2) und anschließendes Differenzieren liefert für σ > 1 − X ∂ L0 ∂ (s, χ) = − log L(s, χ) = log(1 − χ(p)p−s ) L ∂s ∂s p = XX χ(p)ν (log p)p−νs = p ν≥1 X χ(n)Λ(n) n≥2 ns , (2.2) mit der von Mangoldtschen Λ-Funktion ( Λ(n) := log p, falls n = pν , 0, sonst. Wir haben damit analytisch die Faltung Λ ? 1 = log. Im Folgenden werden wir mittels Λ (bzw. mittels der logarithmischen Ableitung) Primzahlen mit logarithmischem Gewicht zählen. Kapitel 3 Primitive Charaktere und Gaußsche Summen 3.1 Primitive und induzierte Charaktere Ist χ ein Charakter modulo q, so kann χ|{n|ggT(n,q)=1} eine Periode q1 kleiner q besitzen. Mit ggT(q1 , q) = xq + yq1 für gewisse x, y ∈ Z (Satz von Bézout) gilt dann χ(n + ggT(q1 , q)) = χ(n). Für die kürzeste solche Periode q1 folgt über q1 ≤ ggT(q1 , q) somit q1 | q. Der Charakter χ heißt primitiv, wenn q = q1 gilt. Der Hauptcharakter zählt nicht zu den primitiven Charakteren. Ist q prim, so ist jeder Charakter χ 6= χ0 primitiv. Ist χ1 mod q1 primitiv und q ein Vielfaches von q1 , so ist ( χ(n) := χ1 (n), falls ggT(n, q) = 1, 0, sonst ein Charakter modulo q. Wir sagen χ mod q sei durch χ1 mod q1 induziert. Beispiel. Im Hinblick auf das Beispiel auf Seite 2 haben wir n mod 10 χ1 (n) mod 5 χ(n) mod 10 1 1 1 2 i 0 3 −i −i 4 −1 0 5 0 0 6 1 0 7 i i 8 −i 0 9 −1 −1 10 0 0 Satz 3.1. Ist χ 6= χ0 ein Charakter modulo q, so gibt es q1 | q und einen eindeutig bestimmten primitiven Charakter χ1 mod q1 mit χ(n) = χ1 (n) für alle n mit ggT(n, q) = 1. Jeder NichtHauptcharakter wird also von einem primitiven Charakter induziert. Beweis: Sei q1 die minimale Periode von χ mod q. Dann gilt q1 | q (siehe oben). Hierfür definieren wir ( χ(n), falls ggT(n, q) = 1, χ1 (n) := 0, falls ggT(n, q1 ) > 1 Dann verbleibt lediglich χ1 (n) für n mit ggT(n, q) > 1 bzw. für n mit ggT(n, q1 ) = 1 zu erklären. Q Für m ∈ Z (etwa m := p|q, p-q1 n p) mit ggT(n + mq1 , q) = 1 sei χ1 (n) := χ(n + mq1 ) (die Wahl von m ist wegen der q1 -Periodizität unerheblich). Damit ist χ1 streng multiplikativ mit Periode q1 und χ1 ergibt die Charakter-Eigenschaft von χ. Nach Konstruktion ist q1 die minimale Periode von χ1 und χ1 mod q1 ist somit primitiv (man sieht auch leicht, dass ein primitiver Charakter, welcher χ induziert eindeutig bestimmt ist). 11 12 Kapitel 3. Primitive Charaktere und Gaußsche Summen 3.2 Der Betrag von Gauß-Summen Die zu einem Charakter χ mod q assoziierte Gaußsche Summe ist definiert als τ (χ) := a . q X χ(a)e a mod q Folgender Satz liefert gewisser maßen eine diskrete Fourier-Reihenentwicklung der multiplikativen Charaktere χ mit Hilfe der additiven Charaktere e( · b/q). Satz 3.2. Im Falle ggT(n, q) = 1 ist bn χ(n)τ (χ) = χ(b)e . q b mod q X Ist χ sogar primitiv, so gilt dies für alle n ∈ Z. Beweis: Für ggT(n, q) = 1 durchläuft mit a auch an ein vollständiges primes Restsystem modulo q (dabei bezeichne n die zu n inverse Restklasse modulo q bezeichne, nn ≡ 1 mod q). Damit gilt a χ(n)χ(a)e χ(n)τ (χ) = q a mod q X = X χ(nb)e b mod q = a q X χ(na)e a mod q bn . q Sei nun χ primitiv und ggT(n, q) > 1. Dann besteht nq = nq11 mit gewissen teilerfremden n1 , q1 und q1 | q. Wir müssen X bn1 χ(b)e = 0 (= χ(n)τ (χ)) q1 b mod q zeigen. Via Division mit Rest b = vq1 + u und X S(u) := χ(vq1 + u) v mod q/q1 gilt X χ(b)e b mod q bn1 q1 = X S(u)e u mod q1 un1 . q1 Daher genügt es S(u) = 0 für alle u mod q1 zu verifizieren. Für ein zu q teilerfremdes a ist X χ(a)S(u) = χ(avq1 + au) = v mod q/q1 X χ(wq1 + au) = S(au). w mod q/q1 Speziell für a = 1 + kq1 folgt S(au) = X v mod q/q1 χ(vq1 + (1 + kq1 )u) = X χ(q1 (v + ku) + u) = S(u) v mod q/q1 und damit χ(a)S(u) = S(u). Existiert ein solches a mit χ(a) 6= 1, so folgt S(u) = 0, wie gewünscht. Weil χ mod q primitiv ist, ist χ nicht q1 -periodisch. D.h. es gibt a1 ≡ a2 mod q1 mit χ(a1 ) 6≡ χ(a2 ). Mit a gegeben durch aa1 ≡ a2 mod q folgt a ≡ 1 mod q1 . Es folgt S(u) = 0 für alle u mod q1 . 3.3. Der Satz von Pólya-Vinogradov 13 Für primitive Charaktere χ nutzen wir Satz 3.2 aus, um den Betrag von τ (χ) zu bestimmen: n(a − b) |χ(n)| |τ (χ)| = χ(a)χ(b)e . q a mod q b mod q 2 X 2 X Durch Summation über sämtliche Restklassen n mod q ergibt sich X ϕ(q)|τ (χ)|2 = X χ(a)χ(b) q X n(a − b) e q n=1 a mod q b mod q also |τ (χ)| = √ X =q |χ(a)|2 = qϕ(q), a mod q q. (3.1) 3.3 Der Satz von Pólya-Vinogradov Satz 3.3. (Pólya-Vinogradov, 1918) Für einen Charakter χ 6= χ0 mod q gilt X √ χ(n) < 2 q log q. n≤N Beweis: Für primitive Charaktere χ ergibt sich aus Satz 3.2 q X X an 1 X e χ(a) . τ (χ) a=1 q n≤N χ(n) = n≤N Für a < q ist X an e n≤N q e = a q −e 1−e a(N +1) q a q sin = sin πaN q πa q und im Falle a = q ist χ(a) = 0. In Kombination mit (3.1) folgt q−1 X 1 X 1 χ(n) ≤ √ . q a=1 sin πa q n≤N Zur Abschätzung der Summe rechts benutzen wir, dass f (x) = Es gilt daher 1 f (x) ≤ (f (x + h) + f (x − h)) 2 für alle x, x ± h ∈ (0, 1). Integration liefert 1 f (x) = δ Mit δ := 1 2q ˆ 0 δ 1 f (x) dh ≤ 2δ ˆ 0 δ 1 sin(πx) 1 (f (x + h) + f (x − h)) dh = 2δ konvex für x ∈ (0, 1) ist. ˆ x+δ f (y) dy. x−δ und Symmetrie von f ergibt sich ˆ 1− 1 ˆ 1 q−1 ˆ a + 1 X q 2q 2q 2 dy dy dy 1 X √ √ q = q =2 q . χ(n) ≤ √ a 1 1 1 sin(πy) q sin(πy) sin(πy) − a=1 n≤N q 2q 2q 2q 28.04.2015 14 Kapitel 3. Primitive Charaktere und Gaußsche Summen Mit sin(πy) > 2y für 0 < y < 1 2 kommt √ ˆ X χ(n) < q n≤N 1 2 dy √ 1 1 < q log − log y 2 2q 1 2q = √ q log q. Sei nun χ mod q von χ1 mod q1 induziert (siehe Satz 3.1) mit q = q1 r. Mit Satz 2.1 ergibt sich also X χ(n) = n≤N X χ1 (n) = n≤N ggT(n,r)=1 = X d|ggT(n,r) X χ1 (n) n≤N µ(d) X X µ(d) d|ggT(n,r) χ1 (n) = n≤N d|n X µ(d)χ1 (d) X χ1 (m). m≤ N d d|ggT(n,r) Durch Berufung auf den bereits bewiesenen Fall für primitive Charaktere kommt √ X X X √ √ χ(n) < q1 log q1 1 ≤ 2 rq1 log q1 . |µ(d)| ≤ 2 q1 log q1 n≤N d|r d|r √ d≤ r Für den kleinsten quadratischen Nichtrest a mod p für ungerades p ∈ P folgt, da das Legendre√ Symbol χ = ( p· ) ein primitiver Charakter ist, somit a < p log p. Vermutlich gilt selbiges mit a pε für beliebiges ε > 0. Hingegen bewies Paley (1932), dass für gewisse χ und N die Abschätzung X n≤N χ(n) √ q log log q. Kapitel 4 Analytische Fortsetzung von Dirichletschen LReihen 4.1 Fortsetzbarkeit von Dirichletschen L-Reihen Jetzt untersuchen wir Dirichletsche L-Reihen L(s, χ) auch links ihrer absoluten Konvergenzabszisse. Satz 4.1. Sei χ mod q ein Charakter. Im Falle χ 6= χ0 konvergiert n≥1 χ(n)n−s für σ > 0 und insbesondere ist s 7→ L(s, χ) holomorph in {s ∈ C | σ > 0}. P Die Reihe n≥1 χ0 (n)n−s konvergiert für σ > 1 und darüber hinaus ist P s 7−→ L(s, χ0 ) − 1 ϕ(q) s−1 q analytisch in {s ∈ C | σ > 0}. Insbesondere besitzt L(s, χ0 ) einen analytischen Pol in s = 1 mit Residuum ϕ(q) q . Beweis: Sei χ 6= χ0 . Dann gilt für F (x) := X χ(n) n≤x sicher F (x) 1 und mit partieller Summation (siehe das Lemma auf Seite 8) bzw. Formel (2.1) mit s0 = 0 folgt ˆ M χ(n) −s −s = F (M )M − F (N )N + s F (u)u−s−1 du ns N ˆ M |s| N −σ + |s| u−σ−1 du N −σ 1 + . σ N X N <n≤M Wir haben daher Konvergenz in σ > σc = 0 und die Holomorphie nach Korollar 2.4. Für χ = χ0 gilt nach Satz 2.1 F (x) = X χ0 (n) = n≤x = X d|q X n≤x ggT(n,q)=1 1= X X √ n≤ x d|ggT(n,q) µ(d) = X d|q µ(d) X 1. n≤x d|n X µ(d) x =x + O(1). d d d|q µ(d) 15 Kapitel 4. Analytische Fortsetzung von Dirichletschen L-Reihen 16 Wegen µ ? id = ϕ bzw. via X µ(d) d d|q = Y p|q 1 1− p folgt F (x) = x ϕ(q) + O(1). q Wiederum mit partieller Summation ergibt sich X N <n≤M χ0 (n) = F (M )M −s − F (N )N −s + s ns ˆ u ϕ(q) q + O(1) M us+1 N du. Für σ > 1 liefert M → ∞ X χ0 (n) n>N ns ˆ = −F (N )N −s ∞ +s N sodass für σ > 0 also X χ0 (n) n>N ns − ϕ(q) N 1−s O(1) du + +s , us+1 q s−1 ϕ(q) sN 1−s N −σ q s−1 kommt. Für N = 1 ergibt sich die Behauptung. Wegen L(s, χ0 ) = Y p-q Y 1 = ζ(s) (1 − p−s ) 1 − p−s p|q (4.1) gilt insbesondere ζ(s) = L(s, χ0 mod 1). Satz 4.1 behandelt also auch die Riemannsche Zetafunktion. Tatsächlich liefert der Beweis auch eine explizite analytische Fortsetzung: Korollar 4.2. (Einfache approximative Funktionalgleichung) Für σ > 0 und N ∈ N und δχ := 1 für χ = χ0 und δχ := 0 sonst gilt X N 1−s ϕ(q) = χ(n)(n−s − N −s ) + s L(s, χ) − δχ s−1 q n≤N = X χ(n) n≤N ns +O N −σ ˆ ∞ ϕ(q) du χ(n) − u s+1 q u n≤u X N |s| 1+ σ . 