PDF-Version - Senioren Haltern am See

Sprachrohr
Eine Zeitung für uns Ältere in Haltern
Ausgabe Nr. 98 4/2015
PDF-Version
Hinweis: Die Seitenzahl dieser Version stimmt nicht mit der unserer Papier form
überein!
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„Fehlerteufel!“
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Sprachrohr-Gemeinde,
wer von Ihnen hat das noch nicht erlebt? Man möchte schnell etwas Gutes zu Ende
bringen, und ‚Peng‘ haben sich mal wieder Fehler eingeschlichen. Manchmal sind es
die leidlichen Schreib- oder Tippfehler („Ich wusste doch, wie es geschrieben wird,
aber …“), dann sind es fehlende Satzzeichen oder andere Missgeschicke.
Das ist mir leider auch in der letzten Sprachrohr-Ausgabe passiert. Dieses Mal waren
es Schreibfehler, dafür war die Ausgaben-Nummer falsch; es durfte nicht heißen:
‚Ausgabe 96 2/2015‘, sondern ‚Ausgabe 97 3/2015‘. Es tut mir leid, dass ich die
Webseite von Klaus Büttner auf Seite 2 versehentlich verdreht habe. Es muss natürlich
heißen: www.senioren-haltern.de. Herr Büttner mag mir verzeihen! Aber auch heute
darf ich wiederholen: Schauen Sie – sofern es Ihnen technisch möglich ist - auf seine
Seite. Viele interessante und wissenswerte Informationen sind dort aufgearbeitet!
Vielleicht haben Sie auch noch den einen oder anderen Fehler oder Verdreher
gefunden? Lassen wir dazu den österreichischen Schriftsteller Karl Kraus (1874 bis
1936) zu Wort kommen: „Wer einen Fehler findet, darf ihn behalten und stolz
darauf sein, ihn gefunden zu haben!“
Spaß beiseite. In der aktuellen Ausgabe haben wir kleinere Änderungen
vorgenommen. So werden Sie auf Seite 3 ein Inhaltsverzeichnis und grundsätzlich im
Heft eine besondere Sortierung finden. Wir starten ab sofort mit den „Informationen
zum Älterwerden“, es folgen die vielen Geschichten und Gedichte unserer Autorinnen
und Autoren und im Anschluss daran die Rubriken „Schmunzel-Ecke“, „Portrait“ und
„Zu guter Letzt“. Wir glauben, dass unsere Zeitung so übersichtlicher wird.
Weiter sind wir auch an Ihrer Meinung interessiert. Sagen oder schreiben Sie, was
Ihnen gefällt und was nicht. Im Redaktions- und Autorenteam werden alle Hinweise
geprüft und möglichst berücksichtigt.
Viel Freude also beim Lesen dieser Ausgabe Ihrer Seniorenzeitung Sprachrohr/
Ihr
Jürgen Chmielek
Redaktionsleiter
2
Die neuen Flyer sind da!
Interessierte Seniorinnen und Senioren können diesen Flyer sowohl
im Rathaus als auch bei den Mitgliedern des Seniorenbeirats
Haltern am See erhalten!
3
Inhaltsangabe
Informationen rund ums Älterwerden
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Seniorenbeirat:
Seniorenbeirat:
Petra Völker:
St. Sixtus:
Wissenswertes 60+:
Herbert Schmitt, Caritas
Mobil bleiben – Rollator-TÜV
Jahreszeiten-Café
ATV-Tanz-Café
Zertifizierung ‚Medizin im Alter‘
Dr. Ott: Sport im Alter
Zuhause: Treppen sicher bewältigen
5
6
7
9
10
13
Geschichten und Gedichte unserer Autoren/innen
1. Rudolf Lützenkirchen
2. Gertrud Zihla:
3. Ursula Braun:
4. Edith Groth:
5. Heinz Kallhoff:
6. Rudolf Lützenkirchen:
7. Sigrid Geipel:
8. Rosemarie Brathe:
9. Edith Groth:
10. Mechtild Werner:
11. Rudolf Lützenkirchen:
12. Hugo Dahlmann:
13. Hugo Dahlmann:
14. Mechtild Werner:
Losgehen und Anfangen
Der Hoffnungsschein
Das muss doch einmal gesagt werden
Das andere Glück
Wer war der Heilige Nikolaus?
Daheim in meiner Welt
Toby zieht ein
Der verlorene Sohn
Novemberstimmung
Der kritische Nikolaus
Früher war voller Lametta
Knecht Ruprecht
St. Niklas + Winter
Kurmaßnahme
Schmunzel-Ecke
Das Portrait:
Zu guter Letzt
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Elisabeth Schrief über
Friedrich Halfmann, Asylkreis Haltern
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Redaktionsleitung
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4
Mobil bleiben
– Abschluss der Rollator-TÜV-Aktion 2015
Nach insgesamt sieben Aktionsterminen seit Mitte September wurde der
vom Seniorenbeirat organisierte Rollator-TÜV 2015 erfolgreich beendet.
Zum Abschluss bot sich im Alten Rathaus noch einmal die Gelegenheit,
den Rollator (oder Rollstuhl) fachmännisch begutachten zu lassen;
kleinere Mängel wurden durch die Fa. Rohde sofort behoben. Insgesamt
wurden mehr als 250 Mobilitätshilfen überprüft.
Örtlichkeiten waren das Gemeinzentrum in Sythen sowie die
Altenwohnhäuser/Seniorenheime der Stadt. Abgerundet wurde die Aktion
des ATV, der Sportverein lud zum Rollator-Training in der Jahnhalle ein.
Einmal mehr bestätigte sich, wie wichtig eine regelmäßige Kontrolle des
Rollators ist, um damit den Alltag mobil und sicher zu bewältigen. Die
meisten technischen Problem lagen in den Bremsen, die nicht verlässlich
funktionierten, es folgten gelockerte Schraubverbindungen und defekte
Räder. In vielen Fällen waren die Handgriffe nicht auf die Größe des
Benutzers eingestellt und mussten angepasst werden.
Für die Sicherheit wichtig ist aber nicht nur ein technisch einwandfreier
Rollator, sondern eben auch ein gezieltes Training zur richtigen
Benutzung. Marie-Luise Wiethoff vom ATV gab hilfreiche Tipps. Sie wies
auf ihren Kurs (Rollator-Walking) hin, in den Interessierte sofort noch
einsteigen können.
Der Seniorenbeirat bedankt sich nochmals bei allen, die zum Gelingen der
Aktion beigetragen haben, vor allem jedoch bei den Mitarbeitern der Firma
Rohde. Für 2016 ist auf jeden Fall eine Neuauflage des Rollator-TÜV
vorgesehen.
Siegried Lindemann
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Neues Jahreszeiten-Café am 12.01.2016
DER Senioren-Treffpunkt in Haltern am See
Auch das letzte Jahreszeiten-Café am 06.Oktober 2015 kam bei den
Besuchern sehr gut an.
Diesmal ging es um die Sicherheit für ältere Mitbürger.
Kriminalhauptkommissar Diether Michalak gab den Anwesenden
verhaltens-orientierte Tipps, mit Umsicht und gesundem Misstrauen das
Risiko zu minimieren, Opfer einer Straftat zu werden (Information
entnommen der Halterner Zeitung).
Da die Räumlichkeiten im Alten Rathaus für das nächste JahreszeitenCafé an dem gewohnten Dienstag leider nicht zur Verfügung stehen, wird
der Termin auf den 12. Januar 2016 verschoben; Raum und Zeit (Altes
Rathaus ab 15.00 Uhr) bleiben aber gleich.
Jetzt freuen wir uns auf das nächste Jahreszeiten-Café am 12.01.2016
Das Thema wird noch rechtzeitig bekannt gegeben!
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ATV-Tanz-Café
Am Sonntag, 6.12.2015, veranstaltet der ATV Haltern in Kooperation mit
der Caritas Haltern zum sechsten Mal das Tanzcafé für Seniorinnen und
Senioren.
„Tanzen ist, wenn die Füße glauben, sie sind das Gehirn“…unter diesem
Motto findet die gemeinsame Veranstaltung wieder im Pfarrheim von St.
Laurentius von 15 bis 17.30 Uhr statt. Der Eintritt, inklusive Kaffee und
Kuchen, beträgt 6 Euro €.
Das Tanzcafé steht u.a. für einen Nachmitttag Musik hören, Leute treffen,
plauschen und natürlich tanzen, ganz viel Spaß haben, einfach den Tag
genießen und Abwechslung in den Alltag bringen. Neben professioneller
Musikbegleitung durch einen DJ, gibt es ein kleines Showprogramm.
Organisiert wird das Tanzcafé von Jeanette Norden (Caritas Haltern) und
Petra Völker (ATV Haltern). Unterstützt wird das Kuchencatering von Hof
Hagedorn, Haltern-Lavesum.
Entstanden ist die Idee des Tanzcafés im Rahmen des Projektes „Bewegt
ÄLTER werden in NRW“, bei dem eine karitative Einrichtung mit einem
Sportverein kooperieren sollte. Gemeinsam sollten Ideen entwickelt
werden, um ältere Menschen wieder in Bewegung zu bringen und ihnen
den Zugang zum Sport zu ermöglichen.
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In Haltern am See ist die Zusammenarbeit gelungen, das Tanzcafé wird
gut besucht und ist eine beliebte Abwechslung am Sonntagnachmittag.
Damit das Tanzen und der Kontakt zu anderen (nicht nur älteren
Menschen) weiter gefördert werden, bietet der ATV Haltern viele Angebote
für Ältere an, damit sie weiter in Bewegung bleiben. Neben verschiedenen
Bewegungs-, Spiel- und Gymnastikkursen gibt es auch zwei
Seniorentanzangebote. Das Besondere ist dabei, dass beim ATV, das
Seniorentanzen im Rahmen von Reha-Sport genutzt werden kann. Alle
Angebote werden auf der Homepage vorgestellt, in Kürze gibt es einen
speziellen Seniorenflyer, der auch zugeschickt werden kann.
Anmeldungen zum Tanzcafé nehmen entgegen:
Jeanette Norden, Caritas Haltern, Tel.: 02364-109065,
oder
Petra Völker, ATV Haltern, Tel.: 02364-949290,
E-Mail: [email protected].
