Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und

Deutsche Vereinigung für
gewerblichen Rechtsschutz und
Urheberrecht e.V.
Der Generalsekretär
Konrad-Adenauer-Ufer 11
RheinAtrium
50668 Köln
Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V.
Konrad-Adenauer-Ufer 11 . RheinAtrium . 50668 Köln
Bundesministerium
der Justiz und Verbraucherschutz
Frau MRn Dr. Jutta Figge
Mohrenstr. 37
10117 Berlin
Telefon (0221) 650 65-151
Telefax (0221) 650 65-205
E-Mail [email protected]
www.grur.org
16. Juni 2015
Vorab per Fax: [email protected]
[email protected]
Stellungnahme
der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
(GRUR)
zum Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf vom 31. März 2015 im Verfahren
Hassan gegen Breidig Vertriebsgesellschaft mbH, Rs. C-163/15 (ARKTIS)
Die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR) ist eine wissenschaftliche Vereinigung der auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, des Urheberrechts
und des Wettbewerbsrechts tätigen Wissenschaftler und Praktiker. Sie bezweckt nach ihrer Satzung die
wissenschaftliche Fortbildung und den Ausbau des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts auf der Ebene des deutschen, europäischen und internationalen Rechts.
1. Der Beschluss des OLG Düsseldorf 31. März 2015, Az. I-20 U 259/13
Mit Beschluss vom 31. März 2015 hat das OLG Düsseldorf dem Gerichtshof der Europäischen Union
(EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäss Art. 267 AEUV vorgelegt:
1. Steht Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/ 2009 des Rates vom 26. Februar
2009 über die Gemeinschaftsmarke der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung
einer Gemeinschaftsmarke durch einen Lizenznehmer entgegen, der nicht in das Gemeinschaftsmarkenregister eingetragen ist?
2. Falls Frage 1. bejaht werden sollte: Steht Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr.
207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke einer nationalen
Rechtspraxis entgegen, nach der der Lizenznehmer die Ansprüche des Markeninhabers gegen
den Verletzer im Wege der Prozessstandschaft durchzusetzen kann?
1/7
Bankverbindung  Sparkasse KölnBonn  BLZ 370 501 98  Konto-Nr.: 1 062 744
Die Zeichen GRUR und die grüne Farben sind eingetragene Marken der Vereinigung.
Diese Fragen stellen sich in einem Verfahren zwischen der Klägerin, der Breidig Vertriebsgesellschaft
mbH, und Herrn Hassan, dem Beklagten, wegen der Benutzung der Marke „Arktis“ für Bettdecken. Die
Klägerin ist Lizenznehmerin der KBT & Co. Ernst Kruchen agenzia commerciale sociétá. Diese ist Inhaberin der am 15. August 2002 angemeldeten und am 11. Februar 2004 für Bettwaren und Bettdecken in
Klasse 24 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke „ARKTIS“, Nr. 2818680. Nach § 5 Abs. 3 des Lizenzvertrages ist die Klägerin verpflichtet, im eigenen Namen Rechte wegen der Verletzung der Markenrechte der Lizenzgeberin geltend zu machen. Eine Eintragung der Lizenz in das Gemeinschaftsmarkenregister ist nicht erfolgt.
Der Beklagte, Geschäftsführer der OVL Onlinevertrieb & -logistik GmbH & Co. KG, wird wegen einer
Verwendung der Marke „Arktis“ in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten wegen
eines Verstoßes gegen eine frühere vertragliche Unterlassungsvereinbarung verurteilt. Das OLG hält
diese frühere Vereinbarung für nicht anwendbar, so dass eine Haftung des Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn er wegen Verletzung der Rechte an der Gemeinschaftsmarke „Arktis“ in Anspruch
genommen werden kann. Die Klägerin ist allerdings nicht Markeninhaberin, sondern Lizenznehmerin.
