Spendenaktion Nepal 2015 Schulneubau im Bergdorf Karmidanda Reisebericht 29.November – 06.Dezember 2015 Andreas Grahl, Thomas Füldner, Andreas Sitter, Beate Sitter Schon 2 Wochen ist unser 4 köpfiges Team wieder zurück aus Nepal. Die gewaltigen Eindrücke, die wir dort sammelten, ließen sich nicht schneller in Worte fassen. Worte an den Jugendsozialwerk Nordhausen e.V., der die eingegangene Spendensumme von 9.000 € verdoppelte, an den Verein Walk Along, der dafür Sorge trägt, dass die nunmehr 18.000 € ordnungsgemäß vor Ort in Karmidanda eingesetzt werden und an die vielen privaten Spender und Freunde des Projektes. Am Morgen des 29.11.2015 starteten wir mit einer mobilen Solaranlage im Gepäck in respektvoller Erwartung der bevorstehenden Ereignisse in Richtung Flughafen Abu Dhabi. Andreas Grahl, Initiator des Spendenaufrufs nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal im April 2015, und Thomas Füldner, Elektronikingenieur, beide wohnen und arbeiten in Abu Dhabi. Familie Andreas und Beate Sitter aus dem Landkreis Nordhausen, die seit Beginn der Spendenaktion durch Verbindungen zu dem Verein Walk Along und nach Recherchen Dank Internet und sozialem Netzwerk vor Ort in Karmidanda, ebenfalls wie die beiden vorgenannten nach der Naturkatastrophe ihr Herz an Nepal verloren haben. Die Situation ist derzeit nicht einfach in Nepal, eines der ärmsten Länder der Welt. Menschen, die vor dem Erdbeben nichts hatten, die das Schlimmste durch- aber überleben durften, stehen nun vor den unüberwindbar scheinenden Schwierigkeiten des Wiederaufbaus. Armut, unwegsames Gelände, Naturgewalten wie die weiterhin anhaltenden teilweise starken Nachbeben und der gerade vergangene Monsun mit zahlreichen Erdrutschen, fehlende bzw. zerstörte Infrastruktur und derzeitige politische Verhältnisse im Lande lassen die Lage für die Bevölkerung durch Grenz- und Importblockaden ausweglos erscheinen. Der Wiederaufbau scheitert auch an extrem hohen Baupreisen und bürokratischen Hürden. In einer E-Mail aus dem für die allererste Nacht in Kathmandu gebuchtem Hotel erklärte uns die Inhaberin bereits Tage im Voraus, dass aufgrund von Gasmangel nicht geheizt werden kann und auf jeden von uns eine Wärmflasche im Bett warten wird. Eine weitere E-Mail von der Fluggesellschaft, dass unser Rückflug, als Direktflug gebucht, mit Zwischenstopp zum Tanken in Indien erfolgen muss, bestätigte uns weiterhin die beschriebene Situation. Einen Monat vor unserer Reise war Johanna Böll im Auftrag von Walk Along in Karmidanda und nahm dort zusammen mit Lehrern und Schulamt eine Bestandsaufnahme der Schäden an den Gebäuden der Schule vor. Vor Ort wurde einvernehmlich entschieden, nicht wie im Spendenaufruf formuliert, die Bibliothek neu aufzubauen, sondern ein 2-räumiges Schulgebäude zu errichten. Johanna hat im Ministery of Education in Bhaktapur die Baugenehmigung dafür bereits beantragt. Wir kontaktierten sie vor unserer Reise, um zu erfragen, an welcher Stelle wir - einmal vor Ort hilfreich werden könnten. Mit einer Wegbeschreibung im Gepäck sollten wir nun versuchen, die eventuell zwischenzeitlich genehmigten Baupläne abzuholen. Am nächsten Morgen erfuhren wir von unserem Freund Jhabraj Neupane, Lehrer in Karmidanda, dass es in der Nacht ein weiteres Nachbeben der Stärke 4,3 gegeben hat. Dieses war bis Kathmandu zu spüren gewesen. Wir alle hatten tief und fest mit unseren Wärmflaschen geschlafen und außer Kratzgeräuschen von irgendwelchen Tieren an den Zimmertüren nichts bemerkt. Bei unserer ersten gemeinsamen Unterhaltung wurde uns schnell klar, dass es ein Problem mit der Baugenehmigung gibt. Das eine Unterschrift oder ein offizieller Stempel von Walk Along fehlt. Auf Anhieb konnten wir die Zusammenhänge nicht erfassen, aber wer von uns könnte, wenn nötig, etwas unterschreiben? Woher eine Legimitation, woher ein Stempel? Pünktlich ging es los in Richtung Karmidanda mit einem Land Cruiser gefühltes Baujahr 1952 mit einem Dachgepäckträger, der mehr hielt als er versprach. Es ging raus aus der Stadt, die einen sehr ordentlichen Eindruck auf uns machte. Die Straßen waren sehr eng, der Zustand teilweise bedrohlich bei dem enormen Gegenverkehr an Trucks und Bussen. Unterwegs sahen