Protokoll zu unserem Bürgerdialog Asyl vom 08.12.2015

Protokoll zum Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf | 8.12.2015 | Ratssaal, Rathaus
Sächsische Landeszentrale
für politische Bildung (SLpB)
Schützenhofstr. 36
01129 Dresden
Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
Ergebnisprotokoll zum Bürgerforum: Asyl in Adorf
Datum:
8. Dezember 2015
Ort:
Adorf, Rathaus, Ratssaal
Zeit:
18:00 – 20:00 Uhr
Veranstalter:
Stadt Adorf und Kirchgemeinde Adorf
Thema:
Asyl in Adorf
Ziel:
Beginn eines Bürgerdialogs zum Thema
Teilnehmer:
circa 70
Referenten:
Bürgermeister der Stadt Adorf Herr Rico Schmidt
Gleichstellungs-/Integrations- und Frauenbeauftragte des
Landkreises Vogtland Frau Veronika Glitzner
Vertreter des Polizeireviers Plauen Herr Thomas Kobel
Pfarrer der Kirchgemeinde Adorf Herr Marcel Lepetit
Pfarrer der Kirchgemeinde Plauen Herr Andreas Gräßer
Leiterin des Hauptamtes der Stadt Adorf
Frau Antje Goßler
Geschäftsführerin der Wohnungsgesellschaft Adorf
Frau Kati Stein
Vertreterin des Helferkreises Bad Elster Frau Ulrike Bär
Moderation:
Herr Andreas Tietze, Sächsische Landeszentrale für
politische Bildung (SLpB)
Herr Christoph Meyer, SLpB
Protokoll:
Herr Alexander Stiefler, SLpB
Kontakt:
[email protected]
Sächsische Landeszentrale für politische Bildung
Schützenhofstraße 36
01129 Dresden
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Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
Ergebnisse
Frau Veronika Glitzner, Gleichstellungs-/Integrations- und Frauenbeauftragte
des Landkreises Vogtland, informiert zur Situation der Asylsuchenden im
Landkreis. Die Versorgung und Unterbringung der ankommenden Menschen sei
eine Pflichtaufgabe der Behörden, so Glitzner. Um ein gelingendes Zusammenleben
zu ermöglichen, sei freilich die Zustimmung der Bevölkerung erforderlich. Integration
sei keine Einbahnstraße. Die Bereitschaft sich integrieren zu wollen, müsse
eingefordert werden.
Aktuell, Stand: 8.12.15, leben 4.901 Ausländer im Landkreis. Die 2.058 Asylbewerber
und Flüchtlinge, die sich zur Zeit im Landkreis aufhalten, stammen vorwiegend aus
Syrien, der Russischen Föderation, dem Kosovo und dem Irak. Bis Jahresende
werden landkreisweit weitere 670 Personen erwartet. 413 Personen der
Asylbewerber und Flüchtlinge sind überdies vollziehbar ausreisepflichtig, so Glitzner.
Eine besondere Gruppe bilden die minderjährigen Alleinreisenden. Jene, aktuell 113,
werden bis zur Volljährigkeit vom Jugendamt betreut. Die zentrale Unterbringung
erfolgt im Berufsschulzentrum Rodewisch.
Die Unterbringung der Menschen im Landkreis soll vorwiegend dezentral, d.h. in
angemieteten Wohnungen, erfolgen. Arbeitsgruppen des Landkreises suchen aus
diesem Grund ständig nach zur Verfügung stehenden Wohnungen/Unterkünften.
Aufgrund des hohen Zustroms müssen circa 300 Personen in einer
Gemeinschaftsunterkunft in Plauen leben. Notquartiere gebe es zudem in Rodewisch
und Ellefeld.
Die mittel- und langfristige Herausforderung bestehe in der Bereitstellung von Kitaund Schulplätzen für die Flüchtlingskinder sowie die Bereitstellung von
sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnissen für die Ankommenden. Circa
60 von ihnen befinden sich aktuell in Arbeit.
Die Gleichstellungs-/Integrations- und Frauenbeauftragte des Landkreises Vogtland
appelliert an die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Mittlerweile sei ein
Netzwerk von 60 Verbänden, Vereinen und Initiativen im Landkreis aufgebaut, das
die Behörden in dieser Frage unterstützt. Im Vogtland gebe es fünf Stützpunkte für
die Freiwilligen. Glitzner regt an, möglicherweise einen weiteren in Adorf
einzurichten. Auch aus diesem Grund, d.h. der Informationsweitergabe dieser
Sachverhalte, sei das Bürgerforum am 8.12. wichtig. Unter www.vogtlandkreis.de
könne man sich über den aktuellen Stand zu Asyl umfassend informieren, so
Glitzner.
