Die (häufig lästige) verdeckte Eigentümergrundschuld

Verlag Dr. Otto Schmidt 23.11.2015
MDR 22/2015
1273
IMMOBILIENRECHT
RA Wolfgang Barchewitz
Die (häufig lästige) verdeckte Eigentümergrundschuld
Gelegentlich bestehen gerade bei Grundstücken, deren
Grundbuch seit längerem nicht aktualisiert wurde, erhebliche rechtliche Verwertungsschwierigkeiten. Obwohl die
verdeckte Eigentümergrundschuld in der wirtschaftlichen
Praxis unstreitig wegen der vorherrschenden Sicherungsgrundschuld nicht mehr die frühere Rolle spielt, kann
ihre Aufdeckung auch heute noch ein lohnendes Unterfangen sein. Der folgende Beitrag beleuchtet die verdeckte Eigentümergrundschuld anhand ihrer Entstehung und
Folgen in der kredit- und vollstreckungsrechtlichen Praxis.
I. Ausgangslage
Verwertungsschwierigkeiten bei Grundstücken, deren
Grundbuch seit längerem nicht aktualisiert wurde, resultieren daraus, dass der Veräußerer seine im notariellen
Veräußerungsvertrag übernommene Pflicht, die veräußerte Immobilie in Abteilung III lastenfrei zu liefern, nicht
zeitgerecht erfüllen kann.
Eine wirtschaftlich vergleichbare Situation tritt in Fällen
der Vollstreckungs- oder Teilungsversteigerung auf. Oft
bleiben hier Grundpfandrechte mit erheblichen Kapitalbeträgen als Teil des geringsten Gebotes bestehen (vgl.
§ 44 ZVG). Erfahrungsgemäß verunsichern fortbestehende Grundpfandrechte mit hohen Beträgen vorhandene
Bietinteressenten. Diese sehen von Geboten ab, weil sie
die Folgen der fortbestehenden Grundpfandrechte nicht
abschätzen können oder aber den späteren Löschungsaufwand scheuen. In der weiteren Folge kommt es zu keinem zuschlagsfähigen Gebot (vgl. §§ 77, 85a ZVG), so
dass sich das Versteigerungsverfahren stark verzögert
oder im ungünstigsten Fall aufgehoben wird, ohne dass
das Verwertungsobjekt einen neuen Eigentümer gefunden
hat.
(Mit)Ursächlich für diese Konstellation ist häufig die verdeckte (oft auch noch plastischer: verschleierte)1 Eigentümergrundschuld. Denn auch dieses Grundpfandrecht
kann nur gelöscht werden, wenn der Inhaber des Rechtes
die Löschung bewilligt und der Grundstückseigentümer
zustimmt (vgl. §§ 875 sowie 1183 BGB).
Dabei ist das Zustimmungserfordernis des Grundstückseigentümers nichts Besonderes. Dieser ist namentlich aus
dem Grundbuch bekannt; seine Blockade kann notfalls
im Prozesswege mit Hilfe des vorgemerkten oder gesetzlichen Löschungsanspruches durchgesetzt werden (s. dazu
auch unten unter III. 3.). Problematisch ist dagegen die
Mitwirkung des Inhabers der verdeckten Eigentümergrundschuld. Denn dessen Identität „verdeckt“ das
Grundbuch ja; häufig wird die Sache dadurch noch komplizierter, dass es nicht nur einen, sondern mehrere (Mit)
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Der Autor ist selbständiger Rechtsanwalt und schwerpunktmäßig auf
dem Gebiet der Immobilienfinanzierung- und -vollstreckung tätig;
www.rechtsanwalt-barchewitz.de.
Wörbelauer, NJW 1958, 1513.
Siehe im Einzelnen Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012,
Rz. 2707.
Siehe dazu Schöner/Stöber, s. Fn. 2, Rz. 2421.
BGH v. 15.4.2010 – V ZR 182/09, MDR 2010, 856 – Internet.
Ivo in Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 4. Aufl. 2015, Rz. 1490.