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St. Sixtus-Hospital – Medizin im Alter
Seit Februar 2014 gibt es im St. Sixtus-Hospital den Fachbereich „Medizin
im Alter“. Hier werden betagte Patienten behandelt, die nicht nur an
internistischen Erkrankungen leiden, sondern auch altersspezifische
Beeinträchtigungen haben (Beispiel: Demenz). 15 Betten stehen für die
Therapie
geriatrischer
Patienten
zur
Verfügung.
Bettlägerigkeit
vermeiden, Mobilität zurückgewinnen und Pflegebedarf verringern: So
lauten die Ziele des Fachbereichs „Medizin im Alter“. Ein wesentlicher
Garant für einen nachhaltigen Behandlungserfolg ist der reibungslose
Übergang vom Krankenhaus nach Hause. Dafür beschäftigt das
Krankenhaus mit Astrid Heich eine eigene Case-Managerin. Sie bereitet
bereits bei der Aufnahme der Patienten ihre Entlassung vor, indem sie
etwa notwendige Hilfsmittel oder Pflegestufen beantragt, Patienten und
deren Angehörige berät sowie mit weiterversorgenden Einrichtungen und
Diensten zusammenarbeitet. Das Krankenhaus bietet pflegenden
Angehörigen außerdem praktische Unterstützung in Form von speziellen
Pflegekursen und -trainings direkt am Krankenbett an.
Zertifizierung bestätigt: Behandlung erfolgt nach anerkannten Leitlinien
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Wissenswertes ab 60+
Sport im Alter
Länger und vor allem gesünder leben
Von Dr. med. Karl Ott,
Geriater am Sixtus-Krankenhaus in Haltern am See
„Whisky, Zigarren und ,no sports’!“ soll Winston Churchill gesagt haben,
als man ihn fragte, wie er so alt geworden sei. Unabhängig davon, dass
gesund alt werden auch etwas mit Genen, also mit den eigenen
Erbanlagen zu tun hat, ist unumstritten, dass gesundes Leben hilft, im
Alter fit zu bleiben: möglichst wenig Übergewicht, aber auch kein
Untergewicht durch richtige Ernährung und Bewegung. Denn Bewegung
ist wichtig! Um Muskeln zu erhalten, körperliche Leistungsfähigkeit zu
sichern, aber auch um geistig fit zu bleiben, hilft Sport.
Warum ist das so? Wenn wir uns wenig bewegen, passen sich Muskeln,
Bänder und Knochen an, sie nehmen an Umfang und Leistungskraft ab.
Und dann fällt es uns noch schwerer, in Bewegung zu bleiben, wir werden
auch unsicherer in unseren Gleichgewichtsreaktionen, stürzen leichter
und vermeiden Bewegung noch mehr. Und die Muskeln nehmen noch
mehr ab.
Über acht Jahre hinweg beobachteten englische Forscher 3454 Senioren
und kamen zu dem Schluss: Wer regelmäßig maßvoll oder kräftig Sport
trieb, auch schon in jungen Jahren, dessen Aussichten auf ein gesundes
Altern erhöhten sich um das Siebenfache.
Aber: Für Sport ist es nie zu spät: Auch wer erst im höheren Alter anfängt,
regelmäßig Sport zu treiben, kann dadurch seine Aussichten auf einen
gesunden Lebensabend verdreifachen. Das fanden britische
Wissenschaftler bei der Untersuchung von Menschen im Alter von
durchschnittlich 64 Jahren heraus. Veröffentlicht wird die Studie in der
Fachzeitschrift "British Journal of Sports Medicine" (1). Noch um das
Dreifache erhöhte sich dieser Wert für die zehn Prozent der
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Studienteilnehmer, die früher keinen Sport getrieben hatten und damit erst
in späten Jahren anfingen.
Als Altern bei guter Gesundheit definierten die Wissenschaftler ein Leben
ohne chronische Krankheit, ohne größere physische Einschränkungen
sowie mit einer guten mentalen Gesundheit und mit Fähigkeit zu sozialen
Kontakten. Rund ein Fünftel der Gruppe fiel am Ende der Untersuchung
in diese Kategorie. Die Wissenschaftler berücksichtigten auch andere
Faktoren wie Alkoholkonsum, Rauchen oder den finanziellen Status.
Interessant sind neuere Studien zu geistiger Gesundheit: Wer regelmäßig
Gymnastik, besonders Gleichgewichts- und Koordinationstraining treibt,
ist auch geistig leistungsfähiger als ohne Sport. Das liegt daran, dass
durch diese Art körperlichen Trainings Hirnzellen, die als Reserve sonst
schlummern, aktiviert werden und also vergleichsweise mehr Hirnzellen
zum aktiven Einsatz zur Verfügung stehen. Dies gilt sogar für Menschen
mit beginnenden Hirnleistungsstörungen. Studien zeigen, dass
regelmäßige sportliche Bewegung selbst Demenzerkrankungen
vorbeugen kann. Auch bereits Erkrankten tut die Bewegung gut
(Deutscher Sportbund). Denn Bewegung schult das Gehirn, aktiviert
Gehirnzellen bzw. Zellverbünde, bahnt die Plastizität des Gehirns und
vermindert Durchblutungsstörungen.
Und wie soll das gehen? Für Menschen, die immer Sport getrieben haben,
ist das einfach: Sie können alles machen, was sie sich zutrauen. Meist
sind es Leichtathletik und Ausdauer-Sportarten, in denen auch ältere
Menschen noch Hochleistungen vollbringen. Und wer etwas tut, vor allem
körperlich tut, wer also sein Leben in die Hand nimmt, ist glücklicher.
Die Wissenschaftler Karl Mayr und Werner Benzer sagen, was wir alle
wissen: „Regelmäßige sportliche Betätigung reduziert die Inzidenz bzw.
verzögert den Verlauf in erster Linie von Herzkreislauf-Erkrankungen.“
Es muss ja nicht gleich ein Ultramarathon sein, aber jeder kann im
Rahmen seiner Möglichkeiten den Körper in Wallungen bringen. Ob
Crossfit, Spaziergang oder Treppensteigen sei jedem selbst überlassen.
Getreu dem Motto: "Bewegt Euch!"
Generell kommt es bei Sport im Alter nicht auf den Kraftaufwand an,
sondern auf die Regelmäßigkeit. Nehmen Sie nicht den Lift, sondern öfter
mal die Treppe, legen Sie den Weg zum Bäcker zu Fuß zurück. Eine halbe
Stunde Bewegung reicht aus, um in Form zu bleiben und das Altern zu
verlangsamen.
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Also wandern, stramm spazieren gehen, schwimmen, Gymnastik,
Gleichgewichtstraining, alles ist geeignet. Und besser wird es noch, wenn
man das gemeinsam mit anderen tut. Denn alleine ist es schwierig, den
„inneren Schweinehund“ zu besiegen, zu mehreren geht das leichter und
macht auch mehr Spaß.
Man muss nicht Leistungssportler werden, um gesund zu bleiben. Nicht
Siegen ist das Ziel, sondern dabei sein und Spaß haben
Die Halterner Sportvereine und -Gruppen sind hier gut aufgestellt. Sie
bieten ein breites Spektrum unter kompetenter Anleitung für „Sportler“ im
Seniorenalter. Nehmen Sie es wahr, tun Sie etwas für geistige und
körperliche Fitness.
Quellen:
1: Br J Sports Med doi:10.1136/bjsports-2013-092993 Taking up physical
activity in later life and healthy ageing: the English longitudinal study of
ageing
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Zuhause: Treppen sicher bewältigen
Herr Martin (alle Namen geändert) wohnte mit seiner Frau
in einem zweistöckigen Haus. Nach dem Auszug der
Kinder war genug Platz, und die alleinlebende Mutter
seiner Ehefrau, Frau Schulte, zog mit 85 Jahren zu ihnen in ein
geräumiges Zimmer im 1. Stock.
Das Zusammenleben gestaltete sich sehr harmonisch, und so war es für
Herrn und Frau Martin auch selbstverständlich, der Mutter zu helfen, wo
immer es nötig war, etwa beim Waschen, Ankleiden, der Pflege des
Zimmers usw. Die Drei aßen zusammen, und die Mutter wurde auch so
oft es ging mitgenommen zu Ausflügen und Besuchen.
Die Treppe nach unten, wo sich Esszimmer, Küche und Wohnzimmer
befinden, bewältigte Frau Schulte lange Zeit alleine und recht sicher, wenn
sie auch einige Zeit dafür benötigte.
Aber zunehmend fühlte sich Frau Schulte unsicher auf der Treppe – und
Herr oder Frau Martin halfen ihr, indem sie stets zwei Stufen unter ihr
gingen und sie auch ein wenig stützten.
Bis es dann passierte:
Frau Schulte trat falsch auf, verlor den Halt und fiel herunter – gegen Frau
Martin, die zum Glück Halt an einer Wand fand, weil die Treppe dort
gerade eine Biegung hatte. Frau Schulte kam mit dem Schrecken davon,
Frau Martin zog sich eine Rippenprellung zu und verrenkte sich den
Rücken.
Jetzt übernahm nur noch Herr Martin den „Treppen-Sicherungsdienst“.
War er nicht da, kam Frau Schulte nicht hinauf oder herunter – und wirklich
wohl fühlte sich Herr Martin auch nicht.
Eine vernünftige Lösung musste
her: Das Bett im Erdgeschoss, etwa
im Wohnzimmer, aufzustellen, kam
nicht in Frage. Die Wohn- und
Lebensqualität aller wäre zu stark
eingeschränkt worden.
Ein Treppensteiger benötigt immer
eine zweite Person zur Bedienung.
Die
Selbständigkeit
und
Unabhängigkeit von Frau Schulte
wäre weiterhin eingeschränkt. Frau Martin hätte auch Angst gehabt, das
Gerät zu bedienen.
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So entschieden sich die Drei für einen Treppenlift, hatten aber Bedenken,
ob so ein Lift überhaupt einzubauen war: Die Treppe war nicht sonderlich
breit, und es ging zweimal um die Ecke.
