Wasser in Juba PDF

Wasser in Juba
Oxfam Medien-Briefing, Juli 2015
JUBA, SÜDSUDAN: SAUBERES WASSER WIRD KNAPP
Die angespannte Wirtschaftslage im Südsudan hat zu hohen Preissteigerungen bei Grundprodukten wie
Wasser geführt. Sie ist auch ein wesentlicher Faktor für den aktuellen Cholera-Ausbruch. Allein in der
Hauptstadt Juba gab es bislang 33 Todesfälle, darunter sieben Kleinkinder. Weitere 705 Betroffene haben
sich mit der Cholera infiziert, Tausende von Menschen sind gefährdet.1
Der Cholera-Ausbruch kommt nicht von ungefähr. Nur 55 Prozent der
Bevölkerung im Südsudan hat Zugang zu sicherem Trinkwasser.2
Aufgrund steigender Kosten drosseln die Hersteller in Juba die
Produktion von aufbereitetem Wasser. Nachfrage und Preise steigen,
und die Beschaffung von sicherem Trinkwasser wird zunehmend
schwierig.
Am stärksten betroffen ist die Stadtbevölkerung, vor allem die ärmeren
Gruppen. Viele Haushalte können sich die Beschaffung der benötigen
Mengen von Trinkwasser nicht mehr leisten. Wer die hohen Preise noch
aufbringen kann, zahlt für dieselbe Wassermenge inzwischen doppelt
so viel wie noch vor wenigen Monaten.
45%
Anteil der südsudanischen
Bevölkerung ohne Zugang
zu sicherem Trinkwasser
Für die Mehrheit der ärmeren Bevölkerungsgruppen bleibt als einzige Option die Nutzung unsicherer
Wasserquellen: offene Brunnen oder Rohwasser aus dem Nil. Oxfam ist sehr besorgt, dass sich im Zuge der
aktuellen Verknappung des Wasserangebots die Ausbreitung von Krankheiten beschleunigen könnte.
Die Wirtschaftskrise im Südsudan ist eine unmittelbare Folge des Krieges. Aufgrund konfliktbedingter
Produktionsausfälle bei der Ölförderung sind die Staatseinnahmen eingebrochen. Mit den steigenden
Militärausgaben wächst das Staatsdefizit. Eine hohe Inflation treibt die Preise für Benzin und Diesel in die
Höhe, was wiederum zu steigenden Produktionskosten und Verbraucherpreisen führt.
Für die rund 610.000 Menschen in den Städten bedeutet das steigende Lebenshaltungskosten, im ersten
Halbjahr 2015 um fast 30 Prozent.3 Genug zu essen zu haben wird zur obersten Priorität, Wasser rückt an
die zweite Stelle. Hinzu kommt für weite Teile der Bevölkerung das unermessliche Leid, das durch den
inzwischen seit 19 Monaten andauernden Bürgerkrieg ausgelöst wurde und die dadurch
verursachte humanitäre Krise. Viele Haushalte haben auf der Flucht alles verloren.
15%
Anteil des Haushaltseinkommens, der
für täglichen Wasserbedarf aufgewandt
werden muss
Nur das Ende des Krieges bietet eine realistische Perspektive für einen Ausweg aus der aktuellen Krise.
Oxfam appelliert an alle Konfliktparteien, eine Friedenslösung zu finden und sich auf ihre Verantwortung zu
konzentrieren, die grundlegende Versorgung ihrer Bevölkerung zu gewährleisten.
HÖHERE PREISE FÜR WENIGER WASSER
Ein Inflationsschub von über 39 Prozent und steigende Preise für Benzin und Diesel haben dazu geführt,
dass die Preise, die auf den lokalen Märkten für Alltagsprodukte wie Lebensmittel und Wasser verlangt
werden, stark angestiegen sind.4 Die Haushaltseinkommen konnten mit diesen Preissteigerungen nicht
Schritt halten. Die Löhne für normale Gelegenheitsarbeit stagnieren oder sind teilweise sogar gesunken.
