Natur - OS2 Designgroup

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Möbelunikate aus alten Schubladen von
Franziska Wodicka (oben).
«Frank»-Regal aus recycelten Span- und
Tischlerplatten von Oliver Schübbe (rechts).
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Fotos: zvg | fotolia.com
natürlich 09-10 | 2015
Recycling Haus & Garten
AUS ALT MACH NEU
Alte Möbel und ausgediente Alltagsgegenstände inspirieren Designer
zu ungewöhnlichen Kreationen. Recyclingmöbel überzeugen
durch modernes Design, sind (meist) nachhaltig und haben mittlerweile
gar den Weg ins Museum of Modern Art in New York geschafft.
Text: GUNDULA MADELEINE TEGTMEYER
«FRANK» ist die recycelte Antwort auf das erfolgreiche Billy-Regal von Ikea. Designer Oliver
Schübbe schreinert «Frank» aus Teilen ausrangierter Schränke, Schreibtische und Tischtennisplatten. Der deutsche Innenarchitekt gilt als einer der
­Pioniere in der Möbel-Recycling-Branche. Mit
über 30 000 verkauften Exemplaren ist sein Regal aus Schrott das erfolgreichste Recyclingmöbel der Welt. Recyclingmöbel sind Unikate.
Entgegen vielen Vorurteilen suchen die Re- und
Upcycler ihre Materialen mit grosser Sorgfalt aus.
Bevorzugte «Rohstoffe» sind Altholz, Glas, Karton, PVC oder Reste aus anderen Produktionsprozessen. Das muffige Öko-Image der Anfangszeit
ist längst überwunden. Recyclingmöbel sind hochwertiger geworden, modernes Design überzeugt.
Je seltener, exklusiver oder aussergewöhnlicher
das Ausgangsmaterial, umso aufwendiger die Produktion und umso höher auch die Preise.
VERSCHIEDENE ANSÄTZE. Zwei RecyclingAnsatzpunkte lassen sich erkennen: Einige Hersteller verwenden beispielsweise Altholz, als wäre
es ein neues Arbeitsmaterial. Diesem Recyclingmöbelstück sieht man den Prozess der nachhaltigen Produktionsweise nicht auf den ersten Blick
an. Andere Designer gehen einen anderen Weg:
Charakter sowie Beschaffenheit des einstigen
­Materials bleiben erhalten: Man sieht, dass die
Teile ein Leben vor dem Recycling hatten. Aus
ausgedienten Schubladen werden Wandregale, aus
Schallplatten Leuchten im Stil der 50er- und 60erJahre. Der Kreativität der Re- und Upcycler sind
keine Grenzen gesetzt. Die Berlinerin Fransiska
Wodicka entwirft in ihrer Werkstatt Regale, Kommoden und Kleinmöbel aus alten Schubladen. Da-
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mit ist die ehemalige Landschaftsarchitektin so erfolgreich, dass sie mittlerweile ein Team beschäftigt
und sich selbst hauptsächlich auf das Design konzentriert. Günstig sind ihre upgecycelten Möbel
nicht: Die alten Schubladenelemente in einen neu
geschreinerten Korpus einzupassen beziehungsweise umgekehrt, ist aufwendig und verlangt
handwerkliche Präzision. Das günstigste Möbel
kostet um die 270 Euro, ihr bislang teuerstes Stück
7000 Euro.
Auch der Schweizer Dominik Zehnder gehört
zur «Aus-Alt-mach-Neu-Bewegung». Geprägt hat
ihn sein Elternhaus: «Der respektvolle Umgang
mit der Natur, dem Leben und der Umwelt war
ein grosses Anliegen meiner Eltern, und dies
schon zu einer Zeit, als Begriffe wie Nachhaltigkeit, Öko­logie und Umweltschutz noch nicht
in aller Munde waren. Gekauft wurden Qualitätsprodukte, die bei einem Defekt repariert
­wurden.»
KUNDEN WOLLEN INDIVIDUALITÄT. Seit
mehreren Jahren führt Zehnder in Baden den
­Secondhandshop «Pingpong» und produziert aus
ausrangierten Möbeln und Lampen neue Einrichtungsstücke, und dies zu erschwinglichen Preisen
(www.pingpongbaden.ch). Zehnder erinnert sich:
«Nach dem Auszug aus dem Elternhaus umgab ich
mich mit gebrauchten Möbeln und Einrichtungsgegenständen. Sicherlich aus finanziellen Gründen, aber insbesondere auch, weil solche Gegenstände eine Geschichte haben. Aufgefrischt sowie
neu kombiniert haben sie meiner Wohnung einen
ganz persön­lichen Charakter verliehen.» Aus den
Experimenten bei seiner Wohnungseinrichtung
wurde seine Profession. Heute baut Zehnder ge-
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Sessel aus einem Ölfass.
brauchte und defekte Leuchtenteile zu neuen
Lampen zusammen. Dominik Zehnder findet
seine Materialien in Brockenhäusern. «Auch Privatleute, Flohmärkte, Abfallmulden und Entsorgungsstationen sind unsere Lieferanten», erzählt er. Als Kaufentscheidung für ein recyceltes
Möbel nennt Zehnder den Wunsch nach Individualität als Hauptmotivation. Er beobachtet aber
auch ein zunehmendes U
­ mweltbewusstsein unter
seinen Kunden.
