Schwerpunkt: Medien in der Hochschullehre Porträt: Prof. Dr. Stefan

LUST
6 2015
Magazin zu Lehre und Studium
Johannes GutenberG-Universität Mainz
Den Hochschulen fehlt ein
Konzept: Wo wollen sie hin
mit den neuen Medien?
Prof. Dr. Stefan Aufenanger
Schwerpunkt: Medien in der Hochschullehre
Porträt: Prof. Dr. Stefan Aufenanger
Lupe: Was ist eigentlich ein MOOC?
Steckbrief: ZDV – der unsichtbare Riese
LUST 6_2015
Inhalt
Impressum
L|u|ST Magazin zu Lehre und Studium
Ausgabe: #6 2015
Herausgeber: Die Vizepräsidentin für Studium und Lehre
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Dr. Mechthild Dreyer
Redaktionsleitung: Martina Stöppel, Kommunikation und Presse
Redaktion: Gerd Blase, Kommunikation und Presse
Mitarbeit: Dr. Bernhard Einig, Abteilung Studium und Lehre;
Dr. Uwe Schmidt, Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung;
Petra Giegerich, Kommunikation und Presse
Anschrift Herausgeber und Redaktion:
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 55099 Mainz
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Bildnachweis: S.1 Peter Pulkowski, S.2 Thomas Hartmann (l, r), S.4
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(or), Stefan Sämmer (ur), S.40 Thomas Hartmann
Druck: LATTREUTER GmbH
Erscheinungsdatum: Juni 2015
Erscheinungsweise: zweimal jährlich
www.uni-mainz.de/lust
02_ 03
04 | Highlights
08 | Editorial
10 | Nachrichten
14 | Schwerpunkt
22 | Porträt
26 | Impulse
34 | Studienangebote
36 | Lupe
38 | Steckbrief
Ereignisse im Rückblick
Neues aus Studium und Lehre
Medien in der Hochschullehre
Prof. Dr. Stefan Aufenanger
Innovative Lehrkonzepte
– Bachelor Audiovisuelles Publizieren
– Bachelor Theaterwissenschaft
Was ist eigentlich ein MOOC?
ZDV – der unsichtbare Riese
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Universität verleiht
JGU-Leadership Team Award
Erstmals hat die Universität den JGU-Leadership Team Award vergeben: Neben Prof. Dr.
Matthias Schott aus der Arbeitsgruppe Experimentelle Teilchen- und Astroteilchenphysik
und seinem Team wurde das Referat „Integriertes Campus Management System“ der
Abteilung Studium und Lehre ausgezeichnet. Dieses Team besteht aus 32 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern unter Leitung von Anke Kamrath. „Es hat das Ziel, das Campus Management System erfolgreich und professionell zu betreuen sowie neue Veränderungen und
Herausforderungen auch als großes Team konfliktfrei zu bewältigen“, meinte die Jury und
war davon überzeugt, dass in dieser Gruppe alle an einem Strang ziehen.
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Lange Nacht der Hausarbeiten
Job-Speed-Dating für Studierende
Zur dritten „Langen Nacht der Hausarbeiten“ hatte die Universitätsbibliothek der JGU einiges zu bieten: Zwischen 16 und 23 Uhr erwartete
alle Studierenden und Lehrenden ein breites Programm rund ums
wissenschaftliche Schreiben. Es gab Tipps zur Literatursuche, Hilfe bei
Schreibblockaden und Kurse zum Umgang mit Computerprogrammen.
Doch damit nicht genug: Entspannungsübungen gehörten ebenfalls
zum Angebot, die Psychotherapeutische Beratungsstelle lud zu Tutorials
oder individuellen Gesprächen, und erstmals gab es einen Programmblock mit Workshops zur Themenfindung oder Beurteilung von Hausarbeiten, der sich speziell an die Lehrenden richtete.
Der Career Service der JGU und die Agentur für Arbeit Mainz luden
75 Studierende zur Karriereveranstaltung „Job-Speed-Dating –
in 10 Minuten überzeugen“ auf den Campus ein. Sie boten damit
bereits zum vierten Mal die Möglichkeit, über kurze Vorstellungsgespräche in Kontakt mit Arbeitgebern aus der Region zu treten,
die nach qualifiziertem Personal suchen. Zur Vorbereitung auf das
Job-Speed-Dating hatten Career Service und Agentur für Arbeit
die potenziellen Bewerberinnen und Bewerber zu einem besonderen Workshop mit Hilfestellungen und konkreten Anregungen
für eine überzeugende Präsentation eingeladen.
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Highlights
Deutschlandstipendium für
420
Studierende
Die JGU hat sich als eine der ersten Hochschulen am Stipendienprogramm der
Bundesregierung beteiligt. Seit der Einführung im Sommersemester 2011 konnten
420 Studierende mit einem Deutschlandstipendium gefördert werden. Allein zum
Wintersemester 2014/2015 wurden 130
Stipendien vergeben. Bei einem feierlichen Treffen hatten die Stipendiatinnen
und Stipendiaten die Möglichkeit, ihre
Förderinnen und Förderer kennenzulernen.
„Wir freuen uns über das große Interesse
der Förderinnen und Förderer und Stipendiaten, einander zu begegnen und sich
auszutauschen. So wird das Netzwerk von
Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft
weiter gestärkt“, erklärte der Präsident
der JGU, Prof. Dr. Georg Krausch.
Wertsachen im Rathaus
„Wertsachen“ – das sind die rund 30 Sammlungen der JGU in mehrfacher Hinsicht: In Büros,
Kellern und Magazinen schlummern Objekte von hohem Wert für Forschung und Lehre, aber
auch von historischem, kulturellem und ästhetischem Wert. Für die Öffentlichkeit sind sie
nur selten zugänglich. Nun gab die Ausstellung „Wertsachen. Die Sammlungen der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz“ im Rathaus einen Einblick in die Vielfalt der Sammlungsstücke:
Jahrmillionen alte Fossilien und Handschriften der Romantik waren zu bewundern, Pflanzenpräparate, Urmenschenschädel und Schallplatten mit moderner afrikanischer Musik.
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Rundgang durch junge Kunst
Einmal im Jahr wird die Kunsthochschule Mainz zum riesigen Atelier, zum Ausstellungsraum
für ihre Studierenden – und Jahr für Jahr kommen mehr Besucherinnen und Besucher zu diesem
Rundgang, um sich die Werke anzusehen und mit jungen Künstlern zu sprechen. Diesmal zeigten
171 Studierende Malerei, Fotografie, Film und vieles mehr. „Dies ist für uns ein wichtiges Ereignis“, meinte Prof. Dieter Kiessling, „gerade in einer Zeit, in der wir uns in einer Veränderung befinden.“ Der Rektor sieht seine Schule im Aufbau. Beides – Veränderung und Aufbau – sei nötig,
um national und international auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
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Editorial
Klassische Medien – neue Medien:
ein Plädoyer für die Vielfalt
08_ 09
K
ann man lehren ohne Medien? Wer diese Frage bejaht
und dabei auf den griechischen Philosophen Sokrates und
seine Lehrform des Dialogs verweist, verkennt, dass selbst
das lehrende Gespräch ein Medium nutzt, nämlich die Sprache.
Schaut man sich frühe bildliche Darstellungen universitären Unterrichts an, so tritt zur Sprache ein weiteres Medium hinzu, der Text.
Die Vorlesung, das Herzstück universitärer Lehre, bestand seit
den Anfängen der Universität im europäischen Mittelalter bis weit
in die Neuzeit hinein im Vorlesen und Kommentieren eines dem
Lehrenden vorliegenden Textes.
Heute steht der Lehre eine Vielzahl von Medien zur Verfügung und
ihr Einsatz hängt nicht selten von der Experimentierfreudigkeit der
Lehrenden ab.
LuST 6 zeigt anhand von Beispielen aus verschiedenen Fachkulturen unserer Universität, welche Medien in der Lehre genutzt
werden und was sie zu leisten vermögen. Vielleicht nicht ganz überraschend: Auch wenn der Einsatz moderner Medien immer mehr
zu einer Selbstverständlichkeit wird, hat das eher traditionelle
Medium Tafel und Kreide nicht ausgedient. Im Gegenteil: Gerade
das Wissen um die Möglichkeiten des Neuen zeigt zugleich auch,
was das Alte zu leisten vermag. Und noch eines machen die Beiträge
deutlich, und darauf weist auch Stefan Aufenanger im Gespräch
mit Gerd Blase hin: Die Medienvielfalt verlangt geradezu danach,
die Frage nach den Aufgaben und Zielen universitärer Lehre neu zu
stellen und bei ihrer Beantwortung insbesondere die Lebens- und
Lernbedingungen der Studierenden zu berücksichtigen.
In der neuen LuST finden Sie darüber hinaus Beiträge zu interessanten Lehrprojekten, in denen der Umgang mit Medien im Vordergrund steht. Passend zum Schwerpunktthema des Heftes nehmen
wird den Begriff MOOC unter die Lupe und im Steckbrief stellen
wir das Zentrum für Datenverarbeitung vor.
Wie immer wünsche ich Ihnen für diese und auch für alle anderen
Beiträge eine anregende und zugleich auch unterhaltsame Lektüre.
Prof. Dr. Mechthild Dreyer
Vizepräsidentin für Studium und Lehre
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Nachrichten
Neues
aus Studium und
+++ Ausstellung zu den Armeniergräueln im Ersten Weltkrieg
Im Frühsommer 2015 jähren sich die Armeniergräuel im Osmanischen Reich zum 100. Mal. Zu jener Zeit war das Deutsche
Kaiserreich eng mit dem im Ersten Weltkrieg kollaborierenden
Osmanischen Reich verbündet und hätte in der Armenierfrage
Einfluss nehmen können. Diese vielschichtige Verflechtungsgeschichte hat in der Vergangenheit nur wenig Beachtung
gefunden. Mit der Posterausstellung „Eine ,innertürkische Verwaltungsangelegenheit‘? Osmanisch-deutsche Verflechtungen
und die Armeniergräuel im Ersten Weltkrieg“ rekonstruierte
das Historische Seminar der JGU die militärischen, ökonomischen
und diplomatischen Verstrickungen des Deutschen Reichs
sowohl auf persönlicher als auch auf institutioneller Ebene.
