Depression vs. Demenz Rund 1,2 Millionen Deutsche sind derzeit an einer Demenz erkrankt. Das aus dem Lateinischen stammende Wort („Demens“ – abnehmender Geist) umschreibt ein Diagnosebild, das vorwiegend ältere Menschen ab 65 Jahren betrifft. Neben den Depressionserkrankungen, Ängsten und Zwängen sowie Abhängigkeitsstörungen stellt die Demenz das dritte der häufigsten psychischen „Volkskrankheiten“ dar. Symptome sind dabei bei meist nachweisbarer krankhafter Veränderung des Gehirns vielfältig und betreffen sowohl die kognitiven Denkprozesse, motorische Fähigkeiten und Sprache als auch die Persönlichkeitsstruktur. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis verblasst merklich, Konzentrations- und Merkfähigkeit bauen ab, Wortfindungsstörungen, Nervosität und Gereiztheit treten neben Schlafstörungen, Depressivität und Wesensveränderungen gehäuft auf. Im späteren Verlauf können Sprechstörungen, Orientierungssinn und psychotisch anmutende Zustände hinzu kommen. Die nachlassende Fähigkeit, Personen wiederzuerkennen, gewohnte Abläufe zu rekonstruieren und letztlich auch auf das Langzeitgedächtnis zurückzugreifen, findet sich im weit fortgeschrittenen Stadium. Der Unterschied zu einer Minderbegabung, die bereits im Kindesalter vorliegen kann, ist der im Alter rasant verlaufende Fortschritt der Demenz. Jedoch ist auch nicht jede altersbedingte Gedächtnisstörung einer Demenz zuzuordnen. Ursachen können unterschiedlicher Natur sein: Angefangen von genetischen Komponenten beeinflussen auch Stress, Bluthochdruck und psychische Erkrankungen und Traumata die Risiken, an einer Demenz zu erkranken. Die Demenz kennt bis heute keine Heilung und führt in der Regel zu verfrüht eintretendem Tod. Allerdings sind die Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten deutlich verbessert worden, die Forschungsergebnisse liefern immer wieder neue Ansätze und Erklärungsmodelle. Zu unterscheiden sind wesentlich zwei Demenzformen: Die am häufigsten auftretende neurodegenerative Demenz (Alzheimer-Syndrom) beruht auf Abbau von Hirnstrukturen bei Einlagerung von Plaques in den Neuronen. Weniger oft tritt dagegen die vaskuläre Demenz auf, der Durchblutungsstörungen unterschiedlicher Ursache zugrunde liegen. Die Diagnose wird über eine Befundaufnahme und Begutachtung, eine Befragung des Betroffenen und der Angehörigen, neuropsychologische und körperliche Untersuchungen mit Labordiagnostik sowie unterschiedliche Tests gestellt. Bei Unsicherheit erfolgen bildgebende Verfahren wie Computertomographie und Magnetresonanztomographie. Trotz der recht eindeutigen Möglichkeit des Nachweises von Demenz wissen viele Betroffene auch nach Jahren ihre Diagnose noch immer nicht. Die schwierigste Differentialdiagnose ist die (Alters-)Depression. Die Abgrenzung zur Demenz kann kompliziert sein, weil zahlreiche Symptombilder des dementiellen Verlaufes leicht mit depressiven Episoden zu verwechseln sind. Viele Demenzerkrankte haben bereits in ihrem Lebenslauf unter Depressionen gelitten, schlussendlich können aber folgende grobe Unterscheidungsmerkmale angewandt werden: - - Während die Demenz eher einen schleichenden Verlauf nimmt, können depressive Episoden häufig klarer zeitlich abgegrenzt werden. Die Demenz ist ein langfristiger und recht gleichbleibender Zustand, während depressive Phasen schwankend sein können. Die Einschränkung von kognitiven Fähigkeiten (Denken, Erfahren, Wissen, Analysieren, Erinnern…) sind bei der Demenz konstant vorhanden, treten bei einer Depression wechselnd auf. Gedächtnisstörungen sind bei einer Demenz klar nachweisbar, bei Depressionen sind sie oft eher fraglich. Die Verhaltensänderungen innerhalb der Demenz werden als fluktuativ beschrieben, bei Depressionen ist keine grundlegende Verhaltensstörung auffindbar. Depressivität bei Demenz ist kein längerer periodenhafter Zustand, sondern gleicht eher aufflackernden Begleitsymptomen. Insgesamt treten Depressionen bei der Demenz häufig dann auf, wenn die Betroffenen ihren körperlichen und geistigen Verfall selbst noch wahrnehmen können. Auftretende Resignation steht dann meist im Zusammenhang mit Wut und Enttäuschung, aber auch Scham und dem Wunsch nach Isolation. Depressivität bleibt also ein einzelnes mögliches Symptom der Demenz und stellt darin enthalten kein eigenes Krankheitsbild dar. Die Behandlung von Demenzerkrankten erfolgt maßgeblich medikamentös (Antidementiva bei neurodegenerativer Demenz). Begleitende Maßnahmen wie Demenzgruppen, Betreuung durch Zuhören, Aktivitäten und Gedächtnistraining sind ebenso von Bedeutung wie der mögliche Erhalt von sozialen Kontakten. Der Demenz kann auch präventiv durch körperliche und geistige Fitness, hohe Bildung, Ernährungsbewusstsein und ein intaktes Umfeld begegnet werden. Depressionen im Alter zeigen sich häufig als psychogen und damit als Folge körperlicher Ursachen, die zur Auslenkung des Neurotransmittertransfers führen. Sie sind die zweithäufigste psychiatrische Diagnose über 65 Jahre. Literatur: Jahn, Thomas: Demenzen. Fortschritte der Neuropsychologie. Hogrefe-Verlag; Göttingen: 2012 Buijssen, Hub: Demenz und Alzheimer verstehen. Erleben – Hilfe – Pflege: ein praktischer Ratgeber. Beltz Taschenbuch-Verlag; Weinheim: 2011 Hilfe: Deutsche Alzheimer-Gesellschaft, www.deutsche-alzheimer.de Kompetenznetz Demenzen, www.kompetenznetz-demenzen.de ALZheimer ETHik e.V., www.alzheimer-ethik.de Dennis Riehle
© Copyright 2024 ExpyDoc