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Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
Der Bürgermeister der Stadt Adorf, Herr Rico Schmidt, beschreibt die Situation
vor Ort. Herr Schmidt sieht in der Flüchtlingsfrage eine große Herausforderung für
die Gemeinde. Die Veranstaltung soll der Informationsweitergabe und der Suche
nach (ehrenamtlichen) Partnern dienen. In der Stadtgesellschaft leben seit geraumer
Zeit 50 Ausländer.
Zentral in der Asylfrage sei, dass es sich bei der Unterbringung der Menschen um
eine Pflichtaufgabe handele. Für Adorf habe man sich für dezentrale Unterkünfte
entschieden. Mit dieser Art der Unterbringung sei eine Integration aussichtsreicher,
so der Bürgermeister. Den Flüchtlingen soll eine Perspektive gegeben werden.
Die Wohnungen hierfür bereitzustellen, sei vorwiegend die Aufgabe der städtischen
Wohnungsgesellschaft. Mit Stand zum 8.12.15 seien seit wenigen Tagen drei
Wohnungen an sechs Syrer vermietet. Bei einem unangekündigten Besuch der Stadt
wurde man freundlich empfangen. Die Quartiere waren aufgeräumt. Es lagen
Deutschbücher auf dem Tisch. Dies wurde als ein „gutes“ Zeichen angesehen.
Weitere Wohnungen sind dem Landkreis angeboten worden. In den städtischen
Wohnungen sollen kurzfristig bis zu 30 Flüchtlinge dezentral in Adorf untergebracht
werden.
Keinen Einfluss hat die Stadt auf die Vermietung von privatem Wohnraum. Dies
müsse vertraglich zwischen dem Landkreis und den privaten Anbietern vereinbart
werden.
Im Anschluss folgten Fragen der Teilnehmer
FRAGE: Wie hoch sind die staatlichen Transferleistungen an Asylbewerber?
Müssen jene zurückgezahlt werden.
Antwort durch Frau Glitzner: Die Hilfesuchenden erhalten Leistungen, die sich am
Regelsatz für Alg-2-Empfänger, umgangssprachlich Hartz-IV, orientieren. Die Miete,
in der Regel zwischen 3,50 EUR und 4,50 EUR pro m 2, wird durch das Landratsamt
übernommen. Einen kleinen Teil der Nebenkosten muss durch die Asylsuchenden
übernommen werden. Sozialleistungen müssen nicht zurückgezahlt werden.
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Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
FRAGE: Wieso gibt es solch eine große Anzahl an nicht registrierten
Ankommenden?
Antwort durch Herrn Kobel: Die Registrierung der Menschen erfolgt nach Aufnahme
in einer Erstaufnahmeeinrichtung, EAE. An den Grenzen kann die Registrierung nicht
erfolgen. Eine Zwischenfrage, nach der man die Bundeswehr hierfür einsetzen
könne, verneint der Leiter des Streifendienstes der Polizei. Die Verfassung, das
Grundgesetz, verbiete den Einsatz des Militärs im Inneren.
FRAGE: Wie soll die Integration gelingen? (Der Fragesteller nimmt an, dass sich
nicht alle Flüchtlinge, so wie mutmaßlich im westlichen Teil der Republik, integrieren
möchten.)
Antwort aus dem Auditorium: Eine Anwesende, die aus Nordrhein-Westfalen stammt,
kann einen unterstellten Integrationsunwillen nicht erkennen. Sie mahnt, den
Sachverhalt nicht einseitig wahrzunehmen.
FRAGE: Ab welchem Zeitpunkt dürfen Asylbewerber Arbeit aufnehmen?
Antwort durch Frau Glitzner: Nach drei Monaten dürften Asylbewerber arbeiten, so
Glitzner. Entscheidend sei die Qualifikation. Der Landkreis sei mit der Arbeitsagentur
in Gesprächen, um entsprechende Möglichkeiten zu generieren. Sie betont, dass es
sich hierbei um einen längerfristigen Prozess handelt.
