Gutzuwissen,wohindasWasserfließt

Region & nRW
im notfall
Der Elektroschock kann
Leben retten service
Seite 9 ABCDE · Nummer 33
Dienstag, 9. Februar 2016
Gut zu wissen, wohin das Wasser fließt
Glosse
▶ Marco rose
Der Klimawandel betrifft letztlich alle. Das rWTH-Projekt Dynaklim zeigt Kommunen und Bürgern Handlungsmöglichkeiten auf.
Von rauKe Xenia Bornefeld
gionale Klimaanpassung“ veröffentlicht. Das Ziel: Steigende Sommertemperaturen sowie zunehmende Starkregen-Ereignisse verbunden mit urbanen Überflutungen – so nennt man den Zustand
von überschwemmten Straßen
und Häusern, der nicht auf FlussHochwasser zurückzuführen ist –
glimpflicher ausgehen lassen.
Denn: „Es gibt durchaus kreativere, elegantere Möglichkeiten, als
unter Hitzeglocken in Innenstädten zu stöhnen und immer wieder
vollgelaufene Keller auszupumpen“, erklärte Projektleiter Jens
Hasse, Diplom-Ingenieur am FiW.
Angewendet auf das nördliche
Ruhrgebiet mit deutlich größeren,
aber auch deutlich kleineren Großstädten als Aachen und einem
stark ländlich geprägten Raum darum herum, sind die Ergebnisse
von Dynaklim dennoch auf die Regionen Stadt Aachen, Städteregion
und Heinsberg übertragbar. „Die
Eifel würde ich wegen ihrer anderen Topographie allerdings ausnehmen. Hier müssen Experten,
Zuständige und Betroffene sicherlich noch einmal im Detail hinschauen“, erläuterte Hasse.
aachen. 14 Tage hatte die Welt im
vergangenen Jahr in Paris ums
Klima gerungen. Heraus kam ein
Vertrag, mit dem die Staatengemeinschaft versuchen will, die
Erderwärmung auf unter zwei
Grad Celsius zu halten, möglichst
sogar weniger als 1,5 Grad Celsius
zuzulassen. Vielleicht lässt sich so
der ein oder andere Inselstaat im
Pazifik noch retten, die deutschen
und niederländischen Küsten
könnten von dauerhafter Überschwemmung verschont bleiben.
Doch die Experten sind sich einig, dass sich das Klima nicht erst
in der Zukunft verändern wird,
sondern schon jetzt klimabedingte
Wetterextreme die Volkswirtschaften fordern – auch in den bislang
relativ günstig davongekommenen, gemäßigten Zonen, zu denen
auch Nordrhein-Westfalen gehört.
Das Umweltministerium von
Nordrhein-Westfalen spricht auf
seiner Internetseite Klartext: „Der
Klimawandel in NRW ist an der Erwärmung der Lufttemperatur und
an den von Jahr zu Jahr steigenden
Regenniederschlägen abzulesen.
Die Niederschläge in NRW haben
im Laufe der letzten 100 Jahre um Umdenken der Kommunen
rund 15 Prozent zugenommen –
von rund 790 Millimetern pro Jahr Starke Regenfälle und größere Hitauf über 900 Millimeter.“ Zwi- zeperioden nehmen auch hierzuschen 2021 und 2050 werde es lande zu. An erster Stelle steht aber
nicht nur insgesamt weiter wär- ein Umdenken in den Kommumer, auch die Niederschlagsmengen nähmen
zumindest im Winter zu.
„Das Wasser fließt bei sehr
Und: „Die Temperaturkräftigem Regen eben auch
und Niederschlagsveränderungen können zu eiimmer wieder ungeplant
ner Zunahme von Wetdurch Vorgärten und Parks
terextremen wie starken
Gewittern und Hitzewelund kann dort nicht vom
len
führen.“
ÜberBoden komplett
schwemmte
Straßen,
Plätze, Keller sowie Laaufgenommen werden.“
gerhallen nach Starkrejens Hasse,
genereignissen haben beProjeKTLeiTer DynaKLiM
reits jetzt ihren Seltenheitswert verloren.
