Die Liebe zu den Betrieben versus Beamtenmentalität

Roland Fischer
Die Liebe zu den Betrieben versus Beamtenmentalität
Viele beklagen die Ökonomisierung unseres Denkens, unserer Kultur, unseres
Lebens. Aber selbst bei denen, die diese besonders beklagen - etwa an der
Universität bei den KollegInnen aus den Geisteswissenschaften - hat sich einiges
durchgesetzt: die Liebe zu den Betrieben. Alle wollen, dass ihr Institut, ihre Fakultät,
ihre Universität angesehen, groß und mächtig ist und vor allem ewig lebt. Sie wollen
stolz sein auf die Organisation, der sie angehören - dies alles natürlich auch damit
die Organisation ihnen dienen kann. Und die Leiter wollen eine "corporate identity“,
sie wollen, dass sich die MitarbeiterInnen möglichst mit der Organisation
identifizieren. So weit, so verständlich.
Ich bin anders. Zwar habe ich einen (universitären) Betrieb mit anderen zusammen
gegründet und aufgebaut - zunächst ein kleines Forschungsinstitut mit am Anfang
drei MitarbeiterInnen, daraus entstand das ein sehr eigenständiges interuniversitäres
Institut, heute ist es eine Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung
(IFF) der Universität Klagenfurt mit über 150 MitarbeiterInnen. Ich habe diese
Einrichtung 15 Jahre lang geleitet, wurde sechsmal gewählt - zuletzt mit OstblockErgebnissen von 100 % Zustimmung.
In einem Punkt wurde ich aber immer wieder von den KollegInnen kritisiert: ich tue zu
wenig für die Identität, die Sichtbarkeit und auch den Zusammenhalt der IFF, hieß es.
Das begann damit, dass mir ein Logo egal war, dass ich wenig in die
Selbstbeschreibung der Institution investieren wollte und dass mir eine Verpflichtung
der MitarbeiterInnen zur Teilnahme an den Fakultäts-Klausuren nicht wichtig war.
(Der kommunikative Zusammenhalt war mir schon wichtig - und in hohem Ausmaß
gegeben, wie Beobachter von außen immer wieder lobend oder auch kritisch
feststellten - ich war nur der Auffassung, dass man dafür von oben nicht mehr tun
kann, als Gelegenheiten anbieten.) Über die erwähnten lässlichen Sünden hinaus
gab es gravierendere: Ich habe die IFF immer wieder substantiell infrage gestellt,
etwa in bestimmten Situationen die Zerlegung der IFF, oder deren Eingliederung in
eine größere Einheit erwogen, oder, nicht so dramatisch, das „Herschenken“
erfolgreicher Abteilungen. Zum Teil haben diese Aktionen dann auch stattgefunden.
Wie gesagt, ich wurde kritisiert. Meine Argumentation war - neben der jeweils
inhaltlichen - die folgende: Ich bin Beamter der Republik Österreich, auf diese
vereidigt. (Noch besser wäre gewesen: Ich bin Diener der Menschheit.) Meine
spezielle Aufgabe sehe ich darin, Wissenschaft gesellschaftlich wirksamen und
nützlich zu machen. Organisationen (Institute, Abteilungen, aber auch ganze
Universitäten) sind Instrumente, sie haben dieser Aufgabe zu dienen, sie haben
keinen Eigenwert (vgl. griechisch „organon“ = Werkzeug). Man bildet Organisationen,
gestaltet sie um, löst sie auf, je nach Zweckmäßigkeit.
Es mag sein, dass ich mit dieser Haltung menschlichen Grundbedürfnissen nach
überschaubarer Zugehörigkeit oder nach Abgrenzung nicht gerecht werde. Ich habe
mit dieser distanzierten Lockerheit der eigenen Institution gegenüber (oder trotz ihr?)
allerdings auch Erfolge für die Institution erzielt. Dass sie im letzten Schritt, den ich
zu begleiten hatte (Implementation des UG 2002), in eine größere Einheit
eingegliedert wurde und damit einen Teil ihrer Selbstständigkeit verlor, hat im
Nachhinein kaum jemand negativ bewertet.
In diesem Sinne wünsche ich mir mehr Beamten-Mentalität bei den Leitern von
Einrichtungen im öffentlichen Sektor. Eines der Defizite des UG 2002 ist meines
Erachtens, dass die MitarbeiterInnen nicht mehr Staatsdiener (Beamte oder
Bedienstete) sondern Angestellte der Universität sind. Damit wurde die InteressensEnge quasi gesetzlich verordnet. Das Resultat sind unsinnige Konkurrenzen
zwischen den Institutionen, Schwierigkeiten bei Kooperationen usw.
Auf die Republik verpflichtet zu sein heißt für eine Institution übrigens nicht, dass die
obersten RepräsentantInnen der Republik alle Entscheidungen zu treffen haben.
Autonomie einer Institution ist möglich, auch wenn sie nicht "ausgegliedert“, sondern
Teil eines größeren Ganzen ist.