IFK_Akademie2016 21.-27.August2016,MariaTaferl(Niederösterreich) IFK_faculty: Prof.Marie-LuiseAngerer(UniversitätPotsdam,InstitutfürKünsteundMedien) Prof.RolandBorgards(UniversitätWürzburg,InstitutfürdeutschePhilologie) Dr.AntonioLucci(Humboldt-UniversitätzuBerlin,InstitutfürKulturwissenschaft) Prof.MarenMöhring(UniversitätLeipzig,InstitutfürKulturwissenschaften) Dr.MartinTreml(ZentrumfürLiteratur-undKulturforschungBerlin) Rahmenthema Hunger,EssenundAskese EssenistdiesozialePraxisschlechthin:Siebezeugt,dasswiraufanderesangewiesensind,dasswir Lebensmittelbrauchen,umlebenzukönnen.AmAnfangstehtderMangel:„DerHungrige“,soschreibt EliasCanettiinseinemHauptwerkMasseundMacht(1960),„fühltleerenRauminsich.DasUnbehagen, dasihmdieseinnereLeereverursacht,überwindeter,indemersichmitSpeisefüllt.“1ZwaristdieZahl derweltweithungerndenMenschenseitderJahrtausendwendesignifikantgesunken.Dochnenntder aktuelleWelthunger-Berichtvon2015immernocheineZahlvon795MillionenHungernden;nahezudie HälfteallerSterbefällevonKindernunterfünfJahrenkannindenbetroffenenLändernauf Unterernährungzurückgeführtwerden.InseinerStudieIlpaneselvaggio(1983)hatderitalienische KulturhistorikerPieroCamporesidokumentiert,welcheWahrnehmungennochvorwenigenJahrhundertenauchdenAlltagdereuropäischenBevölkerungprägten:verhungerteKinderanjeder Straßenecke,abgemagerte,gleichsambeilebendigemLeibskelettierteMenschenwesen.Hungerbildete dieRegel,nichtdieAusnahme,undselbstderHungertodtratnichtalleinalsKonsequenzvonKriegen, SeuchenoderMisserntenauf,sondernalseinmehrodermindergewöhnlichesEreignis. EssenistdiesozialePraxisschlechthin:Sobaldwiressen,bildenwireineArtvonGemeinschaft,diesich bestimmtenRegelnundRitualenunterwirft.IndiesemSinnebetonteJacquesDerrida,zuessenbedeute „nichtalserstes,etwasinsichaufzunehmenundzuumfassen,sondernessenzulernenundzuessenzu geben,Lernen-dem-Anderen-zu-essen-zu-geben.Manißtnieallein,dasistdieRegel“.2DasIdealder Tischgemeinschaft–vomplatonischenSymposionbiszumchristlichenAbendmahl–istoftgenugals politischesSinnbilddesFriedensundderpolitischenIntegrationzitiertworden.Seitder IndustrialisierungderLandwirtschaftundderFleischproduktioninderModerneistunsdasEssenfreilich immerunheimlichergeworden:UnstrittigistnichtnurdieGrausamkeitzeitgenössischer Massentierhaltung,diegesundheitspolitischeBedenklichkeitdesmassenhaftenEinsatzesvonAntibiotika oderPestiziden,sondernauchdereminenteBeitragunsererFormenderViehzuchtzurEmissionvon TreibhausgasenundzumKlimawandel.Müssenwirandersessenlernen?Wiekönnenkünstlerische AuseinandersetzungenmitdemThemaderErnährung–vonKafkasHungerkünstlerbiszuden InstallationenvonJosephBeuysoderPasolinisPorcile–einenWandelderEssgewohnheitenbegünstigen? WelchenEinflussübenphilosophischeDiskussionenderAskeseaus,diedenVerzichtalsSelbsttechnik beschreiben?MitallendiesenFragenwirdsichdieIFK_Akademie2016ausführlichbeschäftigen. 1 EliasCanetti:MasseundMacht.WerkeBandIII.München/Wien:CarlHanser1993.S.257. JacquesDerrida:„Manmusswohlessen“oderDieBerechnungdesSubjekts.In:Auslassungspunkte.Gespräche. HerausgegebenvonPeterEngelmann.ÜbersetztvonKarinSchreinerundDirkWeissmann.Wien:Passagen1998.S. 267–298;hier:S.281. 2 VorgeseheneSektionen Sektion1:Der(Alp-)TraumvomSchlaraffenland:ZurKultur-undSozialgeschichtedesHungers (MarenMöhring) HungeristnichtdasResultatunzureichenderNahrungsmengen,sonderneineFragedesZugangsundder VerteilungvonLebensmitteln(AmartyaSen).Hungerstelltmithinkeinprimärbiologisches,sondernein historischvariables,soziokulturellgeprägtesunddamitäußerstdiversesPhänomendar.InseinerStudie Hunger–aModernHistoryunterscheidetJamesVernondreiHungerregime:eingöttliches,einmoralisches undeinsoziales,denenverschiedeneKonzeptevonHungerzugrundeliegenunddiedifferentenLogiken