Solarenergie effizient ernten und speichern

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Seit August 2014 führt das SPF bei einer grossen Hybridkollektoren-Anlage in Ostermundigen ein Monitoring durch. (Bilder: SPF)
Institut für Solartechnik (SPF), Industrietag 2015: Neue Zielsetzungen erhöhen den Forschungsbedarf
Solarenergie effizient ernten und speichern
Am Industrietag 2015 des Rapperswiler Instituts für Solartechnik (SPF)
wurden die laufenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in den
Bereichen Kollektoren, Speichertechnologien und Systemintegration
vorgestellt.
Jürg Wellstein
■ Seit über 30 Jahren forscht und entwickelt das Institut für Solartechnik (SPF)
der Hochschule für Technik Rapperswil
(HSR) in den Bereichen der Sonnenenergienutzung. Für den Institutsleiter Prof.
Matthias Rommel sind die Aufgaben weniger denn je abgeschlossen. Vielmehr ergibt sich durch veränderte Rahmenbedingungen, neue Materialien, innovative
Systemkonfigurationen und anspruchsvolle Zielsetzungen ein erhöhter Bedarf
an wissenschaftlichen Anstrengungen.
Mit dem internationalen, heute über 40
Personen umfassenden SPF-Team werden neben der Lehrtätigkeit auch zahlreiche Projekte und Dienstleistungen durch-
jahre ab. Mit eingebauten Sensoren und
Videokameras wird ermöglicht, die
mehrtägige Prüfung detailliert zu verfolgen und Schwachstellen am Modul
und an den Montagekomponenten zu
identifizieren. Inzwischen konnte man
erste Produkte zertifizieren. Dieses Test-
geführt. Einige davon wurden am inzwischen etablierten SPF-Industrietag am
4. März 2015 vorgestellt.
Kollektoren testen, prüfen und entwickeln
Sonnenkollektoren und Photovoltaikmodule
werden vor allem in alpinen Zonen durch
grosse Schneelasten stark beansprucht. Deshalb hat das SPF einen Teststand entwickelt,
der die Last sowohl in vertikaler als auch in
horizontaler Richtung aufbaut und damit die
realen Verhältnisse optimal abbilden kann.
Mit dieser neu entwickelten Anlage können
Schneelasten bis zu 2000 kg/m2 auf bis zu
12 m2 Fläche simuliert werden. Das
Testprogramm bildet rund 30 Betriebs-
Schneelasten stellen vor allem im alpinen Raum eine grosse
Beschädigungsgefahr für Sonnenkollektoren und Photovoltaik-Module dar.
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verfahren wird durch die Vereinigung
Kantonaler Feuerversicherungen (VKF)
und das Swiss PV Module Test Centre
(SUPSI) unterstützt.
Ein weiteres Thema stellen Blendeffekte
durch Kollektoren dar. Weil keine gesetzlichen Vorgaben vorhanden sind,
müssen betroffene Nachbarn in der Regel die Belästigung vor Gericht verhandeln. Die in Deutschland 2014 publizierte Lichtleitlinie kann Anhaltspunkte zur
Verhinderung von Blendeinwirkungen
liefern. Als Regel gilt jedoch: Sorgfältiges Planen schützt meistens vor nachträglichen Auseinandersetzungen. Das
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Das Testprogramm für Schneelasten geht über mehrere Tage und simuliert rund 30 Betriebsjahre.
Erste Zertifikate konnten bereits ausgestellt werden.
SPF geht aber noch einen Schritt weiter
und kann mit einem BSDF-Messgerät
(Bidirectional Scattering Distribution
Function) die Reflexion unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit und
-strukturen erfassen. Das halbkugelförmige Gerät misst die räumliche Verteilung des durch ein Objekt gestreuten
Lichts. Es ermöglicht auf diese Weise
einstellbare Einfallswinkel und eruiert
die daraus entstehende Reflexionswirkung.
Speichertechnologien im Fokus
Ein thermochemischer Energiespeicher wäre eine ideale saisonale Lösung. Das sich hier in Arbeit befindliche
Verfahren nutzt 30-prozentige Natronlauge, die auf 50 Prozent konzentriert wird. Bei der Prozessumkehrung
entsteht nutzbare Wärme.
Beim SPF wird ein BSDF-Messgerät (Bidirectional Scattering Distribution Function) eingesetzt, um die Reflexion
unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit zu ermitteln – z. B. von prismierten Gläsern.
Die Speicherung von Solarwärme
stellt weiterhin grosse Herausforderungen. Bis heute besteht beispielsweise keine Kennzahl zur Qualität der
Schichtung in einem Warmwasserspeicher. Auch hier hat das SPF Initiative gezeigt und ein angepasstes
Messsystem konzipiert. Mischeffekte,
Wärmeübertragung und Wärmeverluste sind die wirkungsvollen Nachteile für eine effiziente Speicherung.
Dies fällt umso stärker ins Gewicht, je
effizienter die Gebäude und deren
Haustechnik gestaltet werden. Somit
erhält das Schichtungsverhalten vor
allem auch bei LowEx-Objekten eine
kritische Bedeutung. Mit einem Speicherprüfstand geht man diesem essentiellen Merkmal der Solartechnik
nach. Hier werden Kennzahlen ermittelt. Bei Messungen mit sechs verschiedenen Speichern und jeweils drei
Anlagenkonfigurationen haben die
Forschenden erkennen können, dass
eine gute Schichtung wesentlich grössere Bedeutung hat als die Wärmeverluste. Dieser Prüfstand steht nun Herstellern zur Verfügung, um die
Schichtungseffizienz ihrer Produkte
zu ermitteln.