Das OLG: „Der Erfolg des Rechtsmittels des Beklagten hängt nach der Auffassung des Senats davon
ab, ob die Klägerin, die ausweislich § 5 Abs. 3 des Lizenzvertrages über [die] nach Art. 22 Abs. 3 Satz 1
Gemeinschaftsmarkenverordnung erforderliche Zustimmung der Markeninhaberin verfügt, die Rechte
wegen der Verletzung der Gemeinschaftsmarke geltend machen kann, obwohl sie nicht als Lizenznehmerin in das Gemeinschaftsmarkenregister eingetragen ist.“
Zur Begründung der Vorlagefragen führt das OLG aus, es habe in einer früheren Entscheidung die Auffassung vertreten, „Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Gemeinschaftsmarkenverordnung regele nur die Möglichkeit
des gutgläubigen Erwerbs. Zwar spreche die Vorschrift allgemein davon, dass die in den Artikeln 17, 19
und 22 bezeichneten Rechtshandlungen hinsichtlich einer Gemeinschaftsmarke gegenüber Dritten in
allen Mitgliedstaaten erst Wirkung hätten, wenn sie eingetragen worden seien, weshalb bei einem rein
wörtlichen Verständnis darunter auch die Erhebung von Verletzungsklagen durch den Lizenznehmer
gefasst werden könnte. Der nachfolgende Satz 2 und Absatz 2 beträfen jedoch nur den Fall gutgläubigen Erwerbs, weshalb eine systematische Auslegung auch für Satz 1 zu diesem Ergebnis führe. Der
Senat hat seinerzeit die Revision zugelassen, die jedoch nicht eingelegt worden ist. Demgegenüber hat
das Gemeinschaftsmarkengericht Alicante in seiner Entscheidung vom 15. Juli 2005, Aktenzeichen
965936093-4-5-6, anscheinend die Auffassung vertreten, der Lizenznehmer könne Rechte Dritten gegenüber nur bei Eintragung der Lizenz in das Gemeinschaftsmarkenregister geltend machen. Art. 23
Abs. 1 Satz 1 Gemeinschaftsmarkenverordnung normiere den Grundsatz, dass bei jedem eintragungsfähigen Rechtsgeschäft eine Eintragung erforderlich sei, um es Dritten entgegengehalten zu können.“
Das OLG begründet die hilfsweise gestellte zweite Frage wie folgt: „Falls die Eintragung der Lizenz
Voraussetzung für die Geltendmachung der Rechte des Lizenznehmers sein sollte, stellt sich die weitere Frage, ob der nicht eingetragene Lizenznehmer die Rechte des Markeninhabers im Wege der Prozessstandschaft gelten machen kann. … Im deutschen Recht ist anerkannt, dass ein Nichtberechtigter
die Ansprüche des Rechtsinhabers im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen
kann, wenn er über eine wirksame Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des
Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse an dieser Rechtsverfolgung, das auch
durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden kann, verfügt (Bundesgerichtshof, GRUR 1993,
151, 152 - Universitätsemblem). Diese Voraussetzungen wären vorliegend erfüllt.“
2/7
2. Die Vorschriften der Gemeinschaftsmarkenverordnung
Die Vorschriften über die Lizenz an einer Gemeinschaftsmarke finden sich in Art. 22 der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV). Art. 22 GMV lautet wie folgt.
Artikel 22 - Lizenz
(1) Die Gemeinschaftsmarke kann für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für
die sie eingetragen ist, und für das gesamte Gebiet oder einen Teil der Gemeinschaft Gegenstand von Lizenzen sein. Eine Lizenz kann ausschließlich oder nicht ausschließlich sein.
(2) Der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke kann die Rechte aus der Gemeinschaftsmarke gegen einen Lizenznehmer geltend machen, der hinsichtlich des Folgenden gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags verstößt:
a) der Dauer der Lizenz;
b) der von der Eintragung erfassten Form, in der die Marke verwendet werden darf;
c) der Art der Waren oder Dienstleistungen, für die die Lizenz erteilt wurde;
d) des Gebiets, in dem die Marke angebracht werden darf;
e) der Qualität der vom Lizenznehmer hergestellten Waren oder erbrachten Dienstleistungen.
(3) Unbeschadet der Bestimmungen des Lizenzvertrags kann der Lizenznehmer ein Verfahren
wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke nur mit Zustimmung ihres Inhabers anhängig
machen. Jedoch kann der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz ein solches Verfahren anhängig machen, wenn der Inhaber der Gemeinschaftsmarke nach Aufforderung nicht selber innerhalb einer angemessenen Frist die Verletzungsklage erhoben hat.
(4) Jeder Lizenznehmer kann einer vom Inhaber der Gemeinschaftsmarke erhobenen Verletzungsklage beitreten, um den Ersatz seines eigenen Schadens geltend zu machen.
(5) Die Erteilung oder der Übergang einer Lizenz an einer Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag
eines Beteiligten in das Register eingetragen und veröffentlicht.
Die Vorschriften über die Drittwirkung von Rechten an einer Gemeinschaftsmarke finden sich in Art. 23
GMV. Art 23 GMV lautet wie folgt:
Artikel 23 - Wirkung gegenüber Dritten
(1) Die in den Artikeln 17, 19 und 22 bezeichneten Rechtshandlungen hinsichtlich einer Gemeinschaftsmarke haben gegenüber Dritten in allen Mitgliedstaaten erst Wirkung, wenn sie eingetragen worden sind. Jedoch kann eine Rechtshandlung, die noch nicht eingetragen ist, Dritten entgegengehalten werden, die Rechte an der Marke nach dem Zeitpunkt der Rechtshandlung erworben haben, aber zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Rechte von der Rechtshandlung
wussten.