Im Einzelnen: Eickmann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl. 2012, § 868
ZPO Rz. 15 ff.
Schöner/Stöber, s. Fn. 2, Rz. 100d m.w.N.
Siehe dazu Ivo, s. Fn. 5, Rz, 1409.
Exemplar für
Berechtigte gibt, deren Identität erst ermittelt werden
muss.
II. Fortdauernde praktische Relevanz der verdeckten Eigentümergrundschuld
Möglicherweise reibt sich der versierte Bank- oder Sachenrechtler jetzt verwundert die Augen: Ist das Ganze
nicht ein überholtes Scheinproblem von gestern? Die verdeckte Eigentümergrundschuld hat doch etwas mit der
Hypothek zu tun, die in der wirtschaftlichen Praxis unstreitig von der Sicherungsgrundschuld verdrängt ist!?
Doch dieser Einwand ist zu kurz gesprungen.
1. Hypothek als vorherrschendes Sicherungsmittel
Viele Grundstücke, die in den Wirtschaftswunder-Jahren
nach dem zweiten Weltkrieg bebaut wurden, werden jetzt
vererbt und kommen erst jetzt wieder an den Grundstücksmarkt. Da z.B. die Hypothekenbanken zumindest
bis Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ihre
Kredite durch Hypotheken absichern ließen, schlummern
in den betroffenen Grundbüchern noch jede Menge verdeckte Eigentümergrundschulden.
2. Sicherungsgrundschuld und verdeckte Eigentümergrundschuld
Des Weiteren stellt sich das Problem der verdeckten Eigentümergrundschuld partiell auch bei der Sicherungsgrundschuld. Zu denken ist beispielsweise an einen vorherigen Verzicht des (Fremd)Grundschuldgläubigers nach
§ 1192 Abs. 1 i.V.m. 1168 BGB2 oder an eine Ablösung
der Fremdgrundschuld durch den Grundstückseigentümer.3 Schließlich entsteht eine verdeckte Eigentümergrundschuld, wenn der Eigentümer des Pfandobjekts die
(ehemalige) Fremdgrundschuld erwirbt – etwa als Erbe
oder Abtretungsempfänger – vgl. § 889 BGB.4
3. Heutige Einsatzfelder der Hypothek
Die Hypothek als neu eingesetztes Sicherungsmittel ist im
heutigen Wirtschaftsleben weniger „untot“ als sie oft dargestellt wird. So wird sie weiterhin zur Sicherung von familiären Ansprüchen oder als Restkaufgeldhypothek eingesetzt; darüber hinaus ist die Hypothek das einzige vollstreckungsrechtlich
vorgesehene
Grundpfandrecht
(§§ 866, 932 ZPO; § 322 AO).5 Treten hier die Voraussetzungen des § 868 ZPO ein, sind wir sofort in den Untiefen der verdeckten Eigentümergrundschuld.6
Mit anderen Worten: Auch heute noch entstehen neue
verdeckte Eigentümergrundschulden mit ihren spezifischen Problemen.
4. Zusätzliche Probleme durch Erbschaftswelle
Die Erbschaftsfälle nehmen markant zu. Geht bei dieser
Gelegenheit die verdeckte Eigentümergrundschuld auf
eine Erbengemeinschaft über, von der im Extremfall im
Rahmen der Globalisierung einzelne Mitglieder im Ausland leben, vervielfachen sich die Probleme. Denn die zur
Grundbuchbereinigung erforderlichen Erklärungen müssen bekanntlich von allen Miterben abgegeben werden.7
Das ist besonders lästig bei den „Splitterrechten“, in die
sich die Tilgungshypothek während der Tilgungsphase
verwandelt8 (nachstehend auch als „Scheibe“ bezeichnet). Denn die durch die jeweilige Tilgungsleistung entste-
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Immobilienrecht
hende verdeckte Eigentümergrundschuld steht demjenigen zu, der im Zahlungszeitpunkt Grundstückseigentümer war. Mit anderen Worten: Werden die Tilgungszahlungen im Laufe der Zeit von verschiedenen Eigentümern
des Pfandobjektes geleistet, gibt es auch mehrere Inhaber
der jeweils entstandenen „Eigentümergrundschuld-Scheiben“ innerhalb des Grundpfandrechtes.9
III. Maßnahmen gegen die Folgen der verdeckten Eigentümergrundschuld
Die Entstehung der verdeckten Eigentümergrundschuld
ist unabwendbar; die Entstehung kann mit dinglicher
Wirkung nicht durch Vereinbarung verhindert werden.10
Es geht also darum, ihre Folgen zu „entschärfen“ oder sie
praktisch handhabbar zu machen.
