April 16 | #539 Das Kommunale Kino Wiens, Akademiestraße 13, 1010 Wien Athina Rachel Tsangari, „Chevalier“, ab 6. Mai im Stadtkino im Künstlerhaus Nicolas Steiner, „Above and Below“, ab 15. April im Stadtkino im Künstlerhaus Mirlan Abdykalykov, „Nomaden des Himmels“, ab 22. 4. im Stadtkino im Künstlerhaus „Männer sind etwas sonderbar …“ Heißt es schon bei Herbert Grönemeyer. In Chevalier treiben sich sechs Vertreter ihrer Spezies auf einem Boot herum – und wollen „den Besten in Allem“ unter sich finden. ALEXANDRA ZAWIA W as ist ein Mensch wert? - Das ist eine Frage, die der Kapitalismus nicht stellt. In der Matrix von Wettbewerbsdenken und Effizienzstrategien interessiert aber doch: Was kann ein Mann? - und das besonders dann, wenn Machtgefüge rundum schwanken und vor allem staatliche Kompetenzen versagen. Die griechische Regisseurin Athina Rachel Tsangari sperrt in ihrem neuen Spielfilm Chevalier sechs Männer für die Dauer eines mehrwöchigen Boottrips auf eine Yacht: Der ältere, gut situierte Gentleman, ein Arzt und von den anderen deswegen nur als „Doktor“ bezeichnet (Yorgos Kentros), der Thirtysomething, etwas babyspeckige und kindlich-kindische Dimitris (Makis Papadimitriou), sein älterer Bruder Yannis (Yorgos Pirpassopoulos), der auch der Schwiegersohn des Doktors ist, der gutaussehende und sportliche Christos (Sakis Rouvas) und die beiden Arbeitskollegen Josef Nikolaou (Vangelis Mourikis) und Yorgos (Panos Koronis). Das Erholungsziel dieser von vornherein gruppendynamisch etwas sperrigen Truppe vernebelt zusätzlich, als der Bootsmotor streikt. Weil die Reparatur sich hinzieht, kriecht den Männern die Langeweile schnell in die Glieder, also beginnen sie folgendes Spiel: In den nächsten Tagen solle jeder von jedem dahingehend bewertet werden, was ihn zum Besten der Gruppe, „den Besten in Allem“ macht: Aussehen, Charaktereigenschaften, sonstige Fähigkeiten, wie zum Beispiel ein Ikea-Regal zusammenbauen, die Partnerin über Skype anrufen und ihr dabei maximale Liebesgeständnisse abringen oder die längste Erektion – am besten vorm Spiegel mit sich allein - zu halten (die Staatsgewalt als einheitliche Potenz!). Aber auch Kleidungsstil, Blutfettwerte und Cholesterinspiegel gilt es nun im besten Licht zu präsentieren; es wartet die Ehrung durch einen Ring, die Verleihung des Titels „Chevalier“ und die ApprobatiFortsetzung auf Seite 2 » Inhalt Nur noch Blasen Über den Markt und die Macht: Kathrin Röggla zu Daniel Hoesls WINWIN – derzeit im Stadtkino. 3 Fortschritt und Tradition Die Geschichte einer Nomadenfamilie vor der malerischen Bergkulisse Kirgisiens. 5 Überblick Welche Highlights des österreichischen Kinos uns dieses Jahr noch im Stadtkino erwarten. Zulassungsnummer GZ 02Z031555 Verlagspostamt 1150 Wien / P.b.b. 6 Athina Rachel Tsangari, „Chevalier“ 02 StadtkinoZeitung » Fortsetzung von Seite 1 on des übersteigerten und sozial immer noch permanent bestätigten Selbstbildnis. Tsangari, die mit Attenberg (2010) von einer jungen Frau mit Menschenphobie und (so schlägt es der Film vor) in der griechischen Gesellschaft eingeschriebenem Vaterkomplex und seinen tiefgreifenden patriarchalischen Strukturen erzählte, realisierte zuletzt mit dem Kurzfilm The Capsule die Beobachtung einer ausschließlich weiblich besetzten Gruppe unter besonderen Rahmenbedingungen. Chevalier setzt ihr Interesse fort, „gleichgeschlechtliche Interaktionen zu dokumentieren“, wie sie selbst sagt: „Wie sich ein Mensch in einer Gesellschaft formt, wie er beeinflusst wird, wie wir miteinander umgehen.“ Es seien bei weitem nicht Themen wie die Wirtschaftskrise oder ein so genanntes „Neues griechisches Kino“, mit dem sie identifiziert werden wolle. „Mit meinen Filmen bewege ich mich stets einen Schritt weg vom Naturalismus“, so Tsangari. „Das ist natürlich beeinflusst von Griechenland, der philosophischen Tradition, der griechischen Mentalität und dem sarkastischen Humor, dem griechischen Faible für Fatalismus und für Zwecklosigkeit. Aber nicht von der Wirtschaftskrise, die wir als griechische Filmemacher jetzt geradezu pflichtgetreu künstlerisch exportieren sollen. Das will keiner von uns.“ Chevalier spielt seine Allegorie auf ein marodes System dementsprechend zweideutig und sehr zurückhaltend durch: Von vermeintlich autarken Subjekten werden die Männer nicht zuletzt durch die gegenseitige Beurteilung zu einem Reglement unterworfenen Objekten, die sich damit nicht nur der Entsprechung von Stereotypen hingeben sondern auch in einem System manövrieren, das sie - kaum haben sie es selbst etabliert - auch schon wieder zu korrumpieren und zu unterwandern suchen. Ursprünglich in einem Haus geplant, verlegte Tsangari die Geschichte auf ein Boot, „weil es dort keine Fluchtmöglichkeiten gibt, zudem ist das Meer ein eigener Organismus, in dem man sich organisieren muss und darin stellt die Yacht ein übereingekommenes Gefängnis dar, durchaus auch ein materialistisches.“ Das Boot wird zusehends auch zum Gemeinschaftskörper und assoziativ sei sie auch an das Schreiben herangegangen: „Ich hatte zwei Ausgangsbilder im Kopf: Körper, die plötzlich im Meer auftauchen und man nicht gleich sagen kann ob es sich um Fische, Säugetiere oder Menschen handelt. Und dann das Bild von Menschen, die einander gegenseitig eine zweite Haut abziehen.