28.06.2015

Predigt am 28. Juni 2015
4. Sonntag nach Trinitatis
Predigttext: Lukas 6, 36-38
Liebe Gemeinde,
einige Verse aus dem Lukasevangelium sind als Predigttext für heute vorgeschlagen. Diese Worte stammen von Jesus und der Evangelist hat sie in der sogenannten Feldrede zusammengestellt. Ich habe entschieden, mich auf die
Verse 36-38 aus dem 6. Kapitel zu beschränken, auch wenn noch vier weitere Verse vorgeschlagen werden, lesen Sie
diese doch zu Hause einfach nach. Für mich hatten die drei Verse schon Sprengstoff genug. Oder wie klingt das in
ihren Ohren, wenn Jesus sagt:
»Seid barmherzig so wie euer Vater im Himmel!
Richtet nicht über andere, dann werdet ihr auch nicht gerichtet werden! Verurteilt keinen Menschen, dann werdet auch ihr nicht verurteilt! Wenn ihr bereit seid, anderen zu vergeben, dann
wird auch euch vergeben werden.
Gebt, was ihr habt, dann werdet ihr so reich beschenkt werden, dass ihr gar nicht alles aufnehmen
könnt. Mit dem Maßstab, den ihr an andere legt, wird man auch euch messen.«
Liebe Gemeinde,
das ist doch wohl genug für eine Woche, oder?
Ich weiß jetzt natürlich nicht, welcher von diesen Sätzen Sie gerade am meisten angesprochen hat. Deswegen lassen
Sie uns noch einmal von Anfang an hören und nachdenklich werden.
Die ersten beiden Worte geben vor, worum es Jesus nicht nur im Folgenden, sondern mit seinem ganzen Sein geht.
Seid barmherzig.
Das ist wie so eine Überschrift. Das steht hoch oben über einem Leben, es ist sozusagen, die Sonne, die immer wieder
durchleuchtet, manches Mal hell scheint und ein anderes Mal gegen die Wolken ankämpft. Bin ich barmherzig?, habe ich beim Lesen und Nachdenken überlegt.
Jesus setzt in seiner Aufforderung voraus, dass ich das sein kann. Hey, sagt Jesus sei es doch einfach. Und da sitzt du
dann und denkst, da glaubt einer, das liegt in dir drin, das ist im Bereich deiner Möglichkeiten. Es ist nichts, was ich
mir mühsam aneignen muss, es ist nichts, was ich machen muss, nein, es ist mir geschenkt. Die Barmherzigkeit ist
ein Geschenk Gottes an sein Geschöpf, an mich. Ich muss sie nur zulassen. Und nun ist es so ein bisschen, wie bei
uns zum Geburtstag.
Wenn dann die Geschenke vor mir liegen und sie alle sind so schön eingepackt, die Kerzen brennen und es ist einfach nur schön, dann sagt jemand zu mir, der es nicht mehr aushalten kann: „nu pack schon aus!“
Die Barmherzigkeit ist eingepackt in uns und nun sagt Jesus: „Pack sie aus!“ Und wenn du das machst, dann machst
du dem Vater im Himmel Ehre, dann bist du sein Kind, dann entsprichst du deiner Bestimmung. Denn Gott ist
barmherzig. Das ist nicht etwas von Gott, das ist sein Wesen. Er wird nicht irgendwann einmal barmherzig sein, er
ist es. So gilt auch uns, nicht werde barmherzig, sei barmherzig.
Quelle: www.kirche-brueggen-elmpt.de
Mit dieser Sonne am Himmel meines Lebens leuchten die nächsten Sätze ein.
Richtet nicht über andere, dann werdet ihr auch nicht gerichtet werden!