1. Frühzeitige Grundbuchbereinigung
Hier ist schon viel geholfen, wenn nur der jeweilige aktuelle Grundstückseigentümer Inhaber aller aktuell bestehenden Eigentümergrundschulden-Scheiben ist.
Das wird natürlich am besten dadurch erreicht, dass bei
jeder rechtsgeschäftlichen Veräußerung des Pfandobjektes
die Löschung der in der Hand des Veräußerers entstandenen Eigentümergrundschuld-Scheibe bewilligt und anschließend im Grundbuch vollzogen wird. Leider unterbleibt das in der Praxis häufig; die vom noch eingetragenen Fremdhypothekar erteilte Löschungsbewilligung
wird zu den Unterlagen genommen – nicht aber zum Vollzug beim Grundbuchamt eingereicht.
Sofern (z.B. aus Rationalisierungs- oder Kostengründen
wegen Geringfügigkeit der entstandenen Scheibe) die Löschung des in der Hand des Veräußerers entstandenen
Rechtes aktuell bewusst nicht durchgeführt werden soll,
muss dieses zumindest an den Erwerber abgetreten werden.11 Dann tritt das Problem der Splitterrechte später
nicht auf. Denn in der Abtretung lässt sich zugleich das
Einverständnis des bisherigen Inhabers sehen, dass der
Erwerber zur gegebenen Zeit (auch) der Aufhebung der
Scheibe des Veräußerers zustimmt – § 185 BGB12
An dieser Stelle trifft die Notare eine erhöhte Überwachungs- und Belehrungspflicht bei der Beurkundung
von Veräußerungsverträgen.
2. Löschung oder Wiederverwendung der verdeckten
Eigentümergrundschuld?
Besonders die institutionellen Kreditgeber mögen die verdeckte Eigentümergrundschuld nicht. Denn bei dieser
sind sie der Gefahr ausgesetzt, nicht die „risikolose“ Löschungsbewilligung, sondern die „risikoreiche“ (weil haftungsträchtige) „löschungsfähige Quittung“ erteilen zu
müssen.13
a) Eingetragene Löschungsvormerkung am eigenen
Recht
Zur Vermeidung dieser Gefahren vereinbarten die Geldgeber früher mit dem Besteller der Hypothek, dass von
den Kreditinstituten nur die Mitwirkung bei der Löschung (= Aufhebung gem. § 875 BGB) des Rechtes –
nicht aber bei der Wiederverwendung der verdeckten Eigentümergrundschuld (durch Erteilung einer löschungsfähigen Quittung) verlangt werden konnte. Diese Vereinbarung wurde verdinglicht durch eine Löschungsvormerkung am eigenen Recht.14 Das führte dazu, dass der vorgemerkte Löschungsanspruch selbst dann gegen den ursprünglichen Besteller des Grundpfandrechtes geltend gemacht werden konnte, wenn dieser zwischenzeitlich das
Grundstückseigentum an einen Dritten veräußert hatte.15
Erfüllte der Schuldner den Anspruch nicht freiwillig, war
Exemplar für
allerdings Klage auf Löschung erforderlich. Vor diesem
Hintergrund ließ sich der Gläubiger häufig noch in öffentlich beglaubigter Form bevollmächtigten, namens des
Schuldners die nach § 1183 BGB/§ 27 GBO erforderliche
Löschungserklärung gegenüber dem Grundbuchamt abzugeben. Mit Hilfe dieser Vollmacht war der Gläubiger
dann in der Lage, die Löschung der für ihn eingetragenen
Hypothek, der er ja nicht mehr bedurfte, durchzusetzen,
ohne auf die Mitwirkung des nicht kooperationswilligen
Schuldners angewiesen zu sein.16
b) Gesetzlicher Löschungsanspruch nach § 1179b
BGB
Da mit der eintragungspflichtigen Löschungsvormerkung
am eigenen Recht ein erheblicher Aufwand für alle Beteiligten verbunden war, konzediert der Gesetzgeber seit
1978 dem eingetragenen Hypothekengläubiger einen
gleichsam automatischen, verdinglichten gesetzlichen Löschungsanspruch gem. § 1179b BGB („Löschungsanspruch am eigenen Recht“).17 Auch mit diesem Instrument kann die Löschung der verdeckten Eigentümergrundschuld durchgesetzt werden.
