Syllabus

Rhetorik und Argumentationstheorie
Frederik A. Gierlinger
Inhalt:
Das Verstehen eines philosophischen Textes besteht wesentlich darin, die im Text enthaltenen
Argumente zu erkennen und auf verständliche Weise wiedergeben zu können. Dabei handelt es
sich selten um ein einfaches Unterfangen. Ganz im Gegenteil bietet uns die Geschichte der
Philosophie zahlreiche Beispiele an Argumenten, deren präziser Nachvollzug auch für berufliche
Philosophinnen und Philosophen herausfordernd ist. Dieser Kurs bietet eine Einführung in
begriffliche Werkzeuge zur Analyse und Bewertung von Argumenten, die unersetzlich für die
philosophische Tätigkeit sind und das Verstehen philosophischer Texte erleichtern soll.
Als Leitfaden dienen uns die ersten drei Kapitel des Buches „The Philosopher‘s Toolkit.
A Compendium of Philosophical Concepts and Methods“ von Baggini und Fosl. Während der
ersten Semesterhälfte erarbeiten wir uns die dort vorgestellten Konzepte anhand zahlreicher
Beispiele und einer Auswahl kurzer Textpassagen klassischer Autoren (wie Platon, Descartes,
Kant, Hegel, Wittgenstein). In der zweiten Semesterhälfte widmen wir uns dann der detaillierten
Aufarbeitung einiger Aufsätze der jüngeren Vergangenheit. Im Rahmen dieser Besprechungen
beschäftigen wir uns sowohl mit dem Auffinden von Argumenten („inventio“), als auch der
Analyse des dramatischen Aufbaus („dispositio“) und wir betrachten die sprachlichen
Darstellungsform („elocutio“) der jeweils behandelten Texte. Ausgewählte Einträge der von T.
O. Sloane herausgegeben „Encyclopedia of Rhetoric“ liefern hierzu das nötige theoretische
Rüstzeug.
Zwar wird die Veranstaltung auf Deutsch gehalten, die Texte, mit denen wir uns
auseinandersetzen, sind jedoch vorwiegend auf Englisch verfasst. Die erfolgreiche Teilnahme an
der Veranstaltung setzt damit die Bereitschaft voraus, Texte in dieser Sprache zu lesen. Die
thematischen Schwerpunkte der Textbesprechungen werden dieses Semester Sprachphilosophie,
Erkenntnistheorie und Moralphilosophie sein.
Methoden:
Vortrag zur Schaffung einer gemeinsamen Grundlage. Besprechen von Beispielen, um das
vorgestellte Material einzuüben. Gemeinsame Analyse von philosophischen Texten.
Ziele:
Nach dem erfolgreichem Absolvieren der Veranstaltung sollen die Studierenden selbstständig in
der Lage sein, Argumente aus einem Text zu extrahieren, deren Form zu erkennen und dadurch
Ansatzpunkte für Kritik zu identifizieren. Die so erworbenen Fähigkeiten sollen die Studierenden
auch in die Lage versetzen, eigene Aufsätze kritisch zu betrachten und zu verbessern. Darüber
hinaus soll ein Bewusstsein für die Bedeutung der sprachlichen Gestaltung und Ordnung eines
philosophischen Textes geschaffen werden.
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Art der Leistungskontrolle:
1. Die Veranstaltung hat prüfungsimmanenten Charakter, d.h. regelmäßige Teilnahme und aktive
Mitarbeit sind gefordert.
2. Multiple-Choice Tests (von 5-10 Minuten) zu Beginn ausgewählter Einheiten zur
Wiederholung grundlegender Begrifflichkeiten.
3. Verfassen eines kurzen Essays (3-5 Seiten): Rekonstruktion eines Arguments aus einem
philosophischen Text und kritische Bewertung dieses Arguments.
4. Schriftliche Abschlussprüfung.
Vorläufiger Terminplan:
Termin 1: Was ist ein Argument?
Einleitung zur Bedeutung von Argumenten für die Philosophie; Bestandteile und Aufbau eines
Arguments (1.1); Unterscheidung von Deduktion und Induktion. (1.2-1.3); Gültigkeit („validity“)
und Korrektheit („soundness“) eines Arguments. (1.4-1.5)
Termin 2: Was ist ein Beweis?
Bestandteile formaler Beweise; Axiome und Schlussregeln (1.9); Direkter und indirekter Beweis;
Tautologie und Widerspruch (1.12); Konsistenz, Satz vom Widerspruch, Satz vom
ausgeschlossenen Dritten (1.6, 3.3); Ähnlichkeiten und Unterschiede von Argumenten und
Beweisen.