Dem einfach zusehen
– das ist nicht die Sache von Wis- nen. „Es gehört unseres Erachtens
senschaftlern. Neben den Folgen zur Daseinsfürsorge der Kommuder Erderwärmung haben sie auch nen wie die Trinkwasserversordie Möglichkeiten im Blick, wie gung und der Öffentliche Nahversich die Gesellschaften dem neuen kehr, ihre klimabedingte GefährKlima und seinen Auswüchsen an- dung zu ermitteln. Viele Kommupassen können. Die Forscher am nen wissen auch, dass sie sich daForschungsinstitut für Wasser- rum kümmern müssen. Aber
und Abfallwirtschaft an der RWTH längst nicht jede kennt ihre Hot(FiW) wollten mit dem Projekt Dy- spots, an denen Handlungsbedarf
naklim vor allem die Kommunen besteht.“ Also ihre neuralgischen
auf das Thema aufmerksam ma- Punkte. Das fängt schon damit an,
chen, mit ihnen und anderen Ak- dass oft nicht bekannt ist, von wo
teuren gemeinsam geeignete Stra- nach wo das Wasser bei starkem
tegien und Maßnahmen erarbei- Regen eigentlich fließt.
ten.
„Die Kommunen müssen bislang nur die Regenmengen ermitUrbane Überflutungen
teln, die auf versiegelten Flächen,
also Straßen und Plätzen, entsteSechs Jahre lang, von 2009 bis hen können. Aber das Wasser fließt
2015, wurde als ein Teil des vom bei sehr kräftigem Regen eben
Bundesministerium für Forschung auch immer wieder ungeplant
und Bildung geförderten „Klim- durch Vorgärten und Parks und
zug“-Projekts in der Projektregion kann dort nicht vom Boden komEmscher-Lippe
kommuniziert, plett aufgenommen werden.“
Ist das bekannt, kann das fliemoderiert, sensibilisiert, wurden
Lösungsmöglichkeiten ermittelt ßende Wasser oft durch recht einund in einer „Roadmap 2020 Re- fache bauliche Maßnahmen auf
zwei fraGen an
schwelle vor der Haustür
▶ jens Hasse
RWTH-Institut für
Wasser- und
Abfallwirtschaft
Sollten auch Hausbesitzer an der
klimasensiblen Stadtentwicklung
mitwirken?
Hasse: Ja. Zum einen können sie
damit ihr Haus und Eigentum vor
Schäden durch urbane Überflutungen bewahren. Aber sie können auch bares Geld sparen, indem sie Regenwasser, was auf
ihrem Grundstück anfällt, nicht
mehr in die Kanalisation leiten
oder im Falle von Starkregenereignissen zumindest weitestgehend
zurückhalten und zwischenspeichern. Regenwasser, das nicht in
der Kanalisation landet, muss
auch nicht in der Kläranlage aufbereitet werden. Mit Regenwasser
lässt sich natürlich der Garten be-
wässern, aber zum Beispiel auch
die Toilettenspülung betreiben.
Und der weiter unten liegende
Nachbar, Straßenzug oder Stadtteil wird es ebenfalls danken,
wenn so zusammengearbeitet
wird.
Sind bauliche Maßnahmen nicht
sehr teuer?
Hasse: Oft nicht. Meistens reicht
schon eine Stufe von zehn Zentimetern vor der Haustür oder eine
entsprechende Schwelle vor der
Einfahrt oder Kellertreppe. Das
lässt sich durchaus auch barrierefrei regeln. Wichtig ist auch, die
eigenen Rückhalteklappen regelmäßig zu kontrollieren. Bei Neubauten sollten die Bauherren bei
Bedarf auch den eigenen Architekten für das Thema sensibilisieren. Meistens ist nur ein kleines
Umdenken in der Planung nötig,
um den Fluss des Wassers nicht
zum Haus hin, sondern vom Haus
weg zu organisieren.
AVV: Entdeckung
der Langsamkeit
E
ine Zugfahrt, die ist lustig.
Eine Zugfahrt, die ist
schön? Selten so gelacht!