Anders als früher kann es nunmehr aber nicht nur einen,
sondern ggf. mehrere „Löschungsschuldner“ geben.18
Das trifft immer dann zu, wenn es mehrere Scheiben-Inhaber gibt. Der vorstehend geschilderte praktische Weg
über die zusätzliche Löschungsvollmacht des Hypothekenbestellers führt heute also nur in den Fällen weiter, in
denen der Vollmachtgeber im Löschungszeitpunkt alleiniger Inhaber sämtlicher bis dahin entstandener verdeckten
Eigentümergrundschulden ist.19
3. Zivilrechtliche Klage auf Löschung
Verweigern der eingetragene Grundpfandrechtsgläubiger
und/oder der oder die Scheibeninhaber die freiwillige
Mitwirkung bei der Löschung der Eigentümergrundschuld, muss der Löschungsberechtigte sie auf Mitwirkung bei der Löschung verklagen. Anspruchsgrundlage
gegen den Scheibeninhaber ist der vorgemerkte oder gesetzliche Löschungsanspruch; der Anspruch gegen den
(noch) eingetragenen Drittgläubiger ist in § 888 BGB begründet.20
9 Bohn, „Das Hypothekenrecht und die Zwangsvollstreckung in
Grundstücke“, 8. Aufl. 1958, Rz. 738.
10 Vgl. Bassenge in Palandt/BGB, 74. Aufl., § 1163 Rz. 14 m.w.N.
11 Vgl. Ivo, s. Fn. 5, Rz. 1409; auch Schöner/Stöber, s. Fn. 2, Rz. 2740 ff.
mit dem berechtigten Hinweis, dass dieses Verfahren auch für die vergleichbare Situation der Rückgewähransprüche bei der SicherungsGrundschuld anzuwenden ist, auch Rz. 3156.
12 Wolfsteiner in Staudinger/BGB, Bearb. 2009, § 1179 Rz. 51; auch
Kaps, DR 1941, 412 ff.
13 Siehe Wolfsteiner in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der
freiwilligen Gerichtsbarkeit, 22. Aufl. 2008, § 70 Rz. 22; Bohn, s. Fn.
9, Rz. 625 ff.
14 Ivo, s. Fn. 5, Rz. 1367.
15 Wolfsteiner, s. Fn. 12.
16 Vgl. Bohn, s. Fn. 9, Rz. 694; soweit heute noch bei vor 1978 bestellten Rechten eine solche Vormerkung am eigenen Recht eingetragen
ist, kann es also durchaus Sinn machen, mit dem ausgewiesenen
Gläubiger Kontakt aufzunehmen und zu klären, ob er (auch) über
eine entsprechende Vollmacht verfügt; ggf. ist er dann – im Zweifel
gegen entsprechende Freistellungserklärung – bereit, die Löschung
seines nicht mehr valutierenden Rechtes „im Alleingang“ durchzusetzen; der Autor hat mit diesem Vorgehen bereits praktisch gute Erfahrungen gemacht.
