Aktuelle Entwicklungen in der D&O-Versicherung

Univ.-Prof. Dr. Robert Koch LL.M. (McGill)
Geschäftsführender Direktor des Seminars für Versicherungswissenschaft
Fakultät für Rechtswissenschaft
Aktuelle Entwicklungen in der D&O‐Versicherung
729. Mitgliederversammlung des Versicherungswissenschaftlichen Vereins in Hamburg e.V.
2. Juli 2015
Übersicht
 Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln
 Ernsthafte Inanspruchnahme im Falle der/wegen Abtretung des Freistellungsanspruchs an die VN
 VN als Verwender von D&O‐Versicherungs‐AGB
 Gefahrerhöhung bei Beherrschungswechsel
 Wirksamkeit des Claims‐made‐Prinzips
 Verteilung nicht ausreichender Versicherungssumme zwischen Organmitgliedern
 Versicherbarkeit/Versicherung von auf Ersatz von Geldbußen gerichteten Innenhaftungsansprüchen
 Unternehmenspolice vs. Einzelpolice
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Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln (I)
 D&O‐Wordings sehen Anrechnung der Kosten der Anspruchs‐
abwehr auf VersSumme vor
 OLG Frankfurt/M. v. 9.6.2011 RuS 2011, 509 (n. rkr.):
Widerspruch mit Leitbild des § 150 II VVG aF (= § 101 II VVG) & benachteiligt VN unangemessen iSv § 307 II Nr. 1 BGB
 Wortlaut von § 150 II VVG aF:
Ist eine VersSumme bestimmt, so hat der VR Kosten, die in einem auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreit entstehen, und Kosten der Verteidigung nach Abs. 1 Satz 3 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die VersSumme übersteigen…
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Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln (II)
 Nichtanrechnung=wesentlicher Grundsatz iSv § 307 II Nr. 1 BGB?
• Leitbildcharakter (Gerechtigkeit oder nur Zweckmäßigkeit)?
• Fehlende halbzwingende Ausgestaltung?
• Prozessmuntschaft des VR?
• Ausdruck immanenter Pflichten‐ und Risikoverteilung?
• Vergleich mit § 83 VVG (=§ 63 VVG aF)?
 Keine unangemessene Benachteiligung
• Höherrangige Interessen des VR?
 Branchenüblichkeit
 Unkalkulierbarkeit der Abwehrkosten: ein Schaden mehrere VersFälle, keine RVG‐Gebühren
 Kein Recht des VR zum Abandonnement
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Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln (III)
• Gewährung anderweitiger Vorteile?
 Tragung der Abwehrkosten auch wenn Haftpflichtanspruch VersSumme übersteigt
 Übernahme von Anwaltsgebühren über RVG‐Sätze
 Eigenes Recht der vP zur Auswahl des RA
 Günstigere Prämien
• Ausgleich etwaiger Nachteile?
 Nichtanrechnung im Falle erfolgreicher Anspruchsabwehr
• Ausreichender Schutz der vP über §§ 280 I, 241 II BGB für den Fall, dass VR sich pflichtwidrig für die Anspruchsabwehr entscheidet?
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Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln (IV)
 Verstoß gegen § 108 I 1 VVG, weil geschädigten Dritten volle VersSumme zur Verfügung stehen muss?
• Lange: In Innenhaftungsfällen ist VN nach § 242 BGB Berufung § 108 I 1 VVG verwehrt, da sie Anrechnungsklausel zugestimmt hat.
 § 108 I 1 VVG erst auf Vereinbarungen nach Entstehung des Freistellungsanspruchs anwendbar
 analoge Anwendung von § 108 I 1 VVG? (‐) wegen Ausnahmecharakter?
• Schutz des geschädigten Dritten nur durch §§ 138, 826 BGB
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Ernsthafte Inanspruchnahme im Falle der/wegen Abtretung des Freistellungsanspruchs an die VN? (I)
 OLG Düsseldorf v. 12.7.2013, RuS 2013, 599 (dagegen Revision anhängig unter IV ZR 304/13) und OLG Düsseldorf v. 31.1.2014, RuS 2014, 122 (dagegen Revision anhängig, Az unbekannt)
 Sachverhalt OLG Düsseldorf v. 12.7.2013:
• Vorstandsmitglied mitversicherter polnischer Tochter tritt Freistellungsanspruch gegen den VR der Muttergesellschaft an Tochter ab, die sodann den VR auf Zahlung in Anspruch nimmt.