Haushalte haben heute weniger Geld zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu Verfügung als vor der Krise.5
Gleichzeitig verliert das Südsudanesische Pfund schnell an
Wert. Im Januar 2015 lag der informelle Wechselkurs noch bei
sechs Pfund für einen US-Dollar, fünf Monate später schon bei
zehn Pfund.6 Oxfam hat im Mai in Juba eine Befragung
durchgeführt, um herauszufinden, welche Auswirkungen die
wirtschaftliche Situation auf den Zugang der Menschen zu
Wasser hat.7
Viele der von Oxfam befragten Haushalte gaben an, dass sie
es sich nicht mehr leisten können, genügend sauberes
Wasser zu kaufen, nachdem sich die Endpreise dafür mehr als
verdoppelt haben. Einige Befragte sagten, dass sie 15 Prozent
ihres Einkommens aufwenden müssen, um die 30 Liter Wasser
zu kaufen, die ein Mensch pro Tag normalerweise benötigt.8
"Wir kaufen Wasser von den blauen
Tankwagen, die normalerweise alle
drei Tage herumfahren. Sie kommen
jetzt aber nicht mehr so regelmäßig
wie früher. Als wir nachfragten, was
los sei, wurde gesagt, dass wir zu
weit weg wohnten und dass es kein
Benzin gebe oder dass es zu teuer
sei."
Bewohner des Stadtviertels Gudele,
Stadtrand von Juba
Das Wasser, das in Juba verkauft wird, ist überwiegend unbehandelt, und die Wasserqualität wird nicht
ausreichend kontrolliert. Die Regierung stellt inzwischen aus Kostengründen auch nicht mehr die für
Wasserdesinfizierung erforderlichen Chemikalien bereit.
Oben: Frauen auf dem Rückweg von einer Wasserstation (Foto: Oxfam). Erste Seite: Kinder beim Wasserholen (Foto: Geoff Pugh/Oxfam).
Andere haben ihren Wasserverbrauch auf nur fünf Liter pro Tag reduziert, ein Drittel
des minimalen Grundbedarfes, der in humanitären Krisensituationen veranschlagt
wird.9 Teilweise ziehen Befragte aufgrund der Wasserknappheit in Erwägung, die Stadt
ganz zu verlassen und in ihre Dörfer zurückzukehren.10
Am stärksten betroffen sind sehr einkommensarme Gruppen und die Bevölkerung von
außerhalb gelegenen Stadtvierteln, weit entfernt von den Auffüllstationen im Zentrum
von Juba.11 Wegen der hohen Treibstoffpreise beliefern die Tankwagen überwiegend
die angrenzenden Viertel im Umkreis der Auffüllstationen. Das Wasserangebot in den
Außenbezirken geht somit zurück. Angesichts der Verknappung wird das verfügbare
saubere Wasser eher zum Trinken und Kochen und nicht für Körper- und
Haushaltshygiene verwendet. Unter solchen Bedingungen können sich Krankheiten
wie Cholera schnell ausbreiten.
DAS ÖFFENTLICHE WASSERSYSTEM
Die öffentliche Wasserversorgung im Südsudan befindet sich in einem schlechten
Zustand. Die Regierung hat nur wenige Investitionen getätigt, um eine ausreichende
öffentliche Versorgung mit Wasser in angemessener Qualität aufzubauen. Der
staatliche Wasseranbieter, South Sudan Urban Water Corporation, hat selbst
eingestanden, dass sich die Versorgung in den letzten fünf Jahren eher noch
verschlechtert hat.
In Juba sind nur 13 Prozent der Haushalte an die kommunale
Wasserversorgung angeschlossen, die aus einem recht
überschaubaren Rohrleitungssystem, einigen Brunnen (von denen
die Hälfte nicht funktioniert) und einer öffentlichen Wasserstation
am Ufer des Nils besteht.12
Das öffentliche Wassersystem wird ergänzt durch eine Vielzahl
kleiner kommerzielle Anbieter, die für relativ teures Geld Wasser
verkaufen, das aber häufig nur von geringer Qualität ist.
Es gibt circa 300 registrierte Betreiber von Tankwagen, die
normalerweise im gesamten Stadtgebiet Wasser ausliefern. Im Zuge
der steigenden Preise für Treibstoff hat sich der Deckungsgrad
jedoch um 30 Prozent verringert.13
13%
Anteil der Bevölkerung
in Juba mit Anbindung
an die öffentliche
Wasserversorgung
Mindestens elf private Abfüllstationen produzieren Trinkwasser aus Rohwasser, das
sie aus dem Nil pumpen und das im Anschluss von den Tankwagen oder von
Fahrradlieferanten an die Endverbraucher/innen ausgeliefert wird. Zudem füllen einige
Fabriken in Juba Wasser in Flaschen ab. Aufgrund der hohen Treibstoffpreise haben
sich die Betriebskosten um 35 Prozent verteuert. Manche Betriebe haben deswegen
die Produktion gedrosselt, teilweise auf bis zu zehn Prozent. Andere Fabriken mussten
komplett schließen. Wegen der steigenden Preise, die für abgefülltes Wasser verlangt
werden, ist der Absatz um mehr als die Hälfte zurückgegangen.14
Die Regierung reguliert den Wassermarkt, einschließlich der Preisgestaltung. Zurzeit
wird im Kabinett eine Vorlage diskutiert, den Preis für gepumptes Nilwasser um 33
Prozent zu erhöhen. Eine mögliche Folge wäre, dass die ohnehin geschrumpfte
Verdienstspanne eines Fahrradlieferanten in Juba, der im Schnitt pro Tag 25 Pfund
(umgerechnet drei Dollar) verdient, nochmals sinken würde.15
Fahrradlieferanten und Tankwagen füllen
Nilwasser nach. Fotos: Katrice King/Oxfam.
