Unterzuckert

Pflanzenbau & Technik
Unterrubrik
Ackerbau
Unterzuckert
den zu Beginn der Kampagne verarbeitet,
sie machen nur einen winzigen Anteil aller
Zuckerrüben aus. Im vergangenen Jahr
haben Öko­Ackerbauern 1.100 Hektar von
insgesamt 372.500 Hektar in Deutschland
angebaut, so das Statistische Bundesamt.
Das Entscheidende im Bio­Zuckerrüben­
anbau ist die Beikrautregulierung, um die
sich Bio­Landwirte kümmern müssen. Es
genügt nicht, die Reihen mit der Maschi­
nenhacke sauber zu halten, derzeit gibt
es keine bessere Technik als den Men­
schen, der Melde, Distel oder Klette hän­
disch hackt.
N. Wawrzyniak
Warburg oder Frauenfeld
Der Anbau von Bio-Zuckerrüben ist ackerbaulich anspruchsvoll,
aber zu schaffen, sagen Bio-Landwirte. Was sich entwickeln
muss, ist der Markt für regionalen Bio-Rübenzucker.
D
ieses Jahr ist ein schwieriges
Zuckerrübenjahr. Risse klaffen
auf den Äckern, dort, wo der
Sommerregen ausblieb. Zwar wachsen
die Rüben noch, doch die Landwirte seh­
nen Wasser bis zum Bio­Kampagnenstart
der Zuckerfabriken gegen Ende Septem­
ber herbei. Bis dahin assimilieren die gro­
ßen Rübenblätter noch ein paar Gramm
Zucker, hofft man allerorten. „Auf den
schlechten Schlägen werden wir womög­
lich nur 350 Dezitonnen roden“, vermutet
Hilmar Cäsar, der im Schweinfurter Gau
70 Hektar Zuckerrüben anbaut und damit
der größte Bioland­Anbauer ist. In guten
Jahren sind es zwischen 500 und 600 Dop­
pelzentner. Mit diesen Erträgen können
Bio­Landwirte zufrieden sein. Denn die
Zuckerrübe ist genügsam, mit geringen
Ansprüchen an die Nährstoffe, beson­
ders Stickstoff. Wenn es gut läuft, ern­
ten die Kollegen, die ihre Rüben konven­
tionell pflegen, 300 bis 400 Doppelzentner
mehr, investieren aber auch entsprechen­
de Betriebsmittel und roden die Rüben
generell später. Denn die Bio­Rüben wer­
Bio­Landwirte, die Zuckerrüben anbauen,
haben sich vertraglich mit einem Kontin­
gent an eines der beiden Zuckerwerke ge­
bunden, die derzeit Bio­Rüben verarbeiten.
Seit Nordzucker nach Zerwürfnissen in
der Zuckerbranche 2010 die Bio­Koope­
ration stoppen musste, verarbeiten noch
Südzucker in Warburg und die Schweizer
Zucker AG an der Ländergrenze in Frau­
enfeld Bio­Zuckerrüben, von kleinen Her­
stellern von Rübenkraut wie Grafschafter
abgesehen. Nach Angaben der Zucker­
werke werden ausschließlich Bio­Rüben
mit dem Zeichen eines Bio­Anbauver­
bands verarbeitet.
Andrea Greule von der Erzeugerge­
meinschaft Rebio ist dafür verantwort­
lich, dass die Kooperation zwischen den
Bio­Anbauern und dem Schweizer Zu­
ckerwerk, dem Bioland­Vertragspartner,
klappt. „Wir bestellen das Saatgut, orga­
nisieren die Ernte und die Logistik vom
Ackerschlag nach Frauenfeld und stehen
in engem Kontakt mit den Schweizern“,
erklärt Greule.
Die deutschen Bio­Rüben rattern in Gü­
terwagons nach Frauenfeld, nachdem sie
in Würzburg, Ingolstadt und Straubing
verladen werden. In Süddeutschland hat
sich eine lose Gemeinschaft von derzeit
50 Landwirten zusammengetan. Je Verla­
destation gibt es zwei Vertreter, die sich
mit dem Schweizer Zuckerwerk und der
Rebio austauschen. „Die Fabrik will ein
offenes Verhältnis mit den Anbauern pfle­
gen“, sagt Franz Froschmeier, einer der
bioland 09/2015
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Vertreter und Naturland­Landwirt aus In­
golstadt.
Dieses Jahr rechnet Greule mit 20.000
Tonnen, die die Zuckerfabrik in der drei­
tägigen Bio­Kampagne verarbeiten wird.