Auf eine unverbindliche Anfrage kam innerhalb von zwei Wochen ein
Techniker ins Haus. Der begutachtete die Treppe und machte einen
Vorschlag: Der Treppenlift würde auf der Innenseite der Treppe montiert,
damit er möglichst wenig Patz wegnähme. Er nahm Maß – und konnte
gleich die Kosten benennen. Die lägen im konkreten Fall bei knapp 13.000
Euro. Da Frau Schulte eine Pflegestufe hätte, bekäme sie von der
Pflegekasse einen Zuschuss in Höhe von 4.000 Euro. Einen weiteren
Zuschuss in Höhe von 8 % der förderfähigen Kosten würde die KfW
(Kreditanstalt für Wiederaufbau) gewähren. Dieser Zuschuss müsse nicht
zurückgezahlt werden.
Herr und Frau Martin zeigten sich an dieser Lösung sehr interessiert,
zumal sie selbst ja auch von dem Treppenlift profitieren könnten - später,
oder wenn mal jemand von ihnen krank wäre.
Aber Frau Schulte hatte wollte noch wissen, ob sie überhaupt mit „so
einem Ding“ klar käme?...
Damit sie da ganz sicher sein konnte, wurde Frau Schulte zu einer
„Probefahrt“ eingeladen. Sie nahm auf dem Liftstuhl Platz, klappte die
Armlehnen herunter, schob den Steuerhebel in die Richtung, in die sie
fahren wollte, und fast geräuschlos, langsam und ruckfrei setzte sich der
Lift in Bewegung. Es wäre egal, ob der Schienenverlauf flach oder steil
wäre, der Stuhl würde immer gerade ausgerichtet. Nach Benutzung fahre
der Stuhl automatisch zu einer Stelle, wo er nicht störe und „parke“ dort.
Frau Schulte war überzeugt. Die Montage am festgelegten Termin erfolgte
in einem Tag. Frau Schulte und die Eheleute Martin erhielten noch eine
ausführliche Einführung, dann verließen die Monteure die Baustelle
sauber und aufgeräumt.
Frau Schulte kann jetzt die Treppe ohne Hilfestellung benutzen, wann sie
möchte. Herr und Frau Martin haben keine Angst, dass etwas passieren
könnte – und manchmal nutzen auch sie den Lift, wenn mal etwas
Schwereres nach oben muss.
Hinweis: Es gibt verschiedene Anbieter von Treppenliften!
Wichtig: Unbedingt Zuschüsse vor Auftragsvergabe beantragen!
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Information und Beratung:
Beratungsstelle für ältere Menschen
und pflegende Angehörige
Caritasverband Haltern am See e.V.
Sixtusstr. 39
Herbert Schmitt, Tel. 10 90 23
www.caritas-haltern.de
‚Eine Millionen Sterne`
Aktion des Caritasverbandes am 08. November 2015
Foto: Stefan Maas, Caritasverband Haltern am See
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Losgehen und Anfangen
„Die Verheißung des Morgens atmen, in die Stille des Unberührten
aufbrechen. Schlafende Häuser hinter sich lassen, Wind im Gesicht
spüren. Dem Neuen entgegenlaufen, mit eigenen Schritten hinein
wandern...“ (Inken Christiansen)
Heute verspricht der Wettergott einen hellen Wintertag. Raureif liegt auf
den Dächern, und die wenigen verbliebenen Blumen ziert ein feiner
silberner Streif. Draußen ist es eisig kalt, aber wunderschön. Die Sonne
hat schon den Nebel verdrängt.
Da zieht es mich hinaus in die Natur. Obwohl ich den Weg schon hundert
Mal gegangen bin, ist heute alles irgendwie anders. Weit geht der Blick in
die Ferne, dem Band der A 43 entgegen, die kurz vor dem Sundern
meinen Weg kreuzt. Auf den Feldern liegt eine dünne Schneedecke, und
es ist, als betrete man Neuland. Ich fühle mich frei und auf merkwürdige
Weise beschenkt. Ein paar Vögel verschwinden aufgeschreckt im
Dickicht.
Es ist, als laufe ich Weihnachten und dem neuen Jahr entgegen. Und mir
ist seltsam frisch zu Mute. Irgendwie befreit suche ich mir meinen Weg.
Als Kind haben wir dem Heiligen Abend entgegen gefiebert. Was mag das
Christkind mir wohl bringen? Und obwohl die Erwartungen nicht groß
waren, erfüllte uns eine innige Freude. Auch heute noch ist Weihnachten
etwas Besonderes. Aber die kindlichen Wünsche haben heute dem
Wunsch nach Stille und Besinnung Platz gemacht. Wenn das Licht der
Kerzen den Raum wärmt und die Dunkelheit erhellt, kommen wir zur
Ruhe, die Mütter unter uns, vielleicht zum ersten Mal seit vielen Tagen.
Termine, Pflichten, Ängste, die uns schwer auf den Schultern liegen,
spielen auf einmal nur noch eine untergeordnete Rolle. Es ist mir, als öffne
das Licht der Weihnachtskerzen auch meine Augen, als spüre ich es im
Herzen.
Weihnachten hat etwas Feierliches und macht Mut. Und mich erfasst eine
Aufbruchstimmung. Die Eintönigkeit des täglichen Lebens macht einem
Neubeginn Platz. Für einen Moment scheint der Lehm des Alltags, der
mich umschließt und träge gemacht hat, aufzuplatzen. Und ich bin bereit
für neue Taten, Begegnungen, Unternehmungen, die mich schon lange
beschäftigen, aber immer wieder im Alltagstrott hängen geblieben sind.
Wenn meine Enkelkinder bei mir sind, dann ärgere ich mich oft, dass sie
nur noch mit ihrem Handy oder Tablet beschäftigt sind. Man nimmt sie gar
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nicht mehr wahr. Aber an manchen Tagen erwachen sie. Dann wird es laut
im Zimmer, dann wird getanzt und gesprungen, dass es mir auch schon
wieder zu viel wird. Leona steigt zwischen den Seiten der Tür in die Höhe
und übt sich im „Kaminklettern“. Angst kennt sie nicht, es macht ihr einfach
Spaß. Und Annika und Meike singen um die Wette.
Etwas von dieser Begeisterung möchte ich auch für mich in die
kommenden Tage retten. Es ist nicht alles trostlos. Das Glück liegt auf dem
Weg. Ich muss es nur mit den Augen erfassen und an mich heranlassen.
„Alle sagen, das geht nicht!“ habe ich letzte Woche auf einem Schild
gelesen. „Und dann kam einer, der wusste das nicht und hat`s einfach
gemacht.“ Wir können alle mehr, als wir uns zutrauen, wir müssen nur
damit beginnen. Wer keine neuen Wege geht, kann auch keine Spuren
hinterlassen.
Und so nehme ich mir vor, morgen mal endlich Tante Rita zu besuchen,
was ich bisher immer verschoben habe, denn sie ist etwas schwierig. Ich
nehme mir vor, morgen mit einem Lächeln durch die Stadt zu gehen und
möglichst vielen Menschen den Tag zu verschönern.
Frohe Weihnachten und alles Gute zum Neuanfang.
Rudolf Lützenkirchen
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Der Hoffnungsstein
Vor vielen Millionen Jahren brach ein riesiges Felsstück aus einem Berg
heraus und stürzte mit lautem Getöse ins Tal. Unten angekommen
zerplatzte er in viele tausend große und kleine Stücke. Die kleineren
Stücke rollten weiter, bis sie schließlich in einem wild schäumenden Bach
liegen blieben. Nun rauschte das eisige Gletscherwasser über die vielen
kleinen Gesteinsbrocken, und diese rieben sich im strömenden Wasser
aneinander. Ihre spitzen Ecken und Kanten verschwanden im Laufe der
Zeit, und irgendwann waren aus den kantigen spröden Felsstückchen
wunderschöne runde Steine entstanden.
Bald war das gesamte Bachbett bedeckt mit runden Steinen. Jeder hatte
eine andere Form und eine andere Farbe, doch alle zusammen bildeten
ein farbenprächtiges Bild, besonders dann, wenn die Sonne sich im
Wasser spiegelte. Manchmal leuchteten sie sogar wie bunte Edelsteine.
Einer der Steine war besonders schön, in seiner Form und in seiner Farbe.
Er war grün gesprenkelt, und wenn die Sonne darauf schien, dann glitzerte
und funkelte er wie ein Diamant.
In der Nähe des Baches gab es ein kleines Dorf, und in diesem Dorf wurde
eines Tages, etwas außerhalb zwischen den Wiesen, eine kleine Kapelle
gebaut. Als sie fertig war, überlegten die Dorfbewohner, wie man diese
Kapelle auch von außen verschönern könnte. Die Kinder des Dorfes hatte
eine Idee. Sie sammelten die schönsten Steine aus dem nahen Bach und
bildeten daraus einen breiten Gürtel rund um die Kapelle.
Auch der grüne Stein war dabei. Er lag nun nicht mehr in dem kalten und
nassen Bachbett. Im Sommer wärmte ihn die Sonne, kleine bunte
Wiesenblumen wuchsen um ihn herum, Käfer und Mücken umschwirrten
ihn, Eidechsen sonnten sich auf ihm, und Schmetterlinge breiteten auf
ihm ihre bunten Flügel aus. Im Winter war er von einer dicken
Schneeschicht eingehüllt, dann machte er seinen Winterschlaf und
träumte vom nächsten Sommer.
Als wieder einmal der Schnee geschmolzen war und die ersten
Frühlingsblumen bereits blühten, kam eines Tages eine Frau an dieser
Kapelle vorbei, setzte sich auf die Bank neben der Kapelle und dachte an
ihren Geliebten, der nicht bei ihr sein konnte. Sie war traurig und
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überlegte, womit sie ihm eine Freude machen könnte, wenn sie ihn
wiedersehen würde.