Elf Studierende erarbeiteten die Poster in einem Projektseminar.
Eine öffentliche Vortragsreihe ergänzte die Ausstellung.
> www.blogs.uni-mainz.de/fb07-armeniergreuel
+++ AG Medienpädagogik mit
Code Week Award ausgezeichnet
Die AG Medienpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft
der JGU hat mit „CoKomp – Computerkompetenz für Schülerinnen
und Schüler“ als eines von zehn Projekten den Code Week Award
2015 gewonnen. Der Preis zeichnet zum ersten Mal nachhaltige
Projekte aus, die jungen Menschen den Umgang mit digitalen
Technologien und den Spaß am Programmieren näherbringen.
Die AG Medienpädagogik möchte Schülerinnen und Schülern
von Haupt- und Realschulen sowie Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Workshops Grundlagen des Programmierens und
der Informationskompetenz vermitteln. Der Code Week Award
unterstützt das Projekt mit 10.000 Euro. Ausgeschrieben wurde
der Preis von der Technologiestiftung Berlin in Kooperation
mit dem Design Research Lab der Universität der Künste Berlin.
Die Gewinner stellen ihre Projekte bei der Konferenz re:publica
in Berlin und bei der „EU Code Week“ vor.
> www.award.codeweek.de
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lehre
+++ Virtual-Reality-Experimente
sind Finalist bei „TELL US“Contest
Das Konzept der Virtual-Reality-Experimente wurde als Finalist für
die „TELL US“-Awards für innovatives, technologiegestütztes Lernen
ausgewählt. 16 Projekte aus vier europäischen Regionen werden
ihre Innovationen auf dem Festival „Futur en Seine“ in Paris präsentieren. Anschließend prämiert eine Jury vier Sieger.
Das von der Arbeitsgruppe Larissa an der JGU entwickelte Konzept
der Virtual-Reality-Experimente bietet die Möglichkeit zum
Einsatz moderner Medien im Physikunterricht. Die von dem Team
um William Lindlahr und Prof. Dr. Klaus Wendt entwickelten Experimente simulieren anspruchsvolle Versuche in einer virtuellen
Laborumgebung, die in der Realität zu gefährlich, aufwändig
oder kostspielig wären.
Die Virtual-Reality-Experimente waren bereits unter den ersten drei
Nominierten des Deutschen E-Learning Innovations- und NachwuchsAwards (d-elina) 2015 und gehören zu
den 100 Preisträgern des bundesweiten
Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im
Land der Ideen“ 2015.
> www.vre.uni-mainz.de
+++ Mainzer mögen ihre Stadt
Sensationell hohe Zustimmungswerte verbucht die
Stadt Mainz als Wohnort bei ihren Bürgerinnen und
Bürgern. Auf die Frage „Wohnen Sie gerne in Mainz,
ja oder nein?“ antworteten 97 Prozent der Befragten
mit „ja“. Dies ergab eine telefonische Bevölkerungsumfrage des Instituts für Soziologie der JGU zum Thema „Leben
und Lebensqualität in Mainz“. Es gibt aber auch Kritik: Die Parkplatzsituation im Stadtgebiet, Staus und Fluglärm machen den
Menschen zu schaffen. Befragt wurden 532 Mainzerinnen und
Mainzer. Der Fragebogen wurde in einem Lehrforschungsprojekt
gemeinsam von Studierenden und Dozierenden des Instituts
für Soziologie entworfen. Die Studierenden führten alle Interviews. Mit besonderen Fragetechniken wurden auch heikle oder
brisantere Themen angesprochen, auf die viele Befragte in Umfragen nicht gern Antwort geben. Eine Publikation der Umfrageergebnisse ist in Vorbereitung.
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Nachrichten
+++ Eröffnung des Gutenberg
Nachwuchskollegs
Die Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses ist eine der Kernaufgaben der JGU, denn er prägt die
Entwicklung der Universität mit. Er ist in Forschung und Lehre mit
hohem Engagement präsent und trägt damit wesentlich zur Reputation bei. Mit der Einrichtung des Gutenberg Nachwuchskollegs
(GNK) beschreitet die JGU einen innovativen Weg zur Förderung
dieses Nachwuchses und verfolgt konsequent ihren neuen Ansatz
der Hochschulsteuerung. Aktuell hat das GNK die Bildung von sechs
neuen Doktorandengruppen bewilligt und wird hierfür 520.000
Euro zur Verfügung stellen. Die Gruppen sind unter anderem in den
Wirtschaftswissenschaften, der Psychologie und der Soziologie angesiedelt. Es sind sogenannte Minigraduiertenkollegs, Kleingruppen
von drei bis fünf exzellenten Nachwuchswissenschaftlerinnen und
-wissenschaftler, die sich mit interdisziplinären Forschungsfragen
beschäftigen.
> www.gnk.uni-mainz.de
+++ Kommunikation
praxisnah
Studierende des Masterstudiengangs Unternehmenskommunikation/PR entwickeln im Sommersemester ein umfassendes strategisches Kommunikationskonzept für den Verband Deutscher
Prädikatsweingüter (VDP). Das Ziel: die Identifizierung der Mitglieder mit ihrem Verband zu erhöhen und dabei auch das Bewusstsein für die Vorteile der Verbandsmitgliedschaft zu stärken. Von
der strategischen Analyse über die Planung bis zur Entwicklung
von Maßnahmen und der Evaluation – die Studierenden arbeiten
praxisnah, in gleicher Weise wie ein Agenturteam. Im Fokus steht
u. a.: Wie können kommunikative Ziele erreicht werden? Welche
Botschaften greifen bei den Zielgruppen? Die Studierenden üben
zudem den professionellen Auftritt, indem sie am Ende des Semesters ihre Arbeit und Ergebnisse dem VDP präsentieren. Begleitend zum Kurs, evaluiert das Zentrum für Qualitätssicherung und
-entwicklung (ZQ) die Lehrveranstaltung.
> www.unternehmenskommunikation.uni-mainz.de
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+++ Strategien fürs Medizinstudium:
gut gerüstet ins neue Semester
+++ Forschung
in der Lehre
Mit der Veranstaltung „Forschung in der Lehre“ machte das Gutenberg
Lehrkolleg (GLK) im April 2015 auf ein besonderes Profilmerkmal von
Universitäten aufmerksam: eine Verschränkung von Lehre und Lernen
mit der Forschung. Neben inneruniversitären Projektbeispielen aus den
Bereichen Physiologie und Psychologie stellte Prof. Dr. Martin Blum,
Ars-legendi-Preisträger 2014 für Forschendes Lernen, sein Projekt „Humboldt reloaded“ vor. Bei diesem erhalten Studierende aller Fakultäten
der Universität Hohenheim die Chance, bereits im Grundstudium freiwillig an Forschungsprojekten teilzunehmen.
Darüber hinaus tauschten sich die Lehrenden über Methoden forschungsorientierter Lehre und forschungsorientierten Lernens aus und entwickelten diese gemeinsam weiter. In einer abschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Studierende und Lehrende vor dem Hintergrund
der Bologna-Reform kritisch über Möglichkeiten von Forschung in der
Lehre. Eine umfassende Dokumentation mit Videos der Vorträge ist in
Kürze auf der GLK-Homepage abrufbar.
> www.glk.uni-mainz.de
Medizinstudierende auf die vielfältigen Anforderungen des
Studiums vorzubereiten, ist das Ziel des vorklinischen Wahlfachs
„Strategien fürs Medizinstudium: gut gerüstet ins neue Semester“.
Unter Leitung des Prodekans für Studium und Lehre, Prof. Dr.
Stephan Letzel, hat die Universitätsmedizin dieses neue Angebot
eingeführt, das von einem interdisziplinären Referentinnen-Team
um die Lehrbeauftragte Kadra Amara umgesetzt wird. Im Mittelpunkt stehen aktuelle ganzheitliche Techniken und Methoden des
Selbst- und Zeitmanagements sowie bewährte Lerntechniken, die an
die Anforderungen des ersten Studienabschnitts angepasst werden.
So können die Studierenden im Kurs praxisorientiert Wissen erwerben und Methoden kennenlernen, die zu einer gezielten Planung
des weiteren Studienverlaufs beitragen. Von den Teilnehmerinnen
und Teilnehmern werden insbesondere die hohe Praxisorientierung
und die medizinspezifische Ausrichtung positiv bewertet.
Medien
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Schwerpunkt
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in der Hochschullehre
An der JGU geht es nicht darum,
alte Medien einfach durch neue
zu ersetzen. Es wäre falsch, blindlings der Mode hinterher zu hasten
und alte Zöpfe einfach abzuschneiden. Alles hat
seinen Platz in den Sälen und Seminarräumen: das
komplexe Tafelbild ebenso wie die Lernplattform
im Internet. An der Universität geht es darum,
die verschiedensten Medien gezielt
und gekonnt einzusetzen, um so die
Lehre zu bereichern.
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Schwerpunkt
Das Erdbeben
im Hörsaal
Tafel und Kreide
D
as fertige Tafelbild wirkt wie ein wildes Durcheinander.
Doch die Studentin hat damit keinerlei Probleme. Schließlich war sie bei der Entstehung dabei – und irgendwie
sogar beteiligt. „Da sehen Sie das Kloster, das in Flammen aufgeht“,
erklärt sie hilfsbereit, „und diese Kringel, das ist das Erdbeben.“
Auf dem Grün der Tafel entfaltet sich eine Welt. Ein Herr mit Hut
ist zu erkennen, viele Geistliche, eine Schwangere, alles Figuren aus
wenigen Strichen und Kreisen.