wir viele zerstörte Häuser und viele provisorische Wellblechhüttenunterkünfte. Nun waren wir dem Ausmaß der Katastrophe schon sehr nah gekommen. In Karmidanda angekommen, wurden wir herzlich von dem Rest der Familie Neupane begrüßt. Von einigen Nachbarn scheu beobachtet, luden wir unser Gepäck ab und trugen es nun ebenfalls in eine Wellblechhütte. Unsere Unterkunft für 2 Nächte. Das Rote Kreuz hat unschwer an der Farbe zu erkennen, überall im Land Toilettenhäuschen so auch hier aus Folienverschlägen errichtet. Ein Wasserschlauch mit Holzstöckchen verschlossen daneben stellt die einzige Wasserstelle für die Familie dar. Erstaunt von der Kochkunst der Ehefrau nahmen wir unsere erste Mahlzeit ein. Die Gastfreundschaft überwältigte uns. Die Frage vor dem Zubettgehen nach wildlebenden Tieren im angrenzenden Wald wurde mit Wildschweinen, Bären und Leoparden beantwortet. Nichts wovor man sich tatsächlich fürchten sollte. Am nächsten Morgen begaben wir uns das erste Mal auf den Weg zur Schule. Mit den einzelnen Teilen der Solaranlage beladen, stiegen wir den steilen Berg durchs Dorf hinab. Überall Spuren der Zerstörung doch an allen Ecken freundliche, uns mit „Namaste“ grüßende Dorfbewohner, die ihrer Arbeit fleißig nachgingen. Vorbei an einer Mühle, an einer Schmiede, umringt von fröhlichen Kindern, die den Weg nach unten hopsten. In der Schule wurden wir mit offenen Armen empfangen und trotz der Katastrophe wird der Schulalltag so gut wie möglich bestritten. Aufgrund von Stromausfällen hatten wir diese Solaranlage im Gepäck und starteten daraufhin mit der Installation. In Zukunft können damit die wichtigsten Geräte für einige Stunden betrieben werden. Wir begutachteten alle Gebäude und ließen uns von den Lehrern die jeweiligen Zerstörungen erläutern. Das von Walk Along 2013 mit einer Bibliothek ausgestattete Gebäude bot uns einen sehr traurigen Anblick. Aber auch wir erkannten die Notwendigkeit, mit den Spendengeldern statt einer neuen Bibliothek als erstes ein neues 2-räumiges Gebäude für die Secondary School zu errichten, da diese vollkommen zerstört wurde und derzeit in Wellblechhütten untergebracht wurde. Angenehm überrascht waren wir, dass sich auf dem Schulgelände derzeit ein weiteres 2-räumiges Gebäude im Bau befand. Gespendet von japanischen Geldgebern wurden die Arbeiten von lokalen Arbeitern ausgeführt. Nach dem Abendessen erzählte uns Jhabraj von den Erlebnissen während und nach dem Erdbeben im Dorf. Viele Menschen entkamen dem Tod nur durch die Verkettung glücklicher Umstände. Viele verloren ihr Leben, viele wurden schwer verletzt. Umso trauriger, dass Rettungskräfte erst 12 Tage nach dem Geschehen im Dorf eintrafen. Einmal noch führte uns der Weg steil hinab zur Schule, um uns von Kindern und Lehrern zu verabschieden. Alle Kinder, ob groß, ob winzig klein, nahmen Aufstellung und überhäuften uns nach einer Dankesrede der Lehrer mit hunderten von Blumensträußchen und Blumenketten. Die kräftigen Farben der Blumen, deren Duft und das Lachen, Klatschen und Jubeln der Kinder berührten uns so sehr. Doch nun musste es schnell wieder hinauf gehen. Wir wurden im hinduistischen Brauch verabschiedet und die Familie und Nachbarn winkten uns noch lange hinterher. Für den kommenden Tag planten wir den Besuch im Ministery of Education. Doch zuerst suchten wir die Deutsche Botschaft auf, um uns eine zwischenzeitlich per Email erhaltene Vollmacht autorisieren zu lassen. So einfach war es dann doch nicht, einfach nur mal einen Stempel zu erhalten. Alle beiden zuständigen Bearbeiter hatten Urlaub. Da wir keine Zeit zu verschenken hatten und das Wochenende und unser Rückflug nahten, erklärte sich eine wirklich nette Mitarbeiterin einverstanden unsere Vollmacht wenigstens mit „gesehen" abzustempeln und mit einer Registriernummer zu versehen. Normalerweise ist so ein Stempel kostenpflichtig. Aber unsere Beharrlichkeit beeindruckte sie sehr und so erließ sie uns die Gebühr. Im Ministerium erfuhren wir, dass 8000 einzelne Schulgebäude wie das unsere nach dem Erdbeben wieder aufgebaut werden müssen. Die Realisierung soll erdbebensicher und vor allem korruptionsfrei erfolgen. Daher ist das Genehmigungsverfahren recht kompliziert aufgebaut. In einer