“ Auch wenn Tsangari sich einer Einordnung verwehrt, gehört sie wie etwa Yorgos Lanthimos zur jungen Generation von griechischen Filmemachern zwischen Anfang 20 bis Mitte 40, die sich in ihren Arbeiten deutlich von etwa der Melancholie und dem Symbolismus eines Theo Angelopoulos absetzen und einen Aufbruch weg von den klassischen Formaten und Konventionen wagen. Dies ist nicht etwa das Ergebnis einer poli- Männer im Wettstreit. Wer ist der Beste? tisch-ökonomischen Initiative; die Filme werden unter schwierigen Bedingungen und weitgehend ohne staatliche Förderung produziert, dafür aber in enger Zusammenarbeit untereinander. Auch formal und thematisch gibt es zumindest wiederkehrende Aspekte in diesen oft geradezu fieberhaft unlogischen, bis ins Groteske gesteigerten interessanten Arbeiten: die Ver- „Mit meinen Filmen bewege ich mich stets einen Schritt weg vom Naturalismus.“ nachlässigung logischer Verkettungen und kausaler Zusammenhänge etwa; eine gar spastische Physikalität; konvulsive Sexualität; dürftige und geschädigte Beziehungen. Chevalier nimmt sich dabei ebenso soziokulturell sezierend wie Attenberg, aber politisch deutlich weitgreifender aus. Seinen ironischen Humor bezieht der Film nicht nur aus der Thematisierung männlichen Konkurrenzdenkens, sondern auch aus der Implikation, dabei über hierarchische Systeme ganz allgemein zu sprechen - und darüber, wie man ihre Schwachstellen für sich ausnützen kann, hat man einmal verstanden, wie man die Ehre, den Stolz und die Macht eines anderen peu a peu dekonstruieren kann, um es auf sich selbst zu übertragen. Die Männer versuchen in Wahrheit nichts anderes, als ihre angenommene Dominanz zu bestätigen und diese vor sich selbst so wie nach außen moralisch und ethisch zu rechtfertigen. Dabei gleicht ihr Spiel selbst eher dem modernen Evaluationswahn als einem archaischen Arenakampf. Hier werden Notizbücher gezückt, feinsäuberliche Eintragungen über heimliche Beobachtungen gemacht. Das ist kein simples, kein rein physisches Kräftemessen, es ist eine biographische Bilanzierung, die Wertung und „Ins-Aus-Wertung“ anderer Menschen. In diesem Film, der mehr darüber funktioniert, was er erzählt, denn wie er es visuell umsetzt, interessiert Tsangari sich ganz klar nicht vorrangig für das, was man sehen könnte, sondern dafür, was sie nicht zeigen muss; das offenbart sich auch im deutlichen Verweigern einer konventionellen Schnitt-Logik. „Im Übrigen glaube ich nicht, dass eine Männergruppe von einer Frauengruppe so unterschiedlich funktioniert. Dieser Film ist in Wahrheit mit einer besonderen Liebe für Männer gemacht“, so Tsangari. Geschlechter-Stereotypen kehrt sie in diesem Film doch sehr amüsant um: So lange etwas Teil eines Wettbewerbs ist, tun diese Männer offenbar alles, um sich darin zu messen und dabei zu gewinnen, sei dies auch Fensterputzen oder Geschirrabwaschen. Da muss – oder darf? – Dimitris etwa einmal die Soft-Ballade Lovin’ You von der Samt-undSeide-Sängerin Minnie Riperton zum Playback performen, während Yannis dabei Dinner-Kerzen in der Luft wiegt. Der Humor dieser Szene liegt nicht vordergründig darin, dass sich die beiden Männer hier in einen geradezu sinnbildlich weiblichen Song einfühlen, sondern darin, dass sie sich derart weit aus ihrer Komfort-Zone wagen, nur weil sie denken, das würde ihnen Bonuspunkte und sie dem Sieg näher bringen. Tatsächlich sind sie in diesem Moment überzeugt, zu allem in der Lage zu sein, und ihre Sache dann auch noch gut zu machen.Tsangari lädt hier natürlich gerade Männer ein, hinter diese Illusion zu blicken. • Athina Rachel Tsangari Chevalier (Griechenland 2015) Regie Athina Rachel Tsangari Drehbuch Efthimis Filippou, Athina Rachel Tsangari Darsteller Makis Papadimitriou, Nikos Orfanos, Sakis Rouvas, Vangelis Mourikis, Yorgos Kentros, Yiannis Drakopoulos, Yorgos Pirpassopoulos, Panos Koronis, Kostas Philippoglou Kamera Christos Karamanis Schnitt Matt Johnson, Yorgos Mavropsaridis Musik Paradox Paradise, Jan Miserre, John Gürtler, Lars Voges Ton Leandros Ntounis, Kostas Varybopiotis Produktion Faliro House, Haos Film Verleih Stadtkino Filmverleih Länge 99 Min. Format DCP / Farbe Ab 6. Mai im Stadtkino im Künstlerhaus Wir unterstützen auch das Stadtkino Wien. EB-S_Anz.Stadtkino-Ztg_260x122_RZ_29.03.16.indd 1 29.03.16 11:11 Daniel Hoesl, „WINWIN“ StadtkinoZeitung 03 Nur noch Blasen Wie bringt man Menschen dazu, sich völlig in die Hände von Schaumschlägern und Gaunern zu begeben, und das im großen Stil? Über den Markt und die Macht: Hinweise zu Daniel Hoesls „WINWIN“. KATHRIN RÖGGLA E r ist ein Alptraum, dieser Film. Für eine Farce zu grimmig, für eine Tragödie zu heldenlos, für einen Wirtschaftskrimi zu abstrakt, zu kadriert, in Farbe gebracht. Es gibt im Grunde niemanden darin, in den man sich wirklich einfühlen möchte. Am ehesten noch in den abgesägten Familienunternehmer, aber der verliert sich auffällig viel im Gebüsch, an den Seeufern, den Waldeinsamkeiten, die es ja bekanntlich gar nicht mehr gibt. Silent Hill lässt grüßen. Doch Silent Hill hatte Monster, die bedrohlich waren, amorphe Wesen mit plötzlichen Zähnen, die aus irgendwelchen Wänden kamen, hier kommen keine Wesen aus den Wänden, hier sind wir es selbst, oder wer ist das, in dessen Gesichter geblickt wird in den vielen Verhandlungsrunden des Films – wo eigentlich? Der Verhandlungsort wirkt aseptisch, ein schalltoter, ja nahezu umgebungstoter Raum, in dem nicht einmal die eigene Atmung zu hören ist und sowieso nichts von der Welt zu sehen ist, um die es ja eigentlich geht. Und das ist auch gut so, denn dann würden wir sehen, was hier verschachert wird. Vielleicht ist WINWIN von