VDE-POSITION Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz Eine hohe Versorgungsqualität und ein jederzeit sicherer Systembetrieb des Energieversorgungssystems bilden die Grundvoraussetzungen für die Funktionsfähigkeit fast aller gesellschaftlichen Bereiche. Der Verordnungsentwurf zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz spezifiziert für die Sektoren Energie, Wasser, Informationstechnik und Telekommunikation sowie Ernährung die Umsetzung des § 10 des BSI-Gesetzes. Es werden erstmals Vorgaben in Form von Schwellenwerten gemacht, nach denen die Bewertung der Kritikalität einer Infrastruktur erfolgt. Als Zielvorgabe der Rechtsverordnung ergibt sich, dass ausschließlich Anlagen mit hinreichender Bedeutung zur Sicherstellung der Versorgung der Allgemeinheit als Kritische Infrastrukturen gelten. Die Gremien des FNN und der DKE haben den Verordnungsentwurf hinsichtlich des Sektors Energie - Stromversorgung analysiert und schlagen folgende Änderungen vor: Sektorübergreifende Vererbbarkeit der Kritikalität begrenzen Im Abschnitt E.2 Erfüllungsaufwand wird die Aussage getroffen, dass die Anzahl erfasster Betreiber deutlich geringer ausfallen wird als die Anzahl der als Kritische Infrastrukturen geltenden Anlagen. Folge: Diese Aussage ist nur teilweise zutreffend, da in der Verordnung die Betrachtung von Interdependenzen außer Acht gelassen wird. Der Sektor Energie ist zur Erbringung vieler anderer kritischer Dienstleistungen notwendig (evtl. sogar als Nebeneinrichtung nach § 1 BSI-KritisV). Vorschlag: Verankert werden muss der Grundsatz, dass jeder Sektor für seine Vorsorgemaßnahmen verantwortlich ist. Betreiber müssen bei bekannten Interdependenzen die VDE-POSITION Substituierbarkeiten von Nebeneinrichtungen für ihre kritischen Dienstleistungen stets selbst überprüfen. Alternativ könnten die Maßgaben zur Ermittlung des Versorgungsgrades, im Teil B zu Nr.4, in den Verordnungstext unter §1 aufgenommen werden. Erbringung kritischer Dienstleistungen präzisieren Unbeschadet der festgelegten Anlagenkategorien gilt eine Anlage laut Begründungsteil B. Besonderer Teil, zu § 1, Nr. 4 nicht bereits deshalb als Kritische Infrastruktur, weil durch sie Dienstleistungen für die Betriebsführung einer Kritischen Infrastruktur erbracht werden. Nicht erfasst sind Anlagen, die zur Versorgung ausschließlich betriebsinterner Prozesse, z. B. innerhalb eines Konzernverbundes, dienen. Folge: Sofern ein Verfahrensschritt bzw. eine Dienstleistung für eine Kritische Infrastruktur betriebsnotwendig ist, ist sie der Anlage zuzurechnen. Anlagen, die der Selbst-/ Eigenversorgung dienen (wie z. B. Netzersatzanlagen für Rechenzentren) sind für den Betrieb der Kritischen Infrastrukturen notwendig, unterliegen aber nicht der Verordnung und gehören demnach nicht zu Kritischen Infrastrukturen. Vorschlag: Ausnahmetatbestände für nicht Kritische Infrastrukturen müssen klar aus der Verordnung hervorgehen: Der referenzierte Begründungsteil ist zu präzisieren: Es sollte klargestellt werden, dass eine Anlage, die eine Dienstleistung für eine Kritische Infrastruktur erbringt, nur dann nicht kritisch ist, wenn diese Anlage mit der kritischen Dienstleistung nicht in einem betriebstechnischen Zusammenhang steht oder nicht für die kritische Dienstleistung von Bedeutung sein kann. Konkretisierung des Anlagenbegriffs notwendig Im Begründungsteil B. Besonderer Teil, zu § 1, Nr. 1 wird ausgeführt, dass bei Betriebsstätten wie Erzeugungsanlagen und Energieversorgungsnetzen, die im Anhang genannt werden, der Anlagenumfang besonders weit reicht und die gesamte Betriebsstätte erfasst