AUSBLICK
Zahlreiche Betreiber privater Abfüllstationen befürchten, dass sie ihren Betrieb einstellen müssen, wenn
die Wirtschaftskrise sich noch weiter verschlechtert. Weiteren Fabriken droht die Schließung,
Fahrradlieferanten der Verlust ihrer Jobs. Aufbereitetes ebenso wie unbehandeltes Wasser könnte
zunehmend auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden und dann zu noch höheren Preisen.
Viele Betroffene greifen mangels Alternativen auf unsichere Lösungen zurück, durch die sie sich einem
hohen Krankheitsrisiko aussetzen. Es drohen Reibereien und Spannungen an Wasserstellen, wenn
Menschen mehrere Stunden anstehen müssen, ebenfalls Konflikte zwischen Wasserverkäufern und
Kunden, wenn diese den geforderten Preis für einen so grundlegenden Bedarf wie Wasser nicht mehr
aufbringen können.
Nicht zu vergessen der Krieg im Südsudan. Zwei Millionen Menschen sind zurzeit auf der Flucht, über
500.000 davon als Flüchtlinge in den Nachbarländern.16 400.000 südsudanesische Mädchen und Jungen
können zurzeit keine Schule besuchen. Bis Ende Juli wird voraussichtlich 40 Prozent der südsudanesischen
Bevölkerung akut von Hunger gefährdet sein.17 Übertragbare Krankheiten wie Cholera werden
voraussichtlich noch mehr Menschenleben fordern, weil immer mehr Menschen immer weniger sauberes
und sicheres Wasser für den Gebrauch zur Verfügung steht.
Die südsudanesische Regierung muss sich dieser Herausforderungen annehmen, andernfalls wird sich die
Misere noch weiter zuspitzen. Wie in anderen Staaten haben auch die Bürgerinnen und Bürger im Südsudan
ein Recht auf Schutz vor Gewalt und auf die öffentliche Bereitstellung lebensnotwendiger Grundversorgung
wie sauberes, sicheres und für alle erschwingliches Wasser.
ANSÄTZE ZUR HILFE
Oxfam ist in Juba bei der Reparatur defekter Brunnen tätig, unterstützt Betreiber von Tankwagen bei der
Chlorung von Wasser und arbeitet mit Fahrradlieferanten daran, mehr Wasser zu desinfizieren, so dass
weniger unbehandeltes Wasser im Umlauf ist.
In einer der für die Zivilbevölkerung eingerichteten Schutzzonen (sog. „Protection of Civilian Sites“) auf dem
UN-Gelände in Juba, wo aktuell über 28.000 Menschen unter sehr eingeengten Bedingungen leben, führt
Oxfam Schulungen zur Hygieneaufklärung durch, in denen z.B. über die Wichtigkeit regelmäßigen
Händewaschens und Methoden zur Reinigung von Wasserbehältern auf Haushaltsebene informiert wird.
An stark frequentierten Plätzen auf den Arealen werden Handwascheinrichtungen installiert. Oxfam arbeitet
mit Restaurantbetreibern zusammen, um die konsequente Benutzung von sauberem und aufbereitetem
Wasser bei der Zubereitung und dem Verkauf von Nahrungsmitteln zu propagieren.
Darüber hinaus sind jedoch konzertierte Bemühungen der Regierung des Südsudans sowie ein stärkeres
finanzielles Engagement der internationalen Geber vonnöten, um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in
Angriff zu nehmen und den Menschen im Südsudan zu ihrem Recht auf sauberes Wasser zu verhelfen.