Daniel Hoesl aber auch ein Zauberwürfel, in den man keinen Einstieg findet und der auf ewig verdreht bleiben muss. In keine Symmetrien, Harmonien zu bringen, als die wir gesellschaftliche Verhältnisse gerne imaginieren. „Voran, voran“ ist sein Schlachtruf ohne Ausrufezeichen, beinahe phlegmatisch von irgendeiner Ministerin (welche war das noch? – egal!) dahergesprochen, während sich ihre störrische Kabinettschefin um sie windet, trockene Widerspruchssätzlein absondernd. Aseptische Mienen werden durch aseptische Szenarien geführt, ein Mythos, der unter den Rasenmäher gekommen ist und nun mit Stoppelrasen daherkommt oder sich unter drei Meter Plexiglas abspielt, sodass man nicht weiß, sieht man nur noch Wellen im Kunststoff oder doch menschliche Bewegungen. Er ist ein Spiegel, der auf Hochglanz bringt und Schrecken zurücklässt, jedenfalls beschreibt er eine verlassene Stelle inmitten unserer Gesellschaft, die über das Leben, die Prosperität, den gesellschaftlichen Reichtum entscheidet. Dabei kommt er ganz ohne Spleens aus, die man Investmentjunkies durchaus zuschreiben könnte, irgendwelche Vorlieben für irgendwelche Unternehmen, er bleibt bei den Leerformeln, in absolut werbesprachlich organisierten Bildern, denen man wünschte, sie könnten, wenn sie schon keine Unterschiede machen, doch wenigstens ausfasern. Im Gegenteil, während sie uns diesen Gefallen nicht tun, halten sie Gesichter starr in ihrem Mittelpunkt, Gesichter, die auf Menschen draufhocken wie eine Krankheit. Gesichter, die alles plausibel machen, auf personal effectiveness trainierte Visagen, die nur konterkariert werden durch das „Kommt er“, „Da hat er ja“, die dritte Person Singular, mit der die Ministerin um sich wirft, bevor sie die rituell durchgeführte Handtaschennummer hinter sich bringen möchte, ein Vorspiel der Habgier, die dem Diktat der ersten Person Singular fast irrtümlich eine figürliche Anmutung verpasst. Ist der Film ein Skandal? Zu sagen, dass in Österreich diese Dinge an der Tagesordnung sind, dass Konsequenzlosigkeit für die Vernichtung gesellschaftlicher Vorsorgesysteme es mit Ländern wie Luxemburg, Kolumbien und den USA verbindet, dass es eine Bananenrepublik ist ohne Bananen, wäre vielleicht das einfache Schlusswort zu WINWIN gewesen. Ausgesprochen wird es aber bereits in der Mitte, es eignet sich auch filmisch nicht mehr zur abschließenden Verurteilung des Geschehens, zu wirkungslos hat die Medienindustrie in den vergangenen Jahren auf diese Karte Würden Sie diesen Menschen Ihr Geld anvertrauen? WINWIN ist derzeit im Stadtkino im Künstlerhaus zu sehen. der Erregung gesetzt, zu sehr ist Kunst bereits einzig in Markt zu übersetzen. Das Drastische findet sich auch weniger in den Inhalten der fast wie aufgesagt wirkenden Sätze als in der Art und Weise, wie gespielt wird, wie die Bildränder sich zu der Bildmitte verhalten, wie Schauplätze sich werbeästhetisch aneinanderfügen und unsere Fantasie längst schon werden konsumiert haben. Scheinbar krass voneinander zu unterscheiden, stellen das barocke Ministerium eher einen Unort des politischen Handelns, die leere Büroetage irgendeines Donauturms eher einen Es ist immerhin die feindliche Übernahme eines ganzen Landes, einer ganzen Öffentlichkeit, einer ganzen gesellschaftlichen Situation, um die es hier geht. Ist alleine die verzweifelte Hoffnung an eine wirtschaftliche Teilhabe ausreichend? Stecken noch andere Träume drinnen? Diese hier sehen allzu blass aus, sie sind zweidimensional, supereffektiv und bestehen aus dem Gespinst des amerikanischen Spirits – das hauptsächlich die größte Lüge verkünden kann: „I am totally with you!“ Vielleicht sind es auch keine Träume, die da verkauft werden, Ist der Film ein Skandal? Zu sagen, dass in Österreich diese Dinge an der Tagesordnung sind, wäre vielleicht das einfache Schlusswort zu WINWIN gewesen. Unort der Mehrwertproduktion, die Menagerie im Naturkundemuseum eher einen Unort der Verschwörung dar. Negationsorte, durchgestrichene Tatorte. Nur noch Blasen, surfaces irgendwelcher Dienstleister des Optischen. Und am Ende bleibt das Unternehmeranwesen, in dem man nur noch einzig Bücher nach Farben sortieren kann,Tee trinkt und mit Geistern tanzt. Die Frage, die immer wieder zu stellen ist, ist eine alte, machtpolitische: Wie bringt man Menschen dazu, ihre Unternehmen, ihre öffentlichen Güter herzuschenken beziehungsweise sich völlig in die Hände von Schaumschlägern und Gaunern zu begeben, und das im großen Stil? sondern es handelt sich um einen Schuldenübernahmedeal, wie man ihn ja oft genug vorgeführt bekam. Es sind Angstschulden, die zu handlichen Paketen geschnürt werden, die allerdings die Eigenschaften haben, sich beim Auspacken unglaublich zu extrahieren. Das Kaninchen vor der Schlange wird irgendwann zum Teil der Schlange, das ist klar. Aber vielleicht ist auch alles ganz anders, vielleicht handelt es sich doch um eine Geschichte einer geniale Fälscherbande, der einzig noch möglichen Helden unserer Zeit, die uns vorführen wollen. Schließlich häufen sich die Fälschungen, beauftragt oder selbst durchgeführt, an die umso mehr vom Publikum festgehalten wird, selbst wenn sie offen- WINWIN – können alle! Sondervorstellung am 10.4. ab 19 Uhr im Stadtkino im Künstlerhaus A nschließend an den Film: Podiumsgespräch zu alten Gelderscheinungen, künstlerischen Not-Wendigkeiten, überfälligen Gemeinwohlbankgründungen und neuen Kapitaltherapien mit Daniel Hoesl (Regisseur von WINWIN), Christine Tschütscher (Vorständin Projekt Bank für Gemeinwohl), Oliver Tanzer (Autor des Bestsellers Lilith und die Dämonen des Kapitals). Moderation: Alexander Tschernek (Ö1, WINWIN-Darsteller & Experte für Geist und Geld und Gutesleben). Tickets ab sofort unter [email protected] bzw. an der Kinokassa erhältlich. sichtlich sind, weil es im Grunde auch gar nicht mehr um die Sachen selbst, ob Künstlerbilder oder Unternehmen, geht, sondern um das reine Spektakel der Glaubwürdigkeit. „Ei, solches Volk muss untergehen!