Termin 3: Widerlegungsstrategien 1: Gültige und ungültige Schlussformen
Allgemeine Hinweise zur Widerlegung eines Arguments (1.8, 3.18); Bestandteile eines
Syllogismus; logisches Quadrat; Figur und Modus eines Syllogismus; Gültigkeit eines Syllogismus;
modus ponens und Affirmation des Konsequens; modus tollens und Verneinung des
Antezedens; Kontraposition.
Termin 4: Widerlegungsstrategien 2: Dogma, Regress und Zirkularität
Zirkuläre Argumente (3.6); Regressargumente (3.22); das Agrippa Trilemma und pyrrhonischer
Skeptizismus; Verhältnis von Plausibilität und Korrektheit einer Prämisse (3.10); Dilemma (3.14);
Vorwurf einer petitio principii (3.19, weitere elektronische Ressourcen); Methode der reductio ad
absurdum (3.20, weitere elektronische Ressourcen), Paradoxien (7.5)
mit Auszügen aus der „Phänomenologie des Geistes“ von G.W.F. Hegel, den „Philosophischen
Untersuchungen“ von L. Wittgenstein und der „Traumdeutung“ von S. Freud.
Termin 5: Fehlschlüsse und ihre Bedeutung
Begriffsbestimmung und Abgrenzung zu gültigen Argumenten (Encyclopedia of Rhetoric,
Eintrag zu „fallacies“); Errichtung eines Strohmanns, naturalistischer Fehlschluss, (3.15) post hoc
ergo propter hoc, cum hoc ergo propter hoc; (3.12) a dicto simpliciter; fallacia compositionis et
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divisionis; argumentum ad hominen, argumentum ad baculum, argumentum ad misericordiam
und argumentum ad populum (elektronische Ressourcen).
mit Auszügen aus der „Eristischen Dialektik“ von A. Schopenhauer
Termin 6: Strategien zur Entwicklung und Verteidigung einer Position
Definition (1.10, 3.9, 4.13); Reduktion (2.8); Gegenbeispiel (3.8); transzendentale Argumentation
(5.10, weitere elektronische Ressourcen); Analogie (2.4); Gedankenexperimente und abstrakte
Konstruktionen (2.7, 2.9, 2.10)
mit Auszügen aus dem „Staat“ von Platon; den „Meditationen über die Erste Philosophie“ von
R. Descartes und der „Theory of Justice“ von J. Rawls
Termin 7: Rückblick
Klärung offener Fragen zu den theoretischen Grundlagen und vertiefende Wiederholung der
behandelten Inhalte.
Termine 8-9: Besprechung von Aufsätzen 1
H. P. Grice „Meaning“ und J. R. Searle „Meaning“.
Termine 10-11: Besprechung von Aufsätzen 2
J. L. Austin „Other Minds“ und B. Stroud „Philosophical Scepticism and Everyday Life“.
Termine 12-13: Besprechung von Aufsätzen 3
H. A. Prichard „Does Moral Philosophy Rest on a Mistake?“ und B. Williams „Relativism and
Reflection.“
Termin 14: Abschluss
Abschluss offener Diskussionspunkte. Erläuterung der Anforderungen an die schriftliche
Hausarbeit. Prüfungsvorbereitung.
Termine 15-16: Alternative Prüfungstermine
Schriftliche Abschlussprüfung.
Literatur:
Empfohlene Literatur
P. T. Geach (1976). „Reason and Argument“. Basil Blackwell.
W. C. Salmon (1973). „Logic“. Prentice Hall.
S. Toulmin (2003). „The Uses of Argument“. Cambridge University Press.
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Aufsätze zur Analyse
H. P. Grice (1957). „Meaning“. In: Philosophical Review 66 (3): 377-388.
J. R. Searle (1969). „Meaning“. In: Speech Acts: An Essay in the Philosophy of Language. Cambridge
University Press.
J. L. Austin (1979). „Other Minds“. In: Philosophical Papers. Oxford University Press.
B. Stroud (1984). „Philosophical Scepticism and Everyday Life“. In: The Significance of Philosophical
Scepticism. Oxford University Press.
H. A. Prichard (1912). „Does Moral Philosophy Rest on a Mistake?“. In: Mind 21 (81): 21-37.
B. Williams (1985). „Relativism and Reflection.“ In: Ethics and the Limits of Philosophy. Routledge.
Nachschlagewerke
J. Baggini, P. Fosl (2003) „The Philosopher’s Toolkit. A Compendium of Philosophical Concepts
and Methods“. Blackwell.
T. O. Sloane. (2001) „Encyclopedia of Rhetoric.“ Oxford University Press.
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