EMPFEHLUNGEN
Priorisierung von Investitionen in die Wasser- und Gesundheitsinfrastruktur durch die Regierung des
Südsudans. Schon die offizielle Erklärung des Gesundheitsministeriums über den Cholera-Ausbruch in der
Hauptstadt hatte positive Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheitsförderung und die Verbesserung
von Hygienepraktiken. Um Menschenleben zu retten, muss allerdings noch viel mehr getan werden. Die
Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen für die Bevölkerung, nicht die Beschaffung von Waffen und
Rüstungsgütern, muss die oberste Priorität im Staatshaushalt haben. Sofort in Angriff genommen werden
sollte die öffentliche Bereitstellung von Chemikalien für die Wasseraufbereitung und die Subventionierung
von Treibstoff, um die Wasserproduktion anzukurbeln und die Verbraucherpreise zu senken, wovon
insbesondere einkommensärmere Haushalte profitieren würden.
Gezielte Finanzierung von städtischen Wasserprojekten durch die Geber zur Vermeidung weiterer
Cholera-Ausbrüche. Es müssen finanzielle Ressourcen bereit gestellt werden, damit Hilfsorganisationen
wie Oxfam weiterhin Maßnahmen durchführen können, die einen wichtigen Beitrag dazu leisten können,
dass die Bevölkerung besseren Zugang zu Wasser hat, in ausreichender Menge und der benötigten Qualität:
einfache aber effektive Maßnahmen wie die Chlorung von Wassertransportern, Installation solarbetriebener
Wasserpumpen und die Installation von Anlagen zur kurzfristigen Speicherung von Wasser in besonders
stark gefährdeten Stadtvierteln.
Beendigung der Kampfhandlungen. Die Priorität der politischen Eliten im Südsudan sollte darin bestehen,
die grundlegende Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Eine langfristige Friedenslösung wird es
nur dann geben, wenn die Interessen und Grundbedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen im Südsudan
angemessen berücksichtigt werden. Ohne Friedenslösung besteht kaum Aussicht auf eine Stabilisierung
der wirtschaftlichen Lage.
ANMERKUNGEN
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
World Health Organization and Republic of South Sudan, Situation report #17 on Cholera in South Sudan, 8. Juli 2015. Zusätzlich zu diesen
Zahlen für Juba gab es weitere 59 Fälle einschließlich eines Todesfalles in Bor und Umgebung.
Government of the Republic of South Sudan (2011) South Sudan Development Plan 2011-2013, zitiert in Victor Vuni Joseph, “Water and
Sanitation Hygiene in South Sudan,” South Sudan Medical Journal, Mai 2014.
Integrated Food Security Phase Classification (IPC), the Republic of South Sudan, May 2015 Food Security and Nutrition Analysis, Key Messages,
S.1; FAO, “Sky-rocketing Food Prices in South Sudan are Deepening Food Insecurity,” 2. Juli 2015.
Die Inflationsrate im Zeitraum von Mai 2014 bis Mai 2015 betrug 39,5 Prozent. WFP, South Sudan Market Price Monitoring Bulletin, Mai 2015.
WFP, South Sudan Market Price Monitoring Bulletin, April 2015.
Ebd.
Oxfam, The Economic Crisis and its Effect on Safe Water Supply in Juba, South Sudan, Juni 2015.
Ebd., S. 17.
Einige Haushalte in Gambele am Stadtrand von Juba haben bei der Befragung gesagt, dass sie ihren Tagesverbrauch auf 5 Liter pro Person
reduziert hätten. 15 Liter am Tag pro Person sind das Minimum laut den SPHERE Mindeststandards in der humanitären Hilfe. Ebd.
Ebd.
Ebd.
Die aktuellsten Zahlen stammen von 2009 und deuten darauf hin, dass nur 13 Prozent der Bevölkerung in Juba Zugang zum öffentlichen
Wassernetz haben. Angesichts des starken Bevölkerungswachstums in Juba könnte der tatsächliche Anteil noch niedriger sein. Siehe JICA,
Juba Urban Water Supply and Capacity Development Study in the Southern Sudan, 2009.
Oxfam, The Economic Crisis and its Effect on Water, June 2015, S. 11.
Ebd., S. 13.
Ebd., S. 10 und 14.
UNHCR, “South Sudan: More than 2.25 million now displaced,” 8. Juli 2015. http://www.unrefugees.org.au/news-and-media/newsheadlines/southsudan-more-than-225-million-now-displaced-in-south-sudan-and-across-its-borders
IPC und RoSS, May 2015, a.a.O. (Anmerkung 2).