“ lautet die Schlusszeile des Liedes auf der Höhe ihres Erfolgs. Ja, vielleicht sind es Revoluzzer, die uns konfrontieren und einzig daran scheitern, dass es eben keinen Skandal gibt, keine Bestrafung. Die selbst an der Konsequenzlosigkeit ihres Tuns am meisten leiden und es nicht fassen können, dass sie nach der Hausdurchsuchung nicht befragt werden. „An einem leeren Raum ist wirklich nichts auszusetzen“, ist der Kommentar des Untersuchungsleiters, der Staatsanwalt will nicht klagen, weil er seinen Beruf ernst nehme, und der Anwalt möchte auch noch auf das Ende des Kasperltheaters hinaus: „Euch gibt's ja gar net.“ Wer führt hier wen vor? Vielleicht sind es aber doch nicht unbedingt kriminelle Energien, die den Film zusammenhalten, sondern wir wohnen mehr einem religiöser Vorgang bei. Eine sakrale Übung, weniger von Samurai-Kriegern vollzogen, sondern mehr von neoapostolischen, in Pfingstzungen predigenden Eintagesgeistern, vier Wesen in gut angerührter amerikanischösterreichischer Mischung, als Fälscher unseres Verhältnis zur Welt. Oder sind es Hohepriester einer Religion, voller Markthysterie in einer sich auflösenden Gesellschaft. Priester, die längst schon angekommen sind in ihrer Zweidimensionalität, die wir noch erreichen müssen, und die ihr Squash gegen die Fenster mit dem berühmten Stadtpanorama spielen, Tennisbälle in die Fresse der Öffentlichkeit knallen, als präzise Meditation. Einzig wenn diese misslingt, etwa in einer der Einübungsszenen des Hauptgespenstes Niklas, öffnet sich ein Spalt. Auch diese Gestalten müssen noch lernen, das hätte man nicht gedacht. Das ist der einzige Moment der Hoffnung – diese Lernprozesse müssen unterbrochen werden, ruft man leichthin, sonst fährt der Karren an die Wand. Das sagt sich leicht, von Österreich aus gesehen, von Griechenland aus sieht die Sache schon ganz anders aus. Was bei uns noch als Einübung ins Spektakel sich erzählen lässt, als Inszenierung eines falschen Todes, ist dort das gestrige Spektakel der anderen und das reale eigene Elend. Insofern:Wollen wir diesen Film beschreiben? Wollen wir das? Nein, aber sicher nicht. Also:Voran, voran! • Zuerst erschienen in „Die Presse“, 26.3.2016 Nicolas Steiner: „Above and Below“ 04 StadtkinoZeitung Vom Mars. Auf die Erde. Unter die Oberfläche. „Above and Below“ ist eine raue Achterbahnfahrt mit Überlebenskünstlern in einer Welt voller Herausforderungen und Schönheit. Ein Statement des Regisseurs Nicolas Steiner. D rubär und Drunnär“ wäre wohl das Walliserdeutsche Pendant zu Above and Below. Und wenn ein Walliser diesen Ausdruck benutzt, dann haben entweder die Trauben bei der Ernte die nötigen Öchsle Grad nicht erreicht oder ein chaotisches Leben steht an. Das muss sich nicht nach außen zeigen, aber innen drin, da ist es „Drubär und Drunnär.“ Diese Befindlichkeit fand ich als Ausgangslage für meinen Diplomfilm durchaus adäquat. In Above and Below habe ich mich auf die Suche nach Helden in eher ungewohnten Lebensräumen gemacht - Zufluchtsorte und Schutzgemache. Es ging um das Oben und Unten. Um hell und dunkel. Da herrscht die Sonne und schmilzt alles unter ihr. Dort herrscht die Dunkelheit, die ein schützendes Dach bildet und Licht kommt nur spärlich vor. Licht kann töten, Schatten ebenso. Ein vorsichtiger Versuch eines Rück- und Vorausblicks, wie der Mensch existiert, atmet und sich anpasst.Vom zu erobernden All in den abgerissenen Militärbunker und schlussendlich gestrandet in den Katakomben der vom Menschen erschaffenen paradiesischen Glitzer- und Glamourhölle: Ein dreijähriger Trip, den ich mit April, David, Rick & Cindy, Lalo „der Pate“ und einem unersetzlichen Team erleben durfte: Das war für mich Above and Below. Vom Mars. Zur Erde. Unter die Oberfläche – dieses Konzept kristallisierte sich in meiner Recherche sehr bald heraus. Auf der Suche nach möglichen Protagonisten, bin ich auf drei Begriffe gestoßen, die mich bereits für eine analoge Fotoserie während meines Studienaufenthaltes in Kalifornien, beschäftigten: Cowboys, Ghosts and Aliens. Nicht direkt verbaliter, sondern in ihrer gedanklichen Übersetzung.Vermutlich aus Sicht eines Auswärtigen und Fremden, vielleicht auch als amerikanische Selbstwahrnehmung, die sich entweder in die Vergangenheit zu den Cowboys, oder die Zukunft zu den Aliens orientiert. Dazwischen hängen die Ghosts – eine denkbare Metapher für eine gewisse Orientierungslosigkeit dieses großen, faszinierenden Landes, dessen Gesellschaftsschere sich kontinuierlich weiter öffnet. Ich fühlte mich von Beginn weg angezogen und irritiert, dadurch ergab sich ein fruchtbares Spannungsfeld für diesen Film. Die Lebensweisen und Geschichten dieser Helden haben mich zutiefst fasziniert. Die Gespräche in ihren Wohnzimmern verblüfft. Der tägliche Überlebenskampf angestachelt, ihnen eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Anfangs wohl das einzige, was ich Ihnen wirklich bieten konnte. Ich kann mich identifizieren mit ihrer Suche und der