Einen „attraktiven Nahverkehr
für die Region“ (AVV-Webseite)
suchen Kunden des Verkehrsverbundes auf der Strecke
Aachen-Düsseldorf seit Jahresbeginn vergeblich. Klar: Bauarbeiten sind notwendig und
bringen Einschränkungen mit
sich. Schön wäre es allerdings,
die Bahn würde das nachvollziehbar erklären und womöglich für Abhilfe sorgen.
Das Debakeldesaster beginnt
bei einem Sonderfahrplan, der
nur vor dem Hintergrund der
angewandten Chaostheorie zu
verstehen ist: Einzelne Seiten
haben mehr Fußnoten als Doktorarbeiten von Soziologen. Frei
nach dem Motto: „RB-XY fährt
nur an Tagen mit gerader
Datumsziffer, nicht aber am
Sonntag zwischen 12 und 22
Uhr; außer am 31. Januar und
bei Regen – es sei denn, der Lokführer heißt Sven.“
Und dann erst der Schienenersatzverkehr! Die Busfahrer verfahren sich gerne mal im Autobahnkreuz Aachen (kein Witz)
und laden dann zu entspannten
Rundreisen durch Aachener
Vororte ein. Immer vorausgesetzt, man erwischt am Hauptbahnhof den richten Bus. Rudimentäre Erklärungen dazu finden sich nur auf einem kleineren Zettel an der Info-Tafel im
Inneren.
Ansonsten rennt man halt
von Bus zu Bus und fragt andere
Menschen, die auch nichts wissen, was ganz nett ist, weil man
so endlich wieder ins Gespräch
miteinander kommt. Wären da
nur nicht die Leute, die immer
etwas zu meckern haben!
▶ [email protected]
Kurz notiert
WZL-Feuer: Forscher
nehmen Arbeit heute auf
Auch in der Region gibt es immer wieder Hochwasser: Rur und Inde (hier die Inde in Kornelimünster) treten bei
starkem Regen regelmäßig über die Ufer.
Foto: Michael Jaspers
der Oberfläche dort gehalten oder
dahin geleitet werden, wo es keinen oder nur wenig Schaden anrichtet. „Das können Spielplätze,
Parkplatzflächen oder Parks sein.
Manch einer kann seine Wiese
hinterm Haus zum Regenrückhaltebecken umfunktionieren und
damit vielleicht auch Gebühren
sparen“, nennt Hasse einfache Lösungsmöglichkeiten.
Den Klimafolgen in der Region
zu begegnen, ist nämlich nicht so
sehr eine ingenieurwissenschaftliche Herausforderung, sondern
vielmehr eine Kommunikationsaufgabe – vor allem innerhalb von
Verwaltungen. „Immer wenn
Stadtteilerneuerungsprojekte anlaufen, Bebauungspläne geändert
oder neu aufgestellt werden, muss
das Klima fachbereichsübergreifend mitgedacht werden“, ist Hasses Botschaft. „Vorher gut abgestimmt ist vieles dann baulich zu
regeln wie höhere Bordsteine oder
Schwellen. Und es muss nicht einmal deutlich teurer sein, wenn es
gleich von Beginn an und von allen Beteiligten eingeplant wird.“
Wege für das Wasser
Mitarbeiter vom Planungs-, Tiefbau- und Hochbauamt und natürlich die Politiker im Stadt- oder Gemeinderat sollten Folgendes im
Blick haben und möglichst auch
gemeinsam darüber reden: Belüftungskorridore für Innenstädte,
um den steigenden Sommertemperaturen und den zunehmenden
Hitzeperioden Paroli zu bieten;
Versickerungsflächen, dezentrale
Rückhalteeinrichtungen
und
„Wege für das Wasser“, die für
Starkregen-Ereignisse wichtig sind
und potenzielle Überschwemmungsgebiete freihalten.
„Wir raten nicht dazu, die Kanalisation immer weiter auszubauen.
Irgendwann kommt auch in Zukunft der eine große Regen, den
die Kanalisation nicht mehr
schafft“, so Hasse.