folgen.VernonkonstatiertdabeieinezunehmendePolitisierungdesHungersinderModerne–lokal, nationalundnichtzuletztglobal.DieSektionwidmetsichderGeschichtederProblematisierungdes Hungers,derHistorisierungvonHungerregimes,aberauchvonHungererfahrungen.NebendemWandel derImaginationen,IkonographienundBedeutungenvonHungerstehendamithistorischspezifische VersuchederRegulierungunddie(Überlebens-)StrategienvonhungerndenMenschenimZentrum. Sektion2:Tischgemeinschaften,Opfermahlzeiten:ZurReligions-undIdeengeschichteder Speiserituale(MartinTreml) InwestlichenwieöstlichenReligionenumfasstdasRegimentderSeelenimmerauchSpeisevorschriften, indenenminutiösgeregeltist,werwaswannundwieverzehrenmuss.Werdagegenverstößt,sündigt oderverunreinigtsich,stelltsichjedenfallsaußerhalbderGemeinde,indieerodersienurdurch komplizierteFormenvonBuße,ReinigungoderWiedergutmachungzurückkehrenkann.Essenistso untrennbarvonSchuld,aberauchengmitHeilsversprechenundErlösungverbunden.Selbsteineso innerlicheReligionwiedasChristentumanerkenntdasundhatinihremZentruminFormdes AltarsakramentsdenrituelleVerzehrvonGottesLeibundBlut.DasGottesmahlverweistaufdieseit UrzeitengeübtenOpferkulte,indenenzumeisteinTieraufbestimmteWeisegetötet,zerteiltundfeierlich verzehrtwird.DieMythen,dieesumgeben,findeneinNachlebennochindenwissenschaftlichen Opfertheorien,dieindenletzten150JahrenvonFrazerbisGirard,vonFreudbisBurkertentwickelt wurden. Sektion3:LustaufFleisch:ZurIndustrialisierungderErnährunginderModerne(Roland Borgards) DerVerzehrvonFleischhateinepolitischeDimension:„DerChef“,soformuliertesDerrida,„muss Fleischessersein“.WährendesimvormodernenEuropamitseinensteilensozialenundpolitischen HierarchiennochwenigeChefs(undwenigeFleischesser)gab,sollindermodernenGesellschaftmitihren souveränenBürgernjedereinChef(unddarfjedereinFleischesser)seinkönnen.DieLustaufFleisch gehörtzurModernewiedieDemokratie,dieMenschenrechte,dasBürgertumundderIndividualismus. DochFleischzuessen,bedeutet:Tiereessen(SafranFoer).DerenVerdinglichunginderindustriellen Produktionzukritisieren,istnotwendig,abereinfach.DieAnalysederBegriffsfabrik,mitderdie VerdinglichungwiederenKritikgleichermaßenarbeiten,istkompliziert,abernotwendigundsoll GegenstandderSektionsein,ausgehendu.a.vonDerridasBegriffdesKarnophallogozentrismusundVal PlumwoodsVorschlag,denMenschenökologischalsseinerseitsessbaresWesenzuverstehen. Sektion4:Hungerkünstler,Fettskulpturen:ErnährungalsThemaderKünste(Marie-Luise Angerer) EssenundNahrungberührendiesozialeundpsychischeEntwicklungundErfahrungeinesjeden Menschenzutiefst.Essen,Trinken,Schlucken,VerdauenundAusscheidensindfundamentale Körpervorgänge.Esistdahernichtüberraschend,dassdieseauchinderKunsteinezentraleRollespielen: Künstlerhungern,kochenundesseninGalerien,imMuseumoderimFilm.SieverwendenHonig,Fleisch, Mehlu.a.m.,umausdiesenKunstwerkeherzustellen.SiezelebrierenmitihremKochenFilm-Kunst,aus EssenanlangenTafelnwerdenhappenings,ausFettfleckendenkwürdigeInstallationenundaus alltäglichenVerrichtungennamhaftePerformances.PeterKubelka,SteveMcQueen,AlisonKnowles,Elke Krystufek,AngLee,WolfgangLaib,SigmarPolke,JosephBeuys,RikritTiravanijasindnureinige FilmemacherundKünstlerauseinerlangenListe,derenPraxisausEssenbestehtbzw.derenArbeitensich umdasThemaderNahrung/Ernährungdrehen.DieSektionmöchteEssenundHungernalskünstlerische (+filmische)StrategienausheutigerSichtbefragen–mitBlickaufeineGesellschaftvonästhetischem Überfluss,Armut,KriegundFlucht:EssenundHungernalsBalanceaktzwischenimaginärerundrealer Erfahrung. Sektion5:AsketischeSelbsttechniken:LeitbilderundPraktikenderstoischenPhilosophie,der frühchristlichenAnachoretenunddermodernenDiät-undGesundheitsratgeber(AntonioLucci) DerbekannteSatzLudwigFeuerbachs„derMenschist,waserisst“(DieNaturwissenschaftunddie