Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Opferhilfe Weiterbildung für Sozialämter 2015 Inez Frischknecht, Abteilung Soziales, Opferhilfe Markus Erni, Abteilung Soziales, Aufsicht / Koordination Sozialhilfe 15.09.2015 22.09.2015 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Inhalt • Die finanziellen Hilfen nach OHG • Opferhilfe und Sozialhilfe • Migrantinnen als Opfer häuslicher Gewalt Seite 2 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Zusammenarbeit zwischen Opferhilfe und Opferberatung • Das AGS ist mit der Opferberatung des Kantons Schwyz von Evelyne Marciante eine Leistungsvereinbarung eingegangen. • Zentrale Anlaufstelle für die Opfer ist die Opferberatungsstelle in Goldau. • Hauptaufgabe der Opferhilfestelle im AGS: Beurteilung der Gesuche um finanzielle Hilfen. Seite 3 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Voraussetzungen für die Ausrichtung von Hilfen nach dem OHG • Straftat nach StGB • Beeinträchtigung der körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität • Unmittelbare Beeinträchtigung Seite 4 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Finanzielle Hilfen nach Opferhilfegesetz • Soforthilfe • Längerfristige Hilfe • Entschädigung • Genugtuung http://www.sz.ch/xml_1/internet/de/application/d5/d937/d22860/p22867.cfm Seite 5 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Soforthilfe Abdeckung der dringendsten Bedürfnisse des Opfers: • Notunterkunft (Frauenhaus, Notwohnung für maximal 21 Tage) • Notgeld (für 21 Tage) • Juristische Hilfe (8 Stunden, dazu kommen oft Übersetzerkosten) • Haushaltshilfe • Betreuungshilfe • Medizinische Hilfe • Therapeutische Hilfe Seite 6 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Längerfristige Hilfe • Weitergehende Hilfe, sofern das Opfer derer benötigt • Bis zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes • Bis die (nicht gesundheitlichen) Folgen beseitigt oder zumindest ausgeglichen sind (z.B. juristische Hilfe). • Je nach Leistungsfähigkeit des Opfers (Art. 3 OHV) • Massstab: Notwendigkeit, Geeignetheit, Angemessenheit Seite 7 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Entschädigung • Vergütung von nicht mehr besserungsfähigen gesundheitlichen oder finanziellen Schäden. • getragen vom Gedanken der Hilfeleistung, nicht der Staatshaftung • Entschädigt wird je nach Leistungsfähigkeit des Opfers (Art. 6 OHV) • von mindestens Fr. 500.00 bis zu höchstens Fr. 120’000.00 • Muss im Kanton ersucht werden, in dem die Straftat begangen wurde • Verwirkungsfrist: 5 Jahre Seite 8 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales • Personenschäden (kein Sach- oder Vermögensschaden) • Positiver Schaden (Vermögensverminderung) • Subsidiarität: • Wenn andere Kostenträger vorhanden sind, dann kommen diese zum Zug • Beispiel: • Haftpflichtversicherung, Arbeitslosenversicherung • Kinderschutzmassnahmen (Pra 2001 Nr. 112) • Unmittelbare Beeinträchtigung (Art. 1 Abs. 1 OHG): • Nur für Schäden, für die das Opfer einen Zivilanspruch gegenüber dem Täter hätte • Indirekte Schäden sind nicht entschädigungsfähig • Beispiele mittelbarer Beeinträchtigung: • Sozialpädagogische Familienbegleitung • Umzugskosten, Räumungskosten Seite 9 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales • Berechnung nach ZGB, jedoch keine Verzinsung • Möglichkeit des Vorschusses (wenn das Opfer nicht genügend gegen Einkommensausfälle versichert ist, v.a. bei selbständig Erwerbenden) • Keine Entschädigung bei Straftaten im Ausland • Insbesondere: Erwerbsausfall, Versorgungsschaden, Bestattungskosten Seite 10 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Genugtuung • Staatliche Hilfeleistung an von einer Straftat schwer beeinträchtigte Opfer und Angehörige derselben. • Die Höhe der Genugtuungsleistung ist begrenzt auf Fr. 70’000.00. Seite 11 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Leitfaden Opferhilfe • Vom AGS erlassen • in Zusammenarbeit mit der Opferberatung erarbeitet • Gemäss der kantonalen Vollzugsverordnung zum Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (SR-SZ 381.111) hat der Leitfaden «wegleitenden Charakter» (§ 1 Abs. 2 VVzOHG) download: http://www.sz.ch/documents/leitfaden_opferhilfe_2010.pdf Seite 12 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Opferhilfe und Sozialhilfe • Subsidiarität beider Hilfen • Opferhilfe kann verhindern, dass das Opfer von Sozialhilfe abhängig wird. • Es ist aber nicht Aufgabe der Opferhilfe, die Sozialhilfe zu entlasten. • Generell übernimmt die Opferhilfe: • Notunterkunft • Überbrückungsgeld (Notgeld) • Juristische Hilfe • Psychotherapeutische Hilfe • Medizinische Erstversorgung (Selbstbehalt) • Dringende Transportkosten • Übersetzungskosten Seite 13 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales • Wird ein Opfer nach einer Straftat Sozialhilfeempfänger: • Notunterkunft für maximal 21 Tage (nur für solange, wie die Bedrohung anhält) • Notgeld für maximal 21 Tage • Selbstbehaltskosten für medizinische und therapeutische Behandlungen • Juristische Hilfe Seite 14 