4.2 Die Poissonsche Summenformel 4.2.1. Beweis der Poissonschen Summenformel 29.04.2015 Im Folgenden werden wir Dirichletsche L-Funktionen auf die gesamte komplexe Ebene fortsetzen, dabei aber nur die zu primitiven Charakteren L-Funktionen assoziierten und die Riemannsche Zetafunktion betrachten wollen. Dies wird legitimiert durch die neben (4.1) bestehende Abhängigkeit im Falle eines von χ1 mod q1 induzierten Charakters χ mod q, L(s, χ) = Y p Y Y 1 1 = = L(s, χ1 ) · (1 − χ1 (p)p−s ). −s −s 1 − χ(p)p 1 − χ1 (p)p p-q p|q Unser wesentliches Hilfsmittel entstammt der Fourier-Analysis: (4.2) 4.2. Die Poissonsche Summenformel 17 Satz 4.3. (Poissonsche Summenformel, 1827) Es sei N ∈ N und f : [−N, N ] → R eine stetig differenzierbare Funktion. Dann gilt ∞ X ˆ m=−∞ N X 1 1 f (x)e(−mx) dx = f (−N ) + f (n) + f (N ). 2 2 −N |n|<N Im Falle f (x) x−2 bei N → ∞ existiert die Fourier-Transformierte fˆ von f , ˆ ∞ ˆ f (m) := f (x)e(−mx) dx, −∞ und wir haben ∞ X fˆ(m) = m=−∞ ∞ X f (n). n=−∞ Beweis: Es bezeichne kxk den minimalen Abstand von x zur nächsten ganzen Zahl. Wir zeigen zuerst ( ∞ X x − bxc − 12 , für x ∈ R \ Z, e(−mx) g(x) := (4.3) = 2πim 0, für x ∈ Z, m=−∞ m6=0 wobei die Terme der Reihe zu ±m zusammen zu fassen sind (die Reihe konvergiert nur bedingt). Aufgrund der Symmetrie und Periodizität, −g(−x) = g(x) = g(x + 1), genügt es den Fall 0 < x ≤ 21 zu betrachten. Für 0 6= m ∈ Z ist ˆ 1 2 e(−mt) dt = x (−1)m+1 e(−mx) + 2πim 2πim und durch Summation ergibt sich X e(−mx) |m|≤M m6=0 1 − x− 2πim 2 ˆ = x ˆ 1 2 X |m|≤M e(−mt) dt = 1 2 x sin((2M + 1)πt) dt. sin(πt) Nach einem Mittelwertsatz der Integralrechnung ist nun für ein ξ ∈ (x, 12 ) letzteres Integral dem Betrage nach ˆ 1 1 2 sin((2M + 1)πt) 2 1 1 −1 2 ≤ dt = cos((2M + 1)πt) . ≤ ξ sin(πx) sin(πx) (2M + 1)π 2x (2M + 1)π t=ξ Also gilt X e(−mx) 1 g(x) − ≤ 2πim 2πM kxk (4.4) |m|≤M m6=0 für x ∈ R \ Z und insbesondere (4.3) vermöge M → ∞. Die Partialsummen sind gleichmäßig beschränkt, da ˆ x 1 2 sin((2M + 1)πt) dt = sin(πt) ˆ x 1 2 sin((2M + 1)πt) 1 1 + sin((2M + 1)πt) − πt sin(πt) πt und das erste Integral nach der Substitution u = (2M + 1)πt wegen der Konvergenz von ˆ ∞ sin u du u 0 dt Kapitel 4. Analytische Fortsetzung von Dirichletschen L-Reihen 18 unabhängig von x beschränkt ist und sich das zweite Integral betragsmäßig gegen ˆ 1 2 1 1 dt − πt 0 sin(πt) unabhängig von x abschätzen lässt. Nun zum eigentlichen Beweis: für beliebiges n ∈ Z gilt via partieller Integration ˆ n+1 ˆ n+1 1 0 1 1 x−n− f (x) dx = f (n + 1) + f (n) − f (x) dx 2 2 2 n n und Summation über n liefert die Eulersche Summenformel für M, N ∈ Z: ˆ X 1 1 f (n) − f (N ) = f (M ) + 2 2 M <n≤N ˆ N N 1 0 x − bxc − f (x) dx. 2 f (x) dx + M M Einsetzen von (4.3) und Vertauschen von Summation und Integration (möglich dank der in x gleichmäßigen Konvergenz) liefert zusammen mit ˆ N ˆ [f (x)e(−mx)]N x=M 0 f (x)e(−mx) dx = M N f (x)e(−xm) dx + 2πim M für das zweite Integral der rechten Seite ∞ X 1 2πim m=−∞ ˆ N ∞ X 0 f (x)e(−mx) dx = ˆ N f (x)e(−xm) dx. m=−∞ M m6=0 M m6=0 4.2.2. Die Jacobische Theta-Funktion Wir wenden dies nun auf die Funktion π z− 7 → exp − (z + α)2 x f : C −→ C, für reelles x > 0 und α ∈ C an und berechnen die zugehörige Fourier-Transformierte ˆ !! ˆ ∞ (z + α)2 π 2 exp −π + 2iyz dz exp − (z + α) e(−yz) dz = x x −∞ −∞ ˆ ∞ =x exp −πx(ω 2 + 2iωy) dω · exp(2πiyα) (Substitution ω = −∞ ˆ ∞ = x exp(2πiyα − πxy 2 ) exp −πx(ω + iy)2 dω . fˆ(y) = ∞ −∞ | {z } =:Ix (y) Hierin gilt nun für jedes fixierte x > 0 mit z = ω + iy und dem Cauchyschen Integralsatz (ˆ Ix (y) = lim R→∞ ˆ −R + −R+iy ˆ R R+iy exp(−πxz 2 ) dz. + −R ) R z+α x ) 4.2. Die Poissonsche Summenformel Wegen ˆ 19 −R + iy R + iy −R R ±R+iy glm. exp(−πxz 2 ) dz y exp πx(y 2 − R2 ) −−−−→ 0 R→∞ ±R √ folgt mit der Substitution v = z x ˆ ∞ ˆ ∞ 1 1 2 exp(−πxz ) dz = √ exp(−πv 2 ) dv =: √ I, Ix (y) = x −∞ x −∞ wobei diese Zahl unabhängig von y ist. Also gilt √ fˆ(y) = x exp(2πiyα − πxy 2 ) · I. Offensichtlich ist die Poissonsche Summenformel (Satz 4.3) anwendbar und liefert ∞ X ∞ X √ π 2 exp − (n + α) = xI exp(2πimα − πxm2 ). x n=−∞ m=−∞ 05.05.2015 (4.5) Für α = 0 und x = 1 sind beide Reihen identisch und wir sehen I = 1. Damit folgt für die Jacobische Thetafunktion ϑ(τ, z) := X exp(πin2 τ + 2πinz) n∈Z mit τ ∈ H := {z ∈ C | Im z > 0} und z ∈ C nunmehr Korollar 4.4. (ϑ-Transformationsformel; Jacobi 1828) Für beliebige τ ∈ H und z ∈ C gilt −1 ϑ ,z = τ r τ ϑ(τ, zτ ) exp(πiz 2 τ ), i dem Zweig der Quadratwurzel, der durch den Hauptzweig des Logarithmus gegeben ist. Beweis: Speziell für τ = ix mit x > 0 gilt nach Formel (4.5) ϑ X π −1 i ,z = ϑ ,z = exp − n2 + 2πinz ix x x n∈Z π exp − (n − ixz)2 exp(−πxz 2 ) x n∈Z √ X = x exp(−πxm2 + 2πim(−ixz)) exp(−πxz 2 ) = X = √ xϑ(ix, ixz) exp(−πxz 2 ). m∈Z Damit ist die Transformationsformel für die imaginäre Halbachse {ix | x > 0} bewiesen. Die Allgemeingültigkeit der Transformationsformel ergibt sich daraus mit dem Permanenzprinzip (Identitätsprinzip). Kapitel 4. Analytische Fortsetzung von Dirichletschen L-Reihen 20 Tatsächlich spielt die Theta-Funktion eine wichtige Rolle bei Fragen zu Darstellungen von Zahlen als Summe von Quadraten (als erzeugende Funktion). Darüber hinaus ist der Theta-Nullwert X ϑ(τ ) := ϑ(τ, 0) = X exp(πin2 τ ) = 1 + 2 n∈Z exp(πin2 τ ) n∈N eine sogenannte Modulform vom Gewicht 21 . Auch löst die Thetafunktion die Wärmegleichung (wie auch die Dichtefunktion einer Brownschen Bewegung nach Einstein, 1905). 4.3 Funktionalgleichungen für Dirichletsche L-Funktionen Satz 4.5. (Funktionalgleichung) Sei χ mod q ein primitiver Charakter und a := 12 (1 − χ(−1)) ∈ {0, 1}. Dann gilt1 − s+a 2 π s+a Γ q − 1−s+a 2 1−s+a τ (χ) π L(s, χ) = a √ i q q 2 Dies ist eine Art Punktsymmetrie bezüglich s = Γ 1 2 2 L(1 − s, χ). (s ↔ 1 − s) bei dem Tausch χ ↔ χ. Beweis: Für den Beweis der Funktionalgleichung beginnen wir mit der Integraldarstellung der Gammafunktion, ˆ ∞ Γ(s) = uz−1 exp(−u) du, 0 für Re z > 0 und substituieren z = s Γ s bzw. s 2, π = n2 q u = πq n2 x. Damit entsteht ˆ ∞ 0 π 2 n q s −1 2 π exp − n2 x dx, q ˆ ∞ − s 2 s π s −s π 2 −1 Γ n = x 2 exp − n x dx. q 2 (4.6) q 0 Summation über n liefert für Re s > 1 − s X 2 π s ∞ χ(n) Γ q 2 n=1 ns ˆ ∞ X = ∞ χ(n) x 0 n=1 s −1 2 π exp − n2 x dx. q Angesichts der gleichmäßigen Konvergenz des Integrals können Integration und Summation vertauscht werden, womit also − s 2 π s q Γ 2 ˆ ∞ L(s, χ) = x 0 s −1 2 ∞ X π χ(n) exp − n2 x dx. q n=1 (4.7) Im Falle eines Hauptcharakters steht (fast) der „halbe“ Theta-Nullwert unter dem Integral; es gilt nun den Charakter mit einzubinden. Sei zunächst a = 0 bzw. χ(−1) = +1. In diesem Fall (d.h. im Falle gerader Charaktere) beweisen wir für Θ(x, χ) := 1 π χ(n) exp − n2 x q n∈Z X Eisenstein 1849, Malmstèn 1849, Schlömilch 1858 unabhängig von einander für L(s, χ1 mod 4); Riemann 1859 für ζ; Kinkelin 1862, Lipschitz 1889 für allgemeine L(s, χ). 4.3. Funktionalgleichungen für Dirichletsche L-Funktionen 21 mit x > 0 die Transformationsformel (de la Vallée Poussin 1897) r τ (χ)Θ(x, χ) = q 1 Θ ,χ . x x (4.8) Ausgehend von Satz 3.2 besteht für unseren primitiven Charakter die Formel bn , χ(n)τ (χ) = χ(b)e q b mod q X womit die linke Seite durch X τ (χ)Θ(x, χ) = χ(b) X exp 2πi n∈Z b mod q bn π 2 − n x q q dargestellt wird. Durch Bemühen der Theta-Transformationsformel (Korollar 4.4) in der Form (4.5) (x 7→ xq , α = qb ) kommt τ (χ)Θ(x, χ) = r X χ(b) b mod q r = b q X πq m+ exp − x m∈Z x q 2 ! X q X (qm + b)2 χ(b) exp −π x b mod q qx m∈Z ! und mit n = qm + b, also χ(n) = χ(b), folgt die Gültigkeit der Transformationsformel (4.8). Weiter im Beweis der Funktionalgleichung: wegen χ(0) = χ(q) = 0 und χ(−n) = χ(−1)χ(n) = χ(n) (beachte: χ sei nach wie vor ein gerader Charakter) ist ∞ X π 1 χ(n) exp − n2 x = Θ(x, χ) q 2 n=1 und via der Substitution x−1 7→ x und (4.8) folgt ˆ 1 ˆ s x 2 −1 Θ(x, χ) dx = 0 ∞ s x− 2 −1 Θ 1 1 τ (χ) , χ dx = √ x q ˆ ∞ x− s−1 2 Θ(x, χ) dx. 1 Dies eingesetzt in (4.7) ergibt − s π q 2 s 1 Γ L(s, χ) = 2 2 ˆ ∞ x 1 s −1 2 ! τ (χ) s−1 Θ(x, χ) + √ x− 2 Θ(x, χ) dx. q (4.9) Wegen Θ(x, χ) exp(− πq x) konvergiert dieses Integral für alle s ∈ C und liefert daher eine meromorphe Fortsetzung für L(s, χ). Aufgrund der Nullstellenfreiheit der Gammafunktion ist diese Fortsetzung sogar analytisch im Fall χ 6= χ0 mod 1. Ähnliches gilt für L(s, χ0 mod 1) = ζ(s): hier gilt mit dem Theta-Nullwert 1 exp(−πn2 x) = (Θ(x, χ0 mod 1) − 1) =: ω(x), 2 n∈N X sowie mit (4.7) entsprechend 1 ω x √ 1 √ = xΘ(x, χ0 mod 1) − 1 = xω(x) + 2 √ x−1 . 