Da fiel ihr Blick auf den grünen Stein. Sie nahm ihn auf, legte ihn in beide
Hände und fand ihn wunderschön. Sie trug ihn den ganzen Tag mit sich
herum, und am Abend nahm sie ihn mit ins Bett, legte ihn sich auf den
Bauch und wärmte ihn mit ihrem Körper. Der Stein nahm ihre
Körperwärme auf und war schließlich sogar wärmer als sie selbst. Nun
wärmte der Stein sie und gab ihr das zurück, was sie ihm gegeben hatte.
Er wärmte nicht nur ihre Hände und ihrem Körper, sondern auch ihre
Seele.
Einige Tage später nahm die Frau Abschied von dem kleinen Dorf und
machte sich auf den Weg zu ihrem Geliebten. Sie hoffte, dass der grüne
Stein auch sein Herz erwärmen würde, denn auch er lebte schon lange
Zeit allein, fühlte sich oft einsam und verlassen, aber hatte es bisher nicht
geschafft, sich für ein gemeinsames Leben zu entscheiden.
Als sie ihm nun den Stein überreichte, war er an seinem Ziel
angekommen. Er hat viele Millionen Jahre gebraucht, bis er so schön
wurde wie heute, und jetzt war er dazu bestimmt, die Liebe und Wärme
seiner Finderin für immer in das Herz ihres Geliebten zu tragen und eine
Brücke zu bauen zwischen ihnen beiden, damit sie zusammenfinden und
zusammenbleiben.
So waren sein Wunsch und seine Hoffnung in Erfüllung gegangen, der
nassen Kälte zu entkommen, um Wärme zu geben und um Wärme zu
empfangen.
Gertrud Zihla
19
Das muss doch einmal gesagt werden
Wenn man älter ist an Jahren
hat man im Leben viel erfahren,
viel gelernt und viel gesehen.
Doch es kann durchaus geschehen,
dass man als alt von jedermann
einfach wird so abgetan.
Zu alt, um irgendwas was zu tun.
Ein alter Mensch hat auszuruhn‘
und bei Kaffee und fetter Torte
still zu sein und ohne Worte
nur zuzuhören, was man sagt.
Er wird auch niemals mehr gefragt,
ob er vielleicht was andres will.
Er soll ganz einfach bleiben still.
Man tut ja extra für die Alten
so einen Nachmittag gestalten.
Für die Senilen und die Schwachen,
die sollen auch mal richtig lachen.
Man ist erstaunt, wenn jemand spricht:
„So alt sind wir nun wirklich nicht.
So ein Programm wird stets gelingen.
Man kann getrost das gleiche bringen,
weil man ja der Meinung ist,
dass ein Senior ganz schnell vergisst
und es ihn auch nicht interessiert,
was Neues auf der Welt passiert.
Dabei möchten die Alten
die Zukunft auch noch mitgestalten,
Neues von den Jungen lernen,
sie für das Alte auch erwärmen,
gemeinsam neue Wege gehen.
Ich glaub', man würde sich verstehen.
Ursula Braun
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Das andere Glück
Elke sitzt auf ihrem neuen Sofa, Rattan im Kolonialstil.
„Na prima“, denkt sie, „es war eine Erfahrung wert, aber Rattan macht
auch nicht glücklicher.“ Genauso empfand sie beim Kauf ihres
Schreibtisches im Landhausstil. Leider war nur die Vorfreude die größte.
Auch die neuen Lampen - antik gebeizt, brachten nur vorübergehend
Helligkeit. Dunkel ist es in ihrer Seele. Jetzt ist erst einmal wieder Ebbe in
ihrer Kasse, und das erhebende Gefühl in ihrem Herzen ist verschwunden.
Ohne Moos nix los, aber mit Geld können Glück und Zufriedenheit auch
nicht gekauft werden.
Ich habe Freude zu verschenken, jede Stunde, jeden Tag! Diese Anzeige
sucht sie leider vergebens in der Zeitung.
Oder - ich habe Liebe zu verschenken, jede Stunde, jeden Tag - geht auch
nicht durch die Werbung. Eine Ahnung, dass es diese Dinge sind, die ihr
fehlen, hat sie ja. Aber nur nicht zugeben, wie einsam sie ist. Wie Kälte sie
wie ein nicht wärmender Mantel umhüllt, ein eisiger Wind des Alleinseins
sie anbläst.
„Verflixt, altes, Mädchen“, denkt sie, „tu endlich was anderes, als dir leid
zu tun. Vergiss den Kaufrausch, berausch dich billiger.“
Elke rafft sich auf, schlüpft in ihre kuscheligen Stiefelchen, wirft den
Kaschmirschal mit Schwung um den Hals und macht sich auf die Suche
nach dem anderen Glück, mit weit offenen Augen.
Vor der Haustür empfängt sie eisige Kälte. Es kostet schon Überwindung,
hinauszutreten. Aber dann stampft sie durch den watteweichen Schnee,
der leise vom Himmel fällt und den Dächern eine Mütze aufgesetzt hat.
Die alten Eichenbäume am Straßenrand tragen das passende Kleid. Eine
Schneemannparade am Weg zwinkert ihr mit roter Nase zu,
Schaufelgeräusche erklingen zur Serenade.
„Märchenhaft, so ein Wintertag", denkt sie. Ihre Augen blitzen, die Wangen
glühen. Sie könnte stundenlang so weiter marschieren.
Elke lächelt die ihr entgegenkommenden Menschen an. Zum ersten Mal
nach langer Zeit fühlt sie sich rundherum wohl, auch ohne Geldausgabe.
„Ist das Glück, dieses warme Gefühl im Herzen, auch wenn die Ohren und
Hände eisig kalt sind?"
Ein Plakat an der kleinen Kirche um die Ecke weckt ihre Aufmerksamkeit.
Weihnachtskonzert mit den Philharmonikern. „Wie lange war sie schon
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nicht mehr in der Kirche?", denkt Elke. „Soll sie wieder erst bis zum
Heiligen Abend warten?“ Elke betritt entschlossen den Gottesraum und
findet gerade noch ein Plätzchen in der voll besetzten Kirche. Und bald
vergisst sie Zeit und Raum und lauscht ergriffen dem Halleluja aus
Händels Messias. Sie hat fast vergessen, was Musik bedeuten kann. Dies
ist so ein Moment, wo bloßes Existieren aufhört und Leben beginnt.
Als Elke an diesem Tag nach Haus kommt, weiß sie, dass sie es gefunden
hat, das andere Glück.
Dieser Ausflug war kostenlos, aber nicht umsonst. Sie hat begriffen, dass
es die kleinen Dinge im Leben sind, die zufrieden machen.
Edith Groth
(Foto: Stadtagentur Haltern am See, Leoni Buscher-Ciupke)
22
Wer war der heilige Nikolaus?
Sehr viele Kinder werden auch diesem Jahr wieder am Morgen des 6.
Dezember erwartungsfroh die Zimmertür öffnen und nachschauen, ob der
Nikolaus in der Nacht in ihren geputzten Stiefeln oder auf den bunten
Tellern Gaben hinterlassen hat. In manchen Familien erscheint am
Vorabend des Nikolaustages sogar ein Double des „heiligen“ Mannes
höchstpersönlich, meist zusammen mit einem treuen Begleiter, dem
Knecht Ruprecht.
Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem jahrhundertealten,
liebenswerten und noch immer in manchen Familien gepflegten
Brauchtum? Wenn es bei uns mitunter auch in Mummenschanz mit roten
Zipfelmützen ausartet und dabei langsam aber stetig ausstirbt oder
kommerziell verwässert wird.
Dabei geht der Brauch ursprünglich auf die Legenden zweier Heiliger mit
dem Namen Nikolaus zurück, deren vermeintliche Wundertaten im Laufe
der Jahrhunderte miteinander verwoben wurden: Die des Bischofs von
Myra in Kleinasien, der um 350 n. Chr. an einem 6. Dezember gestorben
sein soll, und die eines gleichnamigen Abtes von Sion, dessen Todestag
auf den 10. Dezember 564 datiert wird. Dieser Nikolaus war später Bischof
von Pinara in Lykien, ebenfalls in der heutigen Türkei gelegen.
Die Verehrung der Gestalt des heiligen Nikolaus breitete sich ab dem 7.
Jahrhundert von Ost nach West über den gesamten Mittelmeerraum aus.
Von einer Romreise brachte der Bischof Liudger, hierzulande volkstümlich
oft Ludgerus genannt, die Nikolauslegende mit in sein westfälisches
Bistum Münster. Dort gründete er um 800 in Billerbeck die erste
Nikolaikirche nördlich der Alpen.
Der heilige Nikolaus ist auf älteren Abbildungen fast immer mit den
Pontifikalien eines Bischofs – Krummstab, Mitra, Ring und Brustkreuz –
dargestellt. Seltener trägt er als Attribute dazu noch drei goldene Kugeln.
Die Kugeln verweisen auf eine Legende, wonach Nikolaus drei Jungfrauen
vor der Prostitution bewahrt haben soll, deren verarmter Vater keinen
Ausweg für sie sah, weil er ihre geforderte Mitgift nicht aufbringen konnte.
Als Nikolaus davon erfuhr, soll er drei Nächte nacheinander Gold durch
das Fenster ihres Schlafzimmers geworfen und die Mädchen so vor einem
schweren Schicksal gerettet haben. Nikolaus gilt daher als Schutzheiliger
der Jungfrauen.
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Er ist außerdem Patron der Pilger, Gefangenen und Bäcker – um nur
einige zu nennen. Als Schutzherr der Seefahrer gilt er, weil er einst auf
einer Seereise durch die Kraft seines Gebets einen schweren Sturm
abgemildert und Schiffbrüchige gerettet haben soll. Auf sein Patrozinium
über die Seefahrer ist es auch zurückzuführen, dass bis heute in vielen
Hafen- und Handelsstädten St. Nikolaus- oder Nikolai-Kirchen zu finden
sind, besonders häufig in den alten Hansestädten des Nord- und
Ostseeraumes.