Revolution1850)artikulierteinetranshistorischeGrundannahme:DerMenschdefiniertsichdurchdas Essen,unddemEssenwirddurchdieseDefinitionBedeutungverliehen.DieRelationvonMenschund EssenhatinderKulturgeschichteunterschiedlicheNamenundFormenangenommen:vondenantiken Übungen,welchedieGriechen„Askese“genannthaben,biszudenspektakulärenPraktikendesFastens derfrühchristlichenAnachoreten.WennPierreHadotfürdiesePraktikendieDefinition–v.a.inBezugauf diestoischePhilosophie–von„spirituellenÜbungen“(ExercisesSpirituels)vorgeschlagenhat,sohat MichelFoucaultdieseBeschreibungmitdemAusdruck„Selbsttechniken“(Techniquesdusoi) verallgemeinert.SindEssenundFastenSelbsttechniken?WasfüreinSubjektwirddurchdieseTechniken hergestellt?WelcheSelbsttechnikenherrscheninunsererVorstellungs-undMedienweltheute?Diesen undanderenFragenunddendamitzusammenhängendenThemenwirddiefünfteSektionder Sommerakademienachgehen. TeilnehmerInnen: NachwuchswissenschafterInnenundkulturwissenschaftlichversierteKünstlerInnen,dieeinzentrales InteresseanKulturwissenschaftenhaben.ÖsterreichischeBewerberInnenodersolche,diean österreichischenWissenschaftseinrichtungenarbeiten,werdenbesonderszurAntragsstellungermutigt. Arbeitsablauf: VondenTeilnehmerInnenwirderwartet,dasssiebinnensechsWochennachTeilnahmebestätigungin einemkurzenTextvonca.sechsSeiten(15.000Zeicheninkl.Leerzeichen)einArgumentzumSubthema einerSektiondarlegenunddiesesimRahmenderAkademieschließlichfreireferieren,paraphrasieren, kontextualisierensowiemitdenanderenTeilnehmerInnenunddenMitgliedernderIFK_faculty diskutieren.DafürstehtjeweilseineStundeproTeilnehmerInzurVerfügung,wobeialleTeilnehmerInnen undalleMitgliederderIFK_facultyanallenSektionenteilnehmen.UmeineintensiveDiskussionundeinen ausgeglichenenWissensstandzuermöglichen,wirddieLektürederKurztexteallerTeilnehmerInnen sowievonfünfGrundlagentextenvorausgesetzt,diealsArbeitsunterlagenvorwegzugesandtwerden. Anwesenheit: ImInteressedeswissenschaftlichenAustauschsistesunerlässlich,dassalleTeilnehmerInnenwährend derGesamtdauerderIFK_Akademieanwesendsind Arbeitssprache: DieArbeitsspracheistDeutsch.Bewerbungenausdemnicht-deutschsprachigenRaumsindwillkommen. AuswahlderTeilnehmerInnen: DieVerständigungüberdieerfolgreicheBewerbungzurIFK_AkademieerfolgtEndeApril/AnfangMai 2016.AnschließendnehmendieMitgliederderIFK_facultymitdenStipendiatInnenKontaktauf,umdie einzelnenBeiträgefürdieAkademiemitihnenabzustimmen. Stipendienumfang: AlleausgewähltenBewerberInnen,insgesamtmaximal20Personen,erhaltenvomIFKeinStipendium, dasdieUnterbringungimEinzelzimmer,dieVerpflegungsowiedieBereitstellungderArbeitsunterlagen beinhaltet.DieReisekostensindselbstzutragen.ImAnschlussandieVerständigungüberdieerfolgreiche BewerbungwerdendieorganisatorischenDetailsbekanntgegeben. Bewerbungsunterlagen: 1) Stammdatenblatt(sieheAntragsformular) 2) KonkreterThemenvorschlagzueinemderfünfSubthemen(3.000-4.000Zeicheninkl. Leerzeichen) 3) TabellarischerLebenslaufundLichtbild 4) TabellarischerBildungsgang(Schule,Universität,etc.),Kopiedesletztenakademischen Abschlusszeugnisses,gegebenenfallseineListederwissenschaftlichenVeröffentlichungen Bewerbungsfrist DerAntragistperE-Mail(BewerbungsunterlagenimAttachmentzusammenalseinPDF)oderperPost bisspätestens6.April2016(esgiltdasDatumdesPoststempels)zusendenan: [email protected] IFKInternationalesForschungszentrumKulturwissenschaften KunstuniversitätLinz z.Hd.Prof.Dr.ThomasMacho Reichsratsstraße17/DG 1010Wien Österreich http://www.ifk.ac.at IFKInternationalesForschungszentrumKulturwissenschaften|KunstuniversitätLinzinWien 1010Wien,Reichsratsstraße17,Tel.:+4315041126,Fax:+4315041132,E-Mail:[email protected], www.ifk.ac.at
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