(2) Absatz 1 ist nicht in Bezug auf eine Person anzuwenden, die die Gemeinschaftsmarke oder
ein Recht an der Gemeinschaftsmarke im Wege des Rechtsübergangs des Unternehmens in
seiner Gesamtheit oder einer anderen Gesamtrechtsnachfolge erwirbt.
3/7
(3) Die Wirkung einer in Artikel 20 bezeichneten Rechtshandlung gegenüber Dritten richtet sich
nach dem Recht des nach Artikel 16 maßgebenden Mitgliedstaats.
(4) Bis zum Inkrafttreten gemeinsamer Vorschriften für die Mitgliedstaaten betreffend das Konkursverfahren richtet sich die Wirkung eines Konkursverfahrens oder eines konkursähnlichen
Verfahrens gegenüber Dritten nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem nach seinen Rechtsvorschriften oder nach den geltenden einschlägigen Übereinkünften das Verfahren zuerst eröffnet wird.
3. Stellungnahme
Die GMV behandelt die Markenlizenz in dem Abschnitt der Verordnung, der Vorschriften über die Gemeinschaftsmarke als Gegenstand des Vermögens enthält (Art. 16 ff. GMV). Diese Bestimmungen betreffen insbesondere den Rechtsübergang (Art. 17 GMV), dingliche und andere Rechte an der Gemeinschaftsmarke (Art. 19, 20, 21 GMV), die Markenlizenz (Art. 22 GMV) und die Drittwirkung von Rechten
an der Gemeinschaftsmarke (Art. 23 GMV). Da die Rechtsordnung der EU keine eigenen Regelungen
über Rechte an Sachen oder Rechten enthält, verweist die GMV hinsichtlich der nicht in der GMV geregelten Sachverhalte in ihrem Art. 16 auf die Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in dem der Markeninhaber ansässig ist, für nicht in der EU ansässige Markeninhaber auf die Rechtsordnung des Sitzstaats des
EU Markenamts (Spanien).
Die GMV gestattet den Abschluss von Verträgen über die Benutzung von Gemeinschaftsmarken (Lizenzverträgen), ohne irgendwelche Förmlichkeiten vorzuschreiben. Anders als Verträge über den
Rechtsübergang der Gemeinschaftsmarke, die schriftlich abgeschlossen werden müssen, sind Lizenzverträge auch dann gültig, wenn sie nicht schriftlich geschlossen werden. Die GMV gestattet einfache
und ausschließliche Lizenzverträge und sachliche und territoriale Beschränkungen des Benutzungsrechts des Lizenznehmers. Die GMV selbst enthält keine unmittelbare Aussage über die Rechtsnatur
der Lizenz. Eine solche ist allerdings auch entbehrlich, da die Fragen des Sukzessionsschutzes sowie
der Klagebefugnis, die üblicherweise unter Rückgriff auf die Rechtsnatur beantwortet werden, unmittelbar normiert werden.
Soweit es die Klagebefugnis des Lizenznehmers wegen Verletzungen des Markenrechts betrifft, ergibt
sich aus Art. 22 Abs. 3 GMV, dass ein einfacher Lizenznehmer der Zustimmung des Markeninhabers
bedarf, die im Lizenzvertrag oder auch ad hoc erteilt werden kann, während ein ausschließlicher Lizenznehmer unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne eine solche Zustimmung Klage erheben
kann. Im Ergebnis kann sich der einfache Lizenznehmer nur auf eine gewillkürte Prozessstandschaft
berufen, während zu Gunsten eines ausschließlichen Lizenznehmers bei Untätigkeit des Lizenzgebers
eine gesetzliche Prozessstandschaft eingreift. Wenn ein Lizenznehmer ein so eingeräumtes Klagerecht
in Anspruch nimmt, macht er als Kläger in eigenem Namen Rechte geltend, die dem Markeninhaber
zustehen. Etwaige Schadensersatzansprüche werden ebenfalls zugunsten des Markeninhabers geltend
gemacht. t. Nach Art. 22 Abs. 4 GMV haben Lizenznehmer die Befugnis, einem Verletzungsverfahren,
das vom Markeninhaber geführt wird, zur Geltendmachung des eigenen Schadens beizutreten. Ob einem einfachen Lizenznehmer überhaupt ein eigener Schadensersatzanspruch zusteht, wird in Art. 22
Abs. 4 GMV nicht geregelt.