17 Vgl. dazu Eickmann, s. Fn. 6, 6. Aufl. 2013, § 1179b BGB Rz. 1.
18 So Eickmann, s. Fn. 17, § 1179a Rz. 21 mit Hinweisen auch auf die
Gegenmeinung.
19 So auch Eickmann, s. Fn. 17, § 1179a BGB Rz. 21.
20 Vgl. Bassenge, s. Fn. 10, § 1179 Rz. 15 m.w.N.
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Immobilienrecht
4. Verdeckte Eigentümergrundschuld und Zwangsversteigerung
Häufig schläft die verdeckte Eigentümergrundschuld einen Dornröschenschlaf, weil „in guten Tagen“ kein Beteiligter deren Löschung oder Offenlegung verlangt hat.
Dieser Tiefschlaf wird erst unsanft beendet, wenn das
Pfandobjekt versteigert wird.
Spätestens jetzt werden die Beteiligten durch den Weckruf
der Zwangsversteigerung wach und nutzen häufig die
Zeit bis zum Versteigerungstermin, um die Grundbuchbereinigung – ggf. mit Hilfe des vorgemerkten oder gesetzlichen Löschungsanspruches – durchzuführen.
Was aber geschieht mit der verdeckten Eigentümergrundschuld, wenn diese tatsächlich bis zum Versteigerungstermin als solche vor sich hinvegetiert?!
a) Eigentümergrundschuld außerhalb des geringsten
Gebotes
.
Der Erlös als Surrogat im Teilungsplan:
Dieser
Fall
ist
vergleichsweise
einfach.
Zwar weist das Grundbuch weder den Inhaber noch
die genaue Höhe der Scheibe aus; dafür ist aber aus
dem Grundbuch ohne weiteres die Höhe und der Inhaber der gesamten Fremdhypothek, die die Scheibe
verdeckt, erkennbar.
In aller Regel war die zugrunde liegende Hypothek
zur Zeit des Eintrags des Zwangsversteigerungsvermerkes bereits im Grundbuch verlautbart; alsdann ist
zur Rechtswahrung noch nicht einmal eine Anmeldung des Kapitals der (die Scheibe enthaltenden)
Fremdhypothek erforderlich.
Sofern der Versteigerungserlös groß genug ist und
eine Zuteilung auf dieses Kapital zulässt, ist der Kapitalbetrag von Amts wegen in den Verteilungsplan
aufzunehmen(§ 114 ZVG); der Kapitalbetrag ist das
Surrogat für das erloschene Grundpfandrecht.21
Das Vollstreckungsgericht hat keine Ermittlungspflichten von Amts wegen, ob und ggf. inwieweit
eine ausgewiesene Fremdhypothek zur verdeckten Eigentümergrundschuld geworden sein könnte. Der
wahre Inhaber der verdeckten Eigentümergrundschuld wird im Teilungsplan also nur berücksichtigt,
wenn der Rechtsübergang offensichtlich ist oder aber
sich dem Versteigerungsgericht gleichsam „aufdrängt“.22
.
Erlösrecht des Löschungsbegünstigten:
Selbst wenn der wahre Inhaber der Eigentümergrundschuld – Scheibe im Teilungsplan als Hebungsberechtigter ausgewiesen ist, wird er sich jedoch in
der Praxis nur sehr selten über den Erhalt des anteiligen Erlöses freuen können. Denn in aller Regel verhindert diese Freude der vorgemerkte oder gesetzliche
Löschungsanspruch, sofern er spätestens bis zum Verteilungstermin angemeldet wird; die Anmeldung ist
mit einem Widerspruch gegen die Zuteilung an den
Scheiben-Inhaber zu verbinden.
Denn immer dann, wenn der Löschungsberechtigte
besser dastehen würde, wenn das löschungsbelastete
Grundpfandrecht bereits gelöscht wäre,23 kann er
21 Zum Sonderproblem der dinglichen Zinsen: Stöber, ZVG Kommentar, 20. Aufl. 2012, § 114 ZVG Rz. 6.8 ff.
22 Stöber, ZVG-Handbuch, 8. Aufl. 2007, Rz. 435.
23 Zum Erfordernis des „rechtlichen Interesses“ sowie Beispiele dazu
Eickmann, s. Fn. 17, § 1179 BGB Rz. 36.
