Dokumentation über Sozialstaat Bienenvolk - von Fernando Biner Sozialstaat Bienenvolk! Der Winter hat Einzug gehalten! Still ist es geworden um das Bienenhaus. Fällt die Temperatur unter 8°C stellen die Bienen ihren Flugbetrieb ein. Lauschen wir vor dem Flugloch, ist von Drinnen ein leises Summen hörbar. Die Bienen sitzen eng beieinander auf den Futterrahmen und halten durch Flugmuskelkontraktionen die Raumtemperatur in ihrer Stube. In der brutlosen Zeit beträgt die Temperatur im Kern der Wintertraube ca 30°C . Die Bienen sollten jetzt nicht gestört werden. Nur an warmen Wintertagen verlassen sie ihr Zuhause, zur Darmentleerung. Der Imker nützt die langen Winterabende um seine Gerätschaften auf Vordermann zu bringen, um Altwachs einzuschmelzen und daraus neue Mittelwände zu gießen sowie diese in die gedrahteten Rahmen einzulöten. Das Fachwissen darf nicht vernachlässigt werden. Was liegt da näher, als sich in kalten Tagen in die „ Wunderwelt der Bienen“ zu vertiefen. Nach Mitte Januar, je nach klimatischen Bedingungen, beginnt die Königin zaghaft mit der Eiablage. Das Mikroklima im Innern der kleinen Bienenstube ändert sich, die Kerntemperatur beträgt nun 35°C und die Luftfeuchtigkeit steigt an. Sobald im Frühjahr die ersten warmen Sonnenstrahlen, Schnee und Eis zum Schmelzen bringen, setzt der Reinigungsflug ein, die ersten Hasel-, Krokus- oder Weidenpollen werden „ eingehöselt „ und die Bruttätigkeit nimmt zu. Der Imker sorgt dafür, dass das Bienenvolk, eine der Volksstärke entsprechend große Wohnung zur Verfügung hat. Im Frühjahr reagiert das Bienenvolk empfindlich auf Temperaturstürze, sei es von Außen, oder durch das Öffnen der Bienenbeute. Nach den ersten Blütenbesuchen beginnt die Bautätigkeit im Bienenvolk. Jetzt ist es an der Zeit, den Bienen zur Wachsproduktion, Betriebsstoffe in Form von Zuckerlösungen zu verfüttern. Die ersten Nektarspender, der Löwenzahn, der Raps oder die Kirschenblüten locken, durch eine kleine Nektarspende die Bienen an und sorgen so für den natürlichen Trieb im Bienenvolk. Bald wird die Wohnung zu klein. Der Imker gibt nun die ersten Mittelwände. Die Legeleistung der Königin erreicht nun ihren Höhepunkt, sie kann bei guten Bedingungen bis zu 2000 Eier / Tag ablegen. Laufend wird durch den Imker die Stubengrösse dem Bienenvolk angepasst. Der natürliche Fortpflanzungstrieb der Bienen setzt ein, einige Völker schwärmen aus. Die Stockmutter verlässt, noch ehe die junge Nachfolgerin geschlüpft ist, mit einem Teil der Bienen das Muttervolk und sucht sich eine neue Wohnung. Dies kann ein hohler Baum, oder sonst einen von Wind und Wetter geschützte Behausung sein. Normalerweise wird das Ausschwärmen der Bienen durch den Imker erkannt, und dieser kann die Ausreißer wieder einfangen. Das Bienenvolk erreicht gegen Ende Mai seine grösste Volksstärke. Bis zu 50`000 Bienen, eine Königin und ein paar 100 Drohnen leben nun, zusammengehalten durch das Königinnenpheromon, Duftstoff der Königin, in diesem hoch ausgeklügelten Sozialstaat. Seite 1 von 1 2 Dokumentation über Sozialstaat Bienenvolk - von Fernando Biner Auch die Natur hat ihren Zenit erreicht. Die Bäume, Sträucher und Wiesen stehen in voller Blüte und warten darauf von den Bienen oder anderen Blüten besuchenden Insekten beflogen zu werden. Die Bestäubung der verschiedenen Pflanzen garantiert die Artenvielfalt und lässt Früchte und Beeren heranwachsen. Die Obstbauern stellen Bienenvölker in ihre Obstplantagen um die Bestäubung ihrer Kulturen zu gewährleisten. Die Bienen erhalten als Dank des Blütenbesuchs einen kleinen Nektartropfen, den sie dann zurück in den Stock bringen. Die Stockbienen empfangen die Sammlerinnen, nehmen die Nektarspende auf und verarbeiten diese zu Honig. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten reist der Berufsimker mit seinen Schützlingen, bis zu 1000 Völkern, durch die Mandelblüten in Florida, bis zu den Heidelbeerplantagen in Kanada. Die Völker werden auf Lastwagen verladen und den Plantagenbesitzern zur Bestäubung ihrer Grosskulturen zur Verfügung gestellt. Der Duft von frischem Honig schwebt um das Bienenhaus. Die Trachtzeit hat begonnen. Es wird Zeit die Honigrahmen ins Bienenvolk zu hängen. Der Imker hofft nun auf gute klimatische Bedingungen, damit das Honigbrünnlein lange nicht versiegt. Die Rahmen bleiben nun für die Dauer der Tracht und das Ausreifen des Honigs im Bienenvolk. In unserer Region kann zwischen 8kg – 15kg Honig pro Volk und Jahr geerntet werden. Leider muss der Imker auch, wenn die klimatischen Bedingungen nicht optimal sind, Fehljahre hinnehmen. Nach dem Ernten des Honigs müssen die Bienen, um den Wintervorrat zu gewährleisten, mit Zuckerwasser aufgefüttert werden. Durch verschiedene imkerliche Maßnahmen, die dem Bienenwohl dienen, schafft der Imker dem Bienenvolk im Spätsommer gute Voraussetzungen, damit dieses den kommenden Winter heil überstehen kann. Die Honigbienen leisten durch die Bestäubung der Nutz- und Wildpflanzen sowie durch die Erzeugung von Honig, Pollen und Wachs einen wichtigen Beitrag an die Volkswirtschaft. Der Bestäubungswert eines Bienenvolkes bezogen auf den Erntewert von Obst und Beeren beträgt Fr.1250.- / Jahr. Dazu kommt der Wert der Imkereiprodukte. Der Honig als wichtigstes Endprodukt erreicht einen Wert von durchschnittlich Fr.250.- / Jahr und Volk. Fernando Biner Bienenzuchtberater Vispertal Seite 2 von 2
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