Auf der Legende von den drei Jungfrauen basiert auch der Brauch, dass
Sankt Nikolaus am Vorabend seines angenommenen Todestages Gaben
bringt. Bis zur Reformation, mit der in den Jahren in vielen Regionen die
Abschaffung jeglicher Heiligenverehrung einherging, erhielten die Kinder
und Dienstboten am Nikolaustag Geschenke. Dem Reformator Martin
Luther, später selbst Familienvater, tat es leid, dass die Kinder leer
ausgingen. Er verlegte darum die Bescherung auf Weihnachten, das
Hochfest von Christi Geburt, und erfand dazu die Figur des „Heiligen
Christ“, der nachts heimlich die Gaben brachte. Im Laufe der Zeit wurde
daraus dann die Figur des „Christkindes“. Übrigens hält man in unserem
protestantischen Nachbarland Niederlande bis heute am Nikolausfest als
Tag der Geschenke fest.
In den heutigen Medien und in der Werbung kommt der heilige Nikolaus
in seiner eigentlichen Gestalt als Bischof kaum noch vor. Viel öfter jedoch
begegnen wir ihm auch hierzulande völlig verfremdet als amerikanischem
„Weihnachtsmann“, dargestellt als älteren Mann mit wallendem weißen
Bart und rotem Mantel. Dieser „Weihnachtsmann“ geht übrigens auf eine
Werbestrategie des amerikanischen Brausekonzerns Coca-Cola zurück.
Der ließ diese Kunstfigur ab 1931 für eine Werbekampagne zeichnen,
natürlich in den Firmenfarben rot und weiß. Wohl selten hatte eine
Werbefigur nicht nur in den USA, sondern weltweit eine solchen
durchschlagenden Erfolg.
In den Jahrhunderten zuvor hatten niederländische Einwanderer die
Bräuche um ihren „Sinterklaas“ (Sankt Klaus) nach Amerika mitgebracht.
Dort verschmolz der holländische Nikolaus mit dem englischen „Father
Christmas“ und dem irisch-katholischen St. Niklas. Daraus wurde im Laufe
der Zeit amerikanisch kurz „Santa Claus“, im Slang noch kürzer „Santa“
genannt. Dieser bringt amerikanischen Kindern, angetan mit roter
Winterkleidung, auf einem von Rentieren gezogenen Schlitten aus
arktischen Regionen kommend, die Geschenke durch den Kamin, und
zwar in der Nacht zum 25. Dezember. Von der frühchristlichen
Bischofsfigur des heiligen Nikolaus sind also jenseits des Atlantiks
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allenfalls Anklänge im Namen und die Sitte des Schenkens übrig
geblieben.
Eindeutig heidnischer Herkunft ist dagegen das Brauchtum um den
Begleiter des Nikolaus, den bei Kindern oftmals Furcht erregenden Knecht
Ruprecht. Er wird in den Niederlanden „Swaarte Piet“ – Schwarzer Peter
- genannt, im Alpenraum auch „Krampus“, in der Pfalz „Belzenickel“ und
hatte ursprünglich mit der Nikolauslegende nichts zu tun. Das nächtliche
Treiben wilder, schwarz vermummter Gesellen dürfte vielmehr von dem
Brauchtum herrühren, das sich um die Wintersonnenwende am 21./22.
Dezember rankt.
Übrigens hat der Hl. Nikolaus von Myra auch nach seinem Tod keine Ruhe
gefunden. Zunächst wurden seine Gebeine in seiner westtürkischen
Heimatstadt beigesetzt. Jahrhunderte später plünderten christliche
Kreuzritter 1087 das Grab. Sie brachten die Nikolaus-Gebeine nach Bari
in Süditalien. Dort wird noch heute in der mächtigen Kathedrale San
Nicola das Grab des Hl. Nikolaus verehrt. Zahlreiche Pilger aus der
katholischen und auch orthodoxen Christenheit reisen in die Hauptstadt
Apuliens, um auf diese Weise einen der populärsten christlichen Heiligen
zu ehren. Neuerdings erhebt der türkische Staat Anspruch auf die
Gebeine, die ja 1087 geraubt wurden und sich nach türkischer Lesart
widerrechtlich in Bari befinden. Das Ende dieses Streites um die Gebeine
ist offen.
Heinz Kallhoff
Nikolaus von Myra
(russische Ikone von Aleksa Petrov, 1294; entnommen aus Wikipedia)
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Daheim in meiner Welt!
„Es gibt nur zwei Arten, sein Leben zu leben:
Entweder so, als gäbe es keine Wunder,
oder so, als wäre alles ein Wunder.“
(Albert Einstein)
Ja, es läuft nicht immer alles glatt im Leben, zumal wenn man älter wird.
Auf Regen folgt Sonnenschein, auf Lachen oft Weinen, und jeder Tag hat
seine kleinen Glücksmomente, aber auch seine Schattenseiten. Da ist es
wichtig, wenn man auch die kleinen unangenehmen Dinge, die
Enttäuschungen, die Schläge richtig einzuordnen weiß. Heute haben wir
mal wieder eine kleine Radtour gemacht. Früh um acht ging es schon los.
Auf den Pflanzen standen noch die Wassertropfen, und zwischen den
Ästen und Grashalmen konnte man noch die kunstvollen Netze der
Spinnen bewundern. Nebelschleier trübten die Sicht im Wald, nein, sie
gaben allem einen märchenhaften Glanz. Wie herrlich ist die Natur, wenn
man ihr mit offenen Augen gegenüber tritt. Und ähnlich ist es mit den vielen
großen und kleinen Sorgen, die uns täglich treffen oder begegnen.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie einfach das Leben für die kleine Leona,
unser Enkelkind, ist. Offen und direkt spricht sie mit mir über ihre Gefühle,
und da kommt auch mal Kritik über die unsensiblen Erwachsenen: Mama
hat ihr verboten, Chips zu essen. Opa hat wieder mal keine Zeit, die
Nacktschnecke im Gras zu fotografieren, und Oma will partout die (Kinder) Post im Wohnzimmer nicht aufbauen, obwohl sich die Pakete und Briefe
bereits stapeln. Keiner hat Zeit für sie, und sie bekommt sowieso nie
etwas geschenkt. Aber dann ändert sich die Stimmung, denn es gibt noch
so vieles zu erzählen, was sie unbedingt loswerden muss.
Eben noch mit Tränen in den Augen, erzählt sie mir wenig später mit einem
Lächeln von der Eisprinzessin, Olaf dem Schneemann und ihren
Kaulquappen daheim, vom Kindergarten, ihrem neuen Schulranzen und
dem Ausflug in den Zoo.
Wichtig ist oft die Einstellung, die man zu den Dingen hat. Als mir jüngst
in ihrem Beisein schlecht wurde, gab sie einmal mehr einen ihrer weisen
Sprüche von sich. „Opa, jeder Mensch hat schon einmal gek...! Also tu Du
es auch, dann kannst Du wieder alles essen und trinken!“ Beim Blättern in
einem Fotoalbum kommt es immer mal wieder vor, dass man ihr sagen
muss, dieser Mann, diese Frau ist schon gestorben; alle Menschen
sterben irgendwann. Beim letzten Mal wurde ihr Blick traurig, und sie fing
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an zu weinen. „Opa, was mach‘ ich denn dann? Wenn alle Menschen
sterben, dann bin ich ja ganz alleine!“ Da ist man zunächst perplex, vor
allem, was antwortet man der Kleinen?
Meist sprechen wir dann über ihre Gefühle, über die schönen
Erinnerungen, die uns mit dem Verstorbenen verbinden, und die vielen
fröhlichen Stunden, die wir zusammen verbracht haben. Und dass ja die
meisten ihrer Bezugspersonen, vor allem Mama und Papa noch jung sind
und das ganze Leben vor sich haben. Das reicht schon, um wieder ein
Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Das Thema ist für den Moment
abgehakt, und stolz erzählt sie mir, dass sie mit Dennis kleine Frösche
(Kaulquappen) gefangen habe, die aber inzwischen ausgezogen seien,
weil ihnen das Glas zu eng geworden ist. „Und Opa, Fische mag ich nicht
essen, wohl Fischstäbchen.“ Punkt! Soviel für die Speisekarte. Und am
nächsten Wochenende wolle sie mit mir auf den Bauernmarkt. „Opa da
waren wir schon mal, als Oma noch ein Auto hatte. Opa ist das dicke
Schwein auch wieder da?“ Ich verspreche ihr, dass das Schwein sicher
schon auf sie warte. Die Welt ist für heute wieder im Lot. Leona freut sich
auf das nächste Wochenende, denn wenn es auf den Bauernmarkt geht,
muss sie natürlich auch bei Oma und Opa schlafen. Dann haben alle viel
Zeit für sie, und der Tag ist gerettet.
Rudolf Lützenkirchen
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Nur für Katzenfreunde?
Tobby zieht ein!
Essen? – Mein
Leibgericht!
Um es gleich vorweg zu sagen,
mein Tobby ist verfressen! Nichts
ist vor seiner Neugierde auf
Essbares sicher! Er macht nicht
einmal vor Krautsalat oder Senf
halt! Als ich meinen Teller mit zwei
Würstchen und Senf an ihm vorbei
trage, langt er mit einer ganz langen Pfote in den Senf. Ganz schnell
gelingt es mir, mit einer Serviette das Gröbste abzuwischen, ehe er meine
Möbel mit einen Pfötchen-Design verziert. Den Rest hat er dann
genüsslich abgeschleckt. Eine Blaubeere lässt sich herrlich durch die
Gegend rollen, als sie Matsch ist, nicht mehr! Nur Kaffee ist igitt und
Bananenschalen sind igitt! Dagegen Pellkartoffelschalen kann man
durchaus genießen. Ganz zu schweigen von dicken blau-grünen Fliegen!
Eine große Spinne rennt um ihr Leben – vergebens! Nun, die
Geschmäcker sind halt verschieden. Ob seine Katzenmama ihm wohl
beigebracht hat, dass die Zweibeiner viel Gutes futtern?
Es ist ja schließlich nicht so, dass mein armes Vierbeinerchen Hunger
leiden muss! Schon bevor er in mein Haus einzog, deckte ich mich mit
allen Leckerbissen für ein Katzenbaby ein, Nass- und Trockenfutter
standen ihm zur Verfügung. In null-komma-nix ist alles verputzt! Auch die
Mengenangabe habe ich ein wenig nach oben korrigiert, weil er ja sehr
lebhaft ist und viele Kalorien verbraucht. Wöchentlich einmal steige ich mit
und ohne Tobby auf die Waage. Die Waage steht vor einem großen
Spiegel, findet er ganz interessant, die Katze da auf meinem Arm zu
sehen. Und die wird auch gestreichelt!
