IM FRüHJAHR EINEN ABSTECHER WERT

bayerische Küche
genuss ­| hopfenspargel
Im Frühjahr einen
Abstecher wert
An meterhohen Stangen wächst Hopfen im
Hochsommer der Sonne entgegen.
Doch bereits im Frühjahr erfreut das Hanfgewächs
den Gaumen mit zarten Sprossen.
In der bayerischen Holledau hat ab Mitte
März der Hopfenspargel Saison – aber nur für
etwa vier Wochen.
Von marion trutter
Fotos: © Marion Trutter (5), shutterstock (2)
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Es ist ein merkwürdiges Bild: Im März
liegen die Hügel der Holledau oft noch
ziemlich grau im Frühlingslicht. Bis zu
sieben Meter hoch ragen spindeldürre Stangen in den Himmel – richtig
gespenstisch, vor allem wenn morgens noch der Nebel über den Feldern
hängt. Und irgendwo bei Mainburg,
genauer gesagt am Rand von Ebrantshausen, kauern ein Mann und eine Frau
mitten im Feld. Immer mal wieder stehen sie auf, hacken mit einer Harke die
Erde auf. Dann knien sie wieder auf den
Boden und buddeln. Was sie zutage
fördern sind kleine weiße Dinger, die
so ähnlich aussehen wie Sojasprossen.
Es sind Hopfensprossen, wie Landwirt
Konrad Bogenrieder erklärt: „Die Hopfensprossen gibt es schon so lange wie
den Hopfen – und der wurde schon um
die vorletzte Jahrtausendwende in alten
Schriften erwähnt.“
Das Hügelland der Holledau (offiziell: Hallertau), zwischen Donau und
Isar gelegen, ist für den Hopfenanbau
ideal: Hier gibt es viel Sonnenschein
und durchlässige Böden, die dennoch
genügend Feuchtigkeit speichern. Seit
rund 1300 Jahren wird hier Hopfen
angebaut. An bis zu sieben Meter hohen Stangen wachsen die Pflanzen im
Frühjahr und Sommer in die Höhe,
um Ende August geerntet zu werden
und dem Bier die typische Bitternote
zu geben. „Jeder Hopfenstock hat 30
bis 40 Triebe, von denen nur drei für
Bierhopfen an den Stangen aufgeleitet
werden“, erklärt Bogenrieder. „Der Rest
wird dafür nicht gebraucht und wurde
deshalb früher in den Familien als Nahrungsmittel verwendet. Allerdings war
das vor allem ein Arme-Leute-Essen.“
Also sammelten die Bäuerinnen früher
die überflüssigen Sprossen in der Schürzentasche und bereiteten daraus einen
Salat oder ein Süppchen. Denn die Gegend war arm, außer Pökelfleisch, Kraut
und Kartoffeln gab es im Winter nicht
viel. Da kamen die frischen Vitamine
im Frühjahr gerade recht.
Uraltes
Gemüse neu
entdeckt
Heute gelten die jungen Triebe des
Hopfens als wahre Delikatesse. Rita
Bogenrieder hat eine Menge leckere
Rezepte gesammelt (www.hopfensprossen.de), und so kam das clevere
Landwirtspaar vor rund 30 Jahren auf
die Idee, ein uraltes Gemüse zu neuem
Leben zu erwecken und als Delikatesse
zu vermarkten: die Sprossen der Hopfenpflanze oder – was natürlich leckerer
klingt: Hopfenspargel. Andere Hopfenbauern zogen nach und heute gibt
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genuss ­| hopfenspargel
Hopfenspargelsalat
Zutaten für:
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250 g Hopfenspargel
Salz
2-3 EL Weinessig
etwas Zitronensaft
2-3 EL Rapsöl
½ TL Zucker
Pfeffer aus der Mühle
je ½ rote, gelbe und grüne
Paprikaschote
1 hart gekochtes Ei
frische Kräuter, z. B. Petersilie,
Schnittlauch, Basilikum
es – je nach Witterung etwa von Mitte
März bis Mitte April – auch in einigen
Restaurants der Holledau köstliche
Hopfenspargelgerichte.
Seitdem ist die Gegend schon in den
Wochen vor Ostern ein beliebtes Ausflugsziel: Die Leute besuchen den Hallertauer Lehrpfad und das Deutsche
Hopfenmuseum in Wolnzach, die Befreiungshalle und das Kloster Weltenburg bei Kelheim, die Wallfahrtskirchen
von Pfeffenhausen und Hohenthann
oder den Dom zu Freising. Und als Krönung winkt dann die Einkehr in einem
Gasthaus zum Hopfenspargelessen.
Die Pflege des Hopfenstocks erinnert
ein wenig an den Anbau von normalem
Weißspargel: Die Erde wird so angehäufelt, dass ein kleiner Wall entsteht:
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Den Hopfenspargel putzen und
in leicht gesalzenem Wasser
kurz blanchieren. Aus dem
Wasser nehmen und gut abtropfen lassen.