Erklärung durch Herrn Pfarrer Gräßer: Nach der Prüfung des Asylbegehrens können
Menschen verschiedene Aufenthaltstitel erhalten. Hieraus ergibt sich, wie lang die
Aufenthaltsdauer ist. Nach Ablauf der bis zu drei Jahren, erfolgt eine erneute
Prüfung der Berechtigung. Herr Gräßer betont ferner die aktuelle „Notsituation“, den
flüchtenden Menschen zu helfen. Die Integration koste allen Beteiligten Kraft, so der
Pfarrer der Gemeinde Plauen.
FRAGE: Wie alt sind die in Adorf wohnenden Flüchtlinge? Wie kann man Ihnen
begegnen?
Antwort durch Frau Stein: Die betreffenden Personen sind zwischen Mitte 20 und
Mitte 30. Sie sprechen Englisch bzw. Französisch, sind muslimischen bzw.
christlichen Glaubens. Der Kontakt mit weiblichen Mitarbeitern der Stadt verlief
respektvoll.
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Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
FRAGE: Wie sehen die Erfahrungen des Helferkreises Asyl in Bad Elster aus?
Antwort durch Frau Bär: Der Helferkreis wurde im März 2015 ins Leben gerufen.
Neben
Patenschaften
für
Familien
organsiert
man
unter
anderem
nachbarschaftliche, periodisch stattfindende Treffen. Die Institution „Kindergarten“ sei
besonders relevant, da dies ein Ort der Integration sei, an dem einheimische und
Kinder von Asylbewerbern zusammentreffen. Die Erfahrungen seien durchweg
positiv, so Bär. Gleichwohl kommt es mitunter zu Meinungsverschiedenheiten. Dies
sei
freilich
ein
allgemeines
Charakteristikum
des
gesellschaftlichen
Zusammenlebens. Der Helferkreis organisiert zudem die Sammlung von
Sachspenden des alltäglichen Bedarfs, Teppiche würden stark nachgefragt, so Bär.
Ergänzende Antwort durch Frau Glitzner: Für Sachspenden gebe es landkreisweit
Zentren. Man könne in Betracht ziehen, einen solchen Standort in Adorf durch Dritte
einzurichten.
Ergänzende Antwort durch Herr Schmidt: Die Kleiderkammer der Stadt Adorf stünde
bereit, diese Funktion zu übernehmen.
Anmerkung durch eine Person im Publikum: Er habe drei Erfahrungen gemacht, die
er gern kundtun möchte. Einesteils solle sich gleichsam jeder vor Augen halten, was
es persönlich bedeute, abgeschoben zu werden. Der gescheiterte Antrag auf ein
Visum für eine gut ausgebildete afrikanische Lehrerin habe ihm überdies gezeigt,
wie restriktiv die Gesetze hierzu seien. Anderenteils habe er in einer
Flüchtlingsunterkunft als Lehrer gearbeitet. Dabei konnte er ein fehlendes Interesse,
sich integrieren zu wollen, beobachten.
FRAGE: Wie schnell kann die Polizei auf Notrufe reagieren? (Der Fragesteller nimmt
an, dass vermehrt männliche Flüchtlinge die örtliche Diskothek „Glashaus“
besuchen wollen. Hierbei könnten schwierige Situationen entstehen.)
Antwort durch Herrn Kobel: In der Regel könne es bis zu 25 Minuten benötigen, bis
die Polizei vor Ort ist. Eine Stunde sei im Extremfall nicht auszuschließen. Freilich
besteht im Landkreis eine Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, die in solchen
Fällen durchaus hilfreich ist. Ob der Betreiber zusätzliches Sicherheitspersonal
benötigt, obliegt seiner Prüfung.
Ergänzende Antwort durch Frau Stein: Zusätzlich zu den sechs männlichen
Asylbewerbern können bis zu 24 Personen kurzfristig aufgenommen werden.
Prognostiziert sei die Aufnahme von Familien. Die vier dem Landkreis durch die
Stadt angebotenen Wohnungen seien in erster Linie für Familien geeignet. Eine
Garantie einer Familienbelegung könne man freilich nicht geben.
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Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
Ergänzende Antwort durch Herrn Tietze: Wenn es zu Vorfällen komme, müsse man
die Dinge anzeigen. Nur so mache man es den Behörden bekannt. Auf Grundlage
etwaiger erhöhter Straftaten können sodann angepasste Bedarfspläne (der
Personalstärke der Polizei) erarbeitet werden.
Ergänzende Antwort durch Frau Bär: In Bad Elster leben ausschließlich Familien, so
dass es unwahrscheinlich sei, dass weitere junge männliche Flüchtlinge aus der
Umgebung die Diskothek in Adorf besuchen.