PATCHWORK-MÖBEL. Viele Designer treibt
ihr Engagement für Nachhaltigkeit an. Bei anderen ist die Begegnung mit einer besonderen Material-Ästhetik ein Initialmoment und weckt den
Recycler wie im Falle von Piet Hein Eek. Der holländische Design-Guru sagt: «Ich habe einen tiefen Respekt für Materialien und schätze das
Handwerk hoch.» Die wettergegerbte Oberfläche
von Holz hatte ihn fasziniert und zu seinen Patchwork-Möbeln inspiriert. Sein erstes Regal aus Abrissholz baute er bereits 1989. Er blieb darauf sitzen. «Zu jener Zeit dachten die Leute, es sei schön,
aber eine modische Erscheinung. Zehn Jahre
später fanden sie es immer noch schön und
kauften es. Es ist weniger der Punkt, dass es recycelt ist, als vielmehr, dass ein gutes Produkt aus
derben ­Materialien es schaffen kann, zeitlos begehrenswert zu sein.» Eeks Möbelunikate aus
Abrissholz haben es in die internationalen Designershops und ins Museum of Modern Art in
New York ­­geschafft.
IST HOLZ NACHHALTIG? Modische Trends
kommen und gehen und machen auch vor Möbeln
nicht halt. Möbelstücke müssen nicht mehr für die
Ewigkeit halten. Kurze Verschleisszeiten sind
durchaus, wie auch in vielen anderen Branchen,
von einigen Herstellern von vornherein einkalkuliert. Kauft man sich etwas Neues, sind Stücke aus
Massivholz deshalb sicher die bessere Wahl als
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Gartenstuhl aus Altholz.
günstige Möbel aus Pressholz. Als bewusster Käufer sollte man auch die tatsächliche Aussagekraft
von Zertifizierungen kritisch hinterfragen. Das bekannte Öko-Label FSC steht für «Forest Stewardship Council» und für eine Organisation zur Zertifizierung nachhaltiger Forstwirtschaft. PEFC
steht für «Programme for the Endorsement of Forest Certification» zu Deutsch «Programm zur Förderung der Holzzertifizierung». Hinter dem Siegel
FSC stecken Umweltverbände wie beispielsweise
der WWF, die zehn Grundsätze für eine nachhaltige Waldnutzung ausgearbeitet haben und diese
durch sogenannte Zertifizierer überprüfen lassen.
«Allerdings machen beide hierzulande anzutreffenden Öko-Labels nach wie vor keine Aussage
über die Holzherkunft», moniert Claudine Largo
von Greenpeace Schweiz. Die Umweltschützerin
warnt: «Eine FSC-Zertifizierung aus Ländern
wie Russland oder Kongo­becken-Ländern ist
alles andere als ausreichend.» Bei Rohstoffen
aus Ländern mit einer «bad governance» – einer
unverantwortlichen ­Regierungsführung –, wie die
genannten Beispiele es sind, gilt es skeptisch zu
sein. Auch das Label «FSC Mixed» ist laut Greenpeace problematisch, da es unzureichend kontrolliert wird. Ebenso stuft die Umweltorganisation
die Bezeichnung «Schweizer Holz» nicht als ÖkoGarant ein. «Uns stört daran, dass 20 Prozent aus
dem Ausland stammen können, ohne spezielle
Fotos: istockphoto.com | fotolia.com
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Recycling Haus & Garten
Von der Werkstatt
ins Museum of
Modern Art: Möbel
von Piet Hein Eek.
Kontrolle», bemängelt Claudine Largo. Ihre Kundenempfehlung: «FSC-Schweiz ist das beste
Öko-Label für den Konsumenten.»