• OLG weist Klage mit der Begründung ab, mangels Eintritts des VersFalls sei kein Anspruch auf Freistellung entstanden
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Ernsthafte Inanspruchnahme im Falle der/wegen Abtretung des Freistellungsanspruchs an die VN? (II)
 St Rspr (vgl. nur BGH v. 9.6.2004 RuS 2004, 411): • Gläubiger muss sich entschlossen haben, SchE‐Ansprüche gerade gegen den VN geltend zu machen und diesen Entschluss in einer Art und Weise zu erkennen gegeben haben, die als ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme vom VN verstanden werden kann
• Gerichtliche Geltendmachung nicht erforderlich
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Ernsthafte Inanspruchnahme im Falle der/wegen Abtretung des Freistellungsanspruchs an die VN? (III)
 Urteilsgründe OLG Düsseldorf v. 12.7.2013, RuS 2013, 599
• Darlegungs‐/Beweislast für ernsthafte Inanspruchnahme trägt vP ( im Fall der Abtretung VN) (abzulehnen)
• Gesamtschau des unstreitigen SV, Indizien gegen Ernsthaftigkeit:  Erklärung der Tochter, gegen vP keine Klage in PL erheben zu wollen, sondern in Dtschld gegen VR (unschädlich)
 vP ist Ansprüchen der Tochter nicht entgegengetreten & keine Kontaktaufnahme mit dem VR zum Zweck der Anspruchsabwehr(fehlende Kontaktaufnahme unschädlich, da noch kein VersFall)
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Ernsthafte Inanspruchnahme im Falle der/wegen Abtretung des Freistellungsanspruchs an die VN? (IV)
 Urteilsgründe, Indizien gegen Ernsthaftigkeit:
 Zeitl. Ablauf der Inanspruchnahme & Bestellung eines Bevollmächtigten für Abschluss von Verträgen mit Vorständen vor Abtretung des Freistellungsanspruchs (unschädlich)
 Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses mit vP
(unschädlich)
 keine Darlegung, wie Inanspruchnahme der vP aussehen soll, falls VersLeistungen nicht erlangt werden können.
(unschädlich)
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VN als Verwender von D&O‐AVB?
 Hohe Verbreitung von Makler‐Wordings
 BGH v. 22.7.2009 VersR 2009, 1477: Liegen einem D&O‐VersVertrag VersBedingungen zu Grunde, die nicht die VersBedingungen des VR sind, sondern von dem VersMakler, den der VN beauftragt hatte, entworfen und auf dessen Veranlassung in den Vertrag einbezogen worden sind, dann kommt in einem Rechtsstreit gegen den VR eine Klauselkontrolle nicht in Betracht, da dieser nicht Verwender ist.
 AGB (des VN) oder Individualvereinbarung?
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Gefahrerhöhung bei Beherrschungswechsel? (I)
 Klausel: Wird die VN selbst freiwillig liquidiert oder neu beherrscht, erlischt der VersSchutz mit Abschluss der Liquidation oder mit Beginn des neuen Beherrschungsverhältnisses automatisch.
 BGH v. 12.9.2012 RuS 2012, 539: Klausel ist nach § 34a VVG aF wegen nachteiliger Abweichung von §§ 23 ff. VVG aF unwirksam, da diese lediglich ein an bestimmte Fristen gebundenes Gestaltungsrecht und kein automatisches Entfallen sämtlicher Vertragsbindungen vorsehen.  Neubeherrschung = Gefahrerhöhung iSv § 23 VVG?
• Erhöht sich Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme?
• Wechsel AR/Vorstand/Due Dilligence/Neubewertung
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Gefahrerhöhung bei Beherrschungswechsel? (II)
 Subjektive oder objektive Gefahrerhöhung?
• OLG Frankfurt/M. v. 20.7.2011, RuS 2012, 292 (Vorinstanz): Ist nicht ersichtlich, dass die durch ihre Organe handelnde VN an dem Verkauf von Aktien an den neuen Mehrheitsaktionär mitgewirkt hat, stellt sich die durch den hierdurch eingetretenen Beherrschungswechsel eingetretene Gefahrerhöhung nicht als veranlasste Gefahrerhöhung iSv §
27 I Nr. 1 VVG aF dar.
• Abschluss von Beherrschungsverträgen?