2 06.05.2015 Kapitel 4. Analytische Fortsetzung von Dirichletschen L-Reihen 22 Damit folgt ˆ 1 ˆ s −1 2 x ω(x) dx = 0 ∞ x − 2s −1 1 1 dx = ω x 1 s−1 wobei das zweite Integral gleich π − 2s s ζ(s) = Γ 2 ˆ ∞ x s −1 2 − 1 s = ˆ ∞ x 1 1 (s−1)s ˆ ω(x) dx = 0 − 2s − 12 1 ω(x) dx + 2 ˆ ∞ s 1 s x− 2 − 2 − x− 2 −1 dx, 1 ist. Mit (4.6) ergibt sich ∞ s s 1 x 2 −1 + x− 2 − 2 ω(x) dx + 1 1 ; (s − 1)s auch dieses Integral konvergiert für alle s ∈ C (nun wegen ω(x) exp(−x) bei x → ∞), was eine analytische Fortsetzung von ζ nach C \ {1} liefert. Darüber hinaus ist die rechte Seite invariant unter s ↔ 1 − s, was die Funktionalgleichung (4.10) beweist. Ganz Ähnliches gilt für primitive χ 6= χ0 . Aufgrund von (3.1) ist τ (χ)τ (χ) = τ (χ)τ (χ) = q und nach Substitution von s 7→ 1 − s, sowie Konjugation χ 7→ χ und anschließender Multiplikation von τ√(χ) q in der rechten Seite von (4.9) entsteht wiederum dieselbe rechte Seite τ (χ) 1 √ q 2 ˆ ∞ x 1−s −1 2 1 1 = 2 ˆ ! τ (χ) 1−s 1 Θ(x, χ) + √ x− 2 − 2 Θ(x, χ) dx q ∞ 1 ! 1−s 1 τ (χ) 1−s −1 Θ(x, χ) + x− 2 − 2 Θ(x, χ) dx, √ x 2 q was die Funktionalgleichung im Fall eines geraden primitiven Charakters beweist. Es verbleibt der Fall a = 1 (d.h. χ(−1) = −1).2 Hierfür starten wir mit s + 1 statt s in (4.6), also ˆ ∞ − s+1 2 s+1 π s + 1 −s π Γ n = x 2 −1 n exp − n2 x dx, q 2 q 0 bzw. nach Summation über n − s+1 π q mit Θ̃(x, χ) := 2 s+1 1 Γ L(s, χ) = 2 2 ˆ ∞ s 1 x 2 − 2 Θ̃(x, χ) dx, 0 X π π nχ(n) exp − n2 x = 2 nχ(n) exp − n2 x . q q n∈Z n∈N X Durch Differentiation der Theta-Transformationsformel in Gestalt (4.5) bezüglich α und dem geraden Fall in analoger Herangehensweise ergibt sich 3 1 √ τ (χ)Θ̃(x, χ) = i qx− 2 Θ̃ , χ . x Mit ähnlichen Argumenten wie oben gelingt, unter Berücksichtigung von τ (χ) = X a mod q a q χ(a)e = χ(−1) X χ(−a)e a mod q der Nachweis der Funktionalgleichung im ungeraden Fall. 2 −a q = −τ (χ), Prof. Dr. Steuding (ungefähr): „Es gibt einen Zoo von L-Funktionen. Die Dirichletschen L-Funktionen sind darin nur die Raubtierabteilung. Dabei gibt es u.a. auch eine Potwahlabteilung, etc.“ 4.3. Funktionalgleichungen für Dirichletsche L-Funktionen 23 Mit Satz (4.5) für ζ(s) = L(s, χ0 mod 1) ergibt sich a = 0 und damit 1−s s 1−s ζ(s) = π − 2 Γ ζ(1 − s). 2 2 s π− 2 Γ (4.10) Ferner erkennt man an der Funktionalgleichung die analytische Fortsetzbarkeit Dirichletscher L-Funktionen L(s, χ) nach C \ {1}. Diese sind genau für χ 6= χ0 auch analytisch in s = 1. Obiger Beweis ist hinsichtlich der Transformationsformeln von zentraler Bedeutung in der Theorie der Modulformen: nach Hecke (1936) besteht eine Bijektion zwischen ebendiesen und Dirichlet-Reihen mit einer Funktionalgleichung vom „Riemannschen Typ“. Einen alternativen Zugang liefert Riemanns zweiter Beweis durch „Schleifenintegrale“, den P Hurwitz 1881 mit seiner Hurwitzschen Zetafunktion m≥0 (m + α)−s mit α ∈ (0, 1] begründet hat. Eine erste Konsequenz der Funktionalgleichungen besteht in der Lokalisierung der Nullstellen Dirichletscher L-Funktionen: Aufgrund der Euler-Produktdarstellung ist L(s, χ) nullstellenfrei für Re s > 1. In der linken Halbebene treten angesichts der Funktionalgleichung, − s+a 2 π s+a q Γ 2 − 1−s+a 2 1−s+a τ (χ) π L(s, χ) = a √ i q q Γ 2 L(1 − s, χ), auf; diese Nullstellen nennt man trivial. Diese Nullstellen genau in den Polstellen von Γ s+a 2 sind einfach und liegen im Falle χ 6= χ0 in s = −2n − a für n ∈ N0 . Im Falle L(s, χ0 mod 1) = ζ(s) kompensiert der Pol in s = 0 von ζ(1 − s), weshalb die trivialen Nullstellen von ζ(s) in s = −2n für n ∈ N liegen. Alle anderen Nullstellen heißen nicht-trivial; diese treten im Streifen {s ∈ C | 0 ≤ Re s ≤ 1} auf und spielen eine wesentliche Rolle in der Primzahlverteilung. Kapitel 5 Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen 5.1 Die Perronsche Formel Aufgrund der Nullstellenverteilung Dirichletsche L-Funktionen besteht für die logarithmische Ableitung die Identität ∞ X χ(n)Λ(n) L0 − (s, χ) = , L ns n=1 ( Λ(n) := mit log p, ∃p ∈ P ∃k ∈ N : n = pk , 0, sonst. Wir interessieren uns für die Koeffizientensumme X Ψ(x, χ) := χ(n)Λ(n). n≤x Hierbei hilft folgender allgemeiner Satz: Satz 5.1. (Perronsche Formel) Sei c > 0, x ≥ 2, T ≥ 2. Konvergiert Re s = c, so gilt X∗ n≤x wobei P∗ 1 f (n) = 2πi ˆ c+iT c−iT ∞ X f (n) n=1 ns P n≥1 f (n)n −s absolut für ∞ |f (n)| xc X x log x x +O + fx · 1 + , s T n=1 nc T ! ! s ds bedeutet, dass für x ∈ N der Summand f (x) durch 21 f (x) ersetzt wird und fx := max 3 x≤n≤ 45 x 4 |f (n)|. Beweis: Aufgrund der absoluten Konvergenz konvergiert auf s = c + it mit |t| ≤ T gleichmäßig. Vertauschung von Integration und Summation liefert ˆ ∞ c+iT X c−iT ∞ X f (n) s ds x = f (n) ns s n=1 n=1 ˆ c+iT c−iT x n s ds . s (5.1) Die Berechnung der Integrale liefert Lemma 5.2. (Perronsche Formel) Für positive c, y, T seien 1 I(y, T ) := 2πi ˆ c+iT ys c−iT ds s 25 12.05.2015 26 Kapitel 5. Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen und 0, falls 0 < y < 1, falls y = 1, falls y > 1. 1 , 2 δ(y) := 1, Dann gilt ( |I(y, T ) − δ(y)| < y c min{1, (T | log y|)−1 }, c/T, falls y 6= 1, sonst. Insbesondere gilt I(y, ∞) := limT →∞ I(y, T ) = δ(y). Beweis: Für y = 1 und s = c + it gilt ˆ T ˆ ˆ ∞ ˆ ∞ dt c dt 1 1 T c dt 1 − = = 2 + t2 2π −T c + it π 0 c2 + t2 π 0 c T ˆ 1 1 ∞ du 1 c . = − = +O 2 π T /c 1 + u2 2 T I(1, T ) = Sei jetzt 0 < y < 1 und r > c. Dann ist Integralsatz ergibt sich ys s analytisch für Re s > 0. Mit dem Cauchyschen c + iT 1 I(y, T ) = 2πi (ˆ ˆ r−iT + c−iT ˆ r+iT c+iT ) ys + r−iT r+iT r + iT ds . s c − iT Für Re s = r ist und mittels r → ∞ s r y ≤ y < 1 s r r ( 1 I(y, T ) = − 2πi ˆ ˆ ∞+iT ∞−iT ys + c+iT ) c−iT ds s und somit (mit σ = Re s) 1 |I(y, T )| ≤ πT 13.05.2015 ˆ ∞ y σ dσ ≤ c yc . T | log y| Ist y > 1, so integriere man über den Rand des Rechtecks mit den Ecken c ± iT , −r ± iT und verfahre wie oben. −r + iT c + iT Pol c − iT 5.2. Nichtverschwinden auf 1 + iR 27 Hier liefert der Pol des Integranden in s = 0 den Beitrag Ress=0 ys ys = lim s · = 1 = δ(y). s→0 s s Wir kehren nun zurück zum Beweis von Satz 5.1: Das so eben bewiesene Lemma 5.2 angewandt mit y = (5.1) liefert ˆ c+iT X ∞ X 1 f (n) s ds f (n) = x +E 2πi c−iT n=1 ns s n≤x x n und x ∈ / N in mit einem Fehler E der Größe |E| ≤ x ∞ X |f (n)| c nc n=1 ) x −1 . min 1, T · log n ( Für |n − x| ≥ 41 x ist | log nx |−1 1. Damit folgt ( |E| x c ) X + X + 2<|n−x|< 14 x |n−x|≤2 X . . . fx + |n−x|≥ 14 x ∞ x log x xc X |f (n)| + fx . c T n=1 n T Den Fall x ∈ N behandelt man analog. 5.2 Nichtverschwinden auf 1 + iR Wegen 12 f (bxc) fx können wir immer die Summation kehrt). Speziell für f = Λ · χ ist fx log x und daher 1 Ψ(x, χ) = − 2πi mit x ∈ 1 2 + N und c = 1 + 1 log x , ˆ c+iT c−iT P∗ auch durch P L0 ds x(log x)2 (s, χ)xs +O L s T ersetzen (und umge- ! (5.2) denn angesichts von Satz 4.1 gilt dann 0 0 0 L (c, χ) ≤ − L (c, χ0 ) ≤ − ζ (c) 1 = log x. L L ζ c−1 Als nächsten Schritt wollen wir den Integrationsweg in den kritischen Streifen {s ∈ C | 0 < Re s < 1} verlagern. Insofern ist die Lage etwaiger Singularitäten des Integranden relevant. Hierzu zeigen wir als Erstes das Nichtverschwinden von Dirichletschen L-Funktionen auf der Berandung der absoluten Konvergenzhalbebene: Satz 5.3. (Hadamard, de la Valée-Poissin 1896; Dirichlet 1839) Für t ∈ R und beliebige Charaktere χ mod q gilt L(1 + it, χ) 6= 0. Beweis: Wir betrachten zunächst – de la Valée Poussin folgend – den Fall L(s, χ0 mod 1) = ζ(s). Für σ = Re s > 1 (t = Im s) gilt nach (2.2) − Re ∞ X ζ0 Λ(n) (s) = cos(t log n) ζ nσ n=2 und wegen 17 + 24 cos α + 8 cos(2α) = (3 + 4 cos α)2 ≥ 0 28 Kapitel 5. Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen ergibt sich ζ0 ζ0 ζ0 − Re 17 (σ) + 24 (σ + it) + 8 (σ + i2t) ≥ 0. ζ ζ ζ Für s → 1 gilt ζ(s) ∼ 1 s−1 (5.3) und also ζ0 (s) = ζ −1 + O(1) (s−1)2 1 s−1 + O(1) = −1 + O(1). s−1 Besäße ζ eine Nullstelle s = 1 + iγ mit γ ∈ R (insbesondere γ 6= 0 wegen des Pols von ζ bei 1) der Ordnung m1 ≥ 1, sowie eine in s = 1 + 2γ der Ordnung m2 ≥ 0 (im Falle m2 = 0 keine Nullstelle), so folgte wegen ζ0 mj mj c(σ − 1)mj −1 + höhere Terme = (σ + ijγ) = + O(1). m j ζ c(σ − 1) + höhere Terme σ−1 für j ∈ {1, 2} schließlich ζ0 ζ0 ζ0 17 − 24m1 − 8m2 − 17 (σ) + 24 (σ + it) + 8 (σ + i2t) = + O(1), ζ ζ ζ σ−1 was wegen 17 − 24m1 − 8m2 ≤ −7 für σ & 1 im Widerspruch zu (5.3) steht. Damit muss ζ auf 1 + iR nullstellenfrei sein. 19.05.2015 Nun beweisen wir Analoges für Dirichletsche L-Funktionen L(s, χ), jedoch zunächst unter der Annahme γ 6= 0 oder χ2 6= χ0 . Für diese betrachten wir, ähnlich wie oben, L0 L0 L0 (σ, χ0 ) + 24 (σ + iγ, χ) + 8 (σ + i2γ, χ2 ) L L L − 17 unter Annahme der Existenz einer Nullstelle s = 1 + iγ der Ordnung m1 ≥ 1 von L(s, χ) und einer Nullstelle s = 1 + i2γ der Ordnung m2 ≥ 0 von L(s, χ2 ). Daraus ergibt sich bei σ & 1 ein Widerspruch (analog zu (5.3); beachte, dass χ2 in Verbindung mit 1 + i2γ wegen cos(2α) auftritt); auch kann weder L(s, χ) noch L(s, χ2 ) eine Polstelle in s = 1 + iγ bzw. s = 1 + i2γ besitzen (siehe Satz 4.1). Für den verbleibenden Fall sei nun χ2 = χ0 und wir betrachten für σ > 1 A(s) := ζ(s)L(s, χ) = ∞ X a(n) n=1 ns mit a = 1 ? χ. Wegen χ2 = χ0 ist a(n) stets reell, tatsächlich aber sogar ausnahmslos nichtnegativ: als Faltung multiplikativer Funktionen ist n 7→ a(n) auch multiplikativ mit a(1) = 1 (vgl. Beweis der Zauberformel 2.1 oder alternativ vermöge der Euler-Produkte von ζ(s) und L(s, χ)). Ist χ ein Charakter modulo q, so gilt für Primzahlen p - q zunächst χ(p) ∈ {±1} und k k a(p ) = (1 ? χ)(p ) = X χ(d) = k X j χ(p) = j=0 d|pk k + 1, 0, 1, für χ(p) = +1, für χ(p) = −1 und 2 - k, für χ(p) = −1 und 2 | k. Ferner ist a(pk ) = 1 für p | q, also insgesamt a(n) ≥ 0 und a(n2 ) ≥ 1 für alle n ∈ N. (5.4) Im Folgenden nehmen wir nur noch χ 6= χ0 an, da sonst nach Satz 4.1 ja L(s, χ) in s = 1 P einen einfachen Pol besitzt. Nach dem gerade Bewiesenen a(n2 ) ≥ 1 enthält m a(m)m−s die 5.3. Nullstellenanzahl-Abschätzungen 29 in s = 12 divergente Teilreihe a(n2 )n−2s , womit auch a(n)n−s für σ < 12 divergiert. Für die Konvergenzabszisse σc von A ergibt sich daher σc ∈ [ 21 , 1]. Für σ > σc ist A analytisch mit den m-ten Ableitungen ∞ X a(n) A(m) (s) = (− log n)m s . n n=1 P P Für ein σ0 > σc besteht die Potenzreihenentwicklung A(s) = ∞ X (−1)m m! m=0 (s − σ0 ) m ∞ X (log n)m n=1 a(n) . nσ0 Wäre A holomorph in s = σc , müsste diese Entwicklung auch für ein s = σ mit σ < σc gelten. Insbesondere müsste für ein passendes σ < σc ∞ X 1 m=0 (σ0 − σ)m m! ∞ X (log n)m n=1 a(n) nσ0 konvergieren. Wegen (5.4) sind alle Terme nicht-negativ so, dass beliebig umgeordnet werden darf und also auch ∞ ∞ X a(n) X 1 n=1 nσ0 m! m=0 = (σ0 − σ)m (log n)m ∞ X a(n) n=1 nσ0 exp((σ0 − σ) log n) = ∞ X a(n) n=1 nσ = A(σ), was σ < σc widerspricht. Also sind Dirichlet-Reihen mit nicht-negativen reellen Koeffizienten an ihrer Konvergenzabszisse nicht holomorph (ein Satz von Landau). Weil aber sowohl ζ(s) als auch L(s, χ) für 21 ≤ σ < 1 holomorph sind, muss σc = 1 gelten. Wäre nun s = 1 eine Nullstelle von L(s, χ), so wäre auch A(s) = ζ(s)L(s, χ) holomorph in s = 1. Also ist L(1, χ) 6= 0 mit L(1, χ) = lim (σ − 1)ζ(σ)L(σ, χ) > 0. σ&1 Dieser letzte Beweisteil wurde ursprünglich von Dirichlet durch seine analytische Klassenzahlformel für quadratische Formen geführt und schuf so einen wesentlichen Bestandteil in seinem Nachweis unendlich vieler Primzahlen in jeder primen Restklasse; obiges Argument geht teilweise zurück auf Mertens (1897) und Landau (1903). Übrigens verbergen sich hinter der Reihe A(s) aus dem Beweis Dedekindsche Zetafunktionen zu quadratischen Zahlkörpern, z.B. ζQ(i) (s) = X a≤OQ(i) a6={0} 1 = 4ζ(s)L(s, χ−4 ), N(a) vgl. Algebraische Zahlentheorie Skript aus dem Winter 2014/15. Die Koeffizienten a(n) zählen die ganzen Ideale a mit Norm N(a) = n. 5.3 Nullstellenanzahl-Abschätzungen Tatsächlich lässt sich bereits aus dem Nicht-Verschwinden der Dirichletschen L(s, χ) für s = 1 + iR der Primzahlsatz für arithmetische Progressionen (0.1) beweisen, wie zuerst Landau 1903 zeigte. Allerdings interessieren wir uns für Fehlerterme in (0.1). Hierfür benötigen wir ein 30 Kapitel 5. Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen technisches Hilfsmittel: Satz 5.4. (Borel-Carathéodory 1928/12) Die Funktion f sei holomorph in Ω := {s ∈ C | |s| ≤ R} mit f (0) = 0 und Re f (s) ≤ M für alle s ∈ Ω. Dann gilt für alle s ∈ C mit |s| ≤ r < R |f (s)| ≤ 2M r R−r |f 0 (s)| ≤ und 2M R . (R − r)2 Beweis: Mit der Cauchyschen Integralformel gilt ˛ ˆ 1 ds 1 f (s) f (R · e(α)) dα = = f (0) = 0, 2πi s |s|=R 0 sowie ˆ 0 1 R∓m f (R · e(α))e(±mα) dα = 2πi ˛ ( f (s)s ±m−1 ds = |s|=R R∓ (m) (0), m! f 0, für „ − “, für „ + “. Durch Linearkombination dieser Formeln ergibt sich für beliebiges β ∈ R ˆ 1 Rm f (R · e(α))(1 + cos[2π(mα + β)]) dα = e(−β)f (m) (0) 2m! 0 und somit nach Voraussetzung Rm e(−β)f (m) (0) ≤ M Re 2m! ˆ 1 (1 + cos[2π(mα + β)]) dα = M. 0 Durch Wahl von β derart, dass e(−β)f (m) (0) = |f (m) (0)| gilt, erhält man f (m) (0) 2M ≤ m. m! R Über die Potenzreihenentwicklung von f erhält man |f (s)| ≤ ∞ ∞ m X X |f (m) (0)| m r 2M r r ≤ 2M = m=1 m! m=1 R und Entsprechendes für |f 0 (s)|. 27.05.2015 R−r Sei nun f holomorph in einem Gebiet, welches die Kreisscheibe |s − s0 | ≤ r enthalte und für eben diese s gelte |f (s)| < |f (s0 )| exp(M ) (5.5) mit einer Konstanten M > 1 und f (s0 ) 6= 0. Bezeichnet % nun die Nullstellen von f mit |% − s0 | ≤ 2r , so ist Y 1 g(s) := f (s) % s−% 1 (mit Faktoren s−% entsprechend der Vielfachheit der Nullstellen) holomorph für |s − s0 | ≤ r und nullstellenfrei in |s − s0 | ≤ 2r . Auf dem Rand gilt |s − %| ≥ 2r ≥ |s0 − %| und somit nach (5.5) g(s) f (s) Y s0 − % = g(s ) f (s ) s − % < exp(M ). 0 0 % 5.3. Nullstellenanzahl-Abschätzungen 31 Nach dem Maximumprinzip gilt diese Abschätzung sogar auf |s − s0 | ≤ r. Mit dem Hauptzweig des komplexen Logarithmus ist g(s) h(s) := log g(s0 ) holomorph für |s − s0 | ≤ r 2 mit h(s0 ) = 0 und Re h(s) ≤ M . Nach Satz 5.4 folgt 2M 2r |h0 (s)| ≤ für |s − s0 | ≤ r 4 r 2 − ≤ r 2 4 CM r mit einer absoluten Konstanten C (etwa C := 16). Damit gilt für eben diese s 0 X f 1 (s) − < CM . f s − % r %: |%−s0 |≤ r (5.6) 2 Dies wenden wir nun auf Dirichletsche L-Funktionen an: Satz 5.5. Sei χ mod q ein Charakter sowie t > 0, M ∈ N. (a) Bezeichnet N(T, χ) die Anzahl der Nullstellen % = β + iγ von L(s, χ) mit 0 ≤ γ < T und 0 < β < 1 (mit Vielfachheiten gezählt), so gilt N(t + 1, χ) − N(t, χ) log(q(|t| + 2)) =: L, (5.7) wobei die implizite Konstante unabhängig von t und χ mod q ist. (b) Für alle s = σ + it mit σ ≥ −M ist − X 1 L0 δχ (s, χ) = − + O(L), L s − 1 %: |γ−t|≤1 s − % wobei die implizite Konstante nur von M abhängt und δχ wie in 4.2 definiert ist. Beweis: Wir wenden unsere Vorüberlegungen mit f (s) := (s − 1)δχ L(s, χ), sowie s0 = 2 + it und r = 4(M + 3) an. Dann ist |f (s0 )| ≥ Y p 1 >0 1 + p−2 und nach Korollar 4.2 gilt δχ ϕ(q) L(s, χ) − |s| s−1 q ˆ ∞ X 1 ϕ(q) du u σ+1 q|s|M +1 . q u χ(n) − δχ n≤u Unter Berücksichtigung von (5.5) folgt daher aus (5.6) nunmehr X L0 δχ 1 (s, χ) + − L L s − 1 %: |%−s |≤2(M +3) s0 − % (5.8) 0 für |s − s0 | ≤ M + 3. Speziell für s = s0 = 2 + it sind die ersten beiden Terme beschränkt und also X 1 Re L. s −% %: |%−s |≤2(M +3) 0 0 32 Kapitel 5. Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen Für % = β + iγ ist Re 2−β 1 s0 − % = Re = s0 − % |s0 − %|2 |s0 − %|2 mit 2 − β > 1, sowie |s0 − %|2 ≤ 100 bei der Wahl M = 2 genügt jeder Summand oben 1 Re s01−% ≥ 100 , womit sich Formel (5.7) bzw. der erste Teil des Satzes ergibt. Ferner ergibt sich der zweite Teil aus (5.8) durch Einschränkung auf |s − s0 | ≤ M + 1 und Abschätzen der hinteren Summe mittels (5.7). Tatsächlich besteht über die Abschätzung (5.7) hinausgehend die sogenannte Riemann-von Mangoldt-Formel T qT N(T, χ mod q) = log + O(L) 2π 2πe für die Anzahl der nichttrivialen Nullstellen von L(s, χ). Diese wurde zunächst von Riemann vermutet und 1895/1905 von von Mangoldt bewiesen. Man beweist diese Formel mit dem Argumentprinzip in Kombination mit der Funktionalgleichung und unter Ausnutzung der Stirlingschen Formel. 5.4 Nullstellenfreie Gebiete Wir fahren fort mit expliziten nullstellenfreien Gebieten für Dirichletsche L-Funktionen im kritischen Streifen: Satz 5.6. Sei χ mod q ein Charakter und L wie in (5.7). (a) Es sei χ2 6= χ0 oder |t| ≥ 1. Dann gibt es eine absolute Konstante c1 > 0 mit L(σ + it, χ) 6= 0 und für L0 (σ + it, χ) L2 L für σ ≥1− 2c1 L σ ≥1− c1 . L (b) Sei χ2 = χ0 . Dann gibt es eine absolute Konstante c0 > 0 so, dass für 0 < δ < c0 und alle Nullstellen % = β + iγ von L(s, χ) mit |γ| ≥ logδ q β ≤1− δ RL mit einer absoluten Konstante R > 0 gilt. Darüber hinaus ist L0 (σ + it) L2 L 02.06.2015 für σ ≥1− δ . 10L Beweis: (a) Angenommen, %0 = β0 + iγ0 ist eine Nullstelle von L(s, χ) der Ordnung m0 ≥ 1 mit γ0 ≥ 0, β0 = 1 − dl0 , wobei d0 > 0 und l = log(q(γ0 + 2)). Ähnlich zum Beweis von Satz 5.3 sei L0 L0 L0 2 h(σ, t, χ) := − 17 (σ, χ0 ) − 24 (σ + it, χ) + 8 (σ + i2t, χ ) L L L 0 und σ0 = 1 + 4dl 0 . Für σ > 1 ist LL (σ, χ0 ) = σ−1 + O(l). Zur Anwendung von (5.5) auf 0 −1 f (s) := L(s + iγ0 , χ) mit s0 = σ0 + iγ0 bzw. zur Anwendung auf f (s) := L(s + i2γ0 , χ2 ) mit s0 = σ0 + i2γ0 und jeweils r = 21 ergibt sich via |L(σ0 + ijγ0 , χj )| ≥ Y p 1 c2 ≥ −σ 1+p σ0 − 1 5.4. Nullstellenfreie Gebiete 33 für j ∈ {1, 2} zunächst f (s) f (s ) ≤ exp(c2 l), 0 womit (5.5) erfüllt ist mit M = c2 l, c2 konstant. Also liefert (5.6) in beiden Fällen − Re X f0 cM 1 (s0 ) < − Re f r s0 − % %: |%−s |≤ r 0 2 mit passender Konstanten C und damit − Re L0 m0 (σ0 + iγ0 , χ) < c3 l − L σ0 − β 0 für j = 1 bzw. − Re L0 (σ0 + i2γ0 , χ2 ) < c4 l L für j = 2 mit gewissen absoluten Konstanten cj+2 > 0 (man beachte Re s01−% ≥ 0 für sämtliche % in der entsprechenden Summe). Insgesamt ergibt sich so mit passender Konstante c5 17 24m0 17l 24l 9 − + c5 l = − + c5 l ≤ C5 − l, σ0 − 1 σ0 − β 0 4d0 5d0 20d0 Re h(σ0 , γ0 , χ) ≤ was für hinreichend kleine d0 > 0 negativ ausfällt und somit im Widerspruch zu (5.3) bzw. dessen Analogon für L(s, χ) anstelle von ζ(s) steht. Dies beweist die Nullstellenfreiheit von Aussage (a). Zur Abschätzung der logarithmischen Ableitung bemühen wir Satz 5.5(b), also − X L0 1 δχ (s, χ) = − + O(L); L s − 1 %: |%−t|≤1 s − % 1 L und nach Satz 5.5(a) hierbei gilt nach dem bereits Bewiesenen für jeden Summanden s−% ist die Anzahl der Summanden N(t + 1, χ) + N(t − 1, χ) L, was die gewünschte Abschätzung liefert. (b) OBdA. gelte χ 6= χ0 (da sonst L(s, χ0 ) in s = 1 einen Pol besitzt). Angenommen %1 = d1 δ β1 + iγ1 ist eine Nullstelle von L(s, χ) einer Ordnung m1 ≥ 1 ist mit γ1 = log q für ein d1 ∈ (0, 1) d2 δ und β1 = 1 − log q mit d2 > 0. Wie oben wenden wir (5.5) und (5.6) auf f (s) := L(s + iγ1 , χ) mit s0 = σ1 + iγ1 bzw. f (s) := L(s + i2γ, χ2 )(s − 1) mit s0 = σ1 + i2γ1 jeweils mit r = 21 und 2δ σ1 = 1 + 6d log q . Dann ergibt sich analog − Re L0 m1 (σ1 + iγ1 , χ) < c6 l − L σ1 − β 1 und − Re L0 1 (σ1 + i2γ1 , χ2 ) < c7 l + L σ1 − 1 mit l = log(q(2 + γ1 )) und gewissen Konstanten c6 , c7 > 0. Daraus resultiert 17 24 8 − + + c8 l σ1 − 1 σ1 − β1 σ1 − 1 25 24 log q d1 δ ≤ − + c8 log q 2 + , 6 5 d2 δ log q Re h(σ1 , γ1 , χ) ≤ was wiederum für hinreichend kleine d2 negativ ausfällt. Dies liefert einen Widerspruch; die Abschätzung folgt wie im Beweis von (a). 34 Kapitel 5. Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen Für einen bezüglich q gleichmäßigen Fehlerterm im Primzahlsatz müssen wir über Satz 5.3 hinaus das Nichtverschwinden von L(s, χ) in der Nähe von s = 1 kontrollieren. Satz 5.7. (Hecke, 1918) Zu einem Charakter χ mod q existiert eine absolute Konstante c2 > 0 c2 so, dass im Gebiet {s ∈ C | | Im s| < 1, Re s > 1 − log q } höchstens eine Nullstelle von L(s, χ) liegt. Im Falle ihrer Existenz ist sie reell und einfach. Beweis: Wir zeigen für hinreichend große q ≥ q0 die Existenz absoluter Konstanten c, c0 so, dass L(s, χ) in G := {s = σ + it | σ > 1 − logc q , |t| < logc q } höchstens eine Nullstelle besitzt (von der wir sehen, dass sie – falls existent – einfach sein muss). Wegen des Pols in s = 1 von L(s, χ0 ) nach Satz 4.1 dürfen wir χ 6= χ0 annehmen; mit Blick auf Satz 5.6 ferner χ2 = χ0 . Nach Satz 5.5 ist − X L0 1 (s, χ) = + E(s, χ) L s − % %: |%−t|≤1 00 c c , c0 := 100 nehmen wir an, L(s, χ) besäße mit |E(s, χ)| ≤ c00 L für eine Konstante c00 . Für c := 100 0 c c zwei Nullstellen %j = βj + iγj mit βj > 1 − log q , |γj | < log q für j = 1, 2 (mit %1 = %2 im Falle 2c einer mehrfachen Nullstelle). Nach Obigem gilt für s = σ0 = 1 + log q − Re L0 1 1 (σ0 , χ) ≥ γ12 L σ0 − β 1 1 + (σ0 −β1 + )2 1 1 γ22 σ0 − β 2 1 + (σ0 −β2 + Re E(σ0 , χ) )2 (weitere Nullstellen werden einfach nicht berücksichtigt) und also − Re L0 3 log q (σ0 , χ) ≥ , L 5 c was im Widerspruch zu (s.o.) − Re ∞ X Λ(n) ζ0 1 log q L0 (σ0 , χ) ≤ = − (σ0 ) ≤ + O(1). σ 0 L n ζ 2 c n=2 Also enthält G höchstens eine Nullstelle, welche im Falle ihrer Existenz einfach und zudem reell ist. Eine solche reelle Ausnahmenullstelle heißt auch Siegel-Nullstelle. Es wird vermutet, dass es keine solche gibt. Satz 5.8. (Siegel, 1935) Für einen Charakter χ mod q und beliebigem ε > 0 existiert ein q0 (abhängig von ε) so, dass für q ≥ q0 L(σ, χ) 6= 0 für σ > 1 − q −ε gilt. Beweis: (nach Estermann) OBdA. dürfen wir χ wegen (4.2) als primitiv und wegen Satz 5.6 zudem als reell voraussetzen. Seien χ1 mod q1 und χ2 mod q2 verschiedene reelle primitive Charaktere. Dann ist χ1 χ2 6= χ0 mod q1 q2 (da sonst χ1 (n) = χ2 (n) für ggT(n, q1 q2 ) = 1 gelten würde und χ1 , χ2 induzierten denselben Charakter modulo q1 q2 , im Widerspruch zu Satz 3.1). Für A(s) := ζ(s)L(s, χ1 )L(s, χ2 )L(s, χ1 χ2 ) gilt A(s) = ∞ X a(n) n=1 ns mit a = 1 ? χ1 ? χ2 ? (χ1 χ2 ) 5.4. Nullstellenfreie Gebiete 35 für σ > 1. Hierbei sind die Koeffizienten a(n) ≥ 0 (vgl. das Argument im Beweis von Satz 5.3) und λ mit λ := Ress=1 A(s) f (s) := A(s) − s−1 ist holomorph für σ > 0. Aus A(m) (σ) = (−1)m ∞ X a(n)(log n)n nσ n=1 für σ > 1 ergibt sich A(s) = ∞ X ã(m)(2 − s)m ã(m) := mit m=0 (−1) (m) A (2), m! also ã(m) ≥ 0 und auch ã(0) ≥ 1 (für |s − 2| < 1). Ferner folgt mit der geometrischen Reihe f (s) = A(s) − ∞ X λ = (ã(m) − λ)(2 − s)m ; s − 1 m=0 (5.9) diese Potenzreihenentwicklung besteht sogar für |s−2| < 2. Speziell auf der Kreislinie |s−2| = 1 gilt ζ(s), s−1 = O(1), sowie nach Satz 5.5 für ebendiese s 3 2 L(s, χ1 )L(s, χ2 )L(s, χ1 χ2 ) (q1 q2 )c1 mit einer absoluten Konstanten c1 > 0. Diese Abschätzung besteht nach dem Maximumprinzip ebenso im Inneren, also insgesamt für |s − 2| ≤ 23 . Für die Koeffizienten in (5.9) liefert die Cauchysche Integralformel entsprechend ˛ m 1 f (s) c1 2 ã(m) − λ = ds < c2 (q1 q2 ) , 2πi |s−2|= 3 (2 − s)m+1 3 2 mit einer weiteren Konstanten c2 > 0. Damit gilt 03.06.2015 X X λ A(σ) = + (ã(m) − λ)(2 − σ)m + σ − 1 0≤m<M m≥M (2 − σ)M − 1 αM − c4 (q1 q2 )c 1−σ 1−α 1 λ c > − (q1 q2 ) , 2 1−σ ≥1−λ (5.10) mit α := 23 (1 + c3 ) < 1 und c3 , c4 , c7 > 0 passend. Nehmen wir L(β1 , χ1 ) = 0 für reelles β1 ∈ [1 − c8 , 1) mit einer positiven Konstanten c8 an. Neben (5.10) zeigt sich mit Teilsummation L(1, χ1 )L(1, χ1 χ2 ) (log(q1 q2 ))2 < (q1 q2 )ε für hinreichend große q1 , q2 bei beliebigem ε > 0. Wegen L(1, χ) > 0 (gemäß des Beweises von Satz 5.3) folgt aus (5.10) L(1, χ2 ) = lim σ&1 A(σ) 1 > (σ − 1)(q1 q2 )−c9 (1−σ)−ε , ζ(σ)L(σ, χ1 )L(σ, χ1 χ2 ) 2 36 Kapitel 5. Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen bei passendem c9 > 0. Mit c10 so, dass 1 − β1 ≤ c10 ε ergibt sich insbesondere 1 L(1, χ2 ) > (1 − β1 )(q1 q2 )−ε(1+c9 c7 ) . 2 −2ε 1 Mit explizit c10 = c−1 > q2−ε , folgt 7 > 0 und q2 so groß, dass 2 (1 − β1 )q1 L(1, χ2 ) > q2−3ε (5.11) für hinreichend große q1 , q2 . Nach dem Mittelwertsatz gilt L(σ, χ2 ) = L(1, χ2 ) − (1 − σ)L0 (σ 0 , χ2 ) für ein σ 0 ∈ [σ, 1]. Mittels Teilsummation zeigt sich L0 (σ̃, χ2 ) (log(2q2 ))2 für σ̃ ∈ [1 − q2−4ε , 1], womit nach (5.11) |L(σ, χ2 )| > q2−3ε + O(q2−4ε (log(2q2 ))2 ) > 0 für σ ∈ [1 − q2−4ε , 1] für alle großen q2 . Dies beweist die Behauptung1 mit 4ε statt ε im Falle der Existenz einer Nullstelle von L(s, χ1 ) nahe 1; anderenfalls, wenn alle L(s, χ) 6= 0 sind, gilt selbiges mittels c10 ε > q2−ε für hinreichend große q2 . Der Beweis ist ineffektiv und erlaubt deshalb leider hierzu keine Anwendung zur Abschätzung der Klassenzahl. Trotzdem erlaubt der Siegelsche Satz auf Umwegen den Nachweis der Divergenz der Klassenzahl hd bei d → ∞ (Deuring 1937, Heilbronn 1934). 5.5 Der Primzahlsatz von Page-Siegel-Walfisz Satz 5.9. (Primzahlsatz von Page-Siegel-Walfisz, 1936) Sei b > 0 beliebig, a, q ∈ N teilerfremd, χ mod q ein Charakter mit q ≤ (log x)b . Dann gibt es eine absolute Konstante c > 0 mit ψ(x, χ mod q) = X Λ(n)χ(n) b δχ x + Ob x exp(−c(log x)1/2 ) , (5.12) n≤x ψ(x, a mod q) = X Λ(n) = n≤x n≡a mod q π(x, a mod q) = x + Ob x exp(−c(log x)1/2 ) , ϕ(q) 1 li(x) + Ob x exp(−c(log x)1/2 ) . ϕ(q) (5.13) (5.14) Hierbei sind die impliziten Konstanten nur von b abhängig (jedoch nicht von a mod q bzw. χ mod q). Insbesondere ist diese Gleichmäßigkeit des Fehlerterms relevant bei vielen Anwendungen. Beweis: Wir verlagern den Integrationsweg in der Perronschen Formel (Satz 5.1) mit c = 1 Thomas Lachmann: „Beim richtigen Dozenten steht am Ende immer ε [und nicht 4ε].“ Prof. Dr. Steuding: [sinngemäß] Wenn Sie mal eine Vorlesung halten sollten, dann seien Sie sich sicher, dass ich bei Ihnen auflaufen werde. [Gelächter] 5.5. Der Primzahlsatz von Page-Siegel-Walfisz 1+ 1 log x und x = m + 1 2 37 in den kritischen Streifen: 1 ψ(x, χ mod q) = − 2πi ˆ L0 ds x(log x)2 (s, χ)xs +Σ+O L s T mit der Residuensumme Σ und dem Integrationsweg ! bestehend aus den Liniensegmenten 1 + iR c + iT a + iT [c − iT, a − iT ] ∪ [a − iT, a + iT ] ∪ [a + iT, c + iT ], c − iT wobei a = 1 − logc T mit einer Konstanten 0 < c := min{c0 , c1 , c2 } mit cj aus den Sätzen 5.6 und 5.7.Insbesondere gilt dann L0 (s, χ) L2 = (log[q(|t| + 2)])2 (5.15) L auf und L(s, χ) besitzt im Inneren von ∪ [c − iT, c + iT ] höchstens eine (reelle) Siegelsche 1 Ausnahmenullstelle β1 ; für jene gilt nach Satz 5.8 sicher β1 ≤ 1 − q − 2b für hinreichend große q. Schätzen wir mittels (5.15) die Integrale ab, ˆ a+iT a−iT c±iT ˆ a±iT L0 ds (s, χ)xs L s L0 L (s, χ)xs ds s ˆ T log x xa L dt b (log(xT ))3 x exp −c , 1+t log T 2 0 ˆ c L2 a xσ (log(xT ))3 x dσ b , T T mit jeweils absoluten impliziten Konstanten, die nur von b abhängen. Somit gilt nach dem Residuensatz ψ(x, χ mod q) = Σ + Ob Balancieren des Fehlerterms durch T := exp((log x)1/2 ) liefert den Fehlerterm Ob x exp(−c(log x)1/2 ) . Es verbleibt die Berechnung der Residuen: L0 xs L0 xs (s, χ) = δχ lim (s − 1) (s, χ) = −δχ x, s→1 L s L s L0 xs xs xβ1 L0 Ress=β1 (s, χ) = lim (s − β1 ) (s, χ) = x exp(−c(log x)1/2 ). s→β1 L s L s β1 Ress=1 Dies beweist (5.12). Hieraus folgt (5.13) mit der Orthogonalitätsrelation (1.1), ψ(x, a mod q) = ! x(log x)2 log x x + x exp −c (log(xT ))3 + (log(xT ))3 . T log T T X 1 x χ(a)ψ(x, χ) = + Ob x exp(−c(log x)1/2 ) . ϕ(q) χ mod q ϕ(q) 38 09.06.2015 Kapitel 5. Der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen Schließlich ergibt sich auch (5.14), wie üblich, durch Teilsummation. Wir haben X X log p − p≤x pk ≡a mod q pk ≤x pk ≡a mod q 1 log x log 2 . wegen p2 ≤ x, p ≤ x 2 , pk ≤ x, k ≤ X ϑ(x, a mod q) = X log p = 1 log p x 2 (log x)2 pk ≤x, k≥2 pk ≡a mod q Daher gilt log p = p≤x pk ≡a mod q x + Ob x exp(−c(log x)1/2 ) . ϕ(x) Damit folgt mittels Teilsummation π(x, a mod q) = X log p · p≤x pk ≡a mod q 1 log p ˆ x 0 1 1 ϑ(u, a mod q) du − log x log u 2 ˆ x 0 1 x 1 1 = − u du + Ob x exp(−c(log x)1/2 ) . ϕ(q) log x ϕ(q) 2 log u = ϑ(x, a mod q) Angesichts des Fehlerterms ist partielle Integration sinnvoll: ˆ x ˆ x 0 x 1 du 2 − u du = − . log x log u log 2 2 2 log u Integration über die ganze komplexe Ebene lieferte unter Einbeziehung sämtliche Singularitäten (Nullstellen von L(s, χ)) mit demselben Kalkül die (für ζ von Riemann vermutete und dann von von Mangoldt 1895 bewiesene) explizite Formel Ψ(x, χ) = δχ x − bzw. X x% xβ − + c(χ) β % %∈{β,1−β} / ! X xβ x% x(log(qx))2 Ψ(x, χ) = δχ x − − + c(χ) + O , β % T %∈{β,1−β} / |γ|<T β mit einer von χ abhängigen Konstanten c(χ) und dem Term xβ im Falle der Existenz einer Siegelschen Ausnahmenullstelle β. Gilt die erweiterte Riemannsche Vermutung (damit insbesondere auch die Nichtexistenz von Siegelschen Ausnahmenullstellen), so folgt hieraus Ψ(x, χ) − 1 x x 2 +ε . ϕ(q) Aufgrund von Nullstellen auf der kritischen Geraden 21 + iR ist diese Abschätzung im Wesentlichen nicht zu verbessern (wie von Koch 1900 zeigte). Kapitel 6 Der Satz von Bombieri-Vinogradov 6.1 Das Große Sieb von Linnik Als Beweisvorbereitung benötigen wir das Große Sieb von Linnik, welches für sich genommen vielerlei Anwendungen in der Primzahlverteilungstheorie zulässt, bei uns jedoch nur in Form einer Ungleichung auftritt: Satz 6.1. (Großes Sieb, Yu Linnik 1941, verfeinert von Rényi 1948) Für X S(α) := a(n)e(αn) M <n≤M +N mit a(n) ∈ C, positivem δ und1 α1 , . . . , αR ∈ [0, 1) so, dass2 kαr − αs k ≥ δ für r 6= s gilt X 2 |S(αr )| ≤ r≤R 1 + πN δ X |a(n)|2 . (6.1) M <n≤M +N Beweis: (nach Gallagher) Weil die Ungleichung (6.1) auch für a(n)e(mn) mit beliebigem m ∈ Z statt a(n) gilt, dürfen wir oBdA von der Exponentialsumme S(α) = X a(n)e(nα) |n|≤L mit L = bN/2c (und m = −L) ausgehen. Hierauf wenden wir eine Ungleichung von Galleghar (bzw. Sobolev) an: für stetig differenzierbare f ist ˆ f (α) ≤ α+ 2δ α− 2δ 1 1 |f (u)| + |f 0 (u)| du. δ 2 (6.2) Zur Begründung der Ungleichung: mit partieller Integration gilt ˆ x ˆ x 0 ug (u) du = xg(x) − g(u) du 0 sowie ˆ 1 0 ˆ 0 (u − 1)g (u) du = −xg(x) − x 1 2 1 g(u) du + g(x), x Philipp Muth zu Prof. Dr. Steuding: „Sie wischen, ich gehe doppelseitiges Klebeband holen!“ Dabei sei kxk := miny∈Z |x − y|. 39 40 Kapitel 6. Der Satz von Bombieri-Vinogradov wodurch sich durch Addition ˆ 1 ˆ g(x) = g(u) du + 0 ˆ x ug (u) du + 1 g 2 ˆ ˆ 1 1 1 0 |g (u)| du. 2 |g(u)| du + ≤ (u − 1)g 0 (u) du x 0 und insbesondere 1 0 0 0 ergibt. Mit g(u) := f (α − 2δ + u) folgt hieraus sofort (6.2). Die Ungleichung (6.2) mit f (α) := S(α)2 liefert ˆ 2 |S(αr )| ≤ αr + 2δ 1 |S(α)2 | + |S(u)S 0 (u)| du, δ αr − 2δ wobei die Integrationsgrenzen modulo eins zu verstehen sind. Wegen kαr − αs k ≥ δ für r 6= s sind die jeweiligen Integrationsintervalle disjunkt. Summation liefert ˆ 1 X 1 2 2 0 |S(αr )| ≤ |S(α) | + |S(u)S (u)| du δ 0 r≤R 1 ≤ δ ˆ ˆ 1 |S(u)|2 du + 0 !1/2 ˆ 1 1 |S(u)|2 du 0 !1/2 |S 0 (u)|2 du . (6.3) 0 Nun liefert die Parsevallsche Gleichung ˆ 1 X |S(u)|2 du = |a(n)|2 , 0 sowie ˆ 1 |S 0 (u)|2 du = 0 |n|≤L X |a(n)|2 (2πn)2 ≤ (2πL)2 |n|≤L X |a(n)|2 . |n|≤L Alternativ argumentiert man mit der Orthogonalitätsrelation: ˆ 1 X 0 |n|≤L 2 X a(n)e(nu) du = ˆ X 1 e((n − m)u) du = a(n)a(m) 0 |n|≤L |m|≤L X |a(n)|2 . |n|≤L Diese Abschätzungen eingesetzt in (6.3) zeigen X |S(αr )|2 ≤ r≤R X |n|≤L |a(n)|2 1 + 2πL ≤ δ 1 + πN δ X |a(n)|2 . |n|≤L Einer Idee von Rényi folgend ergeben sich wichtige Anwendungen, wenn die Exponentialsummen durch Charaktere ersetzt: Satz 6.2. (Großes Sieb für Charaktere, Gallagher 1967) Seien a(n) ∈ C, χ mod q ein Charakter und X T (χ) := a(n)χ(n). M <n<M +N Dann gilt3 X q X∗ |T (χ)|2 ≤ (Q2 + πN ) |a(n)|2 . ϕ(q) M <n≤M +N q≤Q χ mod q X 3 P∗ bedeutet, dass nur über primitive Charaktere zu summieren ist. (6.4) 6.2. Der Satz von Bombieri-Vinogradov 41 Beweis: Zunächst ersetzen wir die multiplikativen primitiven Charaktere χ mod q in (6.4) mittels Satz 3.2 durch die additiven Charaktere au u 7−→ e q × ea,q : Z/qZ −→ C , au = exp 2πi ; q präziser vermöge χ(n) = τ (χ) −1 an χ(a)e q a mod q X mit der assoziierten Gauß-Summe τ (χ). Dies zeigt τ (χ) = −1 X a(n)τ (χ) M <n≤M +N mit a S q an χ(a)e q a mod q X X 1 a = χ(a)S τ (χ) a mod q q an = a(n)e ; q M <n≤M +N X hierbei ist aq ein gekürzter Bruch im Einheitsinterval (Farey-Bruch). Wenden wir Satz 6.1 mit α1 , . . . , αR als den der Größe nach geordneten Brüchen aq der Farey-Folge an, so gilt dabei a1 a2 |a1 q2 − a2 q1 | 1 1 ≥ ≥ 2, kαr − αs k = − = q1 q2 q1 q2 q1 q2 Q bzw. δ = Q−2 . Ferner ist wegen |τ (χ)|2 = q nach (3.2) dann 2 1 X X a |T (χ)|2 ≤ χ(a)S q χ mod qa mod q q χ mod q X∗ a 1 X −b S S q a,b mod q q q ≤ X χ(a)χ(b). χ mod q Mit der Orthogonalitätsrelation (1.1) erweist sich dies als gleich ϕ(q) X a 2 S . q a mod q q Anwenden von (6.1) liefert nun die Ungleichung aus Satz 6.2. 