ZIEL: KREISLAUFWIRTSCHAFT. Doch auch
in der Wirtschaft scheint sich langsam etwas zu
tun: Im vergangenen Mai forderten in Brüssel verschiedene Wirtschaftsverbände, die mehrere Tau-
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Naturärzte Vereinigung Schweiz
natürlich 09-10 | 2015
send Unternehmer vertreten, ein ambitioniertes
Paket zur Kreislaufwirtschaft. Katharina Reuter,
Koordinatorin von Ecopreneur.eu, erklärte: «Für
uns ist entscheidend, dass verschiedene Ziele
für Wiederverwertung und Recycling entwickelt
und etabliert werden. Besonders für Elektronikgeräte, Textilien und Möbel.» Ferner heisst es in
der Erklärung: «Zusätzlich zu bestehenden Initiativen zur Wiederverwertung müssen wir ein Netzwerk von geprüften Re-use-Zentren aufbauen und
sicherstellen, dass diese Zugang zu Abfallströmen
an Sammelpunkten haben.»
Seit 2013 findet im deutschen Freiburg die FreiCycle Designmesse für Recycling & Upcycling
statt. Die Messe steht für junges, innovatives
­Design, das mit vorhandenen Materialien und
Ressourcen neue Ideen kreiert. An der ersten
Messe konnten die Besucher beispielsweise Möbelstücke aus alten Fernsehern bestaunen. Im September öffnet die Ausstellung wieder ihre Tore in
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Plättli Haus & Garten
EIN HAUCH VON
ORIENT
Sie sind umweltfreundlich, handgemacht,
erschwinglich – und ein absoluter Hingucker:
Zementfliesen knüpfen an alte Handwerkstraditionen an und mischen den Plättli-Markt
bis ins Wohnzimmer hinein auf.
Text: MARKUS KELLENBERGER
«NATÜRLICHKEIT ist nicht mehr nur
auf dem Teller gefragt», sagt Markus Keusen, «sondern mittlerweile auch im ganzen
Wohnbereich.» Und genau hier würden
Zementfliesen die Lücke zwischen Naturfarben und natürlichen Baustoffen perfekt
ausfüllen, ist er überzeugt. Der gelernte
Maurer betreibt in Langenthal den
schweiz­weit einzigen Showroom (www.cementtiles.ch) mit dem trendigen Wandund Bodenschmuck. Im Gegensatz zu den
allermeisten Keramikplättli werden Zementfliesen in Marokko, Portugal, Spanien
und Südfrankreich – den historischen
Hochburgen der Plättlikunst – in kleinen
Manufakturen ausschliesslich von Hand
hergestellt. Stück für Stück. Und je nach
Kundenwunsch ganz individuell.
GUT FÜR DAS RAUMKLIMA. Die in
praktisch jedem WC und Badezimmer
präsenten, in der Regel industriell hergestellten und bei hohen Temperaturen gebrannten Keramikplättli sind mit einer undurchdringlichen Glasur versehen. Ganz
anders die Zementfliesen: Sie werden
nicht gebrannt, sondern in Formen gegossen, gepresst und getrocknet, und die mehrere Millimeter dicke Motivschicht besteht
aus Marmorstaub und Farbpigmenten.
Das macht sie atmungsaktiv, das heisst, sie
nehmen Wasser auf und regulieren deshalb im Sommer und in den Heizperioden
die Luftfeuchtigkeit. Das ist neben der besonderen Ästhetik ein weiterer Beitrag für
ein angenehmes Raumklima. Und das
nicht nur im Bad. Die vielen erhältlichen
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Motive, die in einigen Fällen topmodern
sind und in anderen absichtlich an die von
maurischen Einflüssen stark geprägte
Plättlikunst aus dem frühen Mittelalter erinnern, passen als Gestaltungselement genauso gut an Wände und Böden in Hauseingängen, Wohnzimmern und Küchen
oder sogar als Einlagen in Designmöbeln.
Je nach Einsatzort werden die Fliesen gegen Flecken zudem versiegelt.
DER PREIS IST HEISS. Zementfliesen sind nicht teurer als herkömmliches
Feinsteinzeug. Je nach Motiv und Qualität
kostet ein Quadratmeter zwischen 100
und 300 Franken. Da das fachgerechte
Verlegen von Zementfliesen im Gegensatz
zu Keramikplättli aber aufwendiger ist
und viel Erfahrung braucht, entstehen hier
je nach verlegter Fläche einige Hundert
Franken Mehrkosten. «Bei einer Küche,
deren Renovation 20 000 oder auch 40 000
Franken kostet, ist das aber bestimmt vernachlässigbar», meint Markus Keusen.
Speziell an den Zementfliesen ist auch,
dass Kunden, die im bestehenden Sortiment nicht fündig werden, ohne grosse
Mehrkosten eigene Motive produzieren
lassen können. Die Herstellung einer dazu
nötigen Gussform kostet zwischen 500
und 800 Franken, je nachdem, wie kompliziert das gewünschte Muster ist. Ein Preis,
der sich durchaus lohnt, wenn man gerne
in einer alles anderen als einer Nullachtfünfzehn-Wohnung lebt und Wert auf umweltfreundliche Baustoffe legt. u
Fotos: zvg
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