Vorlesung «Binnengewässer – Konzepte und Methoden für ein nachhaltiges Management» Geschiebehaushalt 5. Oktober 2015 Dr. Christine Weber, Programm Fliessgewässer Schweiz, Eawag i Inhalt Geschiebehaushalt von Fliessgewässern … Menschliche Eingriffe in den Geschiebehaushalt ! Sanierung Geschiebehaushalt: Gesetzlicher Auftrag ? Sanierung Geschiebehaushalt: Massnahmen Forschungsprojekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Haushalt ? Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Vier Definitionen zum Start Feststoffe Definition Feste (= ungelöste) Stoffe, die erodiert, transportiert, sedimentiert und remobilisiert werden durch fliessendes Wasser oder Wind (Bain & Stevenson 1999). Zu den Feststoffen zählen die Schwebstoffe und das Geschiebe (Schälchli 2005). Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Vier Definitionen zum Start Schwebstoffe Definition Feststoffe, die im Wasser schwebend, d.h. ohne Kontakt zur Gewässersohle, transportiert werden (Bain & Stevenson 1999). Bei erhöhter Konzentration führen sie zu Trübung des Abflusses (Schälchli & Kirchhofer 2012). Die Korngrösse der Schwebstoffe hängt u.a. von der Turbulenz des Wassers sowie der Fliessgewschwindigkeit ab (Bain & Stevenson 1999). Synonyme Feinsedimente Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Vier Definitionen zum Start Geschiebe Definition Feststoffe, die vom fliessenden Wasser gleitend, rollend oder springend auf oder nahe an der Gewässersohle transportiert werden (Bain & Stevenson 1999; Schälchli & Kirchhofer 2012). In der Regel sind damit Kies und Steine mit einem Durchmesser > ca. 2 mm gemeint (Schälchli & Kirchhofer 2012). Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Vier Definitionen zum Start Haushalt/ Regime Definition Der Feststoffhaushalt eines Fliessgewässers umfasst das Feststoffaufkommen (= Zufuhr) im Einzugsgebiet, den Feststofftransport bei erhöhtem Abfluss sowie Erosions-, Umund Ablagerungsprozesse im Sohlen- und Uferbereich der Gewässer sowie deren Vorländer (Schälchli & Kirchhofer 2012). Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Aufkommen/ Zufuhr Eigenschaften Einzugsgebiet und Gerinne Geologie Topographie www.gra-nat.ch Gerinneform, Sohlenzus.setzung Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Aufkommen/ Zufuhr www.gra-nat.ch www.geo.de Silt Sand Kies A. Michael www.hikr.org Blöcke Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Ein paar Definitionen zum Start Feststoffe – Geschiebe – Schwebstoffe – Haushalt/Regime Haushalt/ Regime Definition Der Feststoffhaushalt eines Fliessgewässers umfasst das Feststoffaufkommen (= Zufuhr) im Einzugsgebiet, den Feststofftransport bei erhöhtem Abfluss sowie Erosions-, Umund Ablagerungsprozesse im Sohlen- und Uferbereich der Gewässer sowie deren Vorländer (Schälchli & Kirchhofer 2012). Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Transport bei «erhöhtem Abfluss»: 1) Abflussabhängig! Silt Sand 2) Nicht kontinuierlich! Kies Blöcke -> Abflussdaten Thur (Andelfingen), 1999 Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Transport bei «erhöhtem Abfluss»: Bumbach, Kt. BE, Juli 2014 www.bernerzeitung.ch Engelberg, Kt. OW, August 2005 (BAFU 2008) www.onz.ch Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Transport bei «erhöhtem Abfluss» -> shifting habitat mosaic Stanford et al. 2005 ABER: Dynamik je nach Gewässertyp sehr unterschiedlich! Lorang & Hauer 2006 Geschiebehaushalt in Fliessgewässern Verteilung entlang des Flusslaufs Alpen Meer Gefälle Strömung Abfluss Korngrössenverteilung http://www.basler-fischerei.ch/fischerei/fischundleben.php … Menschliche Eingriffe in die Geschiebedynamik Eingriffe ins Geschieberegime (Defizit vs. Überschuss!) Hütte, 1998 BAFU, 2008 Wasserkraftnutzung Kiesabbau Gefahrenprävention BAFU, 2012 Verbauung Landnutzung (z.B. Land-/ Forstwirtschaft) Klimawandel … Menschliche Eingriffe in die Geschiebedynamik In der Schweiz… Mengenmässige Reduktion gegenüber natürlicher Geschiebeführung (Schälchli 2005) Von untersuchten 1’900 km 39 % 20% 15 % 26 % http://www.bafu.admin.ch/gewaesserschutz/04854/index.html?lang=de … Menschliche Eingriffe in die Geschiebedynamik …und weltweit “Globally, greater than 50% of basin-scale sediment flux in regulated basins is potentially trapped in artificial impoundments (…)” … Menschliche Eingriffe in die Geschiebedynamik Auswirkungen der Eingriffe (Defizit -> Eintiefung, Überschuss -> Auflandung) Sozio-ökonomisch • Gefährdung/ Unterspülung Infrastruktur www.aarewasser.ch • Absenkung Grundwasserspiegel • Anhebung Hochwasserspiegel • Füllen Stauseen … Menschliche Eingriffe in die Geschiebedynamik Auswirkungen der Eingriffe (Defizit -> Eintiefung, Überschuss -> Auflandung) Ökologisch • Abkopplung Auen/ Unterbruch laterale Vernetzung • Fehlen geeigneter Habitate M. Roggo M. Roggo T. Vogt • Fehlen der Dynamik und Störung («disturbance») ! Geschiebesanierung: Gesetzlicher Auftrag Revidierte Gewässerschutzgesetzgebung (GSchG): Sanierung Geschiebehaushalt Sanierung Wasserkraft Schwall-Sunk Frist Ressourcen Bund (Mio CHF/ Jahr) 2030 50 Geschiebehaushalt Fischwanderung ! Geschiebesanierung: Gesetzlicher Auftrag Sanierung Geschiebehaushalt wird im GSchG verlangt 1) Strategische Planung (Kantonsebene) Bis Ende 2014 Beschreibung Ausgangszustand Priorisierung 2) Planung von Massnahmen (Projektebene) Ab 2015 Verbesserung des ökologischen Zustands Provisorische Ergebnis Berner Oberland. Quelle: flussbau.ch ? Geschiebesanierung: Massnahmen Bauliche und betriebliche Massnahmen… (Schälchli & Kirchhofer 2012) …bei Wasserkraftwerken (KW) a) Fluss- oder Ausleit-KW: • Umbau Stauwehr • Bau Umleitwerk (Stollen, Gerinne) • Kieszugabe b) Grosse Stauanlagen: AWEL • Bau Umleitwerk (Stollen, Gerinne) • Modifikation Grundablass Rolf Canal • Kiesentnahmen und -zugabe • Künstliche Hochwasser -> Kleiner Exkurs (Folie 25 ff.) (Döring & Robinson 2012) ? Geschiebesanierung: Massnahmen Bauliche und betriebliche Massnahmen… (Schälchli & Kirchhofer 2012) …bei Geschiebesammlern: • Umbau Sammler • Rückbau Sammler • Rückgabe Kies im Unterwasser …bei Verbauungen: • Rückbau Uferschutz • Zulassen/ Initieren Seitenerosion • Kieszugabe S. Schwindt ? Geschiebesanierung: Massnahmen Beispiel einer betrieblichen Massnahme (künstliche Hochwasser am Spöl) Rolf Canal Reguliert Unreguliert Reguliert, mit künstlichen HW 24 © Chris Robinson, Eawag ? Geschiebesanierung: Massnahmen Beispiel einer betrieblichen Massnahme (künstliche Hochwasser am Spöl) 20000 Protonemura sp. (no/m ) Individuen / m22 10000 5000 0 00 01 02 03 04 20000 05 06 07 08 09 10 11 Year Protonemura sp. 15000 10000 5000 0 99 Gammarus sp. (no/m ) Gammarus sp. 15000 99 Anzahl Laichgruben 2 Beispiel einer betrieblichen Massnahme (künstliches Hochwasser) © Chris Robinson, Eawag Individuen / m22 Gammarus sp. (no/m ) ? Geschiebesanierung: Massnahmen 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 Year Salmo trutta fario 20000 400 300 15000 10000 200 100 5000 00 99 00 01 02 03 04 05 Year 06 07 08 09 10 11 Fischdaten: Hydra AG 26 ? Geschiebesanierung: Massnahmen Beispiel einer betrieblichen Massnahme (künstliches Hochwasser) Fazit nach > 10 Jahren Laufzeit • Künstliche Hochwasser -> Erhöhung Naturnähe in Restwasserstrecken • Verbesserte Vereinbarkeit von Schutz- und Nutzungsinteressen …trauriger Nachtrag (30. März 2013) nationalpark.ch nationalpark.ch nationalpark.ch 27 Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Bestehende Beeinträchtigungen vs. gesetzliche Anforderungen Hütte, 1998 Schälchli 2005 BAFU, 2008 Es braucht interdisziplinäre Lösungen! www.aarewasser.ch Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Forschungsprogramm “Wasserbau & Ökologie” des Bundesamts für Umwelt 3 Projekte bisher Wasserbau 4 Partner Ökologie Rhone-Thur Projekt (2002-2006) Integrales Flussgebietsmanagement (2007 – 2011) Geschiebe- und Habitatsdynamik (2013 – 2017) Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Forschungsschwerpunkte Beeinträchtigung Geschieberegime Wasserbauliche Massnahmen Struktur und Funktion der aquatischen Ökosysteme S. Schwindt vivo.sk M. Döring Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” 11 Teilprojekte Projektschwerpunkt 1 Projektschwerpunkt 2 Geschiebereaktivierung und Gewässerdynamisierung Revitalisierung von Auenlandschaften TP 1.1 Geschiebeanreicherung in Mittelland-Flüssen TP 2.1 Feinsedimentdynamik in revitalisierten Flüssen TP 1.2 Geschiebedurchgängigkeit mittels Umleitstollen bei alpinen Stauanlagen TP 2.2 Habitats- und Artendynamik in Hartholzauen TP 1.3 Geschiebeanreicherung unterhalb von Talsperren in Gebirgsflüssen TP 2.3 Monitoring der Artendynamik in Auenlandschaften TP 1.4 Auslegung von durchgängigen Geschiebesammlern TP 2.4 Monitoring der Habitatsdynamik in Auenlandschaften TP 1.5 Sedimentzusammensetzung und Ufervegetation TP 1.6 Geschiebereaktivierung und Fische in Gebirgsflüssen TP 1.7 Geschiebereaktivierung und Zoobenthos in Gebirgsflüssen 7 PhD students 3 Postdocs 9 Senior researchers Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Geplante Produkte Wissenschaftl. Artikel Merkblatt-Sammlung Weiterbildungskurs Produkte aus früheren Projekten (gleiche Zusammenarbeit) Handbuch Erfolgskontrolle (2005) Handbuch Partizipation (2005) Merkblatt-Sammlung (2012) Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Beispiel erster Resultate (Teilprojekt «Fische») Warum Fische? Mögen Fische die «Rolling Sones»? Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Fische nutzen die Gewässersohle als… M. Roggo M. Roggo Habitat Laichsubstrat (z.B. die Groppe) (z.B. die Äsche) T. Vogt «Esstisch» Refugium (z.B. die Plecopteren) (z.B. die Forelle) Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Bedeutung der Geschiebedynamik anhand des Lebenszyklus der Forellen Laich Adulte Forellen Larven Juvenile Forellen http://www.waldwissen.net ! Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Bedeutung der Geschiebedynamik anhand des Lebenszyklus der Forellen z.B. Durchspülen der Sedimente U. Schälchli Kolmation Austausch des Wassers (Oberflächen- und Grundwasser) C. Robinson Algenwachstum Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Beispiel erster Resultate (Teilprojekt «Fische») Beprobung von 30 Abschnitten im Kanton Graubünden Geschiebedefizit © C. Trautwein Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Art der Beprobung Elektrische Befischungen (semi)quantitativ Vermessen, wägen Artenzusammensetzung Altersstruktur Dichte, Biomasse Benthos und Algen Standardisierte Photo Vielfalt Färbung Vielfalt Körperform Umgebungsgrössen (z.B. Sohlenzusammensetzung) Finclip Genetische Vielfalt Gewebe- und Magenprobe (ca. 25 Fische †) Nahrungsgrundlage Projekt “Geschiebe- und Habitatsdynamik” Beispiel erster Resultate (Teilprojekt «Fische») fr <2mm, AFDM [g/kg] Organischer Anteil im Sediment Kondition der Fische 5 1.00 4 3 0.95 2 0.90 1 Geschiebedefizit C. Trautwein et al. (unveröffentlicht) Geschiebedefizit Für Fragen und Rückmeldungen: Christine Weber, Biologin, Dr sc. nat. Programm Fliessgewässer Schweiz Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum Telefon: +41 (0)58 765 22 14; Email: [email protected] http://www.eawag.ch/de/ueberuns/portraet/organisation/mitarbeitende/profile/christine-weber/show/ http://www.eawag.ch/en/department/surf/main-focus/river-restoration/ http://www.eawag.ch/en/research/water-for-ecosystem/ecosystems/rivers-program/
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