„Diesmal ist die Zeichnung besonders wirr“, räumt Dr. Johannes
Ullmaier vom Deutschen Institut der JGU lächelnd ein. Jegliche
künstlerische Ambition weist er angesichts dieses Panoramas in
Kreide weit von sich. Ihm geht es um etwas völlig anderes.
„Ich habe zwei Doppelstunden Zeit, um meinen
Studierenden die grundlegenden Kategorien der
modernen Erzähltheorie zu vermitteln. Das ist nicht
viel.“ Ein berühmter Novellen-Text hilft, den umfangreichen Stoff zu vermitteln: Heinrich von Kleists
„Das Erdbeben in Chili“.
„Die Studierenden haben den Text vorher gelesen.
Im Seminar rekonstruieren wir dann zusammen den
Plot. Das ist wie beim Drehbuchschreiben. Ich lasse
mir die Details zurufen, und daraus entwickle ich nach und nach das
Tafelbild. Das Entscheidende dabei ist die Evolution. Der didaktische Sinn liegt im allmählichen Entstehen des Bildes an der Tafel.
Der Vorgang ist sehr interaktiv. Das Prozesshafte ist mir dabei sehr
wichtig, es bringt viele Vorteile, sachlich wie didaktisch.“
Aus den Zurufen entsteht die Zeichnung zum „Erdbeben in Chili“
mit all ihrem Personal, mit allerlei Gebäuden und Erzählsträngen.
An der Basis des Bildes finden sich die Kategorien des Literaturwissenschaftlers Gérard Genettes dazu. Ullmaier nimmt auch
falsche Einwürfe auf, verfolgt mit der Kreide gern mal eine Sackgasse. Schließlich lässt sich das mit einem Wisch schnell wieder
korrigieren, und solche korrigierten Irrtümer bringen den Kurs
ebenfalls voran.
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Das ist ein
Zusammenspiel
von Stimme,
Körper und Tafel.
Dr. Johannes Ullmaier
ZUR PERSON
„Sicher können Sie mit Powerpoint ganz tolle Sachen machen.
Aber es ist zumindest mir kaum
möglich, so dynamisch wie hier zu
reagieren. Mein Ansatz ist mittlerweile gut erprobt. Das ist ein
Zusammenspiel von Stimme, Körper und Tafel. Es wäre für mich
ungeheuer viel Aufwand, einen solchen Effekt mit anderen Medien
zu erzielen.“
Computer, Lernplattformen im Netz, digitale Medien, das alles
habe seinen Platz, meint Ullmaier. Er selbst arbeitete schon in dieser
Richtung. „Für viele Fächer ist das sicher super. Aber es besteht
doch immer die Gefahr, dass man an der Technik hängen bleibt,
dass man sich zu sehr an die Prothese gewöhnt.“
Diese Gewöhnung sieht er auch bei Studierenden. „Es gibt eine allgemeine Konditionierung zu Powerpoint-Präsentationen. Die Studierenden finden irgendwelche Bilder im Netz und bauen sie gemäß
der nahegelegten Dramaturgie in ihr Referat ein. So werden sie den
ästhetischen und visuellen Anforderungen des Mediums gerecht. Aber wenn man dann fragt: Was ist
Ihre These? Was ist Ihre Fragestellung?, dann stößt
man auf bedenkliche Hilflosigkeit.“
Die eigentliche Diskursform in der germanistischen
Lehre bleibe letztlich die Rede. „An manchen Stellen, wo es sinnvoll ist, bebildere ich diesen Diskurs.
Aber ich brauche keineswegs zu allem ein Tafelbild.
Im Kern geht es darum, jemanden mit der Stimme,
mit Texten, mit Rhetorik zu erreichen und ihn zu
bewegen, sich selbst zu artikulieren. Damit sind
wir in einem sehr substanziellen Sinn an unserem
Fach dran.“
Dr. Johannes Ullmaier
studierte an der JGU Deutsche Philologie, Allgemeine
und Vergleichende Literaturwissenschaft, Buchwesen und Philosophie. Nach
einem Stipendiatsaufenthalt in Zagreb 1990/91
kehrte er nach Mainz zurück, wo er unter anderem
das Magazin „testcard“
mitbegründete. Seit 2001
ist er Akademischer Rat
am Deutschen Institut.
Er forscht zur Literatur
des 20. Jahrhunderts und
zu Akustischer Literatur.
Dieser Umgang mit Sprache sei mittlerweile alles andere als selbstverständlich, sagt Ullmaier. „Je mehr ich es schaffe, ihn als Standard
zu erhalten und zu vermitteln, umso eher können aus meinen Studierenden bessere Germanisten, bessere Lehrer, bessere Journalisten
werden.“
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Schwerpunkt
Keine gute Lehre
ohne moderne Medien
MOPSI und die Freitagskonferenz
D
ie Position könnte klarer nicht sein. „Wir müssen mit
modernen Medien und moderner Technik arbeiten, sonst
würden wir unserem Ausbildungsauftrag nicht gerecht“,
sagt Dr. Maren Dingfelder Stone vom Fachbereich Translations-,
Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der JGU. Wer sich hier zur
Dolmetscherin oder zum Dolmetscher ausbilden lässt, soll in möglichst praxisnaher Umgebung lernen können. „Das lässt sich nicht
theoretisch machen.“
Standards entsprechen. Moderne Technik ist allgegenwärtig, und
auch das Notebook ist als Unterstützung in der Kabine bei vielen
längst unentbehrlich.
Die meisten Freitagskonferenzen können per Livestream verfolgt
werden und sind als Aufzeichnung verfügbar, so dass die Studierenden sich über die Konferenz hinaus mit dem Material beschäftigen
können. Selbst andere Universitäten nutzen es für ihre Lehre.
Für diese Praxisnähe und den Einsatz steht seit Jahren die Freitagskonferenz, ein Projekt, das 2008, damals noch unter der Leitung von Prof. Dr. Dörte Andres, mit dem Preis für exzellente
Lehre des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet wurde.
„Hier erleben die Studierenden all das, was ihnen später im Beruf
geschehen kann“, sagt Dingfelder Stone, „aber sie erleben es in geschützter Umgebung.“ Referenten von außen sind eingeladen, auf
der Freitagskonferenz zu verschiedensten Themen zu sprechen. Mal
bekommen es die Studierenden mit fachsprachlichem Vokabular
zu tun, dann wieder müssen sie sich auf Umgangssprache einstellen
oder auf einen Teilnehmer, der nicht in seiner Muttersprache referiert. Sie sitzen dabei in Dolmetschkabinen, die den offiziellen
Sie sind ein Gewinn
für unsere Studierenden,
in jeder Hinsicht.
Dr. Maren Dingfelder Stone
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„Ein weiteres Angebot sind die Virtual Classes, die die Generaldirektion Dolmetschen für unsere Studierenden anbietet.“ Konferenzdolmetscher des EU-Parlaments werden per Live-Schaltung
nach Germersheim durchgestellt. „Sie halten Reden speziell für
uns. Jeweils zwei Studierende dolmetschen und bekommen dann
Rückmeldung von den Dolmetschern des Parlaments. Unsere Studierenden erfahren also, wie potenzielle Arbeitgeber ihre Leistung
einschätzen.“
Jahr mit Unterstützung des Gutenberg Lehrkollegs
(GLK) in einem Forschungsfreisemester entwickeln.
ZUR PERSON
Dr. Maren Dingfelder Stone
Dingfelder Stone erinnert sich an ihre eigene Studienzeit. „Wir
haben vor allem mit abgelesenen Reden gearbeitet. Das begann fast
immer mit ,Sehr verehrte Damen und Herren ...‘ Nach vier Semestern konnten Sie dieses ,Sehr verehrte Damen und Herren‘ nicht
mehr hören.“ Für viele Übungen ging es ins Sprachlabor. „Aber
das hatte seine begrenzten Kapazitäten und Öffnungszeiten. Heute
können wir auf einen ungeheuren Reichtum an Material zurückgreifen, und wir können unsere Studierenden sehr viel realitätsnäher
vorbereiten.“
leitet die Fachgruppe Dol„Während die Freitagskonferenz oder die Virtual
Classes praxisnahes Lernen als Gesamtpaket vermit- metschen und die Freitagskonferenz am Fachbereich
teln, können die Studierenden mit MOPSI an Details Translations-, Sprach- und
arbeiten. Sie können individuelle Schwächen auf indi- Kulturwissenschaft der JGU.
viduellen Stufen beheben. MOPSI kann Studierenden Die akademische Oberrätin
ist als Dozentin für Konhelfen, ihr Selbststudium besser zu organisieren.“
ferenzdolmetschen in der
Das sei gerade im Bereich des Dolmetschens wichtig, Abteilung Anglistik, Amerikanistik und Anglophonie
wo Rückmeldungen wie „Sie brauchen noch mehr
tätig. Sie forscht unter
Energie in der Stimme“ oder „sprachlich haben Sie
anderem zur Imagologie,
zur Konsekutivnotation und
noch Defizite“ an der Tagesordnung seien. „Früher
hingen unsere Studierenden mit solch einer Kritik oft zum Selbststudium in der
Dolmetschausbildung.
ein wenig in der Luft. Nun können sie auf die Lernplattform gehen und sich zum Beispiel ein Lernvideo
mit einer Logopädin zum Thema Atmung anschauen. Mit MOPSI
können sie allein arbeiten, aber auch zu zweit oder in der Gruppe.“
Ganz neu im Angebot für die Konferenzdolmetschausbildung ist
MOPSI (Moodle Online Platform for Self-Study in Interpreting).