Seinen Durst stillt er am Liebsten am Kran. Wenn er dabei eine nasse
Nase bekommt, so macht das gar nichts.
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Ich finde es schon wichtig, ihn katzengerecht zu ernähren und ihn von
schädlichen Nahrungsmitteln und Gewürzen fern zu halten! Schließlich
soll mein Kleiner ja ein gesunder großer Kater werden! So muss ich leider
meine Vorstellung, in seiner Gesellschaft meine Mahlzeiten einzunehmen,
noch etwas hinten anstellen! Der bereits erwähnte „Trick 17“ muss
angewandt werden. Aber wir arbeiten daran!
Sigrid Geipel
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Der verlorene Sohn
Jugenderinnerungen von Rosemarie Brathe
Wir lebten in einer der Neubauwohnungen in Flaesheim. Es war die dritte
Wohnung in meinem Leben. Meine Mutter hatte schon mehrere hinter
sich. Wir vier Kinder sind alle an einem anderen Ort geboren. Hier fühlte
sie sich wohl. Sie war endlich mit uns alleine.
Es war ja auch ein enormer Fortschritt, nachdem wir jahrelang so primitiv
gewohnt hatten. Allein das Bad und das gemütliche kleine, mit
Polstermöbeln ausgestattete Wohnzimmer waren für uns die tollste
Errungenschaft.
Es gab nur ein Schlafzimmer, und oben unter dem Dach hatte jede Familie
ein kleines Mansardenzimmer, das dann bald für meine ältere Schwester
frei wurde, als mein Bruder in die Ferne zog und zu einer neuen
Arbeitsstelle in Tauberbischofsheim ging. Er gründete später eine Familie
und ist bis heute dort geblieben.
Meine jüngere Schwester machte später auch einen Platz frei. Sie ging
ins Ursulinenkloster nach Dorsten, um dort eine Hauswirtschaftslehre zu
machen. Nur ab und zu kam sie am Wochenende, wenn sie frei hatte,
nach Hause.
Von dem Leben in so einer Wohnung und dem dazugehörigen Ort bleiben
ja auch viele Erinnerungen zurück. Immerhin waren es für mich acht
Jahre, die ich dort verbracht habe, meine Jungmädchenzeit.
Eine Freundin fand ich schnell dadurch, dass mich ein Mädel einlud, mit
ihr ins Kino zu gehen. Das Angebot nahm ich freudig an. Sie war ein
Einzelkind und lebte mit ihrer Mutter in einer kleinen DachgeschossWohnung. Ihr Vater war im Krieg vermisst. Rosi, sie hieß genau wie ich,
ging dann nach Dülmen und machte dort eine Friseurlehre. So sahen wir
uns nur am Wochenende. Später heiratete sie und wohnt bis heute in
Dülmen.
Ich lernte aber auch noch andere Mädchen kennen, durch die
Berufsschule und den Jungfrauenverein. Jedes Jahr im Sommer war
Jugendbekenntnissonntag. Dann gingen wir stolz mit unserer Fahne zum
großen Treffen aller jungen Vereine in die Sixtus-Kirche.
Auch die Umgebung in Flaesheim gefiel uns. Man konnte im Sommer,
wenn es heiß war, im Kanal schwimmen gehen. Ich traute mich aber nur
mit einer Schwimmweste, die ich geschenkt bekam, ins Wasser. Ich
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bewunderte den Mut der Jungen, die von der Brücke in den Kanal
sprangen. Auch der Wald war nicht weit, wo man schöne und lange
Sparziergänge machen konnte.
Meine Mutter freundete sich mit einem netten Ehepaar an. Sie luden uns
zu schönen Sendungen im Fernsehen ein. Auch hatten sie schon ein Auto,
und wir durften mitfahren nach Holland zum Einkaufen, was damals gerne
gemacht wurde.
Meine Mutter machte leckeren Kuchen und lud sie zum Kaffee ein, und
ich nähte für sie, so konnte man sich revanchieren. Mit den Mitbewohnern
im Haus hatten wir ein gutes Verhältnis. Wir feierten kleine Feste
zusammen, wie Silvester oder Karneval.
Besonders freute ich mich, wenn ein Cousin von uns kam. Er machte
Musik, spielte Akkordeon, Gitarre und Zither. Wir sangen dazu, und es gab
immer tolle Stimmung. Ich hätte auch gerne das Spielen auf einem
Instrument gelernt, aber dazu hatten wir kein Geld.
Manchmal kamen auch Onkel und Tante, die Eltern des Cousins, und
seine Schwester mit, und wir machten einen schönen Maigang in die
Haard mit Akkordeonbegleitung. Ja, mein Cousin war oft bei uns, er
vergaß auch nie den Geburtstag meiner Mutter. Dann ging er aus
beruflichen Gründen zunächst nach Süd- und später nach
Norddeutschland. So verlor man sich aus den Augen und hörte nichts
mehr voneinander. Seine Eltern und meine Mutter waren verstorben, und
mit der Schwester, die ihre eigene Familie hatte, hatte ich auch keinen
Kontakt mehr.
Vor etwa zweieinhalb Jahren klingelte es an meiner Tür. Als ich öffnete,
stand ein grauhaariger Mann mit Bart vor mir, den ich nicht kannte. Ich
fragte ihn, was er möchte. Er schaute mich herausfordernd an und sagte.
„Rosemarie, kennst Du mich nicht mehr?“ Als ich die Stimme hörte,
wusste ich, wer es war, nämlich Friedhelm, mein verlorener Cousin. Nach
fast 20 Jahren war er ein alter Mann geworden. Ich war auch nicht jung
geblieben, aber er erkannte mich doch noch.
Wir freuten uns und hatten viel zu erzählen. Er wohnte jetzt in Datteln,
nahe genug, um mich wieder öfter zu besuchen. Anfang Juni überraschte
er mich an meinem Geburtstag. Er schenkte mir eine seiner Gitarren mit
den Worten: „Das bringe ich Dir noch bei, Du lernst das noch!“ Dann
spielte er mir ein Ständchen auf der Zither, die er auch dabei hatte.
Zwei Freundinnen von mir, die auch zum Gratulieren gekommen waren,
hatten auch Spaß daran, und wir sangen mit ihm zu seiner musikalischen
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Begleitung schöne alte Lieder. Als er sich später verabschiedete, sagte er,
dass er zur Behandlung ins Krankenhaus müsste, er bekam eine
Chemotherapie. Er wollte keinen Besuch, er würde sich melden.
Es vergingen Wochen, er meldete sich nicht. Ich erreichte ihn auch nicht
auf seinem Handy. Ich rief seine Schwester an, die mir mitteilte, dass er
gestorben war. Sie hatte eine falsche Nummer und mich daher nicht
erreicht. Ich war geschockt. Schade, dass er schon gehen musste. Den
Geburtstag werde ich nicht vergessen. Gerade hatte man sich
wiedergefunden, und dann war es auch schon zu Ende. Er wird immer zu
den schönen Erinnerungen an die Zeit in Flaesheim gehören.
Rosemarie Brathe (rechts mit Akkordeon) im Kreise ihrer Familie
bei einer Maiwanderung am 01.05.1960
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Novemberstimmung
Trauer im Herz,
leise brennender Schmerz.
Abschied fällt schwer
von Sommersonne am Meer.
Leichtfüßig ging ich durch Wasser, durch Sand,
einen lauen Wind an der Hand.
Vorbei für eine Zeit,
Zukunft scheint weit.
Novemberstürme toben, Blätter fallen aufs Erdenreich,
Regen formt Waldwege weich.
Nebel steigt auf aus dunklen Gassen,
Stimmungen fallen in Massen.
Gräber ziehen uns an wie stumme Gedanken,
Gleichgewichte schwanken.
Gegenwart zu nah,
der Lebensmut ist in Gefahr.
Rauschendes Ahnen versteckt sich noch im
Blättermeer,
das Herz bleibt nicht immer so schwer.
Melancholie ist bald Vergangenheit,
neues Leben bringt die nahe Zeit.
Edith Groth
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Der kritische Nikolaus
Sankt Nikolaus kannte sich nicht mehr aus,
ging früher er von Haus zu Haus
und war stets ein willkommener Gast;
nun wurde sein Besuch für ihn zur Last.
Der große Rucksack nur noch drückt,
symbolisch für den Staat bestückt.
Auf hohem Ross sie saßen alle
und lockten ihn in eine Steuerfalle.
Weil schwankend so ein Schaukelpferd,
sind oft Entscheidungen nichts wert.
Trotz Geschaukel wir ja wissen,
wird keiner aus dem Sitz geschmissen.
Ein Schiff, dem Sturme preisgegeben,
kämpft immerzu ums Überleben.
Die Bälle, die man wirft sich zu,
zeigen nur gespielte Ruh.
Wenn am Jahresende die Moneten man zählt
und merkt, dass manches im neuen Jahre fehlt,
weil das Preiskarussell
schwindelerregend sich drehte schnell.
Glücklich schätzt sich, der nicht ward verführt
mit Aktien und daher an Wert nichts verliert.
Man hatte so sehr seinen Banken vertraut,
geträumt, einst das Ersparte zu mehren,
umso in der Krisenzeit nichts zu entbehren.
„Ich rate Euch“, meint der Nikolaus,
„packt meine Päckchen nicht alle aus.
Was schön verpackt, soll imponieren,
doch könnte beim Öffnen explodieren.“.
Über Reformen, halbherzig durchgedacht,
man schon lange nicht mehr lacht.
„Eine Gesundheitsreform wird Euch geboren.
Sie wird zum prächtigen Sparschwein erkoren.
In einem Stall zur Welt gebracht,
sie Euch zu gesunden Menschen macht!
Ihr müsst vor dem Ende der Quartale erkennen,
in dieser Zeit nicht mehr zum Doktor zu rennen,
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weil sein Budget bereits überzogen
und er von den Kassen fühlt sich betrogen.