Art. 22 Abs. 5 GMV erlaubt die Eintragung der Lizenz in das Markenregister. Einzelheiten zur Eintragung von Lizenzen ins Markenregister ergeben sich aus den Regeln 33 und 34 der Verordnung zur
Durchführung der Gemeinschaftsmarkenverordnung. Ein Eintrag, aus dem sich die Klagebefugnis des
Lizenznehmers ergibt, ist nicht Bestandteil der eintragbaren Angaben zum Inhalt eines Lizenzvertrags.
4/7
Aus der Möglichkeit zur Eintragung von Lizenzen in das Markenregister folgt, dass die Eintragung keine
Voraussetzung für die Wirksamkeit des Lizenzvertrags ist. Im Hinblick hierauf kann auch das gemäß
Art. 16 GMV ergänzend anzuwendende nationale Recht eine solche Eintragung nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung machen. Gleichermaßen kann auch die Klagebefugnis des vom Markeninhaber hierzu
ermächtigten Lizenznehmers nicht von einer Eintragung der Lizenz abhängen. Dies ergibt sich übrigens
auch aus einem Vergleich mit Art. 17 GMV: Während für die Geltendmachung von Rechten durch den
Rechtsnachfolger die Eintragung des Rechtsübergangs erforderlich ist (Art. 17 Abs. 6 GMV), ist eine
entsprechende Regelung für Ansprüche, die ein Lizenznehmer mit Zustimmung des Markeninhabers
geltend gemacht, gerade nicht vorgesehen.
Als Zwischenergebnis ist festzustellen, dass sich aus Art. 22 GMV unmittelbar ergibt, dass die Klagebefugnis des (einfachen) Lizenznehmers (nur) von einer Vereinbarung zwischen Markeninhaber und Lizenznehmer abhängt, ohne dass hierfür eine Registrierung der Lizenz im Markenregister erforderlich
wäre.
Dieses Ergebnis wird aus den Gründen, die in dem Beschluss des OLG Düsseldorf dargestellt sind, in
Frage gestellt. Es geht darum, ob Art. 23 GMV auch dahingehend auszulegen ist, dass die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke als „Wirkung gegenüber Dritten“
im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist.
Diese Frage ist zu verneinen.
Seinem Wortlaut nach regelt Art. 23 GMV nur, ob eine Rechtshandlung bezüglich einer Gemeinschaftsmarke – also ein Rechtsübergang, die Einräumung eines dinglichen Rechts oder eine Lizenz –
gegenüber solchen Personen Wirkung hat, die ebenfalls Rechte an der Gemeinschaftsmarke geltend
machen. Insoweit gilt der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 niedergelegte Grundsatz, dass eine solche Wirkung
nur eintritt, wenn die Rechtshandlung im Register eingetragen ist oder wenn der Dritte von der Rechtshandlung Kenntnis hatte. Dies bedeutet z.B. für den Fall einer rechtsgeschäftlichen Übertragung einer
Gemeinschaftsmarke, dass der Rechtsnachfolger vor dem Rechtsübergang vom Vorgänger eingeräumte Lizenzen nur gegen sich gelten lassen muss, wenn die Lizenz eingetragen ist oder wenn er davon
Kenntnis hatte. Dies gilt allerdings nicht für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge. Von diesen Folgen einer
Vereinbarung über Gemeinschaftsmarken sind die Rechtsfolgen einer Lizenzvereinbarung, wie insbesondere die rechtsgeschäftlich vereinbarten jeweiligen Pflichten und Rechte der Vertragsparteien, zu
unterscheiden. Die Klagebefugnis des Lizenznehmers, die sich aus Art. 22 Abs. 3 GMV ergibt, gehört
zum Vertragsinhalt der Lizenz, dessen Fehlen oder Vorhandensein mit einer Drittwirkung der Lizenz
nichts zu tun hat. Die Klagebefugnis eines Lizenznehmers hat anders als der Regelungsgehalt des Art.