24 Stöber, s. Fn. 21, § 114 ZVG Rz. 9.14.
25 Stöber, s. Fn. 22, Rz. 520 ff.
26 Stöber, s. Fn. 21, § 114 ZVG Rz. 9.16a.
27 Vgl. Ivo, s. Fn. 5, Rz. 1364.
28 Stöber, s. Fn. 22, Rz. 529; ZVG § 114 Rz. 9.8b.
29 Vgl. Stöber, s. Fn. 22, Rz. 534 h.
Exemplar für
der Zuteilung des Erlösanteils an den Scheiben-Inhaber unter Berufung auf den Löschungsanspruch widersprechen. Gleichwohl wird jedoch der ScheibenInhaber als Berechtigter des Erlösanteils im Teilungsplan ausgewiesen.24
Solange nicht klar ist, ob der Löschungsanspruch –
und damit der Widerspruch gegen die primäre Zuteilung – durchgreift, wird der auf die Eigentümergrundschuld entfallende Erlösanteil als auflösend bedingter Anspruch nach §§ 119, 120 ZVG behandelt.25 Das führt letztlich zur Hinterlegung des Betrages. Dieser wird danach nur dann an den Löschungsberechtigten ausgezahlt, wenn der Scheiben-Inhaber
dessen Anspruch im Teilungsverfahren anerkennt
oder ein rechtskräftiges Urteil im Widerspruchsprozess (vgl. § 115 ZVG i.V.m. §§ 876 ff. ZPO) vorliegt,
das den Anspruch des Löschungsberechtigten bestätigt.26
b) Eigentümergrundschuld bleibt als Bestandteil des
geringsten Gebotes bestehen
Unproblematisch ist der Fall, dass auch das löschungsberechtigte Recht fortbesteht. Denn alsdann wird die
Rechtslage durch den Zuschlag nicht verändert; alles
bleibt beim Alten.27
Schwieriger ist der Fall, wenn nur die verdeckte Eigentümergrundschuld fortbesteht – das begünstigte Recht aber
erlischt.
.
Dann hilft manchmal ein Antrag auf abweichende
Versteigerungsbedingungen dergestalt, dass das eigentlich fortbestehende Grundpfandrecht, das die
Scheibe enthält, entgegen den gesetzlichen Versteigerungsgrundbedingungen doch erlöschen soll (§ 59
ZVG). Wird auf diese abweichende Versteigerungsbedingung der Zuschlag erteilt, verwandelt sich das
eigentlich liegenbleibende Grundpfandrecht – und
damit auch die Scheibe – in einen Anspruch auf Teilhabe am Versteigerungserlös. Damit gelten dann die
soeben dargestellten Abwicklungsregeln über die Zuteilung des auf die Scheibe entfallenden Erlösanteils.
.
Ist dieser Weg nicht gangbar, bleibt der Löschungsberechtigte gleichwohl geschützt. Ist er – z.B. als Berechtigter eines nachrangigen Nießbrauchs – durch
eine eingetragene Löschungsvormerkung geschützt,
darf diese im Grundbuch selbst dann nicht gelöscht
werden, wenn der „geschützte“ Nießbrauch in der
Zwangsversteigerung (zumindest teilweise) ausgefallen ist.28
War der Berechtigte dagegen durch den (nicht im
Grundbuch ausdrücklich eingetragenen) gesetzlichen
Löschungsanspruch geschützt, erhält der Berechtigte
nach dem Zuschlag über das Pfandobjekt erstmals
eine im Grundbuch bei dem belasteten Recht einzutragende Löschungsvormerkung, wenn er diese
Eintragung spätestens im Verteilungstermin beantragt und er nicht aus dem Versteigerungserlös voll
befriedigt wurde29 (vgl. auch § 91 Abs. 4 sowie
§ 130a ZVG).
.