Der Dichter Christian Morgenstern schrieb Ende des 19. Jahrhunderts:
„Niemand war und ist mir eine empfindlichere Geißel als der richterlich geartete Mitmensch. Er ist für mich der
personifizierte böse Blick. Vor ihm erschrickt alles Lebendige in mir so tief, als hätte der Tod selbst es gestreift. So
mag eine Pflanze aufhören zu wachsen, wenn sie ein schlimmer Zauberer anhaucht. Sie will gern von Wind, Regen
und Kälte vernichtet werden, und wenn sie jemand zertritt, so wird sie es als etwas Natürliches hinnehmen; aber
sich bei lebendigem Leibe von einem andern lebenden Wesen schlechtweg in Frage stellen, verneinen, für unfähig,
für einen Irrtum erklären lassen zu müssen und das nicht etwa unter einem Feuer von Leidenschaft, sondern kalt,
vorbedacht – das ist unerträglich.“
Liebe Gemeinde,
dieses Richten über andere, dieses den anderen meinen beurteilen zu können und zu sollen, es steckt so tief in uns
Menschen drin.
Ich an ihrer Stelle hätte da aber, …
Das geht ja jetzt nun gar nicht, was sie da …
Sie hätten aber doch bedenken müssen, dass …
Was du da gemacht hast, das ist unverzeihlich.
Dich kann ja keiner lieb haben.
Wer braucht dich denn eigentlich.
Hast du jemals in deinem Leben schon etwas richtig gemacht?
Du störst uns in unserer Gemeinschaft.
Wir klettern eben gerne auf den Chefsessel. In einem Schloss, das wir besuchten, als unsere Kinder noch klein waren,
befand sich der Stuhl des Königs, der geradezu einlud auf ihm Platz zu nehmen. Meine Kinder kletterten hinauf und
wir machten das obligate Ferienfoto. Doch nicht nur die Kinder kletterten auf diesen Stuhl, auch die Erwachsenen
nahmen nur allzu gern darauf Platz, denn auf diesem Platz überragte man alle Anwesenden im Königssaal.
Sich über den anderen setzen, das ist schnell geschehen, sich zum Herrn über andere aufspielen, sich zum Besserwisser machen, das ist eine ständige Gefahr. An anderer Stelle wird Jesus einmal sagen, wer der Herr über andere sein
will, der soll der Diener aller sein. In Gottes Reich ticken nicht nur die Uhren anders, hier sind die Gebeugten und
Geknickten die Begnadeten des Herrn. Wer sich selbst erhebt, der wird erniedrigt werden. Wer richtet, wird selbst
gerichtet werden.
Wobei Jesus offen lässt, wer das sein wird, der einen solchen gnadenlosen oder besser sollte ich sagen, unbarmherzigen Richter oder eine solche unbarmherzige Richterin richten wird. Manches Mal werden es andere Menschen sein,
denn die Geister, die ich rief, werde ich nicht los. Oder es wird einst der Herr der Geister, Gott selbst sein, der dann
ein unbarmherziges Gericht sprechen wird.
Eine neue Woche liegt vor mir, ich werde beobachten, wo ich wieder einmal dabei bin Richter zu spielen und ich werde die Barmherzigkeit bitten mein Gast zu sein.
Verurteilt keinen Menschen, dann werdet auch ihr nicht verurteilt!
Quelle: www.kirche-brueggen-elmpt.de
Dem Richterspielen folgt dann logischerweise das Urteil sprechen. Doch der, dem die Barmherzigkeit fremd ist, wird
nicht urteilen, er wird verurteilen. Und das griechische Wort spiegelt die schlimmste Art des Verurteilens wieder.
Dieses Wort kann man auch mit verdammen übersetzen. Jemanden verdammen meint dann, jemanden mit der
Höchststrafe belegen, ihn vom Leben zu trennen auf und für alle Zeit.
Der ist für mich gestorben, sagen Menschen.
Da gibt es keinen Weg mehr zurück, sagen Menschen.
Es ist aus und vorbei, sagen Menschen.
Die braucht nie mehr wieder zu kommen, sagen Menschen.
Und Jesus weint.
Ich bin für diesen Menschen gestorben, sagt er leise.
Ich habe versprochen mich jedem zuzuwenden, der zu mir kommen will, sagt er zärtlich.
Ich bin auferstanden, damit nichts mehr aus und vorbei ist, sagt er lächelnd unter Tränen.
Ich stehe vor dem Haus meines Vaters, um jeden in die Arme zu schließen, der zu mir kommt, sagt er ruhig.