Dingfelder Stone konnte diese Online-Lernplattform voriges
Moderne Medien und moderne Technik haben das Dolmetschstudium nachhaltig verändert am FTSK. „Sie sind ein Gewinn für
unsere Studierenden, in jeder Hinsicht.“
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Schwerpunkt
Diese Plattform
wird nie fertig
ILKUM
I
n der Medizin landet man sehr schnell in der digitalen Welt“,
sagt Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas. „Wir haben von Haus aus
ständig mit Röntgenbildern und mit Computertomografien
zu tun. Außerdem ist die Welt unserer Studierenden von den digitalen Medien geprägt.“ Da sei der Schritt zur digitalen Lehrplattform nicht besonders groß, meint der Leitende Oberarzt der Klinik
für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin
Mainz.
Bereits vor rund fünf Jahren ging ILKUM, der interaktive Lernzielkatalog der Universitätsmedizin Mainz, online. „Mein Chef meinte
damals: Versuchen wir es doch einfach.“ Prof. Dr. Dr. Wilfried
Wagner, der Klinikdirektor, sei immer offen für Neues – und diese
Neuerung habe sich mittlerweile vielfach bewährt.
Der Name ILKUM täuscht, er stapelt tief. Aus dem Online-Lernzielkatalog ist längst viel mehr geworden als nur eine Festsetzung
und Aufreihung von Lernzielen. „Es wäre auch sehr dröge, wenn
das alles wäre“, meint Al-Nawas, „auch wenn es wichtig für uns ist,
Lernziele einheitlich festzulegen.“
An seinem PC zeigt er, was ILKUM vor allem zu bieten hat. „Wir
zeichnen viele unserer Vorlesungen auf.“ Ein Hörsaal ist zu sehen,
ein Professor referiert über Notfallmedizin. „Sie können diese
Ansicht hier wählen oder sich die Powerpoint-Präsentation dazu anschauen.“ Verschiedenste Bereiche der Universitätsmedizin Mainz
sind mit Vorlesungsangeboten und Unterrichtsmaterialien vertreten, ob Anatomie, Hämatologie oder Pathologie. Und natürlich ist
reichlich Material aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
dabei. Schließlich nahm alles dort seinen Anfang. „Wir haben die
technische Brücke geliefert, die Kliniken liefern die Inhalte.“
Zu Beginn gab es durchaus Befürchtungen. „Wir dachten, die Studierenden würden nicht mehr in die Vorlesung kommen, wenn
sie sich die Aufzeichnungen anschauen können. Aber genau das
Gegenteil ist der Fall. Sie schätzen die Vorlesung noch mehr. Ich
habe das Gefühl, wir verlieren weniger Studierende.“ Das mag auch
daran liegen, dass die Aufzeichnung Einfluss auf die Qualität jener
Vorlesungen hat. „Sie überlegen sich einfach genauer, was sie sagen,
wenn die Studierenden es nachher noch mal online anschauen und
nachprüfen können. Alles muss Hand und Fuß haben.“
20_ 21
... online
können wir
viel schneller
auf neue
Entwicklungen
reagieren.
Prof. Dr.
Bilal Al-Nawas
Die Studierenden nutzen ILKUM intensiv. „Die Zugriffszahlen
steigen natürlich vor Prüfungen, aber wir registrieren auch andere
Peaks. Viele Studierende schauen unsere Aufzeichnungen mitten in
der Nacht, so um 23.30 Uhr, an.“
Bei den Vorlesungsaufzeichnungen bleibt es nicht. ILKUM bietet
Rubriken wie den „Fall der Woche“, die angehenden Mediziner
können sich in Multiple-Choice-Tests selbst prüfen und sie können
Feedback geben. Darüber hinaus findet man im Online-Lernzielkatalog die einschlägigen Lehrbuchtexte, Verweise auf weitere
Forschungsliteratur sowie auch anonymisierte Befunde und Röntgenaufnahmen. So verbinden sich in ILKUM verschiedenste
Medien, Formate und Inhalte zu einem Ganzen, zu einem Kosmos,
in dem sich der Lernende bewegen kann.
„In der Medizin müssen wir sehr viele Fakten vermitteln“, erzählt
Al-Nawas. „Dabei hilft uns ILKUM sehr. Außerdem können wir
online viel schneller auf neue Entwicklungen reagieren.“ Aktuelle
Forschungsergebnisse fänden viel schneller ihren Weg ins Lehrmaterial. „Wir arbeiten ständig an ILKUM. Gerade sind wir dabei,
unsere Aufzeichnungen über ein Programm durchsuchbar zu machen.“ Denn 45 Minuten bleibe kaum
jemand beim Video, die meisten schauten sich eher
fünf, sechs Minuten an. Deswegen wäre es gut,
wenn Studierende per Stichwort zielgerichtet nach
Antworten suchen könnten.
ZUR PERSON
Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas
studierte Medizin und
Zahnmedizin in Frankfurt,
Saarbrücken und Zürich.
1993 wurde er in Medizin,
1997 dann in Zahnmedizin
promoviert. Im selben Jahr
kam er an die Universitätsklinik Mainz, wo er 2004
seine Habilitation und
die Venia legendi im Fach
Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie erhielt. Seit 2008
ist er leitender Oberarzt der
Klinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie, plastische Operationen, an der
Universitätsmedizin Mainz.
„Wir sollten uns mit den Lehrenden und Studierenden zusammensetzen und fragen: Wie soll ILKUM
in fünf Jahren aussehen? Wir wissen zum Beispiel, dass viele sich
eine Art Chatroom wünschen, wo sie sich austauschen können.“
Al-Nawas skizziert weitere Ideen. „Wir könnten unseren ehemaligen
Studierenden über ILKUM neueste Erkenntnisse vermitteln. Das
wäre ein Schritt hin zum Lifelong learning, das gerade für niedergelassene Ärzte sehr wichtig ist. So ein Angebot würde außerdem die
Bindung an die Alma Mater stärken.“ Vieles kann sich der Mediziner
vorstellen. „Ein Kollege arbeitet an einem virtuellen Mikroskop.“
Auch Lernspiele wären denkbar. „Eine Plattform wie ILKUM ist
eben nie fertig“, sagt Al-Nawas, „und das ist auch gut so.“
alte Lehre –
neue medien
LUST 6_2015
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Porträt
Wir diskutieren nicht über Lehre –
oder nur über digitale Lehre.
Prof. Dr. Stefan Aufenanger
Die Diskussion um den Einsatz digitaler Medien
an den Hochschulen ist in vollem Gange: Haben
Tafel und Kreide in der Lehre ausgedient, sind E-Klausuren und Online-Kurse die Formate der
Zukunft? Für Prof. Dr. Stefan Aufenanger ist
das die falsche Frage. „Es wäre fatal, digitale und
analoge Medien gegeneinander auszuspielen“,
sagt er – und stellt die Lehre ganz grundsätzlich
auf den Prüfstand.
LUST 6_2015
Porträt
E
r ist viel unterwegs. Gestern erst hat Prof. Dr. Stefan
Aufenanger Schülerinnen und Schülern Tipps für den
Umgang mit dem Internet gegeben. „Das war an einer
Realschule plus“, erzählt er. Als er ausführlicher davon berichtet,
drängt sich schnell der Eindruck auf, dass er selbst ebenso viel von
diesem Termin profitiert hat wie die Schülerinnen und Schüler.
„Es war interessant, etwas über ihre Lebenswelt zu erfahren.“ Mit
diesem einen Satz hat er ein Thema angeschnitten, das ihm in jedem
Bereich wichtig ist: der Lebensbereich, die Lebensbedingungen
von Lernenden. Darauf wird der Leiter der AG Medienpädagogik
noch zurückkommen.
Wir müssen auf die
veränderten Lebensbedingungen
der Studierenden reagieren.
Prof. Dr. Stefan Aufenanger
Aufenangers Büro am Institut für Erziehungswissenschaft im
neuen Georg-Forster-Gebäude der JGU spiegelt viel von seiner
Tätigkeit. Unterm Fenster stapeln sich digitale Lernspiele. Die
nimmt er als Stellvertretender Vorsitzender der Stiftung Digitale
Spielkultur unter die Lupe. Auf dem Schreibtisch steht ein LegoRoboter, programmiert von seinen Studierenden. Daneben liegt ein
Brettspiel. „Robot Turtles“ steht auf dem bunten Karton. „Damit
können schon Vierjährige einen Eindruck davon bekommen, was
Programmieren ist.“
Der Einsatz von Medien in der Lehre ist ein Thema, mit dem sich
Aufenanger ausführlich beschäftigt. Die Diskussion um E-Learning
und MOOCs an den Hochschulen oder um Tablets in Klassenzimmern verfolgt er interessiert, doch sie geht ihm nicht tief genug.
24_ 25
Wir sollten die Studierenden
endlich wie Erwachsene behandeln.
Prof. Dr. Stefan Aufenanger
„Wir diskutieren nicht über Lehre – oder nur über digitale Lehre.
Wir machen uns gar keine Gedanken über die Formen der Lehre.
Sind zum Beispiel Unterrichtseinheiten von 45 oder 90 Minuten
noch sinnvoll? An der Universität wird das Referatsseminar noch
immer als normal angesehen. Man denkt wenig darüber nach, ob
es den heutigen Bedürfnissen gerecht wird.“
Aufenanger meint: „Wir müssen auf die veränderten Lebensbedingungen unserer Studierenden reagieren.“ Der Bologna-Prozess habe
hier eine Chance geboten. „Aber die Hochschule hat diese Chance
verschlafen. Sie hat das Alte einfach in neue Inhalte gegossen.“
Dabei sei fraglich, ob das Alte noch tauge. Früher sei ein Studium oft
Selbstzweck gewesen, schiere Wissensbereicherung. „Heute fragen
sich die Studierenden: Was kann ich gebrauchen für meinen späteren
Beruf? Außerdem müssen sie nebenher jobben, sie haben Kinder,
planen ein Auslandssemester oder ein Praktikum.“ Darauf müsse die
Lehre reagieren, ob analog oder digital – wobei gerade der digitale
Sektor neue Möglichkeiten biete.