Aus Essig, Zitronensaft, Öl,
Salz, Zucker und Pfeffer eine
Marinade rühren. Paprika, Ei
und Kräuter hacken und unter
die Marinade heben. Dann
den Hopfenspargel zugeben
und alles vorsichtig mischen.
30 bis 40 Zentimeter hoch, einen halben Meter breit. In diesem Grab ruht
der Hopfenstock den Winter über. Im
Frühjahr mit den ersten Sonnenstrahlen beginnt der Stock zu treiben. Munter produziert er Sprossen und Triebe.
Gestochen werden die edlen kleinen
Stangen nur auf Bestellung, so dass sie
immer knackfrisch sind. Kunden sind
nach Anmeldung gern willkommen mit
aufs Feld zu gehen und zuzuschauen.
„Der Hopfenanbau fürs Bier ist heute
meist eine technische Angelegenheit“, so
Konrad Bogenrieder. „Aber die Sprossen kann man einfach nur von Hand
ernten.“ Um die von Natur aus sehr kurze Saison ein wenig zu verlängern, baut
Bogenrieder zwei Sorten mit nacheinander verlaufenden Erntehöhepunkten an
und kann so bis Mitte April liefern.
Die jungen Hopfentriebe sind maximal
zehn Zentimeter lang, cremig weiß und
schmecken schon direkt auf dem Feld:
Erde mit den Fingern wegreiben – und ab
in den Mund. Der Geschmack erinnert
entfernt an den normalen weißen Spargel. Rita Bogenrieder beschreibt ihn so:
„Ein bisschen wie junger Mais, bisschen
wie junge Nüsse, auf alle Fälle knackig,
frisch und auch ein klein wenig bitter.“
Auf den Tisch kommen die feinen
Sprossen traditionell als mildes Süppchen, als Salat mit Vinaigrette oder als
Gemüsebeilage. Diese wird gern mit
Schmand und frischen Kräutern verfeinert und passt gut zu pochiertem
Lachs, zu Schweinefilet oder auch zu
Rehrücken. Und in der einfachen Alltagsküche harmoniert so ein Hopfensprossengemüse auch wunderbar mit
Reiberdatschi (Kartoffelpuffer).
Doch die Erfolgsgeschichte des ureigenen Hallertauer Gemüses geht noch
weiter. Längst versuchen sich Köche
auch an gewagteren Zubereitungen
mit den Hopfensprossen. Wahrhaft
exotische Kreationen zaubert beispielsweise Paul Grasmaier in seiner EspertKlause in Mainburg. „Hopfenspargel
ist irgendwie ein verrücktes Gemüse
und man kann auch verrückt kochen
„Hopfenspargel“ nennt man
die jungen Triebe des Hopfens. Sie
sehen aus wie Sojasprossen
Im Sommer wachsen
die Hopfensprossen an
Stangen zu hohen
Pflanzen heran
Rita und Konrad Bogenrieder
haben das einstige Arme-LeuteGemüse wiederentdeckt
damit“, schwärmt der Chefkoch. „Man
muss nur vorsichtig sein mit der Würzung und darf keine zu intensiven Gewürze verwenden. Denn die würden
das zarte Aroma abtöten.“
Am liebsten kombiniert Paul Grasmeier bayerische und asiatische Elemente – so auch dieses Jahr wieder
beim Fünf-Gang-Hopfelspargelmenü,
das er gemeinsam mit seiner Kollegin
Gabi Randlkofer aus Leibersdorf zelebriert. Anfang April überraschen die
beiden ihre Gäste – passend zum 500.
Geburtstag des Reinheitsgebots – mit
„bayrasischen“ Spezialitäten und den
passenden Bieren. Den Anfang macht
in Hopfenlikör mariniertes ForellenSashimi mit Hopfenspargelsalat. Dann
folgt eine Hallertauer Ziegenkäsepraline im Wacholderschinkenmantel auf
Hopfenspargeltatar. Im roten CurryMärzenbiersüppchen schwimmt ein
Knusper-Hopfensäckchen und als
Hauptgang gibt’s Ente „bayrasisch“ mit
Hopfenspargel-Wurzelgemüse vom Tepanjakigrill, Knusper-Kartoffelknödel
und Bockbier-Chilisauce. Sogar ins
Dessert hat der Holledauer Hopfen
Eingang gefunden: Ein MalzzuckerSchmarrn mit Hopfenliköreis rundet
das Hopfenspargelmenü ab. Und natürlich gibt’s zu jedem Gang auch ein
frisch gezapftes Bier – vom HuraxdaxWeißbier bis zum Sünden-Bock.
Termine: 9. April 2016 in der EspertKlause & Bar in Mainburg und 16.
April 2016 im Gasthaus Randlkofer in
Leibersdorf.
Bei der Ernte werden die
zarten Sprossen sehr sorgfältig
von Hand freigelegt
Köstliches Fingerfood:
Hopfenspargel eingewickelt in
kleine Fleischröllchen
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