Der Ersteher übernimmt in diesem Fall also zunächst
die fortbestehende Fremdhypothek einschließlich der
dort verborgenen Scheibe. Er darf später keinen Vorteil daraus haben, wenn die Scheibe im Vollzug des
gesetzlichen oder vorgemerkten Löschungsanspruches gelöscht wird. Denn er hat ja den Fortbestand
des gesamten Grundpfandrechtes (also inklusive der
verdeckten Eigentümergrundschuld) bei seinem Gebot berücksichtigt, auf das er den Zuschlag erhielt.
Dieses Ziel wird verwirklicht durch § 50 Abs. 2 Ziff.
1 sowie § 125 Abs. 1 ZVG. Auf diesem Wege wird
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Laumen
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Schiedsrecht
sichergestellt, dass der auf die Scheibe entfallende Betrag letztendlich beim Berechtigten ankommt.30
III. Fazit
Die Probleme um die verdeckte Eigentümergrundschuld
sind trotz Vorherrschaft der Sicherungsgrundschuld
nicht tot.
Alle Beteiligten tun gut daran, das Problem im Auge zu
behalten und dieses frühzeitig „in guten Tagen“ anzuge-
hen und zu lösen. Den Notaren kommt hier eine erhöhte
Verantwortung zu.
Auch wenn „die Jagd nach der verdeckten Eigentümergrundschuld“31 ein wenig an Attraktivität verloren hat,
stellt die Scheibe bzw. der auf diese entfallende Erlösanteil in der Zwangsversteigerung immer noch ein interessantes Aktivum dar. Nur der, der mit der Scheibe
richtig umgeht, sichert sich den dort verborgenen Wert.
SCHIEDSRECHT
Präsident des AG a.D. Dr. Hans-Willi Laumen
Beweisführung und Beweisaufnahme im Schiedsverfahren
Wie in Zivilprozessen vor einem staatlichen Gericht
hängt die Entscheidung eines Schiedsverfahrens nicht selten vom Ausgang einer Beweisaufnahme ab. Das Beweisrecht der Schiedsgerichtsbarkeit unterscheidet sich aber
zum Teil gravierend von einem üblichen ZPO-Verfahren.
Der folgende Beitrag vermittelt einen Überblick über die
Besonderheiten der Beweisführung und der Beweisaufnahme in Schiedsverfahren.
I. Einführung
Schiedsverfahren werden auch in Deutschland immer beliebter.1 Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Eine
größere Flexibilität bei der Verfahrensgestaltung, regelmäßig kein Instanzenzug, kein gesetzlicher Richter – die
Zusammensetzung des Schiedsgerichts liegt in der Hand
der Schiedsparteien, und nicht zuletzt gibt es bessere
Möglichkeiten des Geheimnisschutzes sowohl nach außen – keine Öffentlichkeit des Verfahrens – als auch unter
den Schiedsparteien – weites Ermessen des Schiedsgerichts bei der Anordnung von Maßnahmen des Geheimnisschutzes.2
Wie im staatlichen Zivilprozess steht auch im Schiedsverfahren die Beweisaufnahme häufig im Mittelpunkt und
ist oft entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits.
Das Beweisrecht des Schiedsverfahrens unterscheidet sich
allerdings zum Teil gravierend von den gewohnten ZPOVorschriften. Die Kenntnis dieser Besonderheiten ist für
jeden, der als Partei, Anwalt oder Schiedsrichter an einem
Schiedsverfahren beteiligt ist, unabdingbar.
Diese Besonderheiten sollen im Folgenden etwas näher
ins Auge gefasst werden, wobei man sich von vornherein
darüber im Klaren sein muss, dass es das Beweisrecht des
Schiedsverfahrens nicht gibt. Vielmehr haben die Schiedsparteien und auch das Schiedsgericht eine Fülle von Möglichkeiten, auf die Beweisführung und die Art der Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen.