„Seit 15 Jahren nehme ich meine Vorlesungen auf MP3 auf und
stelle sie ins Netz“, nennt Aufenanger ein einfaches Beispiel. Das
gebe ausländischen Studierenden, die im Deutschen noch nicht so
firm sind, die Möglichkeit, den Stoff nachzubereiten. Junge Eltern
könnten sich einteilen, wann sie was hören, und als Vorbereitung
für Klausuren seien die Aufzeichnungen ebenfalls nützlich.
Diesen Ansatz spinnt der Professor weiter. Das
führt ihn zu den MOOCs, zu Online-Kursen mit
der Möglichkeit zu vielfältiger Interaktion, zu Videoclips und Podcasts. Auch hier schaut Aufenanger
auf die Lebenswirklichkeit der Lernenden: „Die
Digitalisierung ihrer Alltagswelt ist längst Realität.
Es gilt nur noch, sie dort abzuholen.“
Allerdings dürfe man nicht in die Falle tappen und
traditionelle Formate im Digitalen aufwärmen.
„Wir haben statt E-Learning immer noch zu viel
E-Teaching. Wir müssen die digitalen Medien zum
Selbstlernen benutzen. Wir muten unseren Studierenden zu wenig zu. Wir steuern sie zu sehr.“
Die Universität müsse universitär handeln. „Den
Hochschulen fehlt ein Konzept: Wo wollen sie
hin mit den neuen Medien?“ Erste Ansätze sieht
Aufenanger an der JGU, aber sie sollten konsequent fortgeführt werden. „Die Universitäten müssen sich auf eine Reise begeben“, fordert er. „Sie
müssen sich fragen: Was ist das Gute, was wollen
wir mitnehmen und was lassen wir zurück? Was
schaffen wir neu?“
ZUR PERSON
Prof. Dr. Stefan Aufenanger
studierte Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie und Kunstgeschichte
an der JGU. 1991 wurde er
in Erziehungswissenschaft
habilitiert. Er arbeitete an
verschiedenen Universitäten
in Deutschland und der
Schweiz, bevor er 1993 einen
Ruf auf eine Professur für
Erziehungswissenschaft und
Medienpädagogik an der
Universität Hamburg erhielt.
Seit 2005 ist er Professor für
Erziehungswissenschaft und
Medienpädagogik an der
JGU. Unter anderem war er
Dekan des Fachbereichs 02,
Wissenschaftlicher Direktor
der Stiftung Lesen und Vorstandsmitglied der Deutschen
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Zu seinen
Forschungsschwerpunkten
gehören „Multimedia in
pädagogischen Kontexten“
und „Medienethik“.
Weitere Infos > www.blogs.uni-mainz.de/medienpaedagogik
„Otnit Projekt“
Prof. Dr.
Stephan Jolie
„JGU Team
Sport Day“
Dr. Thomas
Könecke
Mathias Schubert
LUST 6_2015
26_ 27
S E
„Mediziner
im Netz“
Tobias Hartz
Innovative Lehre nutzt eine Vielzahl an
Medien – und sie lehrt, mit Medien umzugehen. Studierende an der JGU machen
ihre Erfahrungen, ob im Internet oder im Theater.
Über Videos lernen sie die Grundlagen effektiven
Projektmanagements, sie bringen ein mittelalterliches Epos auf die Bühne oder stellen sich den
Herausforderungen und Chancen, die das
Internet für die Medizin mit sich bringt.
LUST 6_2015
Impulse
Frischer Look
für erfolgreiche Lehre
JGU SportsDay
S
tudierende des Instituts für Sportwissenschaft laden zum
JGU SportsDay ein. Das überwiegend im JGU-Rot gehaltene
Logo des Events zeigt, worum es geht: Je ein Fußball-, ein
Basketball- und ein Volleyballspieler sowie ein Läufer in Startposition
weisen auf die drei Mannschaftssportturniere und die Laufveranstaltung hin, an denen neben Studierenden auch Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der JGU teilnehmen können.
Der SportsDay ist der Höhepunkt der Lehrveranstaltung „Projektmanagement und -kontrolle“, die Dr. Thomas Könecke und
Mathias Schubert zusammen mit einem weiteren Kollegen vom
Institut für Sportwissenschaft der JGU seit zwei Jahren anbieten –
und das mit großem Erfolg. „Wir hatten jeweils bis zu 100
Teilnehmer in unserem Kurs“, erzählt Könecke. „Auch gibt es
immer wieder Anfragen bezüglich Kooperationen oder der Ausrichtung ähnlicher Veranstaltungen.“
Jahr für Jahr bekommen Studierende im Sommersemester die Aufgabe, die Sportveranstaltung zu organisieren. „Sie kümmern sich um
Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, die Sportanlagen, die Ablauf-
planung und die Sponsorenakquise, einfach um alles.
Dabei kann durchaus etwas
schief gehen. Die Studierenden sollen auch aus ihren Fehlern lernen.“
Natürlich werden sie nicht allein gelassen. In einem Blockseminar
vermitteln Könecke, Schubert und ihre Kollegen zu Beginn die
Grundlagen und Methoden des Projektmanagements. „Das ist der
‚Werkzeugkasten‘, den die Studierenden brauchen.“ Dann geht es in
kleinen Gruppen an die Vorbereitung des SportsDays.
Bisher hat das hervorragend funktioniert, auch die Rückmeldungen
der Studierenden bestätigen das. Dennoch soll das Lehrprojekt nun
einen frischen Schub bekommen. Könecke und Schubert haben sich
gemeinsam mit Prof. Dr. Holger Preuß bei „LOOK – Lehre mit
Offenen Online Kursen“ beworben. Mit dieser Ausschreibung des
Projekts lernenmedial@jgu möchte das Medienzentrum der JGU
ausloten, wo und inwieweit MOOCs in die Lehre integriert werden
können, was sie für Chancen bieten und wo Schwierigkeiten liegen
könnten (mehr dazu auf Seite 36 in diesem Heft).
28_ 29
Dr. Thomas
Könecke
Mathias
Schubert
1
Konkret schweben Könecke kurze Videos von fünf bis acht Minuten
vor. „Es ist wichtig, dass alle mit denselben Methoden arbeiten, deswegen stellen wir unseren ‚Werkzeugkasten‘ ja zu Beginn ausführlich
vor. Aber in den verschiedenen Arbeitsgruppen werden die Werkzeuge zu ganz unterschiedlichen Zeiten eingesetzt.“ Da wäre eine
Auffrischung des Stoffs aus dem Blockseminar zu Themen wie „Zeitmanagement“, „Stakeholder“ oder „Kommunikation und Konflikte
in Projekten“ nützlich. „Schwierigkeiten in Projekten resultieren
meist aus sozialen Problemen oder Kommunikationsschwierigkeiten“,
nennt Könecke Hürden, die die Studierenden gemeinsam nehmen
müssen. Passende Bewältigungsstrategien können da helfen.
Z U R P ER S ON
Z U R P ER S ON
Dr. Thomas Könecke ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter und Habilitand am Institut
für Sportwissenschaft der JGU, wo er
z. Zt. die interdisziplinäre Forschungsgruppe „Menschen – Medien – Management“ aufbaut. Nach seinem Studium
der Wirtschafts- und Sportwissenschaften
wurde er mit einer Arbeit zur medial
vermittelten Kommunikation und Wahrnehmung von Personen promoviert.
Mathias Schubert studierte Englisch,
Sport und Bildungswissenschaften
(Staatsexamen) sowie Sportwissenschaft
(Diplom) an der JGU. Derzeit arbeitet
er am Institut für Sportwissenschaft als
wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fachgebiets Sportökonomie und Sportsoziologie. 2014 verbrachte er einen längeren
Lehr- und Forschungsaufenthalt am
Molde University College in Norwegen.
Eines allerdings stellt Könecke mit Blick auf die neuen Möglichkeiten
klar: „Wir wollen keinen medialen Overkill. Denn wir wollen unsere
Studierenden nicht unterhalten, sondern zum Lernen motivieren.“
„Außerdem hätten wir mehr Zeit, uns um die einzelnen Gruppen zu
kümmern, wenn ein Teil der Wissensvermittlung über die Videos liefe.
Es ist bei rund 25 Kleingruppen mit je vier Personen schwer, mit diesen
intensiv zu arbeiten, wenn auch noch inhaltlicher Input nötig ist.“
Für die Zukunft kann er sich gut vorstellen, dass
MOOCs zum Projektmanagement über das Institut für Sportwissenschaft und über die Organisation von Sport-Events hinaus Anwendung
finden. Projektmanagement ist schließlich
in vielen Bereichen gefragt. Mittelfristig
denken Könecke und Schubert daher an
Kooperationen mit JGU-Institutionen wie
dem Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung (ZWW). Aber ihr Blick reicht auch
über den Campus hinaus. Fürs Fernstudium
etwa könnte das Material nützlich sein.
In den Videos möchte Könecke nicht nur mit Folien oder Aufzeichnungen von Lehrveranstaltungen arbeiten. „Im Unterricht entwickle
ich Dinge zum Beispiel gern auch mal an der Tafel. So etwas Ähnliches wird auch in den Videos stattfinden.“ Wie genau sich das
umsetzen lässt, weiß er noch nicht. „Hier brauchen wir technische
Unterstützung.“ Genau dafür ist LOOK gedacht.
Im Moment ist das allerdings noch Zukunftsmusik.
Jetzt geht es erst mal um die Studierenden vor Ort.
„Wir stehen noch am Anfang“, räumt Könecke ein. Die
Ideen, mit denen er ein erfolgreiches Lehrprojekt noch
erfolgreicher machen will, klingen allerdings schon
recht konkret.
