Märkische Oderzeitung (29.05.2015)

MOZ
Spree Journal
Freitag, 29. Mai 2015
11
Frage des Tages
Guten
Morgen!
Was ist
eigentlich
Crowdfunding?
Wissen Sie, wie man eine
stur geradeaus starrende
Fahrstuhl-Gesellschaft in einem unpersönlichen Bürohochhaus für einen Moment
zum Schmunzeln und damit
aus dem Tritt bringt? Einfach
beim nächsten Halt mit gutgelaunter Stimme die Etage
ansagen: „Dritter Stock:
Miederwaren, Spielzeug.“
Wer die Fahrstuhlführer in
den großen Warenhäusern
nicht mehr selbst erlebt hat,
kennt sie vielleicht noch
aus alten Spielfilmen. Die
Ansagen waren jedenfalls
netter als das digitalisierte
Geschepper, das einem in
vielen öffentlichen, natürlich
unbemannten Aufzügen entgegenbellt. AndreAs Wetzel
IT-Journalist,
Buchautor
und Blogger
AnsgAr
WArner
Erst die Milchtankstelle
in Buchholz, jetzt die Grabungen auf dem Fürstenwalder Galgenberg: Wer für
ein Projekt Geld braucht,
sucht immer öfter Investoren im Internet. Über das
sogenannte Crowdfunding
sprach AndreAs Wetzel mit
Ansgar Warner, Autor des
Buchs „Krautfunding“ und
Blogger (krautfunding.net).
Denk-Anstoß
Ein bisschen Freundschaft
ist mir mehr wert als die
Bewunderung der ganzen
Welt.
(Otto von Bismarck,
deutscher Politiker,
1815–1898)
Ausgestellt
Der Rummel
kann losgehen
Alles klar: Britt und Rocco Franzelias putzen nach achtstündigem Aufbau die zehn Gondeln des Riesenrads. Das 18 Meter hohe Fahrgeschäft in der Fürstenwalder Mühlenstraße ist
eine der Attraktionen beim Stadtfest. Heute, ab 14 Uhr, öffnet der Rummel rund um den Dom und das Alte Rathaus.
Weiterhin lädt die AWO an der Kulturfabrik zu einem Seniorennachmittag mit buntem Unterhaltungsprogramm ein. Höhepunkt des Abends wird die Party auf dem Markt mit dem
krönenden Abschluss der Rockband SIX, die ab 22 Uhr für
Stimmung sorgt.
Foto: MOZ/Bettina Winkler
Die Gehenkten vom Galgenberg
Archäologin begibt sich mit Studenten auf Spurensuche / Ausgrabungen sollen Ende August beginnen
Von Sonja jenning
Acryl: Der „Apollo Tempel
Neuruppin“ ist eine von
45 Arbeiten der Ausstellung
„Brandenburger
Ansichten“. Ex-Landesbauminister
Hartmut Meyer zeigt seine
Werke bis zum 2. Juli in der
Alten Dampfbäckerei in
Seelow.Foto: MOZ/Doris Steinkraus
Die Alte Dampfbäckerei befindet sich
in der Kirchstraße 1 in Seelow. Sie ist
montags bis donnerstags von 8 bis
16 Uhr sowie nach Vereinbarung
geöffnet. Telefon 03346 8002.
Tour de MOZ
www.tourdemoz.de
unterstützt
von
Freunde der Tour de MOZ
können am Wochenende
gleich zweimal auf ihren
Rädern die Region erkunden.
Am Sonnabend geht es ab
10 Uhr vom Marktplatz Wriezen durch das Oderbruch:
über Zollbrücke, Güstebieser
Loose und Vevais zurück zum
Deichtag nach Wriezen. Tags
darauf steht die Tour de Natur im Nationalpark Unteres
Odertal auf dem Programm,
der seinen 20. Geburtstag
feiert. Treff zur Anmeldung
ist ab 9.30 Uhr das Oder-Center in Schwedt.
Fürstenwalde (MOZ) Im Spätsommer sollen auf dem Fürstenwalder Galgenberg archäologische Forschungsgrabungen
beginnen. Ziel ist die wissenschaftliche Untersuchung des
Richtplatzes. Bei der Finanzierung geht Projektleiterin Marita Genesis neue Wege und
wirbt im Internet um Spenden.
„Hier wurde die Mörderin zuerst
mit glühenden Zangen angegriffen und zerrissen, und dann mit
dem Schwerte vom Leben zum
Tode gebracht. Ihr Körper wurde
aufs Rad geflochten, der Kopf auf
eine Stange gesteckt (..)“ – mit
diesen Worten beschreibt Georg
Friedrich Gottlob Goltz 1837 in
seiner Chronik die Vollstreckung
des Todesurteils gegen die Raubmörderin Margarethe Lumpe auf
dem Fürstenwalder Galgenberg
am 23. November 1725. „Diese
Hinrichtung war die letzte, die
es laut Überlieferung in Fürstenwalde gegeben hat“, sagt Museumsleiter Guido Strohfeldt.