Datenbank nachgeschaut, konnten wir weder unsere kleine Schule in Karmidanda noch den Verein Walk Along in einer Aufzählung ausländischer Geldgeber finden. Das verunsicherte uns und es erschien uns sehr wichtig, den zuständigen Bearbeiter ausfindig zu machen. Und wir mussten sehr lange auf ihn warten. Im Nachhinein mussten wir wirklich schmunzeln, da ein Blick auf den Botschaftsstempel diesen Bearbeiter sichtlich zusammenzucken und sein Interesse an der Klärung unserer Probleme spürbar steigen ließ. Was unserem Bauantrag letztendlich fehlte, war ein Agreement, einem vom Geldgeber also Walk Along, der Schule in Karmidanda und dem Ministerium, also von 3 Parteien gemeinsam unterschriebener Vertrag. Der Geldgeber garantiert mit seiner Unterschrift auf dem Agreement die objektbezogene Verfügbarkeit des Geldes, die Schule verpflichtet sich zum ordnungsgemäßen Einsatz des Geldes und das Ministerium unterschreibt als Aufsicht. Die Arbeiten werden dann mit lokalen Firmen durchgeführt. Damit sollen sowohl Scheinfinanzierung durch Betrug als auch Doppelfinanzierung mehrerer Geldgeber im Hinblick auf Korruption ausgeschlossen werden. Glücklich alles verstanden zu haben, mit den digitalen Projektunterlagen im Gepäck, setzten wir am im Hotel gemeinsam das Agreement auf. Wir sandten es zur Absegnung an Walk Along, passten es deren Änderungswünschen an und beendeten den Abend zufrieden. Am nächsten Tag zeigte uns unser Taxifahrer einen Stadtteil von Kathmandu, der vom Erdbeben am stärksten betroffen war. Zuerst wollten wir überhaupt keine Fotos von dem Elend machen. Aber der Fahrer wünschte sich von uns sogar, dass wir im Internet auf die herzergreifende Situation aufmerksam machen. Ein Rundgang durch diesen Stadtteil bis hin zu einem zerstörten Tempel war für alle von uns sehr bedrückend. Überall lagen wiederverwendbare Steine vom Schutt fein säuberlich getrennt aufgestapelt. In mit Wellblech geschützten Trümern und Ruinen spielte sich das Leben ab. Es ist unvorstellbar, wie hier der Alltag gemeistert werden soll. Am Abend trafen wir uns mit den in Kathmandu lebenden Kindern von Jhabraj, damit die Bauunterlagen auf dem schnellsten Wege die Schule in Karmidanda erreichen können. Auch diese Begegnung sollte unsere Erinnerungen an diese Reise prägen. Schüchtern standen uns 3 junge Menschen gegenüber, die sich in Kleidung und Aussehen nicht von jungen Leuten in Deutschland unterschieden. Wir merkten wirklich sofort, dass für jeden von ihnen ein Restaurantbesuch ein außergewöhnlich unbekanntes Erlebnis darstellte. Es wurden uns erneut die innerpolitischen Unstimmigkeiten im Lande hautnah vor Augen geführt. Ohne Strom und ohne Kochgas kann man Nudeln eben nur trocken aus der Tüte essen, wenn man bei der Lebensmittelknappheit überhaupt das Glück hat, welche kaufen zu können. Busverbindungen fallen aus. Wir sahen die langen Schlangen an den Tankstellen. Tagelang wird auf Benzinlieferungen gewartet. Wie nun zur Uni kommen? Wenn überhaupt, dann auf dem Dach des Busses. Diese scheuen netten Kinder? Unglaublich, aber leider wahr. Zurück in Abu Dhabi begann für den einen Teil unseres Teams der Alltag, für den anderen der zweite Teil des Urlaubs im selbst für uns Deutsche kaum fassbaren Land des Überflusses und Luxus. Aber eins fühlten wir alle gemeinsam: Wir verließen das Land mit einem Gefühl, irgendwie doch ein klein wenig geholfen zu haben. Die Erinnerungen an ein gastfreundliches Land, die Heimat vieler fleißiger Menschen, die uns überall freundlich empfingen, werden jeden von uns noch lange begleiten. Einerseits bedrückten uns die Zerstörung und die Armut, andererseits beeindruckte uns die Art und Weise wie die Menschen damit umgehen. Wir bedanken uns beim Jugendsozialwerk für die freundliche Unterstützung der Spendenaktion auch bei dem aktuellen Projekt Solaranlage und wünschen dem Verein Walk Along viel Erfolg bei der weiteren Begleitung des Schulneubaus. Unser Dank geht auch an Rigo Fromm vom Offenen Kanal Nordhausen, der die Spendenaktion über den Sender publizierte. Wir hoffen, dass nach diesen Informationen alle privaten Spender des Projektes fühlen, mit ihrer Geld genau das Richtige getan zu haben
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