Die Mittel der Ärzte, sie reichen nicht aus.
Ab der achten Woche heilt selbst Euch zu Haus
mittels bewährter Gesundheitsdevise:
Mit Tees und Säften und frischem Gemüse.
Die Ärzte geloben, sie würden sich freuen,
am Quartalsanfang wieder Euch gut zu betreuen!“
Der Staat ist stolz auf Demokratie,
doch macht sie die Bürger so gläsern wie nie.
Mit Wahlversprechen man uns verführt –
wen wundert’s, dass mancher mit Tricks reagiert.
Mechtild Werner
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„Früher war mehr Lametta!“ (Loriot)
Es gibt so ein paar Fernsehsendungen, die wir uns jedes Jahr um die
Weihnachtszeit wieder anschauen. Dazu gehört die Familie Heinz Becker
mit ihrem unvergesslichen Hl. Abend und natürlich „Weihnachten bei
Hoppenstedts“ von Vicco von Bülow, Künstlername Loriot. Da muss man
schon mit den Tränen kämpfen, wenn man sieht, welcher Berg von
Geschenken zwischen den Familienmitgliedern ausgetauscht wird. Es ist,
als erfüllten alle ihre Pflicht und das war`s. Und dazwischen der ewig
nörgelnde Großvater mit seinem Hinweis „Früher war mehr Lametta!“ Von
Stille und Besinnlichkeit kann da keine Rede sein. Die Hektik des Abends
lässt keine Ruhe zu. Der wahre Sinn der Weihnacht geht schon im Ansatz
unter.
Früher war überhaupt alles besser, könnte man meinen, wenn man sich
so im Kreis der Bekannten und Verwandten umhört. Viele schwärmen
förmlich von der stillen Weihnacht im Kreis der Familie, als man noch
zusammen musizierte, als noch echte Kerzen den Baum schmückten und
mangels Fernsehen Geschichten erzählt wurden. Ich kann mich erinnern,
dass in der guten Stube meiner Oma zu Weihnachten sicher 15 Personen
saßen. Man aß und trank zusammen. Man tauschte sich aus, und es war
richtig gemütlich, auch wenn man vor lauter (Zigaretten-) Qualm kaum
noch etwas sehen konnte.
Eigentlich verwunderlich, wenn man berücksichtigt, wie sich unser Alltag
in den letzten Jahren, Jahrzehnten, fortentwickelt hat. Die Technik hat
überall Einzug gehalten. Sie erleichtert uns das tägliche Leben, führt aber
leider auch dazu, dass sich die Menschen, selbst wenn sie unter einem
Dach leben, immer weiter voneinander entfernen. Ich selbst tu mich heute
schon schwer, einen handgeschriebenen Brief zu verfassen. Wenn eben
möglich, erledige ich so etwas mit dem PC. Und wenn der mal kaputt oder
„abgestürzt“ ist, kommt das einer mittleren Katastrophe gleich.
Bei aller Technik, bei allem Fortschritt scheinen wir doch einiges zu
vermissen. Das neueste Handy, der neueste Wagen, der beste Fernseher
kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass all dies zu Lasten der Wärme
und Menschlichkeit in den Wohnstuben geht. Eigentlich ist es nicht
verwunderlich, dass sich die Menschen nach Weihnachten sehnen, denn
viele tragen eine Sehnsucht nach Frieden, nach Harmonie und
Geborgenheit mit sich herum. Bei vielen gewinnt auch die Einsicht an
Boden, dass noch so viel Geld mir keine absolute Sicherheit garantiert.
Die Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe und die Frage nach dem
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Sinn unseres Daseins kommen immer wieder hoch und beunruhigen uns.
Und viele fühlen sich einsam, sie leben alleine und vermissen das
Gespräch mit einem lieben Menschen.
Weihnachten rücken alle, oftmals notgedrungen, wieder näher
zusammen. Man begegnet sich, wie sonst kaum jemals im Jahr, und alles
Trennende, aber auch das Verbindende wird für kurze Zeit sichtbar. Von
daher ist Weihnachten auch eine Chance. Vielleicht lassen sich zwischen
allem Trennenden wieder Brücken schlagen. Es wäre schön, wenn Raum
wäre für ein klärendes Gespräch, wenn das Licht und die Wärme der
Kerzen die Herzen erreichen und öffnen würde, wenn wir uns als
Menschen begegnen, sie aufeinander angewiesen sind. Denn die
wirklichen Sehnsüchte und Probleme können wir nicht alleine, sondern nur
gemeinsam lösen.
Rudolf Lützenkirchen
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Knecht Ruprecht
Von einer Weihnachtsgeschichte erwartet man gemeinhin, dass sie von
glänzenden Kinderaugen berichtet, die flackernde Lichter und bunte
Geschenke bewundern. Der Tannenbaum leuchtet, ein tiefer Friede kehrt
in die Stuben ein, und Harmonie legt sich über das Land. Diese Erzählung
macht das nicht, sondern zeigt ein Kind, das durch einen alten Brauch in
Bedrängnis gerät.
Der umfassende Krieg hatte das Ruhrgebiet zerschlagen und setzte
wie ein Wildtier zum Sprung an, um auch die Reste des Lebens in seinen
Krallen zu zerfetzen. Die Menschen flohen dorthin, wo die physische
Existenz noch ziemlich sicher war, das Heil der Welt ist wie das Elend
ungleichmäßig verteilt.
So wurde der fünfjährige Alfred nach einer erneuten Bombennacht
ins Bauernland zu seiner Tante Maria gebracht, einer lieben, schon älteren
Frau, einer Halbschwester seiner Mutter. Tagsüber war Alfred glücklich mit
den Hühnern und den Kühen und der Fürsorge, die ihn umgab, aber
nachts jammerte er manchmal nach der Mutter, wenn er erst durch den
Flur, dann durch die Küche, weiter durch den langen Kuhstall bis zum
Häuschen tappte, um ein Bächlein zu machen. Dann war es kalt, und die
Schatten waren lang im Stall und formten gespenstische Gestalten an den
Wänden.
Als der Winter um das Haus schlich, wurde gearbeitet, gespielt und
gelesen, und die Tante erzählte von Wildschweinen in den Wäldern, von
Hexen und Feen und in der Weihnachtszeit berichtete sie vom Christkind,
das nach der Geburt in eine Krippe gelegt wurde, und vom Nikolaus, der
den Kindern etwas schenkt, wenn sie brav waren, und seinem Knecht,
dem Ruprecht. Alfred hörte diese Geschichten mit Begeisterung, wie alle
Kinder, doch wenn es zu gruselig wurde, drückte er sich an die Tante und
hielt ihr den Mund zu. Einmal kam ein großes Paket, und jemand sagte,
es sei bestimmt vom Christkind, aber nach einer Woche, als es geöffnet
wurde, waren nur die Sämereien für die nächste Gartenaussaat darin.
Anfang Dezember wurde es schon richtig kalt, sodass sich am Ofen
der gemütlichste Platz befand. Die Tante hatte noch in der Küche zu tun,
und in der Stube waren nur der rauchende Onkel und eine ältere
Verwandte, die die Wäsche richtete, während Alfred mit seinem Holzpferd
spielte. Der Wind rüttelte an den Fensterläden, doch in dieses Geräusch
mischte sich plötzlich ein anderes, als schlüge jemand gegen die Läden,
als würde die Kastanie vor dem Haus mit ihren Zweigen am Fenster
schaben. Alfred horchte auf, als ein Poltern im Flur zu hören war,
stampfende Schritte, die sich näherten. Jetzt pochte etwas gegen die
Zimmertür und scheuerte und kratzte, und langsam öffnete sie sich, und
eine große, schwarze Hand schob sich herein mit einem Reisigbündel
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darin, wie eine Rute, dann trat ein Wesen in den Raum, wie Alfred es noch
nie gesehen hatte. Groß und massig wie ein Waldmensch, mit Tüchern
und Säcken bekleidet, das Gesicht bedrohlich verhangen, um die Hüfte
eine Kuhkette gebunden, bewegte es sich plump und eckig durch den
Raum, schmiss seinen Getreidesack auf die Dielen und blieb vor dem
Jungen stehen. Dann knurrte das Monstrum, ruckte die Arme nach vorn
und zurück, wiegte den Kopf, trat mit dem Fuß heftig auf den Boden und
murmelte undeutlich: „Bist du Alfred?“
Als die Tür sich geöffnet hatte, die Gestalt den Raum ausfüllte, war
Alfred erstarrt. Er fühlte böses Erstaunen, und als sich das Biest noch an
ihn wandte, die andern im Raum schien es gar nicht zu bemerken, da stieg
sie wieder auf, die Angst, die Angst der Bombennächte. Die Erde dröhnte
wieder, die Tür dehnte sich unter der Druckwelle, dass Alfred seinen Kopf
bei der Mutter verstecken wollte, aber es war keine Mutter da; es fehlte
auch die Tante Maria - da lief er in die Ofenecke, warf sich auf den Boden,
krümmte sich zusammen und wimmerte. „Ich bin der Knecht Ruprecht“,
sagte das Ungeheuer zögernd, aber niemand hörte so richtig zu, der Bub
nicht und die andern nicht; die Erwachsenen wunderten sich über den
Kleinen und wollten lachen, doch das Kind war in Panik, das schöne
Nikolausereignis war zum Horror geworden. Kein Christkind schaute
lächelnd vom Himmel, als unter den Säcken die liebe Tante Maria
hervorkam und den Bub streichelte.
Der Onkel trug Alfred in sein Bett, weil er sich nicht beruhigen
konnte. Man brachte warme Milch, doch er wollte sie nicht trinken, so
summte Maria ein Wiegenlied und strich ihm über den Kopf, bis Alfred
endlich einschlief und im Schlaf zuckte und stöhnte.