Und, sagt er, wenn du Mensch nicht aufhörst Menschen zu verurteilen, dann werde ich eines Tages sagen, ich kenne
dich nicht, denn das ist nicht das, was ich dir gezeigt und vorgelebt habe.
Eine neue Woche liegt vor mir, ich werde beobachten, wo ich wieder einmal dabei bin Menschen zu verurteilen und
ich werde die Barmherzigkeit bitten mein Gast zu sein.
Ein Ausleger spricht davon, dass den beiden negativen Beispielen nun zwei positive folgen. Das erste lautet:
Wenn ihr bereit seid, anderen zu vergeben, dann wird auch euch vergeben werden.
Es kommt mal wieder nichts im Fernsehen. Ich zappe durch die Programme. Das sieht interessant aus. Da steht ein
Karatekämpfer inmitten eines Fernsehstudios. Vor ihm ein Stapel von Betonplatten. Er steht in sich gekehrt vor dem
Stapel, dann führt er ganz langsam die Bewegung aus, die er wohl gleich schnell ausführen wird, um den Stapel zu
zerbrechen. Dann versinkt er noch einmal in eine innere Starre. Er hobt den Kopf, atmet tief aus und ein. „Bereit?“
fragt der Moderator. Der Kampfsportler sagt: „Bereit.“ Dann geht alles ganz schnell.
Vergebung braucht Bereitschaft. Vergebung braucht die Konzentration auf den Menschen. Vergebung braucht die
Sammlung aller Kräfte. Vergebung, die gelingen soll, muss in Herz und Hirn, bevor sie durch den Mund oder die Arme und Hände ausgeführt werden kann. Dann geht alles ganz schnell.
Dann schließe ich mein Kind in die Arme.
Dann komme ich dem Zögernden entgegen.
Dann richte ich den Geknickten auf.
Dann finde ich ein Wort des Trostes, eine Geste der Liebe.
Dann lebe ich wie Jesus. Dann zeichne ich sein Bild nach, dann schließt mich Jesus in die Arme, dann höre ich sein
liebendes Herz für mich schlagen, dann höre ich sein, ich lasse dich niemals allein, ich bin bei dir alle Tage.
Eine neue Woche liegt vor mir, ich werde mich bereithalten um anderen vergebend zu begegnen. Ich werde die
Barmherzigkeit bitten mein Gast zu sein.
Und schließlich noch das zweite positive Beispiel:
Quelle: www.kirche-brueggen-elmpt.de
Gebt, was ihr habt, dann werdet ihr so reich beschenkt werden, dass ihr gar nicht alles aufnehmen
könnt.
Geben ist seliger als nehmen, diese Erfahrung macht nur der, der gibt. Und ich glaube, Jesus hat nur zu einem ganz
kleinen Teil gemeint, dass wir unseren äußeren Besitz teilen sollen. Sicherlich gehört zu dem, was wir geschenkt bekommen haben auch der finanzielle Aspekt, eben unser irdischer Reichtum an Geld, Immobilien und Gütern. Aber es
ist auch das andere, was Gott uns geschenkt hat, es sind Liebe und Vertrauen, Zärtlichkeit und Weitsicht, Visionen
und Träume, Glauben und Geduld, Verantwortung und Weisheit. Mann und Frau werden es ausprobieren müssen,
ob Jesus Recht gehabt hat. Wird man wirklich reicher über das Maß hinaus, was wir aufnehmen können?
Eine neue Woche liegt vor mir, ich werde versuchen meine Hände zu öffnen und zu teilen, was mir geschenkt worden
ist. Ich werde die Barmherzigkeit bitten mein Gast zu sein.
Und schließlich beendet Jesus diese vier Beispiel für ein gelungenes menschliches Leben und Miteinander, indem er
sagt:
Mit dem Maßstab, den ihr an andere legt, wird man auch euch messen.«
Das wirkt so wie eine Klammer um das Genannte. In einem Sprichwort heißt es einmal, was der Mensch sät, das wird
er ernten.
Ich hoffe in der nächsten Woche auf eine gute Ernte. Schön wäre es, wenn wir das gemeinsam tun
Amen
Quelle: www.kirche-brueggen-elmpt.de