II. Bestimmung des Beweisrechts durch die
Parteien
Eine ganz wesentliche Besonderheit der Schiedsgerichtsbarkeit besteht darin, dass nicht das Schiedsgericht, sondern in erster Linie die Schiedsparteien Herren des Verfahrens sind. Dies betrifft auch und gerade die Art und
Weise der Beweisaufnahme. Sie können nämlich gem.
§ 1042 Abs. 3 ZPO das Verfahren selbst oder durch Be-
Exemplar für
zugnahme auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung
regeln.3
Eingeschränkt wird diese Befugnis lediglich durch einige
in § 1042 Abs. 1 und 2 ZPO enthaltene zwingende Regeln. Zu beachten ist danach stets das Gebot der Gleichbehandlung der Parteien, der Grundsatz der Waffengleichheit, der die prozessuale Chancengleichheit der Parteien umfasst, das Gebot des rechtlichen Gehörs sowie
die Gewährleistung anwaltlicher Vertretung.4
Unter Berücksichtigung dieser Regeln steht es den
Schiedsparteien also frei, etwa die Beweisaufnahme nach
den Regeln der ZPO zu gestalten (im Zweifel sind damit
die §§ 1025 ff. ZPO gemeint) oder auf die Grundsätze
des Common Law Bezug zu nehmen. Unabhängig von
solchen umfassenden Verfahrensordnungen können sie
sich auch über einzelne Elemente einer Beweisaufnahme
einigen.5 So können sie etwa im Hinblick auf die dadurch
entstehende Kostenbelastung vereinbaren, den Beweis
durch Sachverständige völlig auszuschließen oder eine Beweisführung nur mit Urkunden zuzulassen.6 Ihnen steht
es auch frei, einzelne Personen als Zeugen von vornherein
auszuschließen. Entsprechende Vereinbarungen können
die Parteien auch noch im Laufe des Schiedsverfahrens
treffen oder getroffene Vereinbarungen einvernehmlich
wieder abändern.7
30 Einzelheiten: Stöber, s. Fn. 22, Rz. 534 i ff.
31 Ivo, s. Fn. 5, Rz. 1362 mit Hinweis auf Westermann.
" Der Autor ist Präsident des AG Köln a.D.
1 Zum Teil wird sogar der Rückgang der Zivilprozesse auf die Zunahme von Schiedsverfahren zurückgeführt, vgl. v. Olenhusen, AnwBl.
2014, 568.
2 S. dazu ausf. Pörnbacher/Knief in Eberl (Hrsg.), Beweis im Schiedsverfahren, 2015, Kap. 9 Rz. 17 ff.
3 Vgl. dazu Eberl/Eberl in Eberl, s. Fn. 2, § 1 Rz. 4; Voit in Musielak/
Voit, ZPO, 11. Aufl. 2015, § 1042 Rz. 33; Schütze in Wieczorek/
Schütze, ZPO, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1042 Rz. 23 ff.; Schütze,
SchiedVZ 2006, 1 (2).
4 Zu diesen Grundregeln näher Prütting in Prütting/Gehrlein, ZPO,
7. Aufl. 2015, § 1042 Rz. 5 ff.; Voit, s. Fn. 3, § 1042 Rz. 2 ff.
5 Münch in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1049 Rz. 6; Schütze,
s. Fn. 3, § 1042 Rz. 38; zu solchen Vereinbarungen in Schiedsverfahren mit internationalen Bezügen vgl. ausf. Varga, Beweiserhebung in
transatlantischen Schiedsverfahren, 2006, S. 128 ff.
6 Für den Ausschluss des Sachverständigenbeweises vgl. nur Reichold
in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 1049 Rz. 2; Hartmann in
Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1049 Rz. 2; Wach/
Petsch in Eberl, s. Fn. 2, § 4 Rz. 72 ff.; für die Beschränkung auf den
Urkundenbeweis Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren,
5. Aufl. 2012, Rz. 355 Fn. 101 m.w.N.
7 Münch, s. Fn. 5, § 1042 Rz. 77; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO,
23. Aufl. 2014, § 1042 Rz. 14; Lotz, SchiedsVZ 2011, 203 (204).