Flucht, auf der sie sich befinden. Ihre Tatkraft, eine Vergangenheit zu MEG STUART / DAMAGED GOODS UNTIL OUR HEARTS STOP FR 29. APRIL + SA 30. APRIL 19.30 h in TQW / Halle G Weitere Info — www.tqw.at TQW-ViennaleMag-StuartGoods-134x212.indd 1 »E ein in Abe Rhy n d, der thmus , Zus die cha m ue hin itreißt r ein zieh , ( De utsc t« hlan d radi o) (c) Iris Janke Österreichische Erstaufführung / Ab 18 Jahren 30.03.16 11:05 Grenzen ausloten und überschreiten. meistern, die sie womöglich in ihre Situation getrieben hat. Ich war neugierig auf das Wissen und Erleben, dass sie mir voraus hatten. Dieser Film stellte für mich auf allen Ebenen den richtigen Abschlussfilm dar, weil ich darin eine große Herausforderung und einen Reifeprozess erkennen konnte. Die positiven Erinnerungen der Dreharbeiten ließen mich vor allem in der zähen Postproduktionsphase weiterhin ans Projekt glauben. Die Emotionen waren immer da. Wenn du 2,5 Monate praktisch ohne Unterbruch drehst, die Außentemperaturen innerhalb weniger Tage von brütender Hitze in einen Kälteschock Blizzard purzeln, du im low-budget Bereich arbeitest und gleichzeitig eigentlich noch Weihnachten ist, dann musst du schon sehr, sehr gute Freunde und besessene, leidenschaftliche sowie kreative Filmhandwerker um dich herum haben, die das mittragen. Mit meinen besten Kumpels auf einer verlassenen Goldmine zu stehen, bepackt wie Gebirgssherpas und völlig erschöpft, aber begeistert über die weite Wüste Kaliforniens zu blicken und dabei zu erkennen, wie privilegiert man sich schätzen muss, so was überhaupt zu tun, hat uns alle gestärkt und noch mehr zusammengeschweißt. Die Erfahrungen in der stockdunklen Welt unter der Welt haben unsere Sinne geschärft. Das Gefühl nie zu wissen, was oder wer auf einen zukommt prägte sich bis in unseren Schlaf ein. An jedem Ort, mit jedem Protagonisten, gerate ich noch heute ins Schwärmen, wenn ich über die Dreharbeiten nachdenke. Eine nachhaltige Lebensschule. Obwohl ich in der I-Phone und Stream Generation lebe und aufwuchs, sehe ich die Stärken dieses Projekts in einem Glauben an das gute alte Kinoerlebnis. Ich habe versucht, weder einen belehrenden Endzeit-Dokumentarfilm-Thriller, noch eine sozialkritische Dokumentarfilmstudie über Obdachlose in den USA zu machen. Da wollte ich nicht hin.Trotz aller Tragik halte ich am lebensbejahenden In- halt und guten Antrieb des Menschen fest. Ich habe alle meine künstlerischen Freiheiten eines Abschlussfilms genutzt, mich auszutoben und auch das Risiko einzugehen, zu scheitern. Ich habe versucht, meine DNS als Filmemacher zu verfeinern. Glücklicherweise überwiegen am Ende eines langen Prozesses die Freude und der Vorausblick. Auseinandersetzungen, Tränen, unzählige Nachtschichten und lange Durststrecken gehörten dazu und spiegeln sich in der Achterbahn, die immer einen Platz im Film gefunden hat. Ich glaube, jeder von uns kann von sich behaupten, dass wir das Letzte rausgekitzelt haben für unsere Vision dieses Films. Wir haben Grenzen ausgelotet und sie mehrmals überschritten. Ich bin allen dankbar, die an diesem Projekt mitwirkten, die den Film zeigen wollen und ihn weitervermitteln. Wir bleiben Abenteurer und das soll auch dieser Film sein. Ein Tête-à-tête von Oben nach Unten mit Blick nach Vorne. • Nicolas Steiner Above and Below (Deutschland, Schweiz, USA 2015) Regie und Drehbuch Nicolas Steiner Darsteller Edward "Lalo the Godfather" Cardenas, Cynthia "Cindy" Goodwin, Richard "Rick" F. Ethredge, April Davis u.a. Kamera Markus Nestroy Schnitt Kaya Inan Musik Paradox Paradise, Jan Miserre, John Gürtler, Lars Voges Ton Bertin Molz, Tobias Koch Produktion maximage GmbH Verleih abc Films Länge 118 Min. Format DCP / Farbe Ab 15. April im Stadtkino im Künstlerhaus Impressum Telefonische Reservierungen von Mo. bis Do. 8.30-17 Uhr, Fr. 8.30-14 Uhr unter 522 48 14 – während der Kassaöffnungszeiten: Stadtkino im Künstlerhaus Akademiestraße 13, 1010 Wien, Tel. 712 62 76 / Filmhaus Kino am Spittelberg Spittelberggasse 3, 1070 Tel. 522 48 16. Online www.stadtkinowien.at Herausgeber, Medieninhaber Stadtkino Filmverleih und Kinobetriebsgesellschaft m.b.H., Spittelberggasse 3/3, 1070 Wien Graphisches Konzept Markus Raffetseder Redaktion Claus Philipp, Florian Widegger Druck Druck Styria GmbH & Co KG, Styriastraße 20, 8042 Graz Offenlegung gemäß Mediengesetz 1. Jänner 1982 Nach § 25 (2) Stadtkino Filmverleih und Kinobetriebsgesellschaft m.b.H. Unternehmungsgegenstand Kino, Verleih, Videothek Nach § 25 (4) Vermittlung von Informationen auf dem Sektor Film und Kino-Kultur. Ankündigung von Veranstaltungen des Stadtkinos. Preis pro Nummer 7 Cent / Zulassungsnummer GZ 02Z031555 Verlagspostamt 1150 Wien / P.b.b. StadtkinoZeitung Mirlan Abdykalykov, „Nomaden des Himmels“ 05 Fortschritt und Tradition Ein neuer Film lädt ein zum Träumen und Staunen in der malerischen Berglandschaft Kirgisiens. Neue Zeiten brechen an. E s gibt immer noch Orte auf dieser Welt, wo die Menschen in Harmonie mit Natur und Naturmythologien leben. Eine Nomadenfamilie lebt zurückgezogen mit ihren Pferden in der berauschenden, von Bergschluchten geprägten Landschaft Kirgistans: ein alter Hirte und seine Frau, ihre Schwiegertochter Shaiyr und ihre kleine Enkelin Umsunai. Shaiyrs Ehemann ist vor vielen Jahren in einem Fluss ertrunken. Umsunai vermisst ihren Papa und glaubt fest daran, dass er – wie es in einer der schönsten Legenden der Nomaden erzählt wird – in einen Steinkauz verwandelt wurde, der seine