6.2 Der Satz von Bombieri-Vinogradov Jetzt zur Formulierung unseres Hauptergebnisses: 10.06.2015 1 2 Satz 6.3. (Bombieri-Vinogradov 1965) Für festes A > 0 gilt für x (log x)−A ≤ Q ≤ x 1 y 5 max max Ψ(y, a mod q) − Qx 2 (log x) . y≤x a mod q ϕ(q) q≤Q X 1 2 (6.5) ggT(a,q)=1 Dieses Resultat ist insofern bemerkenswert, als selbst unter Annahme der erweiterten Riemannschen Vermutung bzw. mit den jeweils bestmöglichen Fehlertermen Ψ(x, a mod q) − 1 x ε x 2 +ε ϕ(x) 42 Kapitel 6. Der Satz von Bombieri-Vinogradov 1 sich in Summe die Abschätzung gegen Qx 2 +ε ergibt. Also ist der Fehlerterm im Primzahlsatz im Mittel sehr klein. Beweis: (nach Gallagher) Ähnlich wie im Beweis des Primzahlsatzes von Page-Siegel-Walfisz (Satz 5.9) bemühen wir uns zunächst um eine entsprechende Abschätzung der Größen Ψ(y, χ). Dazu starten wir mit einer Idee von Vaughan: für beliebige komplexe Funktionen F und G gilt für Re s > 1 ζ0 ζ0 − (s) = +F (s) − ζF G(s) − ζ 0 G(s) + − (s) − F (s) (1 − ζG(s)). ζ ζ 0 Mit F (s) := n≤u Λ(n)n−s ≈ − ζζ (s) und G(s) = vergleich die Zerlegung Λ = a1 + a2 + a3 + a4 mit P ( a1 (n) := Λ(n) 0 P für n ≤ u, sonst, n≤v X a2 (n) := − µ(n)n−s ≈ Λ(l)µ(m), 1 ζ(s) liefert ein Koeffizienten- X a3 (n) := log(k)µ(l), k,l kl=n l≤v k,l,m klm=n l≤u, m≤v und X a4 (n) := − µ(m) m,k mk=n m>u, k>1 X µ(d). d|k d≤v Nach Multiplikation mit χ(n) ergibt sich die Vaughen-Identität von 1973 Ψ(y, χ) = X Λ(n)χ(n) = 4 X Sj Sj := mit j=1 n≤y Wir bilden hierzu jeweils Σj := X aj (n)χ(n). (6.6) n≤y q X∗ max |Sj | ϕ(q)χ mod q y≤x q≤Q X und schätzen ab.4 Mit elementarer Abschätzung gilt S1 = X Λ(n)χ(n) Ψ(n) u, bzw. Σ1 Q2 u. n≤u Für den zweiten Term betrachten wir via lm = t und k = n/t ! S2 = − = X X Λ(l)µ(m)χ(n) = − n≤y klm=n l≤u, m≤v 0 S2 + S200 , mit X X t≤uv lm=t l≤u, m≤v Λ(l)µ(m) X χ(kt) k≤y/t ! S20 := − X X t≤u lm=t l≤u, m≤v Λ(l)µ(m) X χ(kt) und k≤y/t ! S200 := − X X u<t≤uv lm=t l≤u, m≤v Wegen Λ ? 1 = log bzw. 4 P l|t Λ(l) Λ(l)µ(m) X χ(kt). k≤y/t = log t und dem Satz von Pólya-Vinogradov (Satz 3.3) in der Prof. Dr. Steuding: „Meinen Charakter kann ich schlecht kontrollieren – ein schöner Satz. Also schätze ich diesen jeweils durch 1 ab!“ 6.2. Der Satz von Bombieri-Vinogradov 43 Form 1 X χ(n) q 2 log q M <n≤M +N folgt S20 X t≤u X 1 χ(kt) q 2 u log(qu) log t k≤y/t bzw. im Falle q = 1: S20 y X log t y(log u)2 . t t≤u S200 Die Abschätzung von ist delikater; wir wenden das große Sieb an: zunächst gilt nach der Perronschen Formel (Lemma 5.2) angewandt mit y1 := exp(α + β) und y2 := exp(α − β) 1 2πi ˆ c+iT (y1s − ds y2s ) s c−iT ( = 1 + O([T (β − |α|)]−1 ) O([T (|α| − β)]−1 ), für |α| < β, =: I, für |α| > β. wobei c > 0 sei. Da der Integrand auch für s = 0 stetig ist, gilt selbiges auch für c = 0. Demzufolge, ˆ T sin(βt) exp(itα) dt = πI. t −T Speziell für β = log w ergibt sich mit beliebigen Dirichlet-Polynomen f (t, χ) := X f (m)χ(m) m≤M mit g(t, χ) := , X g(n)χ(n) n≤N nit , sogleich X X f (m)g(n)χ(mn) m≤M n≤N (mn)it ˆ T f (t, χ)g(t, χ) = −T sin(t log w) dt t 1 X X mn −1 |f (m)g(n)|log +O , T m≤M n≤N w (6.7) ganz ähnlich wie in Kapitel 5; bloß wird hier die linke Seite behandelt. Für w = ω + 21 mit c ω ∈ Z und 0 ≤ ω ≤ M N ist | log mn w | ≥ ω mit einer absoluten Konstanten c > 0, sowie sin(t log w) min{1, |t| log(2M N )}. Damit erweist sich die rechte Seite von (6.7) als klein, nämlich ˆ T 1 MN X X |f (t, χ)g(t, χ)| min , log(2M N ) dt + Q2 |f (m)g(n)| |t| T m≤M n≤N −T und mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung und anschließender Anwendung des großen Siebes in der Form von Satz 6.2 X q X∗ f (t, χ)g(t, χ) ϕ(q)χ mod q q≤Q !1/2 X |f (m)|2 m≤M ˆ !1/2 X |g(n)|2 · n≤N T · (Q2 + πM )1/2 (Q2 + πN )1/2 −T 1 Q2 M N , log(2M N ) dt + min |t| T ! Die rechte Seite ist unabhängig von χ. Mit der Wahl T = M N folgt 16.06.2015 44 Kapitel 6. Der Satz von Bombieri-Vinogradov X X q X∗ f (m)g(n)χ(mn) max X ϕ(q) m≤M n≤N q≤Q χ mod q X mn≤X !1/2 2 (Q + M ) 1/2 2 (Q + N ) X 1/2 |f (m)| !1/2 X 2 m≤M |g(m)| 2 log(2M N ). (6.8) n≤N Diese Abschätzung liefert in der Situation von S200 zunächst ! X q X∗ max y≤X ϕ(q) U <t≤U V q≤Q χ mod q X X Λ(l)µ(m) t=lm l≤u, m≤V W <t≤2W 1 χ(kt) ! X k≤y/t !1/2 2 (Q + W ) 1/2 2 (Q + X/W ) X 1/2 (log t) W <t≤2W 2 (Q X 1/2 + QXW −1/2 + Q(XW ) 1/2 !1/2 X 2 log X 1 k≤y/W 3 + X)(log(XW )) X W 1/2 , so dass für W = 2k bei Summation über k = 0, 1, 2, . . . , K mit 12 U < W = 2k ≤ U V (womit K log(U V ) log X) daraus schließlich q X∗ max |S200 | (Q2 X 1/2 + QXU −1/2 + Q(XU V )1/2 + X)(log X)4 . y≤X ϕ(q) q≤Q χ mod q X Zusammen mit der Abschätzung für S20 ergibt sich Σ2 (Q2 X 1/2 + QXU −1/2 + Q(XU V )1/2 + X + Q5/2 U )(log X)4 . (6.9) Die Behandlung von S3 = X X µ(l)χ(l) l≤V (log k)χ(k) k≤y/l erfolgt durch partielle Summation in Verbindung mit dem Satz von Pólya-Vinogradov (Satz 3.3) für q > 1: ˆ X X (log k)χ(k) = k≤y/l y/l X χ(k) log(y/l) − 1 k≤y/l während für q = 1 trivial gegen y l χ(k)(log u)0 du q 1/2 (log(qy))2 , k≤U log y abgeschätzt werden kann. Also, S3 V q 1/2 (log(qy))2 + V y log(yV ) und Σ3 (V Q5/2 + X)(log(XV ))2 . (6.10) Schließlich bedarf S4 wieder die Behandlung mit dem großen Sieb; (6.8) liefert hier X q X∗ max Λ(m) ϕ(q)χ mod q y≤X n<m<y/V q≤Q µ(d) χ(mk) ! X X X 1<k≤y/m d|k W <m≤2W !1/2 2 (Q + W ) 1/2 2 (Q + X/W ) 1/2 X m≤2W Λ(m) 2 !1/2 X k≤y/W d(k) 2 log X, 6.2. Der Satz von Bombieri-Vinogradov 45 mit der Teilerfunktion d(k) = d|k 1. Wir schreiben d(k)2 = Funktion h mit h(pν ) = 2ν + 1. Damit kommt P X XX 2 d(k) = k≤x h(d) = k≤x d|k ≤x Y p≤x ≤x Y X P d|k X h(d) x ≤x d d d≤x h(d) d≤x h(p) h(p2 ) 1+ + ... + p p2 ! Y 3 5 1 + 2 + ... ≤ x 1− p p p p≤x 1+ p≤x h(d) mit der multiplikativen −3 , was sich mittels Teilsummation und dem Primzahlsatz gegen x(log x)3 abschätzen lässt. Ferner gilt X X Λ(m)2 ≤ log x Λ(m) x log x. m≤x m≤x Wiederum mit W = 2k und Summation über k (wie oben) folgt Σ4 (Q2 X 1/2 + QXU −1/2 + QXV −1/2 + X)(log X)4 . In Kombination mit den weiteren Abschätzungen (insbesondere (6.9) und (6.10) und (6.6)) kommt 4 X q X∗ Σj max |Ψ(y, χ)| ϕ(q)χ mod q y≤X j=1 q≤Q X (Q5/2 U + Q2 X 1/2 + QXU −1/2 + QX 1/2 U + X)(log X)4 bei U = V (diese Wahl ist optimal). Speziell mit ( U= X 2/3 Q−1 , für X 1/3 ≤ Q ≤ X 1/2 , X 1/3 , für Q < X 1/3 ergibt sich für Q ≤ X 1/2 q X∗ max |Ψ(y, χ)| (X + QX 5/6 + Q2 X 1/2 )(log(XQ))4 . y≤X ϕ(q) q≤Q χ mod q X (6.11) Nun verbleibt zum vollständigen Beweis lediglich noch der Übergang von Ψ(y, χ) zu Ψ(y, a mod q). Mittels der Orthogonalitätsrelation ist Ψ(y, a mod q) = X 1 χ(a)Ψ(y, χ). ϕ(q) χ mod q Sei nun ( 0 Ψ (y, χ) := Ψ(y, χ), für χ 6= χ0 , Ψ(y, χ0 ) − y, sonst (vgl. Primzahlsatz 5.9), sowie y , ϕ(q) E(y, a mod q) E(y, a mod q) := Ψ(y, a mod q) − E(y, q) := max a mod q ggT(a,q)=1 46 Kapitel 6. Der Satz von Bombieri-Vinogradov und E ∗ (x, q) := max E(y, q). y≤x Dann ist E(y, a mod q) = X 1 χ(a)Ψ0 (y, χ) ϕ(q) χ mod q und insbesondere X 1 |Ψ0 (y, χ)|. ϕ(q) χ mod q |E(y, a mod q)| ≤ Ziel ist es q≤Q |E ∗ (x, q)| so gut wie möglich abzuschätzen. 