LUST 6_2015
Impulse
Vom Hörsaal ins
Staatstheater
Otnit-Projekt
K
önig Otnit hastet desorientiert über die Bühne. Ein großer Held soll er sein. Doch sieht so ein Held aus? Zierlich
wirkt er, von Selbstbewusstsein keine Spur. Er will nach
Hause. Endlich angekommen vor dem heimischen Hof, trifft er
seine Minister und flötet höchst unköniglich: „Ich will herein zu
Mutter. Ist sie da?“
Prof. Dr. Stephan Jolie vom Deutschen Institut der JGU hat dem
Herrscher ohne Plan sehr planvoll auf die Theaterbühne geholfen
– nicht nur in der Rolle jenes Bänkelsängers, sondern vor allem als
Initiator: 2013 rief der Dekan des Fachbereichs Philosophie und
Philologie „Das Otnit-Projekt“ ins Leben. Ende 2014 trat es mit der
Aufführung im Mainzer Staatstheater in die letzte Phase.
Eigentlich war zu ahnen, dass dieser König anders ist. Der Bänkelsänger hatte ihn ja entsprechend eingeführt: „Nicht immer scheint
Otnit zweifelsfrei ein Held zu sein. / Mit fremder Hilfe siegt er und
schläft zuweilen ein.“ Das klang wenig schmeichelhaft. „Wir sehen
einen schwachen Ritter, einen Herrscher ohne Plan.“ Der Bänkelsänger zog den Vorhang beiseite, das Spiel begann.
Kern des Projekts war ein auf zwei Semester angelegtes Seminar.
Hier ging es nicht nur darum, den Text wissenschaftlich zu erarbeiten. Die Studierenden sollten all das erledigen, was nötig sein
würde, um „Otnit“ bühnenreif zu machen.
„Sie sollten praktische Erfahrung in verschiedensten Bereichen sammeln“, meint Jolie, „ob beim Schreiben des Theaterstücks, bei der
Arbeit am Bühnenbild oder an den Kostümen.“ Um jedes Detail
sollten sie sich kümmern: um die Kommunikation mit der Presse,
um ein passendes Programmheft. Sie schlüpften sogar selbst in die
verschiedenen Rollen.
30_ 31
Prof. Dr.
Stephan
Jolie
Jolie reichte sein Otnit-Seminar als „Innovatives Lehrprojekt“
beim Gutenberg Lehrkolleg (GLK) der JGU ein. „Ich bekam die
höchstmögliche Fördersumme.“ Er holte die Musikhochschule
der JGU und Prof. Dr. Birger Petersen mit ins Boot. Studierende
komponierten in dessen Seminar die Musik zum Stück. Auch die
Kommunikationsdesigner der Hochschule Mainz halfen: Prof.
Dr. Anna-Lisa Schöneckers Studierende konzipierten Plakate,
das Layout des Programmhefts und sogar Getränkedosen.
Erfahrung hat Jolie bereits mit Projekten ähnlicher Art. Als Mainz
2011 zur Stadt der Wissenschaft gekürt wurde, traten er und seine
Studierenden mit dem Minnesang-Projekt „mainz1184 – Ein Traum
von Liebe und Ritterschaft“ ins Rampenlicht.
Einige Akteure aus dieser Zeit halfen auch bei der Umsetzung des
Projekts „Otnit“ mit. So übernahmen Thomas Elben und Dominik
Schuh die Regie. Elbens Arbeit begann sogar einen Schritt früher:
Er stellte das Skriptteam aus Studierenden zusammen und fügte
deren Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen.
2
Z U R P ER S ON
Prof. Dr. Stephan Jolie studierte Germanistik,
Philosophie und Musikwissenschaft in Frankfurt
am Main und München. Unter anderem war er
als Lehrbeauftragter an den Universitäten Mainz
und Frankfurt tätig, bevor er 2004 habilitiert
wurde. Nach Stationen in Berlin und Erlangen
kam er 2007 als Professor für die Literatur der
älteren Epochen ans Deutsche Institut der JGU.
Seit 2011 ist er Dekan des Fachbereichs Philosophie und Philologie der JGU.
Grundsätzlich war improvisieren angesagt. Die Studierenden sahen
sich all den Problemen gegenüber, die in solch einem vielgestaltigen
Projekt vorkommen können. Vor der allerersten Aufführung im
Hörsaal P1 des Philosophicums etwa funktionierte die Beleuchtung
noch nicht. Da musste schnell Abhilfe geschaffen werden. Kleinigkeiten wurden zu Stolpersteinen: Die Tüten, die als Hüllen für
die Programmhefte angeliefert wurden, waren zu klein. Und das
Bühnenbild, ein Metallgestell, das wie ein Berg aufragte, wurde
noch bis zum letzten Moment mit Papierbahnen, die mit „Otnit“Originaltext bedruckt waren, beklebt: „Otnit“ sollte aus dem Text
springen“, erklärt Jolie, „buchstäblich.“
Am Ende standen die Studierenden auf der Bühne des Staatstheaters. Die Aufführung wurde zum großen Erfolg. „Wirklich jeder
hatte sich als Teil des Projekts begriffen“, sagt Jolie. Aus den vielen
Teilen wurde ein stimmiges Ganzes – so stimmig, dass Regisseur
Elben selbstbewusst meint: „Wenn wir noch zwei Monate Zeit gehabt hätten, hätten wir mit dem Stück auf Tournee gehen können.
Wir hätten uns nicht verstecken müssen vor den Profis.“
Weitere Infos > www.otnitprojekt.uni-mainz.de
LUST 6_2015
Impulse
Neue Medien
Mediziner im Netz
T
witter, Facebook und soziale Netzwerke sind längst vorgedrungen in die Sphäre der Medizin. Sie spielen ihre Rolle
in der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten,
im Austausch von Medizinern untereinander oder schlicht als
Informationsquelle.
„Es gibt allerdings viele Fallstricke“, warnt Tobias Hartz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinische Biometrie,
Epidemiologie und Informatik (IMBEI) der Universitätsmedizin
als Herausforderung und Chance
Mainz. Er sagt aber auch: „Es gibt viele Chancen. Auf beides
wollten wir aufmerksam machen, und das jenseits aller Schwarzweißmalerei.“ Zusammen mit Anke Hollinderbäumer und Prof. Dr.
Frank Ückert vom IMBEI startete der Diplommathematiker das
Lehrprojekt „Neue Medien – Herausforderung und Chance für den
Mediziner der Zukunft“, ein Projekt, das ebenfalls mit Fallstricken
zu kämpfen hatte.
„Wenn man Medizinstudierende fragt, finden sie das Thema zwar
spannend, aber auf den ersten Blick nicht sehr relevant für die
Praxis. Facebook und andere Internet-Dienste sind für sie nicht der
richtige Kanal, um zum Beispiel mit Patienten zu kommunizieren.
Das ist im Grunde auch richtig. Rein datenschutzrechtlich geht das
32_ 33
Tobias Hartz
Z U R P ER S ON
Tobias Hartz studierte Mathematik
mit Nebenfach Informatik an der
Westfälischen Wilhelms Universität
Münster. In Münster arbeitete er drei
Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Medizininfomatik. Seit
Sommer 2011 ist er wissenschaftlicher
Mitarbeiter am IMBEI der Universitätsmedizin Mainz und leitet dort die
Arbeitsgruppe „eHealth“.
über Facebook einen Arzttermin ausmachen. „Beim Allgemeinmediziner mag das noch unproblematisch sein, da geht jeder mal hin.
Aber wie ist das, wenn ich über Facebook einen Psychotherapeuten
oder einen Onkologen kontaktiere? Diese Verbindung kann für
Dritte schon einiges über mich aussagen.“
Es eröffnen sich aber auch weitere Möglichkeiten: „Sie können
etwa über Twitter-Hashtags an neueste Informationen zu verschiedensten Krankheiten kommen. In Amerika wird das bereits sehr
stark genutzt. Bei uns ist das noch nicht so bekannt.“
nicht.“ Aber in der Praxis passiere es eben doch. „Stellen Sie sich vor,
ein Patient kommt nicht zur Nachsorge. Da kann man schon auf die
Idee kommen, ihn zum Beispiel über WhatsApp zu kontaktieren.“
Das Seminar wurde zum Erfolg. Nun schauen Hollinderbäumer,
Ückert und Hartz, dass sie die Früchte ihres Lehrprojekts über die
neuen Medien an die Mainzer Studierenden bringen.
Darum und um einiges mehr ging es in dem vom Gutenberg Lehrkolleg (GLK) der JGU als „Innovatives Lehrprojekt“ geförderten
Vorhaben. „Wir konzipierten einen Kurs mit Übungen und
Diskussionen zu diesem Thema, das wir im Wahlpflichtbereich
anboten.“ Dieser Versuch scheiterte, denn im Bereich der Wahlpflichtfächer gibt es eine Riesenauswahl an der Mainzer Universitätsmedizin. Man konkurriert mit sehr vielen praktischen Kursen,
die bevorzugt von den Studierenden gewählt werden.
„Wir schrieben daraufhin alle Studiendekane an medizinischen
Fakultäten in Deutschland an.“ Das wirkte. Studierende aus der
gesamten Republik kamen für ein eintägiges Seminar zusammen.
„Wir simulierten einen Facebook-Austausch zwischen Ärzten
und Patienten. Wir ließen die Studierenden im Internet nach
bestimmten Ärztinnen und Ärzten suchen. Und sie konnten eine
Facebook-Seite für eine fiktive Praxis erstellen.“
„Wir haben eine Förderung durch die Universitätsmedizin Mainz
erhalten“, erzählt Hartz. „Sie wird es uns ermöglichen, ein E-Learning-Programm zu erstellen und über die in der Universitätsmedizin
genutzte Plattform ILKUM (siehe Seite 20 in diesem Heft) anzubieten.“ Auf diese Weise werden die Lehrenden erreicht. Sie können
die entsprechenden Materialien in ihre Lehrangebote einbauen.