Kreise über den Gipfeln zieht. Shaiyr entschied sich, bei der Familie ihres Mannes zu bleiben, denn sie liebt das wunderschöne Land. Doch dann taucht der Meteorologe Ermek auf, der seine Mess-Station direkt neben Shaiyrs Zuhause aufbaut. Die beiden verlieben sich und das alte Hirtenpaar ahnt, dass Shaiyr mit dem Gedanken spielt, ein neues Leben in der Stadt zu beginnen. Als Shaiyrs Sohn, der in der Stadt studiert, die Familie in der Bergschlucht besucht, bestürmt er die Nomaden mit Geschichten aus dem modernen Leben. Und schließlich tauchen in der Nähe die ersten Baumaschinen auf, die ein anderes Zeitalter ankündigen. Erzählt im sanften Rhythmus des Nomadenlebens, nimmt uns Regisseur Mirlan Abdykalykov mit auf eine Zeitreise in das so leicht verwundbare Herz einer Familie. In weit ausgreifenden Bildern von großer Sinnlichkeit verwebt der Film eine Welt der gelebten Traditionen mit dem leisen Anbruch einer neuen Zeit. Abdykalykov kommt selbst aus einer kirgisischen Kino-Fami- Traditionen bewahren und im Wandel der Zeiten weitergeben. lie – sein Vater Aktan Arym Kubat zählt zu den bekanntesten Regisseuren des Landes (und hat das Stadtkino-Publikum bereits 2011 mit seinem Film Svet-Ake: Der Dieb des Lichts verzaubert). Bevor Abdykalykov, der selbst in einem Dorf aufgewachsen und eigentlich eine Karriere als Journalist anstrebte, zum ersten Mal für seinen Kurzfilm 2010 hinter die Kamera trat, war er in den Filmen seines Vaters als Schauspieler zu sehen: „Da meine Eltern ständig arbeiteten, wurde ich in meiner Kindheit von meinen Großeltern aufgezogen. Als Hüter von Traditionen und Bräuchen gaben sie an mich ihr Wissen, ihre Erfahrung und zuallererst das Bewusstsein weiter, wie wichtig es ist, Traditionen zu bewahren und im Wandel der Zeiten weiterzugeben. Kirgistan ist ein kleines Land und in Zeiten der Globalisierung besteht die Gefahr, dass es verschwinden könnte, wenn wir nicht sein einzigartiges Gesicht erhalten: unsere Kultur, Sprache und Identität. Ich möchte in meinem Film von dem Konflikt zwischen der modernen Welt und den langsam Stadt für junge Menschen mit sich bringt, wird selbst dem alten Tabyldy bewusst: Die Zeiten haben sich geändert – für nachfolgende Generationen ist das harte Nomadenleben nicht mehr attraktiv genug. Dass die Veränderung nicht zu stoppen ist, zeigt sich auch durch die geplante Eisenbahn, mit der das Gebiet nun erschlossen werden sollte. Und wie im klassischen amerikanischen Western stellt man sich unweigerlich die Frage, welchen Preis die Bewohner für den ach so unvermeidbaren Fortschritt an der untamed frontier bezahlen müssen … Nomaden des Himmels wurde 2015 von Kirgistan als Beitrag für den Auslands-Oscar eingereicht. • Mirlan Abdykalykov Nomaden des Himmels (Kirgisien 2015) Langsam hält die Moderne Einzug in der unberührten Natur. schwindenden Traditionen erzählen und von der dringenden Notwendigkeit, sie zu erhalten. Ich möchte von der Reinheit der menschlichen Beziehungen, der Liebe und der Familienformen erzählen, wenn die Traditionen an erster Stelle gesetzt werden.“ Dabei stoßen Tradition und Fortschritt in Abdykalykovs Film beinahe zärtlich aneinander, als die selige Ruhe der Nomadenfamilie mit dem Auftauchen des Meteorologen aus dem Rhythmus gebracht wird.Was es bedeutet, eine Kultur davor zu bewahren, derVergessenheit anheim zu fallen, ist eines der Hauptthemen von Nomaden des Himmels. Die Familie und insbesondere ihr Umgang miteinander ist es, was ihn auszeichnet. Tabyldy Aktanov als Großvater steht ihr nicht nur vor, er ist es auch, der sie zusammenhält – und dem Regisseur deshalb ganz besonders am Herzen liegt. Er hat ein feines Gespür für gewisse Stimmungen in der Familie und dafür, was die einzelnen Familienmitglieder beschäftigt.Wenn etwa die Enkelin wieder einmal Trauer über ihren verlorenen Vater überkommt, erzählt er ihr die Sage (mündliche Weitergabe als älteste Kulturtechnik) von einem Jäger, der bei seinem Tod in einen Adler verwandelt wurde. Nun hält Umsunai einen immer wieder durch das Tal ziehender Vogel für ihren Vater … Obwohl sie sich von ihrer Schwiegermutter nicht alles gefallen lässt, so ist Shaiyr meistens ruhig und entspricht hier dem Rollenbild als Schwiegertochter. Streit und Versöhnung wechseln sich im Film ständig ab und auch wenn der Erzählstil so einfach ist wie manche der Sätze, die die exemplarisch agierenden Charaktere von sich geben, so offenbart der Film keine einfachen oder gar gefälligen Lösungen, sondern geht in die Tiefe. Formal ist Nomaden des Himmels ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes friedlich: Zu entspannenden Flötenklängen empfängt er seine Zuschauer zu Beginn, nimmt sie in ruhigen Einstellungen mit in die atemberaubenden Berglandschaften in der Nähe des im Tianshan-Gebirge gelegenen Yssykköl-Sees, des zweitgrößten Gebirgssees der Erde. Es wäre allerdings ungerecht, den Film als reines Naturspektakel abzutun, als Entschleunigungs-Kino für uns gestresste Zivilisationsopfer. Dazu sind Abdykalykovs Figuren dann doch – bei aller Abgeschiedenheit und aller Vergangenheitspflege – Menschen, die im Hier und Jetzt leben. Als Shaiyrs Sohn eines Tages zu seiner Familie zurückkehrt und von den angenehmen Seiten berichtet, die das Leben in der großen Regie und Drehbuch Mirlan Abdykalykov Darsteller Taalaikan Abazova, Tabyldy Aktanov, Jibek Baktybekova, Jenish Kangeldiev, Anar Nazarkulova, Myrza Subanbekov Kamera Talant Akynbekov Schnitt Murat Ajiev, Eldiar Madakim