FRAGE: Wann ist das Limit für die Aufnahme erreicht?
Antwort durch Frau Glitzner: Aktuell halte man im Landkreis 100 Wohnungen vor.
Weitere Notquartiere werden gesucht. Frau Glitzner ist überzeugt, dass man noch
weitere Ressourcen erschließen könne.
FRAGE: Wird es eine Zusammenkunft, organisiert durch die Stadt, mit den
Asylbewerbern in Adorf geben?
Antwort durch Herrn Schmidt: Dieser Abend soll auch dazu dienen, Freiwillige zu
finden. Der Kontakt solle aber die über Stadt hergestellt werden.
Ergänzende Antwort durch Herr Lepetit: Die Kirchgemeinde stellt gern Räume zur
Verfügung. Zudem lädt der Pfarrer Adorfs dazu ein, sich ebenso als Freiwilliger für
Patenschaften oder Deutschkurse zur Verfügung zu stellen. Herr Lepetit sei dankbar
für den stattfindenden Bürgerdialog, um auf diesem Wege für eine gelingende
Integration der Ankommenden zu werben.
FRAGE: Wie wird die Sicherheit der Flüchtlinge in Adorf garantiert?
Antwort durch Frau Stein: Das Gebäude, indem die Flüchtlinge in Adorf wohnen, wird
durch eine Sicherheitsfirma überwacht. Eine eingeschlagene Scheibe betrachtet man
als Vandalismus.
Ergänzende Antwort durch Herrn Kobel: Die Polizei habe diesbezüglich keine
Anzeichen für einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Alle dezentralen Unterkünfte im
Landkreis seien der Polizei bekannt. Man sei rund um die Uhr im Dienst und
überwache diese Standorte in unregelmäßigen Abständen durch (Zivil-)Streifen. Herr
Kobel appelliert an die Anwesenden, Auffälligkeiten der Polizei zeitnah zu melden.
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Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
FRAGE: Wie viel Flüchtlinge kann man in Adorf erwarten?
Antwort durch Frau Glitzner: Die Unterbringung der Flüchtlinge erfolge auf
Landesebene anhand der Einwohnerzahl. Man achte auf ein ausgewogenes
Verhältnis von Bevölkerung und Asylsuchenden. Genaue Zahlen könne sie nicht
nennen.
FRAGE: Werden Kitaplätze vorrangig an Deutsche vergeben?
Antwort durch Frau Glitzner: Nein, es wird nach Bedarf entschieden. Freilich gebe es
genügend freie Plätze. Bereits in der Schwangerschaft könne und solle man sich für
einen solchen Platz anmelden.
FRAGE: Welche Bedingungen müssen potentielle Wohnungen mindestens erfüllen?
Antwort durch Frau Stein: Die Wohnung muss mit einer Sammelheizung, bzw. mit
Fernwärme, ausgestattet sein. Zudem dürfe es keine Gastherme geben. Nicht zuletzt
muss die Feuerwehr die Wohnung erreichen, „anleitern“, können.
Einwurf aus dem Publikum: Ein Adorfer berichtet von seinen Erfahrungen aus dem
Jahr 1989. Dies gebe ihm Hoffnung, schwierige Situationen zu meistern – so wie die
aktuelle. Er appelliert an die Anwesenden „zusammenzuhalten.“
Einwurf aus dem Publikum: Adorf habe in den letzten Jahren einen Aderlass erlebt.
Die ankommenden Flüchtlinge könne man vor diesem Hintergrund als Chance für
die Stadtgesellschaft betrachten.
Einwurf durch Herrn Gräßer: Integration sei mehr als die bloße Unterbringung.
Hierfür benötige man von allen Beteiligten Offenheit. Sicher werde sich das Leben
mit den Fremden ein stückweit verändern.
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Bürgerforum: Asyl in Adorf
Adorf, 8.12.2015
FRAGE: Welche finanzielle Unterstützung erhalten Privatpersonen für die
Renovierung von Wohnungen, um jene als Unterkünfte für Flüchtlinge
bereitzustellen?
Diese Frage konnte nicht abschließend beantwortet werden.
Im Nachgang der Veranstaltung wurde gebeten, folgende Frage aufzunehmen:
FRAGE: Welche staatliche Institution achtet wie auf die (religiöse) Ausgewogenheit
bei der Unterbringung?
Für die Richtigkeit des Protokolls:
Adorf, 8.12.2015
Alexander Stiefler
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