„Die Schweizer wollen die Menge mittel­
fristig verdoppeln, um sich durch das Bio­
Segment am Markt zu stärken. Sie gehen
von einem positiven Trend aus“. Dazu
sucht das Werk am Oberrhein weitere
Anbauer in Werksnähe.
Der Preis muss stimmen
Der Zuckerpreis ist an den von Südzucker
gekoppelt und hängt stark vom Weltmarkt­
preis für Rohrzucker ab. Für den Doppel­
zentner Rüben bekommt der Bio­Landwirt
bei Südzucker die konventionelle Auszah­
lung von rund 4,35 Euro netto plus Früh­
oder Spätlierferprämie und einen Bio­Zu­
schlag von vier Euro in diesem Jahr. „Das
ist zu wenig“, sagt Hilmar Cäsar, „letztes
Jahr waren es 4,60.“ Weil Südzucker zu
52 Prozent den Bauern gehört, sind aber
Preisverhandlungen möglich.
Die Bio­Rüben, die bei Südzucker kontin­
gentiert sind, werden im kleinsten und
nördlichsten Zuckerwerk in Warburg ver­
arbeitet. Das Einzugsgebiet reicht von
der Warburger Umgebung über Frankfurt
und Ochsenfurth bis Leipzig. Aus dem Nor­
den werden seit 2010 keine Bio­Zucker­
rüben mehr angeliefert, die bis dahin für
die Nordzucker angebaut wurden. „Der
Werksvertrag zwischen Südzucker und
Nordzucker wurde nach Diskrepanzen ab­
rupt gekündigt“, erzählt Hans­Heinrich
Grefe aus Wätzum. Rübenanbauer wie er
durften selbst auf briefliche Bitte hin nicht
mehr an Südzucker liefern. Damit war das
Thema Bio­Zuckerrüben im Norden erle­
digt: „Das ist grundsätzlich schade, weil
der Markt gerade entwickelt wurde, das
Potential war groß“, moniert Grefe.
MULTISOILER
Ein funktionierender Markt?
Doch was geschieht mit dem Zucker, den
die Bio­Zuckerrüben liefern? Zu welchen
Anteilen gelangt er zurück in Produkte mit
Verbandssignet? Bei den Zuckerwerken
hält man sich bedeckt. Andrea Greule er­
klärt, dass Rebio in diesem Jahr ein Zehn­
tel des Bioland­Zuckers zurückholt, das
sind rund 270 Tonnen. 2016 strebt man ein
Viertel an. „Wir bemühen uns auf der Bio­
fach, dass die Nachfrage steigt. Derzeit ist
sie groß“, sagt Greule.
„Um Verarbeitern die Vorteile von
Bioland­Rübenzucker aufzuzeigen, haben
wir kürzlich ein Papier zusammengestellt,
das agronomische, sozio­ökonomische bis
kommunikative Argumente aufführt“, er­
TAIFUN
>>
Anbaufläche Bio-Zuckerrüben 2014 in ha (grob)
640
Südzucker
Schweizer Zucker AG
Rest
60
400
Gesamt: 1.100 ha, davon 358 ha Bioland­Zuckerrübenfläche
Quellen: Destatis, Schweizer Zucker AG, eigene Recherche
HURRICANE
Pflanzenbau & Technik
Ackerbau
Von Landwirt zu Landwirt
Bioland­Landwirt Arnd Busse aus Bad Salzuflen möchte mit dem
Bio­Zuckerrübenanbau beginnen. Seine Fragen beantwortet
der erfahrene Bioland­Anbauer Josef Jacobi aus Borgentreich­
Körbecke.
Busse: Mit welchen Schädlingen und Krankheiten muss man sich
auseinandersetzen und wie kann man diesen vorbeugen?
Jacobi: Bei der Zwischenfrucht sollte man unbedingt nematoden­
resistenten Senf oder Ölrettich nehmen. Bodenschädlinge sind
ein Problem, insbesondere nach Kleegras. Manche Landwirte
bauen die Zuckerrübe aber auch direkt nach Kleegras. Ansons­
ten muss man wie beim Getreide damit leben, dass Schädlinge
und Krankheiten kommen, machen kann man da nicht viel.
privat
Arnd Busse: Welche Fruchtfolge hat sich beim Zuckerrübenanbau
bewährt?
Josef Jacobi: In meiner Fruchtfolge stehen die Zuckerrüben je
nach Boden­ und Unkrautzustand und möglichst nicht direkt
Busse: Mit wie viel Ertrag kann man rechnen?
nach Kleegras, wegen Bodenschädlingen wie dem Drahtwurm.