Produktion Aitysh Film Verleih Stadtkino Filmverleih Länge 81 Min. Format DCP / Farbe Ab 22. April im Stadtkino im Künstlerhaus 50 STUNDEN AM STÜCK, 4.000 KM DURCH EUROPA. IN EINEM ALTEN GRÜNEN MERCEDES-SPRINTER, DER 1,2 MIO. KILOMETER AUF DER UHR HAT. Juan Moreno dérive N°63: Korridore der Mobilität – Knoten, Akteure, Netzwerke, S. 36 Jetz t be stel Einz elhe len! ft € Jahr es-A 8 bo (4 H efte) € 24 ww w.de rive. at CinéClub Lycée Francais Am 11. Mai um 19 Uhr im Filmhaus Kino am Spittelberg Diesmal zeigen wir Christian Petzolds vielfach ausgezeichneten letzten Kino-Spielfilm Phoenix in deutscher Originalfassung mit englischen Untertiteln. Flankiert wird die Vorstellung von weiteren Kurzfilmen, die die Mitglieder des CinéClub Lycée Francais in den letzten Monaten gedreht haben. Darunter: Under your skin von Cordula Rieger über eine Emotion, die mit gezwungenem Lächeln überspielt wird. Tickets sind ab sofort reservierbar. Zeitschrift für Stadtforschung www.derive.at 06 Ausblick: Österreichische Filme im Stadtkino StadtkinoZeitung Österreichische Filme – 2016 noch im Stadtkino Nach einem fulminanten wie vielseitigem Auftakt ins Jahr mit Daniel Hoesls bitterböser Satire „WINWIN“ oder Angela Summereders vielschichtigem und geheimnisvollen Doku-Spielfilm „Aus dem Nichts“ ist es jetzt an der Zeit, einen Blick nach Vorne zu wagen: Was bringt uns das Jahr 2016 noch an hochkarätigen österreichischen Filmen ins Programm des Stadtkinos? F ilmemacher Sigmund Steiner – selbst Bauernsohn – portraitiert in seinem essayistischen Dokumentarfilm Holz Erde Fleisch drei Bauern bei der Arbeit im Wald, auf dem Feld und auf der Alm. Eine Frage bestimmt alles: werden ihre Kinder eines Tages ihren Besitz übernehmen oder stirbt der Bauernberuf mit ihnen aus? Und wieso haben sie sich einst entschieden, die Arbeit ihrer Väter fortzuführen? Obwohl keiner dieser drei Männer Sigmund Steiners Vater ist, gestaltet sich Holz Erde Fleisch als sensible Auseinandersetzung des Filmemachers mit der eigenen Vater-Sohn-Geschichte. Die Problematik des Bauernsterbens wird oft als politische oder infrastrukturelle Angelegenheit verhandelt, aber in Generationenfragen geht es immer auch um persönliche Freiheit und Emanzipation. Im bäuerlichen Leben ist die Weitergabe des Familienbetriebs mit vielen Erwartungen und Loyalitätskonflikten verbunden. In die Fußstapfen der Eltern zu treten, kann beides bedeuten: die Sicherheit, den eigenen Platz im Lauf der Dinge zu kennen einerseits und die Verantwortung, die mit der Einschränkung der eigenen Bedürfnisse einhergeht andererseits. (…) Für mich behandelt Holz Erde Fleisch am Beispiel der Bauern ein größeres Thema: wie können wir mit den Erwartungen unserer Eltern umgehen und wie werden wir mit unseren eigenen Kindern verfahren? Und vielleicht ist es ein Film speziell Männer betreffend, die sich die Frage stellen, welche Väter sie sein oder werden wollen. Regiestatement HOLZ ERDE FLEISCH (Regie: Sigmund Steiner, Kinostart: 3. Juni 2016) Bester Dokumentarfilm, Diagonale – Festival des österreichischen Films 2016 Zum Auftakt einer Reihe, in der wir monatlich neue österreichische Filme vor ihrem Kinostart (oder solche, die noch keinen Kinostart haben) im Stadtkino im Künstlerhaus präsentieren, zeigen wir am Mittwoch, 6. April um 19.30 Holz Erde Fleisch als Wien-Preview. Tickets sind an der Kinokassa bzw. unter [email protected] erhältlich. • K ati ist 15 Jahre alt und leidet unter Asthma. Zusammen mit ihrer kleinen Schwester verbringt sie viel Zeit bei ihrer Großmutter auf dem Land. Die Natur und die saubere Luft tun ihrer Lunge gut. Aber etwas Unheimliches, Unausgesprochenes umgibt diesen Ort.Visionen plagen das Mädchen. Die Großmutter hat das Gefühl, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Es könnte der letzte gemeinsame Sommer mit ihren Enkelinnen sein. Sie möchte sich langsam von ihnen verabschieden. Aber gibt es überhaupt so etwas wie einen guten, sanften Tod? Filmfest Hamburg Es ist der Körper, den man ertasten, den man spüren, mit dem man fühlen kann und der die Grenze ist, der Schutz, für alles, was innen liegt und unbe„greif“lich bleibt. Der menschliche wie der tierische Körper als physische Behausung, der etwas innewohnt und die oft sichtbar zeigt, worüber man nicht zu sprechen vermag – das ist ein durchgängiges Motiv, das sich durch das kurze OEuvre von Peter Brunner zieht. Was den Menschen menschlich macht, ist auch eine der Fragen, die Brunner in Jeder der fällt hat Flügel (in dem er u. a. den Tod seiner demenzkranken Großmutter verarbeitet) stellt. Eine sensuelle, haptische, lyrische, gar fantastische Annäherung an das Wesen von Liebe, Angst und Urvertrauen. Diagonale-Katalogtext, Alexandra Zawia JEDER DER FÄLLT HAT FLÜGEL (Regie: Peter Brunner, Kinostart: voraussichtlich September 2016) Wir präsentieren den Film als Wien-Preview am Mittwoch, 4. Mai um 19.30 Uhr im Stadtkino im Künstlerhaus.Tickets sind auch für diese Veranstaltung ab sofort reservierbar. • A Foto: © Ulrich Seidl Filmproduktion frika. In den Weiten der Wildnis, dort, wo es Buschböcke, Impalas, Zebras, Gnus und anderes Getier zu Tausenden gibt, machen sie Urlaub. Deutsche und österreichische Jagdtouristen fahren durch den Busch, sie liegen auf der Lauer, sie gehen auf die Pirsch. Dann schießen sie, weinen vor Aufregung und posieren vor ihren erlegten Tieren. Ein Urlaubsfilm über das Töten, ein Film über die menschliche Natur. • SAFARI (Regie: Ulrich Seidl, Kinostart