Mit Eisspeichern kann ebenfalls sommerlicher Wärmeertrag gespeichert
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Ein Teststand dient am SPF zur Ermittlung von Kennzahlen zur Qualität der Schichtung
in einem Warmwasserspeicher.
werden. Das SPF hat ihr Pilotprojekt an
einem Kindergarten in Jona auswerten
können und stellt fest, dass diese Anlage mit dem 75 m3 grossen kubischen
Eisspeicher eine System-Jahresarbeitszahl von über 5 erreicht. Von den
flachen Wärmeübergangsplatten wird
die entstehende Eisschicht regelmässig
entfernt. Inzwischen arbeitet man an einem grösseren Projekt mit rund 2000 m2
Energiebezugsfläche. Gleichzeitig ist
das SPF auch in Forschungsprogrammen (bis 2015 High Ice, ab 2015 Ice Ex)
zu diesem Thema involviert.
Vom thermochemischen Energiespeicher, an dem man in Rapperswil seit
wenigen Jahren arbeitet, wurde eine
Zwischenbilanz vorgestellt. Den auf der
Grundlage von Natronlauge funktionierenden Speicher konnte man inzwischen in Containergrösse als Funktionsmodell realisieren. Beim Laden wird
30-prozentige Natronlauge auf 50 Prozent konzentriert, und beim Entladen
des Speichers – bei der Prozessumkehr
– entsteht nutzbare Wärme. Der gesamte Vorgang erfolgt unter Vakuum. Weitere Optimierungen sind heute bei der
Benetzung des Fallfilmabsorbers vorzusehen. Tatsächlich wäre mit diesem
thermochemischen Prinzip eine ideale
saisonale Wärmespeicherung möglich,
weshalb sowohl die internationale Forschung als auch die Akteure am SPF
daran weiterarbeiten werden und die
verfahrenstechnischen Hindernisse zu
überwinden versuchen.
Systemintegration als Schlüssel zum Erfolg
Das Pilotprojekt eines Eisspeichers in Jona wurde ausgewertet. Flache Wärmetauscherplatten
werden periodisch enteist – die Eisschollen schwimmen dann an der Wasseroberfläche.
Mit dem Industrietag will das Institut für Solartechnik (SPF) mit Vertretern der Industrie
in Kontakt und ins Gespräch kommen, um gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln.
Erfahrungen mit Systemintegrationen
in der Praxis stellen wertvolle Inputs
für die Forschung und Entwicklung
dar. Deshalb betreut das SPF auch
das Monitoring einer grossen PVTAnlage auf der Oberfeld-Überbauung
in Ostermundigen (vgl. HK-GT 9/14,
S. 61 – 63). Seit August 2014 stehen
Messwerte der installierten Hybridkollektoren, des Erdwärmesondenfelds
und des Wärmeverbrauchs der neuen
Wohnungen zur Verfügung. Mit einer
Jahresbilanz werden ab diesem Sommer erste Erkenntnisse der systemischen Verknüpfung von Solarertrag
und Erdspeicher möglich.
Inzwischen ist man bereits dabei, für
drei baugleiche Mehrfamilienhäuser im
Unterengadin eine ähnliche Messkampagne vorzubereiten. Im alpinen Raum
wird man andere Rahmenbedingungen
antreffen und entsprechende Erfahrungen machen können.
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Der am SPF im Einsatz stehende Prüfstand bewirkt
mit horizontalen und vertikalen Kräften eine reale Belastung
der Prüflinge.
Solare Regeneration von Erdwärmesonden
Den mit Natronlauge funktionierenden Speicher
konnte man in Containergrösse als Funktionsmodell realisieren.
Für die immer mehr thematisierte Regeneration von Erdwärmesonden in urbanen Gebieten stellt die Sonnenenergie eine wichtige
Quelle dar. Gemäss SIA-Norm 384/6 dürfen
auch nach 50 Betriebsjahren die Sole-Temperaturen die Werte für Vorlauf/Rücklauf
+0/-3°C (bzw. Mittelwert –1.5°C) nicht unterschreiten. Deshalb stellt die Regeneration
unter Umständen eine notwendige Massnahme dar. Im Vergleich mit der Option von
tieferen Sonden zeigt sich ein Vorteil bei der
aktiven solaren Regeneration. Allerdings
sind dazu unterschiedliche Techniken anwendbar, deren Kosten sich durch die jeweiligen Bedingungen ergeben.
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SPF an der HSR
Das Institut für Solartechnik (SPF) stellt eines von
18 Instituten der Hochschule für Technik Rapperswil
(HSR) dar. Insgesamt sind in Rapperswil rund 1500
Studierende eingeschrieben. Die Hochschule nennt
heute ihre strategische Ausrichtung «Technik und
Umwelt». Im Energieforschungsbereich bestehen an
der HSR zwei Beteiligungen an den Schweizer Kompetenzzentren SCCER: bei der Effizienz industrieller
Prozesse und bei der Speicherung von Energie. Das
SPF ist neben den nationalen Aktivitäten in fünf
EU-Projekte und drei IEA-Forschungsprogramme
involviert.
www.hsr.ch
www.spf.ch
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