• Mehrheits‐ oder Allein‐Gesellschafter veräußert seine Anteile an einen Dritten?
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Wirksamkeit des Claims‐Made‐Prinzips
 Zeitraum zwischen Pflichtverletzung und Inanspruchnahme beträgt idR mehrere Jahre, bei kurzer VersDauer Risiko für vP, dass VersSchutz leerläuft  Vertragszweckgefährdung iSv § 307 II Nr. 2 BGB?
 OLG München v. 8.5.2009, RuS 2009, 327: Claims‐Made‐Prinzip benachteiligt vP bei einjähriger Nachmeldefrist und zeitlich unbegrenzter Rückwärtsdeckung nicht unangemessen.
 OLG Frankfurt/M. v. 5.12.2012, RuS 2013, 329: VR muss sich auf Gewährung einer angemessenen Nachmeldefrist einlassen; an der Verjährung orientierte Nachmeldefrist ist nicht gefordert
 BGH v. 26.3.2014, VersR 2014, 625: VersFalldefinition in der Haftpflichtversicherung ist inhaltskontrollfrei
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Verteilung nicht ausreichender Versicherungssumme zwischen Organmitgliedern
 VersSumme übersteigende Inanspruchnahme mehrerer Organmitglieder, ohne dass ein Fall gesamtschuldnerischer Haftung vorliegt
§ 109 VVG
 Verteilung der VersSumme
(erweist sich bei Anrechnung der Ist der VN ggü mehreren Dritten verantwortlich und übersteigen Abwehrkosten als besonders schwierig)
deren Ansprüche die VersSumme, hat der VR diese Ansprüche  Prioritätsprinzip
nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu erfüllen. Ist hierbei die  Kopfprinzip (analog § 420 BGB)
VersSumme erschöpft, kann sich ein bei der Verteilung nicht  Beliebensprinzip (analog § 428 BGB)
berücksichtigter Dritter nachträglich auf § 108 I nicht berufen,  Analog § 109 VVG
wenn der VR mit der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht  Ergänzende Vertragsauslegung
gerechnet hat und auch nicht rechnen musste
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Versicherung/‐barkeit von auf Ersatz von Geldbußen gerichteten Innenhaftungsansprüchen (I)
 LAG Düsseldorf v. 20.1.2015 VersR 2015, 629: • Sachverhalt
 GF trifft kartellrechtswidrige Absprachen
 BKartA verhängt Bußgeld iHv 191 Mio. EUR=10% des Unternehmensumsatzes gem. § 81 IV 2 GWB
 Gesellschaft verlangt von GF Erstattung
• Klageabweisung, weil
 Sinn u. Zweck der Unternehmensgeldbuße unterlaufen würde, wenn Bußgeld weitergereicht werden könnte
• Kritik
 Unternehmen=Adressat des Bußgeldbescheids= VollstreckungsschuldnerSanktionszweck bleibt unberührt
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Versicherung/‐barkeit von auf Ersatz von Geldbußen gerichteten Innenhaftungsansprüchen (II)
 Versicherbarkeit des Innenregresses?
 Versicherbarkeit von an Organmitglieder gerichtete Geldbußen?
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Einzelpolice als Alternative zur Unternehmenspolice? (I)
 Unternehmenspolice
• Verteilung der VersSumme auf eine Vielzahl von Organmitgliedern + Kostenanrechnung = Risiko des Verbrauchs der VersSumme
 Alternative Einzelpolice?
• Keine ausreichende Kapazitäten (vgl. Regress Dt. Bank/Breuer, ThyssenKrupp wegen Kartellbußen)
• Nur wenn Beschränkung der Haftung
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Einzelpolice als Alternative zur Unternehmenspolice? (II)
 Alternative Einzelpolice?
• Beschränkung der Haftung
 Wertungstransfer aus arbeitsrechtlicher Haftung (Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs)?
 Fürsorge‐/Treuepflicht der Gesellschaft?
 Verfassungskonforme Beschränkung (Übermaßverbot) unter Rückgriff auf Wertung des § 93 II 3 AktG (Selbstbehalt von mind. 10% des Schadens bis mind. zur Höhe des 1,5fachen der festen jährl. Vergütung)?
 Haftung bis zur Höhe der D&O‐Versicherungssumme?
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