voraussichtlich September 2016) Ausblick: Österreichische Filme im Stadtkino StadtkinoZeitung 07 D as Abbild des Menschen als Mosaik in einer Art Tempel – das erste Bild von Homo Sapiens zeigt den historisch nicht einzuordnendenVersuch, ein zeitloses Portrait der Nachwelt zu hinterlassen. Aber der ‚Tempel‘ ist verlassen und die Natur nimmt Raum. In keinem weiteren Bild von Homo Sapiens wird es noch Ab-Bilder von Menschen geben. Ihre Spuren werden dadurch umso deutlicher sichtbar. In einer Montage von präzise komponierten, unbewegten Einstellungen erforscht der Film die Räume, die der Homo Sapiens für sich und seine Lebensweise entwickelt hat:Von der Fortbewegung zum Wohnen, vom Gesundheitssystem zur Erziehung, von der Kommunikation zur Unterhaltung, von der Religion zur Bestattung der Toten. Plätze auf der Erde, die wir heute schon wieder verlassen, aufgegeben oder vergessen haben. Kleine, intime Räume wie Wohnungen oder Häuser ebenso wie riesige Industriekomplexe oder Orte des öffentlichen Lebens, in unterschiedlichen Stadien schon wieder von der Natur zurückerobert. Oft bewegt der Wind die Blätter von Pflanzen oder Teile von sich auflösenden Gebäuden. Bisweilen regnet oder schneit es, was im Inneren eines Gebäudes eine völlig neue Wirkung zeitigt.Viele dieser Orte sind auch von Tieren, meist Vögeln, bewohnt. HOMO SAPIENS (Regie: Nikolaus Geyrhalter, Kinostart: Herbst 2016) Der neue Film von Nikolaus Geyrhalter begeisterte auf der Berlinale im Februar Zuschauer und Kritiker gleichermaßen. Er zeichnet in einer leeren, von der Natur zurückeroberten, aber doch einst von Menschen gemachten Welt ein unbehagliches Szenario: er ist sowohl Science-Fiction als auch Dokument, zugleich Postapokalypse und Gegenwart - „der Angriff der Gegenwart auf das Ende der Zeit.“ (Profil) • U DIE GETRÄUMTEN (Regie: Ruth Beckermann, Kinostart voraussichtlich Dezember 2016) Bester Spielfilm & Bester Schnitt, Diagonale – Festival des österreichischen Films 2016 m Liebe und Hass, um richtige und falsche Worte, geht es in dem Film Die Geträumten. Die dramatische, rauschhafte, aber auch unendlich traurige Liebesgeschichte zwischen Bachmann und Celan beginnt 1948, als sie 22 und er 27 Jahre alt ist, und sie endet mit dem Suizid Celans 1971 in Paris. Für Ingeborg Bachmann ist es die große Liebe ihres Lebens, und doch hört sie nie auf, in ihm den Fremden zu sehen und ein bisschen wohl auch zu fürchten: einen Juden aus Czernowitz, dessen Eltern im Holocaust umgekommen sind, während sie selbst nichts dergleichen erlebt hat. Sie liebt ihn und stößt an Grenzen, an ihre eigenen und an seine. Es geht nicht immer nett zu in diesen packenden Briefen. In einem Moment des Zweifels fragt sie: „Sind wir nur die Geträumten?“ Zwei junge Schauspieler, Anja Plaschg und Laurence Rupp, treffen sich in einem Filmstudio, um daraus zu lesen. Die dramatisch schwankenden Gefühle der Briefe – zwischen Rausch und Verlustangst, Entzücken und Erschrecken, Nähe und Fremdheit – gehen auf die Schauspieler über. Aber sie amüsieren sich auch, streiten, rauchen, reden über Tattoos und Musik. Ob die Liebe damals oder die Liebe heute, ob Inszenierung oder Dokumentation: Wo die Ebenen verschwimmen, schlägt das Herz des Films. Der ORF nannte den Film „ein eindrückliches Kammerspiel“, die Süddeutsche Zeitung lobte bereits anlässlich der Berlinale-Uraufführung die „hervorragenden Schauspieler“ und „konzentrierte Bildsprache.“ Am Schönsten hat es jedoch Rainer Kienböck auf dem Blog Jugend ohne Film formuliert: „Selten hat mich ein Film so bewegt wie diese Lesestunde, die mit einfachsten Mitteln maximale Wirkung erzielt. Mit Die Geträumten hat Beckermann brennende, poetische Energie auf die Leinwand gebracht.“ • Thomas Arzt Totes Gebirge EDITION FILMMUSEUM 98 APICHATPONG WEERASETHAKUL Regie Stephanie Mohr Maria Köstlinger, Susa Meyer, Stefan Gorski, Ulrich Reinthaller, Roman Schmelzer, Peter Scholz Mit MYSTERIOUS OBJECT AT NOON »Fabelhafte Inszenierung. Tolle Lieder.« (Österreich) »Stephanie Mohr inszeniert das geheimnisvolle neue Stück von Thomas Arzt im Theater in der Josefstadt mit hoher Energie und einem fein abgestimmten Ensemble.« Mit dieser Edition liegt zum ersten Mal die vom Filmmuseum und der Film Foundation aufwändig restaurierte Fassung von Apichatpong Weerasethakuls genreübergreifendem Langfilmdebüt Mysterious Object at Noon (2000) auf DVD vor. Zum Bonusmaterial gehören drei vom Regisseur persönlich ausgewählte Kurzfilme – thirdworld (1997), Worldly Desires (2005) und Monsoon (2011) – sowie exklusiv auf dieser DVD die 2009 erschienene und inzwischen vergriffene Buchpublikation Apichatpong Weerasethakul von Filmmuseum und Synema als PDF im ROM-Bereich. (Die Presse) UFF URA „… a film unlike any other …“ Elvis Mitchell, New York Times ÜHR UNG Laufzeit: 85 Minuten (+63 Minuten Bonusmaterial), deutsche und englische Untertitel All Regions, 16:9/4:3 PAL DVD-Rom-Bereich mit 256-seitigem Buch als PDF (in englischer Sprache) 20-seitiges Booklet mit einem Text über Mysterious Object at Noon von James Quandt (erstmals in deutscher Übersetzung) sowie Informationen zur Restaurierung PREIS: €19,90 - ERHÄLTLICH IM FILMMUSEUM, STADTKINO IM KÜNSTLERHAUS, FILMHAUS KINO AM SPITTELBERG UND AUF WWW.FILMMUSEUM.AT ODER WWW.EDITION-FILMMUSEUM.COM Trailer zu sehen auf www.josefstadt.org Karten und Info unter: T +43 1 42700-300 INSERAT_Totes_Gebirge_fin.indd 1 01.02.16 11:31 AB 3. JUNI IM KINO
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