wird, nicht lediglich einzelne Kraftwerksblöcke. Folge: Betreiber von Energieerzeugungsanlagen müssen in Zukunft die Anforderungen des Sicherheitskatalogs nach § 11 Absatz 1b EnWG einhalten und eine entsprechende Zertifizierung nachweisen. Durch den weitreichenden Anlagenumfang bedeutet dies, dass Stand: Februar 2016 Seite 2 von 8 VDE-POSITION auch Bereiche der Betriebsstätte, die u. U. nicht zum Betrieb einer Kritischen Infrastruktur beitragen, erfasst werden. Die Erfassung eines Verteilnetzes in einem Begriff entspricht keinem praxisnahen Vorgehen. Durch den weitreichenden Anlagenumfang und die resultierende Zertifizierung entsteht ein signifikanter Mehraufwand. Vorschlag: In Bezug auf den Begriff des Energieversorungsnetzes sollte der Anlagenbegriff weiter spezifiziert werden, z. B. durch eine Ermöglichung einer weiteren Untergliederung. Handel als eigene Anlagenkategorie Nach Begründung B. Besonderer Teil zu § 2, Absatz 1, Nr. 1 umfassen kritische Dienstleistungen weiterhin den Betrieb des öffentlichen Stromversorgungsnetzes einschließlich der vorgelagerten Stromerzeugung. Dem Bereich Übertragung ist entsprechend der Erläuterung zu Absatz 2 neben der Durchleitung von Elektrizität auch der Stromhandel zuzuordnen, weil dieser den Übertragungsnetzbetreibern als Mechanismus zur Beschaffung von Elektrizität zur Deckung von Verlusten und für den Ausgleich von Differenzen zwischen Ein- und Ausspeisung nach § 22 Absatz 1 EnWG dient. Folge: Diese Regelung bildet nicht die wesentlichen drei Säulen Erzeugung, Übertragung/Verteilung, Vertrieb/Handel der Stromversorgung ab. Vorschlag: Aus Sicht der Übertragungs-/Netzbetreiber ist unter zentralen Handelssystemen die Börse EEX zu verstehen. Dies sollte in der Rechtsverordnung als eigenständige Anlagenkategorie dargestellt und nicht der Anlagenkategorie Übertragung/Stromnetz zugeordnet werden. Die hier gegebenenfalls notwendigen Maßnahmen (Stand der Technik) zur Absicherung dieser Handelssysteme sind daher durch die Börse und nicht durch die Übertragungs-/Netzbetreiber zu verantworten. Stand: Februar 2016 Seite 3 von 8 VDE-POSITION Bemessungskriterium für Verteilnetze spezifizieren Im Anhang 1 Teil 3, Nr. 1 wird das Bemessungskriterium für Verteilernetze als entnommene Arbeit in GWh/a über alle Netzebenen festgelegt. Folge: Bei dieser Festlegung ergeben sich Interpretationsspielräume in der praktischen Umsetzung. Unternehmen können mit ihrer Anlage „Verteilnetz“ sowohl auf allen Spannungsebenen als auch nur in einzelnen die Schwellenwerte überschreiten. Es ist folglich unklar, in welchem Fall sie als kritisch gelten. Vorschlag: Konkretisierung der Aussage „über alle Netzebenen“ wie folgt: Kritisch wird ein Verteilnetz erst dann, wenn der genannte Schwellenwert in sämtlichen Netzebenen dieser Anlage überschritten wird. Das Überschreiten in nur einer Netzebene führt nicht zum Status einer Kritischen Infrastruktur. Meldungsanzahl überprüfen Entsprechend des Abschnitts E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft sind nach Abschätzung der Annahmen maximal sieben Meldungen von IT-Sicherheitsvorfällen pro Jahr und betriebener Anlage zu Grunde gelegt. Folge: Diese Zahl erscheint zu willkürlich gewählt. Es ist nicht klar, auf welchen Annahmen sie basiert. Die Anzahl der sieben Meldungen kann nur als Eingangsschätzung dienen. Vorschlag: Die maximale Meldungszahl sollte nach sechs Monaten geprüft und wenn notwendig angepasst werden, um den Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft korrekt abschätzen zu können. Erfüllungsaufwand Umsetzung Stand der Technik Der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft wird rein an den Meldeprozessen festgemacht. Dies ist für die Branche Strom und hier insbesondere für die „Energieerzeugungsanlagen“, nicht zutreffend. Nach § 11 Absatz 1b EnWG müssen alle Betreiber von Energieerzeugungsanlagen, die nach Rechtsverordnung § 10 BSI-Gesetz als Betreiber Kritischer Infrastrukturen identifiziert werden, einen Sicherheitskatalog zur „Herstellung des Stands der Technik“ erfüllen. Dieser Sicherheitskatalog wird, so wie der für die Stand: Februar 2016 Seite 4 von 8 VDE-POSITION Energienetze nach § 11 Absatz 1a, eine Zertifizierung nach ISO 27001 zum Nachweis der Erfüllung mit sich bringen. Folge: Die Umsetzung von zusätzlichen Maßnahmen zur IT- und Informationssicherheit und die Zertifizierung nach ISO 27001 bedeutet für die betroffenen Betreiber von Energieerzeugungsanlagen erheblichen Mehraufwand. Vorschlag: Die Bemessung des Erfüllungsaufwands sollte auch den durch die Zertifizierung entstehenden Mehraufwand berücksichtigen. Kerntechnische Anlagen aus dem Geltungsbereich nehmen Kerntechnische Anlagen fallen in den Geltungsbereich der vorliegenden Verordnung. Im August 2013 wurde auf Betreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit eine „Richtlinie für den Schutz von IT-Systemen in kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen der Sicherungskategorien I und II gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“ (SEWD-RL IT) in Kraft gesetzt, welche mit gestuften Übergangsfristen bereits in fortgeschrittener Umsetzung ist und zum 13.08.2016 uneingeschränkt wirksam wird. Die Richtlinie regelt für die betroffenen Anlagen umfassende Vorgaben zu organisatorischen, prozessualen und technischen Anforderungen der IT-Sicherheit und schließt hierbei alle installierten IT-Systeme ein. Die Umsetzung dieser Richtlinie obliegt der Aufsicht der atomrechtlich zuständigen Landesbehörden, wird in deren Auftrag durch unabhängige Sachverständige begleitet und wird in definierten zeitlichen Abständen regelmäßig überprüft. Folge: Mit der SEWD-RL IT und den eingeführten Meldepflichten für IT-Sicherheitsvorfälle sind somit bereits umfassende, alle Betriebsbereiche einer kerntechnischen Anlage abdeckende und in Umfang und Wesensgehalt über die reinen verfügbarkeitsrelevanten Anforderungen einer Kritischen Infrastruktur hinausgehende, regulatorische Vorgaben für kerntechnische Anlagen der Energieerzeugung in Kraft, welche durch die atomrechtlich verantwortlichen staatlichen Stellen überwacht und überprüft werden. Vorschlag: Kerntechnische Anlagen sollten aus dem Geltungsbereich der Rechtsverordnung herausgenommen werden. Stand: Februar 2016 Seite 5 von 8 VDE-POSITION Schwellenwert bei Definition der kritischen Dienstleistung ergänzen Als kritische Dienstleistungen werden in § 1 Nr. 3 Dienstleistungen definiert, die zur Versorgung der Allgemeinheit dienen und deren Ausfall oder Beeinträchtigungen zu erheblichen Versorgungsengpässen oder zu Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder zu vergleichbaren Folgen führen würden. Folge: Die der Verordnung zugrunde gelegte Schwelle von 500.000 betroffenen Einwohnern wird in der Begründung nicht erwähnt. Vorschlag: Der Schwellenwert von 500.000 Einwohnern ist eine zentrale Festlegung, die in der Definition für kritische Dienstleistungen integriert werden sollte. Beachtung struktureller Unterschiede anstreben In der Begründung B. Besonderer Teil zu § 2 Absatz 1 Nummer 1 werden kritische Dienstleistungen der Stromversorgung als fortdauernde und im gesamten Verteilungsgebiet gesicherte Versorgung der Allgemeinheit mit elektrischer Energie bezeichnet. Folge: Netzbetreiber mit einem Flächenversorgungsauftrag bringen deutlich andere Methoden zur Anwendung als Netzbetreiber in Ballungsgebieten. Die BNetzA berücksichtigt dies über Strukturparameter/-daten. Vorschlag: Strukturelle Unterschiede sollten in zukünftigen Anpassungen der Verordnung berücksichtigt werden. Anpassungsbedarf Im Folgenden werden Passagen des vorliegenden Verordnungsentwurfes aufgeführt, bei denen VDE empfiehlt, inhaltliche Spezifizierungen bzw. redaktionelle Anpassungen durchzuführen. E.2 Erfüllungsaufwand: Die Summe der geschätzten Anzahl der Anlagen ist in der Tabelle und im Text anzugleichen (vgl. S. 4 und 24) Stand: Februar 2016 Seite 6 von 8 VDE-POSITION § 1: Anlagen werden allen vorgesehehen Anlagenteile und Verfahrensschritte zugerechnet, die zum Betrieb notwendig sind und die für die Erbringung einer kritischen Dienstleistung von Bedeutung sein können. „Können“ ersetzen durch „Anlagen, die von Bedeutung sind“. § 2, Absatz 2: Für die Dienstleistungen Strom- und Gasversorgung werden die Bereiche Erzeugung/Gewinnung und Betrieb von Energieversorgungsnetzen genannt. Für eine konsistente Begriffsverwendung sollten die Bereiche Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung sowie Gasförderung, -transport und -verteilung verwendet werden. Anhang 1, Teil 1, Nr. 3: Bei Übertragungsnetzen und Fernwärmenetzen ist vorgesehen, die Anzahl der unmittelbar versorgten Personen/Haushalte direkt zu ermitteln. Für die unmittelbare Ermittlung der angeschlossenen Verbraucher sollte nicht auf 1.2.1 Übertragungsnetz sondern auf 1.3.2 Messstelle verwiesen werden. Anhang 1, Teil 1, Nr. 4: Bei Stromversorgung und Fernwärmeversorgung ist generell die installierte Leistung (Kapazität) zu verwenden. In Anhang 1, Teil 1, Nr. 4, sollte nicht auf Teil 3 Nr. 1 und Nr. 4 sondern nur auf Teil 3 Nr. 1.1 und Nr. 4.1 verwiesen werden. Begründung A. Allgemeiner Teil, IV. Gesetzesfolgen: Es wird auf die Anzahl der Betreiber Kritischer Infrastrukturen über alle sieben Sektoren referenziert. Der vorliegende Verordnungsentwurf deckt zunächst nur Korb 1 ab, welcher nur vier der gesamten Sektoren umfasst (vgl. auch Abschnitt B. Besonderer Teil, zu Nummer 3). Begründung B. Besonderer Teil, § 1, zu Nr. 5: Relevanz der Beispiele zur Notfallversorgung sollten überdacht werden. Zusätzlich sollte auf die Verwendung von Unternehmensnamen verzichtet werden. Der bereits genannte Begriff „private Anbieter“ schließt alle privaten Unternehmen ein und macht gesonderte Benennungen überflüssig. Begründung B. Besonderer Teil , § 2, Absatz 1: Die Verwendung des Begriffs kurzzeitige Versorgungsunterbrechung sollte überprüft werden. Kurzzeitige Unterbrechungen sind betriebsbedingt. Kurzunterbrechungen sind eine Schutzmaßnahme und dienen dazu, den sicheren und zuverlässigen Betrieb aufrechtzuerhalten. Begründung B. Besonderer Teil § 2, Absatz 5, Nr. 1: Definition einer Erzeugungsanlage erfolgt im Sinne des § 3 Nr. 18c EnWG. In der vorliegenden Stand: Februar 2016 Seite 7 von 8 VDE-POSITION Fassung des EnWG vom 15.12.2015 ist diese nicht vorhanden, die Erzeugungsanlage entsprechend nicht definiert. Begründung B. Besonderer Teil § 2, Absatz 5, Nr. 2: Anlagenkategorie Messstelle: Hier ist eine weitere Definition erforderlich VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. Finja Bauer Bismarckstr. 33 10625 Berlin Andreas Harner Stresemannallee 15 60596 Frankfurt am Main Tel.: +49 30 383868-26 E-Mail: [email protected] www.vde.com/fnn Tel.: +49 69 63089392 E-Mail: [email protected] www.dke.de Stand: Februar 2016 Seite 8 von 8
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