Jacobi: Ich hätte nicht gedacht,
Mit Blick auf das Unkraut wäre das
dass die Rüben ohne Dünger im
Kleegras aber die ideale Vorfrucht.
DB-Rechner Bio-Zuckerrüben
Ertrag ziemlich stabil sind. Wir ro­
Meistens steht der Winterweizen da­
www.kurzlink.de/db-bio-zuckerrueben den durchschnittlich 550 Doppel­
zwischen, auf die Stoppel kommt ein
zentner, hatten aber auch schon
wenig verrotteter Mist, danach eine
620. Wenn was schiefgeht, sind es 400.
nematodenresistente Zwischenfrucht. Die Rüben können aber
auch als dritte Frucht nach Kleegras stehen, weil die Rüben viel
Busse: Wie hoch ist die Marktleistung pro Hektar? Gibt es große
weniger Stickstoff brauchen als weithin angenommen.
Schwankungen?
Jacobi: Man bekommt den konventionellen Preis und den Zu­
Busse: Wie bereitet man die Saat am besten vor?
schlag von rund vier Euro je Doppelzentner. Die braucht man
Jacobi: Wir pflügen, schleppen im frühen Frühjahr einmal ab,
damit der Acker gleichmäßig abtrocknet und eventuell schon Un­ auch für den Mehraufwand beim Hacken. Bei zweieinhalbmal
Handhacken kommen 140 Stunden je Hektar zusammen, plus
kraut aufgeht. Sobald es trocken ist, eggen wir nochmal. Wich­
dreimal Maschinenhacken.
tig ist, nicht zu früh zu legen, frühestens Anfang April. Die Rübe
braucht Wärme, um zu wachsen. Wir legen sie in 45er­Reihen, 12
bis 16 cm in der Reihe. Pilliertes, ungebeiztes Saatgut kriegt man Busse: Wie setzen sich die Kosten je Hektar zusammen?
Jacobi: Saatgut kostet rund 200 Euro je Hektar, je nach Abstand
von der Zuckerfabrik.
in der Reihe, das zieht die Zuckerfabrik von den Auszahlungen
ab. Für das Legen weist der Maschinenringsatz 50 Euro pro Hek­
Busse: Welche Sorten eignen sich für welche Bodenarten – bei mir
tar aus. Die Handhacke bei acht Euro je Stunde beträgt 1.100 bis
sandiger Lehm?
1.600 Euro je Hektar, die Maschinenhacke dreimal 30. Fürs Ro­
Jacobi: Die Unterschiede sind nicht groß, man kann ertragsbe­
den im Lohn zahlt man 350 Euro, die Logistik übernimmt wieder­
tonte oder zuckerbetonte Sorten wählen. Die Zuckerfabrik bietet
um die Zuckerfabrik.
drei Sorten an, die man bekommt. Zunächst braucht man aber
ein Anbaukontingent.
Bioland­Zuckerrübenanbauer Josef Jacobi baut seit 1989 auf fünf
Hektar Bioland­Zuckerrüben an. Ihn motiviert die Nähe zum Zu­
ckerwerk in Warburg, das kleinste und nördlichste von Südzucker.
Durch die Bio­Zuckerrübe sei der Standort sicherer geworden, sagt
er. Außerdem bringt die Rübe Vielfalt in die Fruchtfolge.
130 ha inklusive Grünland, Ø 55 Bodenpunkte (7 bis 92), 50 Kühe
mit Nachzucht
Fruchtfolge: zweijähriges Kleegras, Winterweizen, hier meist Zu­
ckerrüben, Roggen, Ackerbohnen, Triticale, Sommergerste/Hafer,
Dinkel
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Sachkundenachweis Pflanzenschutz
Sich online fortbilden
klärt Dirk Vollertsen, Geschäftsleiter Produkt und Markt bei Bio­
land. Außerdem will Bioland im Herbst ein Zulassungsverfahren
zur Fütterung der Bioland­Bienen einrichten, das Bioland­Zu­
cker Priorität einräumt. Ansgar Westerhoff, Bioland­Imker aus
Vierlinden bei Frankfurt an der Oder, handelt mit dem Zucker,
den er über Rebio bezieht. Sein Wunsch ist es, den Markt zu ver­
breitern und die Zahl der Anbieter zu erhöhen: „Monopolartige
Strukturen in Verarbeitung und Warenstrom sind ungünstig. Gut
wäre es auch, die norddeutschen Bio­Rübenanbauer wieder ins
Boot zu holen.“
Hilmar Cäsar, der fränkische Anbauer, ist im Gespräch mit Main­
tal Konfitüren, deren Süßaufstriche mit Regionalität werben. Der
Rübenzucker kommt nach seinen Informationen aber aus dem
Ausland. „Ein Unding“, meint Cäsar, „dabei wachsen die Bio­
Zuckerrüben nur 30 Kilometer entfernt.“ Hilmar Cäsar fordert
ebenso wie Franz Froschmeier mehr Rückführung in die Ver­
bände. „Unser Ziel ist es, künftig den Bio­Zucker, der in Bioland­
Verarbeitungsprodukten verwendet wird, durch Bioland­Rüben­
zucker aus der Region zu ersetzen“, sagt Dirk Vollertsen, die
Zuckerrübe sei für den Landwirt eine hervorragende Kultur und
für jeden Hersteller­ und Handelspartner ein Aspekt mehr, mit
regionaler Herkunft zu werben.