Beschreibungen wie diese haben das Interesse der Archäologin und Historikerin Marita Genesis geweckt. Die Dozentin an
der Frankfurter Europa-Universität Viadrina beschäftigt sich
Stadtansicht: Die Lithographie stammt aus einem Buch von Johann Christoph Beckmann von 1706.
Links, außerhalb der Stadtmauer, ist die Richtstätte auf einem Hügel zu sehen. Foto: Museum Fürstenwalde
seit sieben Jahren mit Ausgrabungen an mittelalterlichen und
neuzeitlichen Richtstätten. „Ich
erforsche die Anwendung der Todesstrafe, den Umgang mit den
Hingerichteten und die differenzierte Bauweise von Galgen und
Schafott“, berichtet die Expertin. Im vergangenen Jahr grub
sie, unterstützt von ihren Studenten, auf dem Galgenhügel von
Bad Belzig im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Mit Erfolg: Die
gefundenen Skelette erweiterten
das Wissen um die Ausführung
der Todesstrafe, ihre Fundlage erlaubte es, Vermutungen darüber
Schuss in der Bergstraße
23-Jähriger verletzt / Hintergründe noch unklar
Fürstenwalde (MOZ) Mehrere
Polizeifahrzeuge und Beamte mit
Schutzweste prägten am Donnerstagnachmittag für Stunden das Bild in der Fürstenwalder Bergstraße. In den sozialen
Medien stapelten sich die Vermutungen, was passiert ist.
Wie von der Polizeiinspektion
in der August-Bebel-Straße zu
erfahren war, habe ein 23-jäh-
riger Fürstenwalder angegeben,
er sei, am Fenster stehend, von
einem Luftgewehrschuss getroffen worden. An seinem Hals sei
ein Kratzer zu sehen gewesen.
Weitere Auskünfte über mögliche Hintergründe waren vor
Redaktionsschluss nicht zu erhalten, da die Ermittlungen und
Befragungen möglicher Zeugen
vor Ort noch liefen.
13. Fachtag
Autismus
Fürstenwalde (MOZ) 120 Experten und Eltern von Menschen mit autistischen Störungen treffen sich am 6. Juni
in den Fürstenwalder Samariteranstalten zum 13. Fachtag
Autismus. Zeitgleich wird im
Haus „Joseph“ eine Ausstellung mit Bildern aus einem
Kunstprojekt des Vereins Autismus eröffnet.
Aufregung: Mehrere Polizeifahrzeuge am Donnerstagnachmittag in
der Fürstenwalder Bergstraße
Foto: MOZ/Andreas Wetzel
anzustellen, wie mit den Körpern
der Hingerichteten umgegangen
wurde. „So war es wohl auch in
Belzig üblich, die Verurteilten am
Galgen lange Zeit hängen zu lassen oder aber auf dem Rad Wind
und Wetter und damit der völligen Verwesung zu überlassen“,
sagt Marita Genesis.
Ein weiteres Referenzprojekt
für Richtstätten im Land Brandenburg soll der Galgenberg in
Fürstenwalde werden. „Die Voraussetzungen sind traumhaft“,
schwärmt Marita Genesis. Überlieferungen deuten daraufhin,
dass es sich um eine über län-
gere Zeit genutzte Hinrichtungsstätte handelt. Laut Guido Strohfeldt werden in den historischen
Quellen noch zwei weitere Hinrichtungen erwähnt: Die Verbrennung Dorothea von Reppens
als Hexe im Jahre 1566 und die
des Juden Davids in den 1340er Jahren, als die Pest nach Mitteleuropa kam. Bürgermeister Jacob Lotichius erwähnt in seinen
Aufzeichnungen den Bau eines
„neuen Halsgerichtes“ im Oktober 1677. Zudem gibt es Pläne
und Zeichnungen aus dem 17.
und 18. Jahrhundert, auf denen
der Galgenberg und die Hinrich-
tungsanlage zu sehen sind. „Wir
haben eine klare Vorstellung von
der Richtstätte. Es handelt sich
um einen dreischläfrigen Galgen,
dessen Säulen ohne Unterbau
im Boden verankert waren“, sagt
Marita Genesis. Sie geht davon
aus, dass auf dem bis heute unbebauten Gelände Überreste der
Anlage, aber auch Skelette gefunden werden. Zu ihrem Projekt gehört auch die anthropologische
Untersuchung von Knochenfunden, da Spuren von Gewalt Hinweise auf die jeweilige Todesstrafe geben können.
Die Kosten für Ausgrabung
und Auswertung werden auf
14 200 Euro geschätzt. Für die
Finanzierung geht die Archäologin mit dem Crowdfunding neue
Wege: Sie beschreibt ihr Projekt
im Internet und bittet um Spenden. „Es ist eine andere Form
der Wissenschaftsfinanzierung“,
gibt sie zu, doch das Interesse sei
überwältigend. „Dass die Hingerichteten noch immer im Boden ruhen, ist etwas Besonderes. Es berührt die Menschen,
weil es zeigt, dass Geschichte
sich vor unserer Haustür abgespielt und einen direkten Bezug
zu uns hat“, sagt Marita Genesis.
Weitere Informationen unter
www.sciencestarter.de.