Am nächsten Morgen schien die Wintersonne auf den ersten Schnee,
dass es glitzerte und funkelte, die Bäume hatten ihre Zweige weiß umhüllt,
die Dächer leuchteten hell, die Hühner kamen nicht aus ihrem Stall, weil
sie der Situation misstrauten, die Kühe fraßen ihr Rübenstücke und zogen
an den Ketten, hinter dem Haus saßen die Krähen in den Bäumen, riefen
nicht ihr gewohntes Krah und verhielten sich still, als wären sie über ihre
geänderte Welt verwundert, und an der Hand von Tante Maria wagte sich
der verwundete Knabe erneut in das Abenteuer Leben. Er spielte
vorsichtig mit dem Schnee, fühlte, dass der kalt war und wandte sich
schnell wieder zur Tante. Der Hofhund näherte sich, mit dem Schwanz
wedelnd den Menschen, leckte mit der langen Zunge den Kleinen und
hüllte ihn in seine Liebe ein.
Hugo Dahlmann
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St. Niklas
St. Niklas ist ein alter Mann,
trägt einen weißen Bart,
er hat den roten Mantel an,
er lenkt das flinke Renngespann
auf seiner weiten Fahrt.
Und wenn er dann nach Haltern kommt,
packt er die Säcke aus,
am Brunnen warten, wie‘s sich frommt,
die Kinder schwarz und rot und blond,
aufs reinste Warenhaus.
Die Peitsche knallt, St. Sixtus winkt,
ab geht die wilde Jagd,
vom Turm der dicke Peter klingt,
der Schlitten fast im Schnee versinkt,
kein Kind hat sich beklagt.
Winter
Winter packt uns eisig ein,
lässt die Wasser jäh erstarren,
macht die Bäume müde knarren,
in den Fenstern Lampenschein.
Warten auf die heiligen Tage,
auf das fromme Kindelein,
Lieder voller Seligsein,
endlich Schluss mit dem Gejage.
Hase hoppelt übers Feld,
Füchslein schläft in seinen Röhren,
nur den Raben kann man hören,
Friede auf der ganzen Welt.
Hugo Dahlmann
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Kurmaßnahme
In einer Kur man immer denkt,
uns die Gesundheit wird geschenkt.
Dafür genommen jeder Frust
Und aufgetischt die Lebenslust.
Die Therapie macht uns Vergnügen,
weil man uns lässig können fügen
dem Therapeuten, der sich bemüht,
zu lindern, wo es zwackt und zieht.
Stets im ‚Hoch‘ steh’n unsere Sinne;
Wir sehen darin Kur-Gewinne,
die wir im Inneren uns bewahren,
wenn wir dann nach Hause fahren.
Mechtild Werner
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Die Schmunzel-Ecke
Eingebracht von Mechtild Werner:
Ein Mann, der trank gern abendlang
und fand nach Mitternacht erst Ruh‘;
die Dame, leicht benebelt, sang:
„Der schönste Cocktail, der bist Du“!
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Deutsch-Unterricht mit Friedrich Halfmann
„Die Arbeit tut mir auch gut“
In Haltern arbeiten Helfer an zwei Schwerpunkten: Die
einen kümmern sich um die Flüchtlinge, die in der
Landesnotunterkunft (Erstaufnahmelager)
in Sythen
vorübergehend eine Bleibe finden, die anderen um die
Asylbewerber, die in den städtischen Unterkünften leben.
In Sythen ist Platz für 200 Menschen, in den städtischen
Unterkünften wohnen (Stand Mitte November) 485
Familien und Einzelpersonen unterschiedlichster Nationen. Die Quote
ändert sich stetig.
E
hrenamtliche aller Altersgruppen engagieren sich, um den
Flüchtlingen zu zeigen, dass sie willkommen sind - und um ihnen
ein wenig Heimatgefühl in der Fremde zu geben. Zu ihnen gehört
Friedrich Halfmann (78). Er erteilt seit Februar dienstags und donnerstags
Deutschunterricht. Grundlage ist das Thannhauser Modell: Die
Asylbewerber eignen sich mit Hilfe einfache deutsche Sprachkenntnisse
an, um sich mündlich im Alltag verständigen zu können. „Wo ist das
Rathaus, ich heiße…, ich wohne…, ich komme aus…“ – das sind einfache
Sätze, die die Besucher des Unterrichts üben, damit sie
Standardsituationen beherrschen können. „Es gibt auch Analphabeten,
die erst das ABC lernen müssen. Manche haben weder Zugang zur
englischen noch zur deutschen Sprache, andere können Englisch, aber
kein Deutsch, manche haben bereits gute Grundlagen in der deutschen
Sprache“, verdeutlicht Friedrich Halfmann das große Spektrum. Ihnen
allen gerecht zu werden, das ist eine besondere Herausforderung.
Mit Friedrich Halfmann arbeiten unterstützend weitere Ehrenamtliche, so
dass man sich mal den Schwächeren, mal den Stärkeren zuwenden kann.
Die Verständigung in der Gruppe funktioniert gut: Über Sprache, Mimik,
Theaterspiel oder durch das Dolmetschen untereinander. „Das ist nie
trockener Unterricht“, freut sich der Halterner. Er war Lehrer für Politik,
Sozialwissenschaften, Psychologie und katholischer Religion am MarieCurie-Gymnasium Recklinghausen. Pädagogik ist also ohnehin sein
Metier.
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15 bis 17 Asylbewerber besuchen in der Regel in den Unterricht. Dieser
findet jetzt nach dem Auszug aus dem alten Gesundheitsamt
(Schmeddingstraße) in der Erich-Kästner-Schule an der Drususstraße
statt. Manchmal kommen die Menschen einfach, um die deutsche
Sprache zu hören und sich ihrer vertraut zu werden.
W
arum er sich in seinem Alter noch engagiert, statt den
Ruhestand für sich zu genießen? „Das ist einfach etwas
Schönes, anderen Menschen Fähigkeiten zu vermitteln, die sie
im Augenblick gebrauchen.“ Und es gehe um das alte Thema: Was ist
eigentlich der Andere, der Fremde? „Ich bin nicht davor gefeit, ganz alte
Mechanismen funktionieren zu lassen, in denen ich groß geworden bin.
Es geht darum, Andere neu zu erleben, auch gefühlsmäßig in sich
aufzunehmen und zu respektieren. Das ist ein Lebensvorgang, der
gepflegt und kultiviert werden muss.“
Friedrich Halfmann fühlt sich nicht als der Überlegene. Auch er habe
gelegentlich Angst vor manchen Fremden, die kommen. Aber es sei auch
wichtig, mit solchen Gefühlen umgehen zu können. Der 78-Jährige ist
skeptisch, ob Deutschland letztlich die Integration der Flüchtlinge gelingt.
„Ich fürchte, dass wir es am Ende nicht schaffen werden, weil die große
Politik sich entweder nicht traut oder Angst hat, diese Herausforderung
wirklich anzunehmen und anzugehen. Dass Widerstände auftauchen,
empfindet Friedrich Halfmann als ganz normal. Aber wenn die politische
Ebene diesen Tenor übernehme oder gar verstärke, dann geschehe nichts
mehr. „Ich bin überzeugt, die Integration dürfte objektiv kein Problem sein.“
Aber Deutschland habe den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt und
kranke an einer ungerechten Reichtumsverteilung.
F
riedrich Halfmann will weitermachen und mit seinen menschlichen
Ressourcen gegensteuern. „Ich habe Zeit, genügend Energie, der
Sprachunterricht macht Spaß, obschon er anstrengend ist. Die Zeit
miteinander tut mir und tut meinen Schülern gut.“
Elisabeth Schrief
Kontakt zum Asylkreis: Annabergstraße 166, E-Mail: [email protected] Internet: www.asylkreis-haltern.de
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Zu guter Letzt
Nachdem alle ‚Unklarheiten‘ (in Sachen Fehler) bereinigt sind, konnten Sie sicher
diese Ausgabe genießen.
Auch die nächste Sprachrohr-Ausgabe wird hoffentlich Ihren Wünschen und
Vorstellungen gerecht werden. Geben Sie uns Hinweise und Tipps zur Gestaltung
Ihrer Senioren-Zeitung. Wie bereits gesagt, „Wir nehmen Anregungen gerne auf!“
Ich erlaube mit diesmal – ausnahmsweise - auf das Gemeinschaftsbuch des
Caritasverbandes, der Halterner Zeitung und mir hinzuweisen (siehe das Plakat
dazu); der Gesamterlös ist für die Flüchtlingshilfe in Haltern am See vorgesehen.
Wäre toll, wenn Sie uns durch den Kauf dieses schönen Weihnachtsbuches
unterstützen würden!
Auf die geplante Sonderausgabe oder Beilage zum Thema ‚Bewegt GESUND ÄLTER
werden‘ haben wir bewusst verzichtet. Der Stadtsportverband und der Seniorenbeirat
sind sich einig darüber, dass das Thema so komplex ist, dass erst noch einige
Abstimmungsprozesse erfolgen. Wir halten Sie aber auch hierüber in der nächsten
Auflage auf dem Laufenden!
Diese ist für März 2016 geplant. Bis dahin wünschen wir Ihnen aber erst einmal alles
Liebe und Gute, eine frohe Weihnacht und ein gutes neues Jahr! Bleiben oder werden
Sie gesund!
Ihr
Jürgen Chmielek
und
die Redakteure und Autoren dieser Ausgabe (in Reihenfolge des Alphabets):
Rosemarie Brathe, Ursula Braun, Rosemarie Büscher, Hugo Dahlmann, Sigrid Geipel,
Edith Groth, Heinz Kallhoff, Rolf Möhlmeier, Elli Krämer, Marlies Schaefer, Herbert
Schmitt, Elisabeth Schrief, Petra Völker (Stadtsportverband), Mechtild Werner, Gertrud
Zihla
Hinweis: Die Fotos in dieser Ausgabe wurden privat zur Verfügung gestellt oder wurden als ‚frei
verfügbare Fotos‘ aus dem Internet herunter geladen oder von der Stadtagentur zur Verfügung gestellt.
Danken möchte ich auch Elke Rüdiger für das Korrekturlesen Großteile des Manuskriptes!
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Herausgeber: Stadt Haltern am See
Redaktion/Kontaktadresse:
Jürgen Chmielek
Arenbergstraße 20
45721 Haltern am See (Flaesheim)
Tel.: 02364/5049288
Mail: [email protected] (Gerne übersende ich Ihnen auch eine PDF-Version zu)
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