Am Ende muss natürlich auch
geklärt werden, wer wieder aufräumt. „Wenn klar ist, dass der
Park, der Spielplatz oder die Parkplatzfläche wieder gereinigt werden, akzeptieren die meisten Bürger entsprechende Maßnahmen“,
weiß der Wasserexperte aus Befragungen.
Kommunikation ist auch gefragt, wenn es um konkurrierende
Wassernutzung geht – auch das
war ein Thema von Dynaklim. Haben die Stadtwerke ein größeres
Anrecht, Wasser aus dem Fluss zur
Trinkwassergewinnung zu entnehmen, als der Bauer bei Regenmangel seine Felder zu bewässern oder
der Kraftwerksbetreiber, um die
Kühlung aufrecht zu erhalten? „Es
kann da um Existenzen gehen,
deshalb sollte jeder jeden ernst
nehmen“, findet Hasse. Die Konkurrenten an einen Tisch holen –
das kann sich als zielführend erweisen. „Hat jeder seine rote Linie
formuliert, lässt sich konstruktiver
arbeiten.“
roadmap 2020
Mit der Roadmap 2020, davon ist
Hasse überzeugt, gibt es jetzt ein
gutes Instrument für viele NRWKommunen, um sich besonders
auf einen effizienten Umgang mit
zukünftig häufigerem Starkregen
vorzubereiten. Er weiß aber auch,
dass Kommunen immer vor vielen
Themen und Herausforderungen
stehen.
Auch Eigenheimbesitzer können tätig werden (siehe Kurzinterview). Abgestimmt mit kommunalem Handeln verspricht das den
größten Erfolg. Dialog ist also auch
hier gefragt.
Klimasensibel bauen: Tipps für Hauseigentümer
Wie sich klimasensibel bauen und
wohnen lässt, damit haben sich bereits zahlreiche Institutionen beschäftigt.
Dynaklim-Projektleiter Jens Hasse
verweist unter anderem auf die Broschüre „Bremer Häuser im Klimawandel. Schutz vor Starkregen und
Hitze“ vom Bremer Senator für Umwelt, Bau und Verkehr von 2014:
„Die Problemlage ist ungeachtet
der Meeres- oder Flussnähe von Bre-
men sehr ähnlich mit NRW, die
Empfehlungen und Maßnahmen für
Wohn- und Gewerbegebiete sind
deshalb gut übertragbar.“ Es gibt sie
als Download unter www.bauumwelt.bremen.de unter der Rubrik Abwasser.
Das Deutsche Institut für Urbanistik
(Difu) arbeitet zurzeit außerdem an
dem „Bauherrenratgeber Klimaanpassung“. Er wird voraussichtlich im
Frühjahr an die Kommunen verteilt
und ist dann auch digital erhältlich.
aachen. Nach dem verheerenden Feuer in einer Versuchshalle des Werkzeugmaschinenlabors (WZL)der RWTH Aachen
in der Nacht zum Freitag kann
heute in den umliegenden Gebäuden wieder gearbeitet werden. Das erklärte RWTH-Sprecherin Renate Kinny gestern auf
Nachfrage unserer Zeitung. Somit können auch laufende Forschungsprojekte im ManfredWeck-Haus, im Herwart-OpitzHaus (beide werden vom WZL
genutzt), im Fraunhofer-Institut
für Produktionstechnologie
wieder aufgenommen werden.
Allein das Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen wird
noch verschlossen bleiben, ehe
sicher ist, dass das Gebäude an
dieser Stelle durch den Großbrand keinen Schaden genommen hat. Auch der Zugriff auf
sämtliche Daten des WZL wird
für die Wissenschaftler heute
wieder möglich sein. Unterdessen erfassen die Juristen der
RWTH Aachen den Schaden an
den Versuchsanlagen der Hochschule, die die RWTH bei ihrer
Versicherung geltend machen
kann. Nicht versichert ist dagegen das Gebäude, dass sich im
Besitz des Landes befindet. Der
Gesamtschaden durch das Feuer
wird bis dato auf rund 50 Millionen Euro beziffert. Über die
Brandursache konnte noch
keine Angabe gemacht werden,
erst am Mittwoch sollen die Ermittlungen vor Ort aufgenommen werden können. (tka)
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