Herr Warner, Was heißt
Crowdfunding überhaupt?
Crowdfunding vermischt
klassisches „Fundraising“
– also das Einwerben von
Spenden oder Investitionen
– mit dem Potenzial des Internets, große Massen von
Menschen zu vernetzen,
Stichwort: Social Media.
Für welche Projekte eignet
sich Crowdfunding?
Das geht mittlerweile weit
über das „Spendensammeln“
hinaus – immer öfter wird
Crowdfunding zur Vorabvermarktung von neuen Produkten genutzt, etwa im Bereich
Musik, Software, Spiele,
Comics etc.
Wer sein Geld hier anlegt –
welche Gegenleistung kann
er erwarten?
Meist gibt’s für den Spender ein kleines Dankeschön, eine Postkarte, ein
T-Shirt oder eine Kaffeetasse,
vielleicht auch ein CandleLight-Dinner mit den Organisatoren. Das wird nach
Spendenhöhe gestaffelt.
Wie wichtig ist die Präsentation des Projektes?
Sie ist der Dreh- und Angelpunkt von CrowdfundingProjekten – um potenzielle
Spender zu überzeugen,
muss man das eigene Anliegen so authentisch wie möglich rüberbringen. So gehört
ein kurzes, selbstgedrehtes
Pitch-Video unbedingt dazu.
Wer prüft die Seriosität eines ausgelobten Projektes?
Crowdfunding hat natürlich viel mit Vertrauen zu
tun. Bei den großen deutschen Crowdfunding-Plattformen wie etwa Startnext
und Visionbakery werden
neue Projekte aber auch
schon vor dem Start auf ihre
Seriosität hin überprüft.
Kooperation über Stadtgrenzen
Fürstenwalde, Storkow und Amt Scharmützelsee wollen enger zusammenarbeiten
Storkow/Fürstenwalde (bw)
Eine über Jahre kontinuierlich
enger werdende Partnerschaft
zwischen Fürstenwalde, der
Stadt Storkow und dem Amt
Scharmützelsee wurde am Donnerstag auf der Burg Storkow
durch einen offiziellen Kooperationsvertrag besiegelt. An dem
symbolträchtigen Ort, wo über
Jahrzehnte Hochzeiten gefeiert
werden, gingen die drei Orte ihrerseits eine Art Ehe ein. Der
feierliche Akt wurde im Innenhof des historischen Gemäuers unter blauem Himmel vollzogen. Im Vorfeld wurde dem
Vorhaben durch die jeweiligen
Stadtverordneten- und Gemeindevertretungen zugestimmt.
Um endgültig in Kraft treten
zu können, müssen nun noch
die Vorsitzenden unterschreiben. Heinz Bredahl, Vorsitzender der Storkower Gemeindevertretung, leistete schon vor Ort
seine Unterschrift. „Jetzt haben
wir unterschrieben, wir müssen die Träume nur noch verwirklichen“, sagte Amtsdirektor Carsten Krappmann. Worauf
Cornelia Schulze-Ludwig, Bürgermeisterin von Storkow, er-
Handschlag: Hans-Ulrich Hengst, Cornelia Schulze-Ludwig und Carsten Krappmann (v.l.) mit dem Vertrag.
Foto: MOZ/Bettina Winkler
widerte: „Das schaffen wir.“
Fürstenwaldes Bürgermeister
Hans-Ulrich Hengst betonte,
die Wichtigkeit des gegenseitigen Wollens und Vertrauens.
Fürstenwalde, seit 2009 Mittelzentrum und außerdem einer
von 15 regionalen Wachstumskernen des Landes Branden-
burg, hat seit Jahren besondere
Verflechtungsbeziehungen zur
Stadt Storkow und zum Amt
Scharmützelsee. 2014 haben
diese ihren damaligen Kooperationsvertrag mit dem zugewiesenen Mittelzentrum Beeskow
mit der Begründung gelöst, dass
die gewachsenen Beziehungen
zu Fürstenwalde stärker und für
die weitere Entwicklung weitaus relevanter sind. „Wir haben als Mittelzentrum auch die
Verpflichtung eine Motorfunktion zu übernehmen und auf
das Umland auszustrahlen“, so
Hengst. Mit dem Zusammenschluss 2010 zur Region @see
soll die Region mit einem gemeinsamen Regionalmarketing
ebenfalls wirtschaftlich voran
gebracht werden. Hintergrund
war und ist der Großflughafen
BER, von dem die Region gemeinsam profitieren und Wachstumsimpulse nutzen will – für
Wirtschaft, Tourismus, Gesundheit und Wohnen. Infrastrukturen, Bildung, Naherholung, Medizin, Kultur und Sport sowie
die Zusammenarbeit der Verwaltungen sollen von den Partnern gemeinsam geplant und
umgesetzt werden. So steht zum
Beispiel ein durchgängiger Radweg von Storkow nach Fürstenwalde auf der Prioritätenliste.
„Wir wollen für die Bürger jeden Alters eine Region schaffen,
in der sie gerne leben und arbeiten“, sieht Carsten Krappmann
optimistisch in die Zukunft.