Studierende haben die Möglichkeit, auf diese Materialien zuzugreifen, wenn sie merken, dass sie doch Informationsbedarf zu der
Thematik haben.
Brandaktuelle Fragen schlossen sich an. „Wenn ich als Arzt eine
Facebook-Page habe, und es kommen konkrete Anfragen zu einer
Krankheit: Wie reagiere ich da?“ Oder viel einfacher: Jemand will
„Wir finden, dass dieses Thema wichtig ist. Mit unserem Projekt haben wir es vorangebracht und nach außen getragen.“
Auf den Mainzer Vorstoß folgte nicht nur ein vielstimmiges
Medienecho. Hartz selbst wurde von der Bundesärztekammer als Experte eingeladen. Er soll helfen, eine Checkliste zum Umgang mit Social Media zu erstellen. Er zieht
eine positive Bilanz: „Die Kolleginnen und Kollegen in
den Kliniken haben registriert: In Mainz passiert etwas.
Sie sind neugierig, was wir machen.“
LUST 6_2015
Aus dem Studienangebot
Wissenschaft
trifft auf Praxis
Bachelor Audiovisuelles
Publizieren vereint Filmhandwerk mit Medientheorie
1
S
elbst einen Beitrag drehen, die Kamera führen, den Ton
aufnehmen, den Schnitt gestalten, die gesamte Produktion:
Das ist die praktische Seite. Hinzu kommen das Wissen um
Methoden und erzähltheoretische Ansätze sowie die analytische
Auseinandersetzung mit audiovisuellen Medienbeiträgen. All dies
bietet das Bachelor-Beifach Audiovisuelles Publizieren (AVP).
Gestalterisch-praktische Fähigkeiten werden ergänzt durch wissenschaftliche Kenntnisse.
AVP kann mit jedem Kernfach, das im Kernfach-Beifach-Bachelorstudiengang an der JGU angeboten wird, kombiniert werden.
Es wird vom Journalistischen Seminar am Institut für Publizistik
angeboten und bietet pro Jahrgang 16 Studienplätze. Das Studium
kann nur zum Wintersemester aufgenommen werden.
Die ersten beiden Semester vermitteln Grundkenntnisse für eine
Auseinandersetzung mit Medienbeiträgen und bieten eine praktische Einführung in den Videojournalismus. Die theoretischen
Studieninhalte der weiteren Semester konzentrieren sich auf
Fachgebiete der Kommunikations- und
der Filmwissenschaft. Im Mittelpunkt der
praktischen Ausbildung steht die Mitarbeit
beim Universitätsfernsehen CampusTV
Mainz. Hier können die Studierenden unter
der Anleitung erfahrener Fernsehjournalistinnen und -journalisten eigenständig
Filmbeiträge produzieren. Sie nehmen an
Workshops zu Themen wie Medienethik,
Dramaturgie oder Recherche teil. AVP ist
in die Partnerschaften des Journalistischen
Seminars eingebunden, daher können
Studienleistungen auch an den Universitäten
in Memphis (USA) und Turin (Italien) erbracht werden.
Weitere Infos
> www.journalistik.uni-mainz.de/1258.php
> www.campus-tv.uni-mainz.de
S te c kbrief :
Was muss ich mitbringen?
Allgemeine oder fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung, Interesse an
der Reflexion audiovisueller
Medien und am Umgang mit
Technik, empfehlenswert
sind gute Englisch-Kenntnisse
Wie lange dauert’s?
Regelstudienzeit sind sechs
Semester
Was kann ich danach tun?
Nach einem Volontariat
im Fernsehjournalismus
arbeiten, als Producer von
Filmproduktionen, in der
PR- und Öffentlichkeitsarbeit, in der Unternehmenskommunikation oder
der Kulturarbeit
34_ 35
A
ngesichts der modernen Medienlandschaft, des Internets
und vielfältiger digitaler Kommunikationsformen erscheint
das Theater auf den ersten Blick als ein kulturelles Erbe
vergangener Zeiten. Das Studienfach Theaterwissenschaft rückt
dieses Bild zurecht. Es begreift das Theater als Kunstform und als
kulturwissenschaftliches Denkmodell, das in besonderem Maße
geeignet ist, die ästhetischen Wechselspiele zwischen Medien und
Künsten zu reflektieren.
Angesiedelt im Fächerverbund mit Filmwissenschaft und Kulturanthropologie untersucht die Theaterwissenschaft Theater in seinen
vielfältigen künstlerischen Erscheinungsformen wie Schauspiel,
Oper, Tanz oder Performance, aber auch rituelle Phänomene und
theatrale Aspekte von Fest- und Alltagskultur.
Theater als
Denkmodell
Bachelor
Theaterwissenschaft
bietet Blick
hinter die Kulissen
2
Im Bachelorstudium besuchen die Studierenden Module zur Kulturanalyse, zu Theorie und Ästhetik des Gegenwartstheaters, zur
Aufführungsanalyse, zur Theatergeschichte und zur
S te c kbrief :
Theatralität von Kultur. Ergänzt wird das primär
Was muss ich mitbringen?
theoretische Studienangebot durch Kurse mit prakAllgemeine oder fachgetischer Ausrichtung wie etwa das szenische Projekt,
bundene Hochschulzugangsberechtigung
in dem die Studierenden unter Anleitung von TheWie lange dauert’s?
aterpraktikern eine Theaterinszenierung oder eine
Regelstudienzeit: sechs
Performance erarbeiten. Theaterwissenschaft kann
Semester
mit allen an der JGU im Kern-Beifach-Bachelorstudi- Was kann ich danach tun?
In vielfältigen Positionen
engang angebotenen Fächern außer Kulturanthropoam Theater arbeiten, in
logie und Filmwissenschaft kombiniert werden.
den Bereichen Film, FernWeitere Infos > www.theaterwissenschaft.uni-mainz.de
sehen, Hörfunk, in den
Printmedien oder als
Kultur- und Eventmanager
LUST 6_2015
LUPE
Was ist
eigentlich ein
Mooc?
D
ie Abkürzung MOOC steht für Massive Open Online
Course. MOOCs sind Kurse, an denen viele Menschen
teilnehmen können – mitunter sind es Tausende –, daher
die Bezeichnung „massive“. MOOCs werden offen online angeboten, die Inhalte sind allgemein zugänglich. MOOCs laufen
im Gegensatz zu diversen anderen Angeboten im Internet nur
über eine bestimmte Zeit. Sie sind auf einige Tage, Wochen oder
vielleicht auf ein Semester befristet.
In der Hochschullandschaft haben diese offenen Online-Kurse
einiges in Bewegung gebracht. Es begann an amerikanischen
Elite-Universitäten wie Harvard. Sie zeichneten Vorlesungen auf,
reicherten sie mit einem Quiz oder der Möglichkeit zu einem
Feedback an und stellten sie ins Netz. Diese xMOOCs boten im
Prinzip erweiterte traditionelle Lehrveranstaltungen. In den Verzeichnissen der Universitäten waren sie mit einem x für „extension“
gekennzeichnet.
36_ 37
ZUR PERSON
Dr. Nicole Labitzke
leitet das Medienzentrum
der JGU. Sie ist Mitglied
des Forschungsschwerpunkts Medienkonvergenz
mit den Schwerpunkten
Transmediale Erzählformen
und audiovisueller Wissenschaftstransfer. Labitzke
arbeitet und forscht zu
audiovisuellen Medien im
Kontext von Forschung
und Lehre sowie zu
partizipativen und transmedialen Erzählformen.
Ein ganzes Stück weiter gehen die
cMOOCs. Das c steht für „Connectivism“,
also für die Lerntheorie des Konnektivismus, die den Menschen als vernetztes
Individuum in den Mittelpunkt rückt.
cMOOCs ähneln Seminaren. Viel
Interaktion ist möglich. Die MOOCPlattform bietet Raum für Austausch
und Diskussionen oder für eigene Beiträge
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Über das Video oder den Quiz hinaus
werden hier weitere Elemente genutzt.
„Wir wollen MOOCs in Mainz erproben“,
sagt Dr. Nicole Labitzke, Leiterin des
Medienzentrums der JGU. „Wir wollen
schauen: Wie kommen die Lehrenden
damit klar? Wie können wir sie als zentrale Einrichtung unterstützen?“ Dafür
wurde das Projekt lernenmedial@jgu mit
Unterstützung des Wissenschaftsministeriums ins Leben gerufen,
das Labitzke gemeinsam mit Dr. Malte Persike vom Psychologischen Institut der JGU leitet und das von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet wird. Hier geht es allerdings nicht nur
um MOOCs, sondern um alle Formen des E-Learning, des elektronischen Lernens.
„Eines unserer Teilprojekte beschäftigt sich damit, eine Infrastruktur für E-Lectures auf dem Campus zu installieren“, erzählt
Nina Oehler, die sich am Medienzentrum besonders um den
Bereich E-Learning kümmert. Einige Hörsäle sollen mit einer
Technik ausgestattet werden, die es ermöglicht, Vorlesungen
auf-zuzeichnen und mit möglichst geringem Aufwand online
verfügbar zu machen.
Begleitend dazu bietet lernenmedial@jgu ein Beratungskonzept,
das Lehrende in Workshops und Kursen an die Möglichkeiten und
Chancen des E-Learning heranführt. „E-Lectures sind eine relativ
einfache Form, MOOCs dagegen sind sehr aufwändig“, meint Oehler.