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales • Ist ein Opfer bereits Sozialhilfeempfänger: • Frauenhausaufenthalt für maximal 5 Tage • Juristische Hilfe • Die Lebenshaltungskosten verbleiben bei der Sozialhilfe • Die medizinischen Kosten verbleiben bei der Sozialhilfe Seite 15 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Auswirkungen von Entschädigungs- und Genugtuungsleistungen auf die Sozialhilfe • Entschädigungs- und Genugtuungsleistungen sind bei der Sozialhilfe nur so weit anzurechnen, als sie folgende Beträge übersteigen: Seite 16 • Einzelpersonen: • Ehepaare: • zuzüglich pro minderjähriges Kind Fr. 25’000 Fr. 40’000 Fr. 15’000 • Maximal pro Familie Fr. 55’000 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Migrantinnen als Opfer häuslicher Gewalt • Wieso findet die Mehrheit der polizeilichen Interventionen im HG-Bereich in Migrantenhaushalten statt, obwohl die Mehrheit der Opfer häuslicher Gewalt Schweizer Bürger sind? • Ausländerbewilligungstechnische Abhängigkeiten von Ausländerinnen von ihrem Ehemann • Gesellschaftliche Strukturen, die Abhängigkeiten fördern und zu Zwangsehen führen • Die geglückte Integration als Möglichkeit der Unterbindung fortgeführter häuslicher Gewalt Seite 17 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Aufenthaltsrechtliche Abhängigkeiten • Aufenthaltsrecht meist über den in der Schweiz lebenden Ehemann • Wird die Ehe aufgelöst, so läuft die Frau die Gefahr, ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlieren Gesellschaftliche Strukturen, die zu Abhängigkeiten führen • Patriarchalisch geprägte Herkunftsgesellschaft • ökonomisch von ihren Ehemännern (oder Vätern) abhängig • Verstossung bei Trennung oder Scheidung Seite 18 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Häufung von polizeilichen Interventionen in Haushalten mit Migrationshintergrund Die Frauen verharren in einer Gewaltbeziehung aus folgenden Gründen: • • • • • • • • Angst, ihre finanzielle Grundlage zu verlieren Angst, ihre Kinder zurücklassen zu müssen Angst. ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu verlieren Angst, zu ihrer Herkunftsfamilie zurückkehren zu müssen, bzw. von dieser verstossen zu werden Angst, im Heimatland von Sozialhilfe abhängig zu werden (das kosovarische Sozialsystem z.B. sichert einer alleinerziehenden Frau keine Lebensgrundlage) Fehlendes Vertrauen in den Rechtsstaat Fehlende Integration: Sie werden von ihren Ehemännern oft daran gehindert, Deutsch zu lernen, pflegen keine Freundschaften ausserhalb ihrer Herkunftsgesellschaft, oft nicht einmal ausserhalb ihrer Familie Konsequenz: Die Frauen verharren so lange in der Gewaltbeziehung bis die Gewalt derart eskaliert, dass polizeiliche Hilfe vonnöten wird. Seite 19 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Und wie weiter? • Auch nach einem Frauenhausaufenthalt kehren viele Frauen wieder in die eheliche Wohnung zurück. • Lassen sich die Eheleute nicht auf die ihnen gebotene Hilfe ein, beginnt die Gewaltspirale erneut. • Möglich Hilfe, wenn die Eheleute zusammen bleiben möchten (müssen): • • • • Psychologische Betreuung (ev. beider Ehepartner) Anti-Agressionstraining (ev. für beide Ehepartner) Schulung in gewaltfreier Kommunikation (für beide Ehepartner) Paartherapie (SPD) • Betreuung nach Bedrohungsmanagement (durch das Kompetenzzentrum Gewaltdelikte, ED, Kripo), täterfokussiert Seite 20 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Integration von Ausländern / Ausländerinnen als Unterbindung fortgeführter häuslicher Gewalt • Unmöglich, die patriarchalische Struktur mancher Migrantenehen aufzulösen • Sprache als stärkstes Integrationsinstrument: • Allgemein: Ausbruch aus der Isolation • Verstehen von Umwelt und Gesellschaft (Einkaufen, Schule, öffentlicher Verkehr, Verwaltung, etc.) • Verstehen des Rechtsstaates • Knüpfen von Bekanntschaften • Wissen einholen, wo Hilfe erhältlich ist • Je länger in einer Partnerschaft Gewalt ausgeübt wird, desto höher ist die Gefahr von schweren, sogar lebensgefährlichen Verletzungen Seite 21 Departement des Innern Amt für Gesundheit und Soziales Quellen: • • • • • • • • • • • • Opferhilfegesetz, OHG, SR 312.5 Opferhilfeverordnung, OHV, SR312.51 Leitfaden Opferhilfe Empfehlungen der SVK-OHG zum Opferilfegesetz (21.01.2010) Häusliche Gewalt und Migrantinnen, Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, 2011 Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bedeutung der Tradition im heutigen Kosovo, Rainer Mattern, 24.11.2004 BFF, Themenpapier «Kosovo / Jugoslawien, Die kosovo-albanische Frau in Familie und Gesellschaft, 25.10.2000 BFM, Die kosovarische Bevölkerung in der Schweiz, August 2010 Die Zeit (online), Dusan Reljic, Kosovo braucht ein Beschäftigungspakt mit der EU, 15.02.2015 Süddeutsche, Roland Preuss, Exodus aus Kosovo, 11.02.2015 Süddeutsche, Sarah Kanning und Dietrich Mittler, Flucht aus der Hoffnungslosigkeit, 12.02.2015 Spiegel (online), Keno Verseck, Flucht aus dem gelähmten Land, 13.02.2015 Seite 22
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