Wer es bislang nicht geschafft hat, an einem anerkannten
Seminar zur Weiterbildung teilzunehmen, kann ab sofort
online sein Wissen um den Pflanzenschutz auffrischen. Die Land­
akademie bietet einen vierstündigen Online­Kurs für 49,90 Euro
an.
Alle, die Pflanzenschutzmittel anwenden, verkaufen, über die
Anwendung beraten oder diese beaufsichtigen, sind gesetzlich
verpflichtet, den Sachkundenachweis binnen dreier Jahren zu
aktualisieren. Der Stichtag für die Altsachkundigen, die vor dem
14.Februar 2012 sachkundig waren, ist der 31. Dezember 2015.
Der Kurs der Landakademie bietet die Möglichkeit, dieser ge­
setzlichen Verpflichtung jederzeit, einfach und flexibel nachzu­
kommen – unabhängig von Zeit und Ort. Dazu sind ein Internet­
anschluss und ein Endgerät nötig. Sie können den Kurs jederzeit
unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.
Die Fortbildung wurde gemeinsam mit Pflanzenschutzdiensten
entwickelt und speziell auf die Arbeitspraxis von Landwirten zu­
geschnitten. Die mit diesem Kurs erlangte Teilnahmebescheini­
gung ist aber auch für Gärtner, Kommunalmitarbeiter, Winzer
und Mitarbeiter im Handel ein anerkannter Fortbildungsnach­
weis.
www.kurzlink.de/sk­online
Zwei Denkkonzepte
Ein Beispiel, wie es funktioniert, ist Fenebergs Öko­Regional­
Label „Von Hier“. Das Unternehmen mit Sitz in Kempten im All­
gäu schließt Anbauverträge mit Bioland­Zuckerrübenanbauern
aus der Region ab, die Rüben werden im Frauenfelder Zucker­
werk verarbeitet und süßen die Von­Hier­Produkte mit dem
Bioland­Markenzeichen.
Ein Unternehmen der Bio­Branche, das es mit Zucker ganz an­
ders hält, ist Rapunzel. „Wir beziehen zu 100 Prozent Zucker
aus Zuckerrohr“, sagt die Leiterin der Marketingabteilung Heike
Kirsten. Schon immer habe man in Fairtrade­Kooperationen in
Südamerika gearbeitet und das werde auch so bleiben, auch
wenn der Regionalgedanke vorhanden ist. „In einer globalisier­
ten Welt ist es wichtig, den Biolandbau auch in ganz anderen
Regionen der Erde vor Ort zu stärken“, erklärt Kirsten. Rapunzel
importiert nach eigenen Angaben rund 1.400 Tonnen Vollrohr­
und Rohrzucker.
Zucker 3.0
Am Beispiel Bio­Zuckerrübe drängt sich die Frage auf, ob die
Branche Wachstumsschübe nicht nur von Öko­Flächenzuwächsen,
sondern auch aus inneren Potentialen leisten kann. Ganz im Sinne
einer Initiative BioRegio Bayern 2020, die zwar primär am Ziel Flä­
chenverdoppelung gemessen wird, gleichzeitig aber die Verarbei­
tung und Vermarktung regionaler Bio­Produkte ankurbelt.
Im Februar, wenn sich die Branche in Nürnberg zum Schwer­
punktthema „Organic 3.0 – Handeln für mehr Bio!“ trifft, haben
die Bio­Zuckerakteure die Gelegenheit, den heimischen Markt
und den Anbau zu stärken.
Niklas Wawrzyniak
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