„Wir erproben beide Enden des Spektrums.“
Zudem lotet lernenmedial@jgu mit der Ausschreibung „LOOK – Lehre mit Offenen Online Kursen“
die Möglichkeiten und Chancen von MOOCs an
der JGU aus: Fünf MOOC-Lehrprojekte werden
mit je 20.000 Euro gefördert. „Wir hatten beim
ersten Auswahlverfahren elf Bewerberinnen und
Bewerber“, erzählt Labitzke. „Mit so viel Zuspruch
hatten wir nicht gerechnet.“ Der Aufwand für
die Lehrenden ist schließlich immens. Dennoch ist
Labitzke überzeugt: „LOOK wird Aufmerksamkeit erregen, im kommenden Jahr werden wir noch
mehr Bewerbungen bekommen.“
Dabei ist das Ergebnis offen: „Wir glauben nicht, dass
MOOCs unbedingt das Nonplusultra darstellen.
Aber wir haben die Hoffnung, dass wir mit unserem
Projekt zu mehr Medieneinsatz an der Universität anregen können.“ Am Ende muss nicht unbedingt der
ausgewachsene MOOC stehen, auch eine E-Lecture
mit ergänzenden Materialien wäre denkbar.
ZUR PERSON
Nina Oehler
ist seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin
im Medienzentrum.
Sie ist dort zuständig
für Medienkonzepte
und E-Learning.
Vorher arbeitete sie
freiberuflich als TVund PR-Autorin im
Bereich Wissenschaft
und Technik. Oehler
studierte Germanistik,
Kunstgeschichte
und Philosophie.
Auf jeden Fall aber kommt viel Bewegung in die Medienlandschaft
der Hochschule, und lernenmedial@jgu wird diesen Prozess begleiten.
Infos zu E-Learning, MOOCs und
LOOK-Ausschreibung an der JGU unter
> www.medienzentrum.uni-mainz.de/lernenmedial
> www.medienzentrum.uni-mainz.de/look
LUST 6_2015
Kennen Sie...? Institutionen der JGU stellen sich vor
Der unsichtbare Riese
D
er Weg führt durch niedrige Flure, unter deren Decken
Handwerker Kabel verlegen. Es geht vorbei an einem
Kursraum auf der einen und einer Glasfront auf der
anderen Seite: „Kopieren, Drucken, Scannen“, „DTP-Studio“ und
„Beratung/Hotline“ ist dort nacheinander zu lesen. Hinterm Glas
sind geschäftige Menschen und technische Geräte auszumachen.
Ein Schwenk nach rechts bringt den Besucher direkt vor das Büro
des Leiters des Zentrums für Datenverarbeitung der JGU – und
erlaubt zugleich einen Blick in die Vergangenheit: Ein nicht mehr
ganz neues Plakat erinnert mit einer Fotoserie an „30 Jahre ZDV“.
Es zeigt Computer und Geräte, die aus einer anderen Epoche zu
stammen scheinen. Unter anderem ist ein CDC-Kernspeichermodul
abgelichtet. Seine Leistung wird aufgeführt mit „16 K Worte à 28
bit: 24 bit Daten + 4 bit Parity“. Das war einmal.
In Prof. Dr.-Ing. André Brinkmanns Büro selbst wartet eine kleine
Überraschung. Es dominiert mitnichten die Computertechnik.
„Mein Vorgänger hatte hier vier PC stehen“, erinnert sich der
Elektroingenieur. Brinkmann reicht ein Gerät aus. Dafür hat er
sich einen großen Besprechungstisch in das Zimmer gestellt, an dem
er nun Platz nimmt, um vom ZDV zu erzählen.
Ob Studierende, Lehrende oder Angestellte der JGU: Viele kennen
dieses Zentrum nicht, sie haben es nie betreten. Doch ohne seine
Arbeit wären sie über weite Strecken verloren. „Wir sind in vielen
Bereichen sogar happy, wenn wir unsichtbar bleiben“, meint Brinkmann dazu. „Das betrifft vor allem die technischen Dienste. Denn
da nehmen uns die Leute nur wahr, wenn etwas nicht funktioniert.“
Das ZDV zeichnet für die rund 7.000 PCs auf dem Campus verantwortlich, für ihre Wartung, für Neuanschaffungen und Reparaturen.
„Wir haben 55.000 Kunden in unserem E-Mail-System“, erzählt
Brinkmann. Demnächst wird das ZDV eine eigene Dropbox-Alternative, also einen Cloud-Webdienst, anbieten. „Da rechnen wir
mit 100.000 Kunden.“ Mit solchen Zahlen könnte er ewig weiter
machen, doch er hält sich zurück und wählt bemerkenswerte Details:
„Weniger bekannt ist, dass wir 13 Millionen Seiten pro Jahr
ausdrucken. Bei solchen Kapazitäten ist schon die Lagerung des
Papiers eine Herausforderung.“
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Dies alles betrifft die Grundversorgung der JGU, jenen Bereich, in
dem Brinkmann sich sehr zufrieden
zeigt über die Unsichtbarkeit. „Es
gibt aber auch Dinge, die bekannter
werden sollten.“ Immer mal wieder
käme jemand mit Anregungen wie:
„Es wäre doch toll, wenn ihr Kurse
zu Word oder Excel anbieten würdet“.
„Das alles und noch mehr machen
wir“, stellt Brinkmann klar. „Bei
uns gibt es zum Beispiel eine Grundausbildung für Studierende auf
dem Gebiet IT. Wir erklären, wie man ein Template für die Bacheloroder Masterarbeit erstellt. Wir haben viele Themen rund um die
Informatik in unserem Kursprogramm.“
Nur wenigen sind die Forschungsaktivitäten des ZDV bekannt.
„Wir gehen vielen Fragen nach, die sehr nah an der Praxis sind.“
Manch ein Projekt wird von der EU unterstützt, und bei vielen
Vorhaben arbeitet das Zentrum mit der Industrie und anderen
Institutionen wie der Carl-Zeiss-Stiftung oder den Rechenzentren
fremder Universitäten zusammen.
Überhaupt findet Vernetzung hier nicht nur im technischen Sinn statt.
Das ZDV ist Ansprechpartner für alle Fachbereiche der JGU, wenn
es darum geht, computerunterstützt Wissenschaft und Lehre zu betreiben. „Früher waren es vor allem die Naturwissenschaften, die sich an
uns wandten, mittlerweile haben wir auch viel mit den geisteswissenschaftlichen Fächern zu tun. Sie alle sehen das Potenzial. Das freut uns.“
Für große Projekte steht der Superrechner Mogon bereit. „Er hat
36.000 Kerne“, erklärt Brinkmann zur Kapazität. Ein anspruchs-
voller PC kommt mit gerade mal vier Kernen aus. „Mitte 2012
waren wir mit Mogon auf Rang 81 weltweit.“ Beim schnellen
Fortschritt auf dem Gebiet dürfte sich das inzwischen geändert
haben, deswegen rüstet das ZDV auf: 2016 kommt
ein neuer, größerer Superrechner.
Auch an der Einführung neuer Medien in der
Lehre war und ist das ZDV beteiligt. So liefen
bereits eine Viertelmillion E-Klausuren über
die Rechner des Zentrums. „Gerade sind wir
dabei, Hörsäle umzurüsten.“ In Kooperation
mit dem Projekt lernenmedial@jgu (siehe Seite
36 in diesem Heft) werden sechs bis acht Räume
in einem ersten Schritt mit Technik ausgestattet,
die es erlaubt, Vorlesungen ohne viel Aufwand
aufzuzeichnen. „Ebenso bieten das Medienzentrum und wir tragbare Komponenten zum
selben Zweck.“
Brinkmann erzählt noch einiges. Von Portalen
ist die Rede, die auf die Studierenden zugeschnitten sind, von der riesigen Telefonanlage auf dem
Campus oder von Datensicherheit auf höchstem
Niveau. „All das schaffen wir mit gerade mal
60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern plus elf
Forschern“, erzählt Brinkmann. „Unsere Leute
sind ungeheuer engagiert, sonst könnten sie
diese Arbeit gar nicht bewältigen.“
Schon deswegen wäre es schade, wenn das ZDV
unsichtbar bliebe. Dieses Zentrum ist viel mehr
als eine PC-Feuerwehr. Das hat Brinkmann
mühelos klar gemacht in seinem Büro mit dem
bescheiden wirkenden Computer in der Ecke.
ZUR PERSON
Prof. Dr.-Ing.
André Brinkmann
studierte Elektrotechnik an
der Universität Paderborn,
wo er 2004 promoviert
wurde. Bis 2011 war er
dort als Juniorprofessor
am Institut für Informatik
und als Direktor des
„Paderborn Centre for
Parallel Computing“ tätig,
bevor er 2011 an die JGU
kam, wo er einerseits das
ZDV leitet, andererseits
als Professor des Instituts
für Informatik forscht
und lehrt.
Kontakt ZDV:
www.zdv.uni-mainz.de
CampusTV
Mainz
Fernsehen von Studierenden
für Studierende und alle darüber hinaus
Neue Sendungen:
Fr 18:30 Uhr im Web-TV
Di 19:30 Uhr bei OK:TV Mainz
www.campus-tv.uni-mainz.de
CampusTV geht in der Vorlesungszeit alle zwei Wochen mit einem neuen Programm auf Sendung.
Das Format CampusTV Magazin zeigt bunt gemischte Beiträge rund um Forschung, Studium und Leben
auf dem Campus. CampusTV Spezial bietet eine Plattform für Filmproduktionen der Lehrveranstaltungen
aller Medienfächer. Gemacht wird CampusTV von den Studierenden des BA-Beifachs Audiovisuelles
Publizieren. Zusätzlich arbeiten Studierende aller Fächer der JGU als freie Autoren mit. Themenfindung,
Recherche und Produktion erledigen die Studierenden eigenständig im Team. Unterstützt werden sie
dabei durch das Medienzentrum der JGU sowie durch Lehrbeauftragte aus der journalistischen Praxis.