17.06.2015 Nach Satz 3.1 wird jeder Nicht-Hauptcharakter χ mod q von einem primitiven Charakter χ1 mod q1 (mit q1 | q) induziert. Dazu gilt P Ψ0 (y, χ1 ) − Ψ0 (y, χ) = X X log y χ1 (pν ) log p pν ≤y p|q p|q log p log p log y X log p (log(yq))2 . p|q Damit erhält man E(y, a mod q) (log(yq))2 + X 1 |Ψ0 (y, χ1 )| ϕ(q) χ mod q mit den jeweiligen primitiven Charakteren, sowie χ1 = χ0 im Falle des Hauptcharakters χ = χ0 mod q. Nun sammeln wir alle Beiträge, die von einem festen primitiven Charakter stammen durch Summation über die Vielfachen seines Moduls; entsprechend ist die abzuschätzende Größe im Satz von Bombieri-Vinogradov (Satz 6.3) X E ∗ (x, q) = X q≤Q q≤Q max y≤x max a mod q ggT(a,q)=1 Q log(xQ)2 + E(y, a mod q) X X∗ max |Ψ0 (y, χ)| q≤Qχ mod q y≤x X k≤Q/q qk≤Q 1 . ϕ(kq) Wegen ϕ(kq) ≥ ϕ(k)ϕ(q), und ∞ Y X 1 1 ≤ 1+ ϕ(m) p≤x ϕ(pν ) ν=1 m≤x ! X ≤ Y p≤x 1 1− p −1 = Y p≤x 1 1+ p(p − 1) ∞ X 1 1+ ν−1 p (p − 1) ν=1 ! log x mit dem Primzahlsatz, ist der zweite Term oben log Q 1 X∗ max |Ψ0 (y, χ)|. y≤x ϕ(q) q≤Q χ mod q X Zur Abschätzung hiervon bemühen wir (6.11). ZuallererstX beseitigen wir in (6.11) den zusätzX∗ ∗ lichen Faktor q mit Teilsummation: mit der Abkürzung für maxy≤x |Ψ0 (y, χ)| q χ mod q Kapitel 6. Der Satz von Bombieri-Vinogradov 47 ist X 1 X∗ q X∗ 1 = q q q ϕ(q) ϕ(q) u<q≤2u u<q≤2u X = q X∗ 1 − q 2u ϕ(q) u<q≤2u ˆ 2u 0 q X∗ 1 q p ϕ(q) u<q≤p X X u dp x + x5/6 + x1/2 u (log(xu))4 . u Mit u = 2k für k = 0, 1, . . . , K log Q ergibt sich 1 X∗ q ϕ(q) <q≤Q X Q1 x + x5/6 log Q + x1/2 Q (log(Qx))4 Q1 für Q1 := (log x)A . Ist χ mod q primitiv mit q ≤ Q1 , so gilt Ψ0 (y, χ) x(log x)−2A nach dem Primzahlsatz von Page-Siegel-Walfisz (Satz 5.9), womit die Summe der Beiträge insgesamt x(log x)−A ausfällt. Insgesamt ergibt sich also X E ∗ (x, q) Qx1/2 (log x)5 q≤Q für x1/2 (log x)−A ≤ Q ≤ x1/2 . Mit Teilsummation ergibt sich aus dem Satz von Bombieri-Vinogradov ˆ y X 1 dp 1/2 5 max max π(y, a mod q) − Qx (log x) y≤x a mod q ϕ(q) log p 2 q≤Q ggT(a,q)=1 für denselben Bereich für Q.5 Die Elliot-Halberstam Vermutung (von 1968/69) erwartet dieselbe Abschätzung sogar für Q ≤ x1−ε , was nach Polymath (2014) die Existenz von unendlich vielen aufeinanderfolgenden Primzahlen mit Differenz pn+1 − pn ≤ 6 nach sich zöge. Sicherlich gilt die Abschätzung nicht für Q ≤ x, wie Friedlander und Granville (1989) bewiesen. 5 Prof. Dr. Steuding: „Der Coup, die Kuh, das Q.“ Anhang A Die Gamma-Funktion Die Gamma-Funktion löst die klassische Aufgabe, mit einer „schönen“ Funktion die Fakultäten n! zu interpolieren. Euler (1729) folgend gelingt dies mit einem unendlichen Produkt Γ(1 + m) = lim n→∞ 1 · 2 · ... · n (n + 1)m . (m + 1) · . . . · (m + n) 06.05.2015 (A.1) Bei Gauß (1811) sind bereits komplexe Argumente zugelassen. Wir hingegen nehmen die Eulersche Integraldarstellung als Definition für die Gamma-Funktion: ˆ ∞ Γ(z) := tz−1 exp(−t) dt für Re z > 0. 0 Für z aus der rechten Halbebene ergibt sich mit der gleichmäßigen Konvergenz des Integrals, dass Γ eine holomorphe Funktion ist. Durch partielle Integration ergibt sich ˆ R h z iR z t exp(−t) dt = t (− exp(−t)) 0 t=0 ˆ R ztz−1 (− exp(−t)) dt − 0 und bei R → ∞ damit Γ(z + 1) = zΓ(z). (A.2) Wegen Γ(1) = 1 ergibt sich hieraus Γ(n + 1) = n! für n ∈ N0 . Mit der Exponentialreihe erhalten wir ˆ ˆ 1 z−1 t 0 exp(−t) dt = 0 ∞ 1X 12.05.2015 ∞ X (−t)n+z−1 (−1)n tz+n dt = n! n z+n n=0 n=0 " #1 t=0 und somit eine analytische Fortsetzung von Γ zu einer in C meromorphen Funktion mit der Partialbruchzerlegung ˆ ∞ ∞ X (−1)n tz+n Γ(z) = + tz−1 exp(−t) dt. (A.3) n z + n 1 n=0 D.h. es liegen einfache Polstellen in z = −n mit n ∈ N0 und Residuum (−1) n! entnimmt man auch der verwandten Weierstraßschen Produktformel (1856): Γ(z)−1 = z exp(γz) ∞ Y m=1 z z exp − , m m 1+ n vor. Selbiges (A.4) 49 50 Anhang A. Die Gamma-Funktion mit der Euler-Mascheroni-Konstanten N X 1 γ := lim N →∞ n=1 n ! − log N = 0, 577 . . . Dieser Darstellung liest man ab, dass Γ nullstellenfrei ist. Ferner folgt Eulers „Ergänzungsgesetz“ Γ(z)Γ(z − 1) = π sin(πz) (A.5) Beweisskizze von (A.4): Es genügt den Nachweis für 0 < z ∈ R zu erbringen; der Rest ergibt sich mit dem Permanenzprinzip. Zu n ∈ N gilt mit partieller Integration ˆ ˆ 1 n 1 z z−1 n t (1 − t)n−1 dt t (1 − t) dt = z 0 0 und folglich ˆ 1 ˆ 1 nn−1 1 n! z−1 n · ... · . t (1 − t) dt = tz+n−1 dt = z z+1 z+n−1 0 z(z + 1) · . . . · (z + n) 0 Nach der Substitution t 7→ nt ergibt sich ˆ n t n n!nz z−1 t 1− dt = . n z(z + 1) · . . . · (z + n) 0 Mit Hilfe des Lebesgueschen Satzes von der monotonen Konvergenz gilt bei n → ∞ n!nz . n→∞ z(z + 1) · . . . · (z + n) Γ(z) = lim (A.6) Nach der konvergenzerzeugenden Umordnung n Y z z(z + 1) · . . . · (z + n) −z 1+ =z·n z n!n m m=1 = z exp z 1 + 1 1 + . . . + − log n 2 n Y n m=1 z z exp − m m 1+ ergibt sich schließlich (A.4). Ebenfalls wichtig ist die Legendresche Verdopplungsformel √ Γ(z)Γ(z + 12 ) = 21−2z πΓ(2z). (A.7) Beweisidee: Diskutiere für Re z > 1 die Funktion g(z) := 4z Γ(z)Γ(z + 12 )Γ(2z)−1 und zeige, dass g konstant ist. Mit (A.4) zeigt sich (n!)2 22n+1 √ , n→∞ (2n)! n g(z) = lim unabhängig von z. Zur Berechnung von g = g(z) bemühen wir (A.5) in der Form Γ( 21 )2 = π und erhalten (A.7). Anhang A. Die Gamma-Funktion 51 Die schwache Stirlingsche Formel berechnet sich elementar via n−1 X log m < ˆ ˆ m+1 n X log m > n log u du = n log n − n log u du = m=1 m m=1 bzw. n−1 X 0 n X ˆ m log u du = n log n − n m=2 m−1 m=2 und also n log n − n < n X log m < (n + 1) log n − n. m=1 Damit ergibt sich log(n!) = n log n − n + O(log n). Die tatsächliche Stirlingsche Formel besagt für δ > 0 im Winkelraum Wδ := {z ∈ C | | arg z| ≤ π − δ} Wδ die Asymptotik 1 1 log Γ(z) = z − log z − z + log(2π) + O |z|−1 . 2 2 Literaturverzeichnis [Apostol 1990] Apostol, Tom M.: Modular functions and Dirichlet series in number theory. In: AMC 10 (1990), S. 12 [Davenport 2000] Davenport, Harold: GTM. Bd. 74: Multiplicative Number Theory. Springer, 2000. – ISBN 978–0387950976 [Huxley 1972] Huxley, Martin N.: The distribution of prime numbers: large sieves and zerodensity theorems. Oxford University Press, 1972 [Ireland u. Rosen 1990] Ireland, Kenneth ; Rosen, Michael I.: A classical introduction to modern number theory. Bd. 84. Springer Science & Business Media, 1990 [Iwaniec u. Kowalski 2004] Iwaniec, Henryk ; Kowalski, Emmanuel: Analytic Number Theory. Bd. 53. American Mathematical Society Providence, 2004 [Narkiewicz 2004] Narkiewicz, Wladyslaw: Elementary and analytic theory of algebraic numbers. Springer Science & Business Media, 2004 [Steuding 2005] Steuding, Jörn: An Introduction to the Theory of L-Functions. 2005. – https: //www.mathematik.uni-wuerzburg.de/~steuding/Lfunctions.pdf [Terras 2010] Terras, Audrey: Zeta functions of graphs: a stroll through the garden. Bd. 128. Cambridge University Press, 2010 53 Index C Charakter, iv, 1 gerade, 20 –gruppe, 2 induziert, 11 primitiv, 11 D Dirichlet-Charakter, 3 Dirichlet-Reihen, 6 Dirichletsche L-Funktion, iv duale Gruppe, 2 E Elliot-Halberstam Vermutung, 47 Euler-Mascheroni-Konstante, 50 Euler-Produkt, 9 explizite Formel, 38 F Faltung, 6 Funktion zahlentheoretische, 5 Funktionalgleichung, 20 G Gamma-Funktion, 49 Integraldarstellung, 49 Gammafunktion Integraldarstellung, 20 Gaußsche Summe, 12 Großes Sieb, 39, 40 H Hauptcharakter, 2 I Integral-Logarithmus, iv J Jacobische Thetafunktion, 19 K Konvergenzabszisse, 7 absolute, 7 kritische Gerade, iv kritischer Streifen, 27 L Legendresche Verdopplungsformel, 50 logarithmische Ableitung, 10 M Möbiussche µ-Funktion, 5 Möbius-Umkehrung, 6 Modulform, 20 multiplikativ, 5 stark, 5 N Nullstelle nicht-trivial, 23 trivial, 23 P Perronsche Formel, 25 Primzahlsatz, iv R Riemannsche Vermutung, iv erweiterte, iv Riemann-von Mangoldt-Formel, 32 S Satz von Bombieri-Vinogradov, iv, 41 Borel-Carathéodory, 30 Landau, 29 Siebtheorie, 5 Siegel-Nullstelle, 34 Stirlingsche Formel, 51 schwache, 51 Summenformel 55 56 Index von Euler, 18 von Poisson, 17 T Theta-Nullwert, 20 ϑ-Transformationsformel, 19 V Vaughen-Identität, 42 von Mangoldtsche Λ-Funktion, 10 Z Zauberformel, 5
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