23 GMV keinen Bezug zum Verhältnis von Prätendenten zueinander.
Eine Auslegung des Art. 23 GMV in dem Sinne, dass davon auch die Klagebefugnis erfasst wird, erfordert auch der Zusammenhang der Vorschriften und der Sinn und Zweck der Regelung nicht. Art. 23
GMV zielt auf den Schutz des gutgläubigen Erwerbers von Rechten an der Gemeinschaftsmarke. Während in nationalen Rechtssystemen ein gutgläubiger Erwerb von Rechten an einem Recht des geistigen
Eigentums Gegenstand sehr unterschiedlicher Regelungen ist (in Deutschland behält z.B. eine Markenlizenz stets ihre Wirkung gegenüber Rechtsnachfolgern; eine Eintragung der Markenlizenz im deutschen Markenregister ist nicht möglich), erschien es sachgerecht zum Schutz von Erwerbern von Rechten an Gemeinschaftsmarken, dass ihm gegenüber ihm nicht bekannte frühere Verfügungen keine Wirkung entfalten. Eine solche Zielsetzung hat mit der Frage der Klagebefugnis nichts gemeinsam. Der
wegen Markenverletzung Angegriffene bedarf keines Schutzes, wenn die Klage nicht vom Markeninhaber, sondern von einem Lizenznehmer erhoben wird, wenn der Kläger seine Befugnis nachweist.
5/7
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften der GMV und der Durchführungsverordnung
zur GMV über die Eintragung von Lizenzen überhaupt nicht vorsehen, dass die Klagebefugnis des Lizenznehmers im Register vermerkt werden könnte. Daher könnten wegen Verletzung in Anspruch genommene Personen auch bei einer Einsicht in das Register gar nicht feststellen, ob der Lizenznehmer
klagebefugt ist oder nicht. Zudem kann die Befugnis zur Klageerhebung vom Lizenzgeber auch ohne
vorherige Vereinbarung im Vertrag jederzeit erteilt werden.
Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Klagebefugnis eines (einfachen) Lizenznehmers nur von
der Zustimmung des Markeninhabers und nicht (auch) von einer Eintragung der Lizenz im Markenregister abhängt.
Die erste Frage sollte daher wie folgt beantwortet werden:
Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/ 2009 des Rates vom 26. Februar 2009
über die Gemeinschaftsmarke steht der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke durch einen Lizenznehmer, der nicht in das Gemeinschaftsmarkenregister eingetragen ist, nicht entgegen.
Im Hinblick auf die vorgeschlagene Antwort ist eine Stellungnahme zur Frage 2 eigentlich nicht erforderlich.
Gleichwohl möchte GRUR zur Frage 2 wie folgt Stellung nehmen.
Die GMV geht zur Klagebefugnis wegen Markenverletzungen davon aus, dass die entsprechenden
Ansprüche dem Markeninhaber zustehen (Art. 9 ff GMV). Hinsichtlich der Klagebefugnis von anderen
Personen (Dritten) beschränkt sich die GMV auf Vorschriften über die Klagebefugnis (Art. 22 Abs. 3
GMV) und die Befugnis zum Verfahrensbeitritt (Art. 22 Abs. 4 GMV) von Lizenznehmern. Im Übrigen
verweist die GMV in Art. 101 auf das Verfahrensrecht des Forumstaats. Daraus folgt, dass die Klagebefugnis von Dritten sich nach dem Prozessrecht des jeweils angerufenen Gemeinschaftsmarkengerichts
richtet. Danach würde vor einem deutschen Gemeinschaftsmarkengericht eine Prozessstandschaft
anerkannt werden. Insoweit spielt es übrigens keine Rolle, ob die Klagebefugnis in Art. 22 Abs. 2 GMV
als gesetzlich geregelte Prozessstandschaft qualifiziert werden sollte.
Falls es daher einer Antwort auf die Frage 2 bedarf, sollte diese wie folgt beantwortet werden:
Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009
über die Gemeinschaftsmarke steht einer nationalen Rechtspraxis nicht entgegen, nach
der ein Lizenznehmer die Ansprüche des Markeninhabers gegen den Verletzer im Wege
der Prozessstandschaft durchzusetzen kann.
4. Zusammenfassung
Nach Auffassung der Deutschen Vereinigung sollte dem EuGH vorgeschlagen werden, die Vorlagefrage 1 wie folgt zu beantworten:
Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/ 2009 des Rates vom 26. Februar 2009
über die Gemeinschaftsmarke steht der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke durch einen Lizenznehmer, der nicht in das Gemeinschaftsmarkenregister eingetragen ist, nicht entgegen.
Für den Fall, dass es einer Antwort auf die Vorlagefrage 2 bedarf, sollte dem EuGH vorgeschlagen werden, diese Frage wie folgt zu beantworten:
6/7
Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009
über die Gemeinschaftsmarke steht einer nationalen Rechtspraxis nicht entgegen, nach
der e in Lizenznehmer die Ansprüche des Markeninhabers gegen den Verletzer im Wege
der Prozessstandschaft durchzusetzen kann.
Dr. Würtenberger
Präsident
Prof. Dr. Loschelder
Generalsekretär
7/7