Energie | Wärme | Strom | | HK-Gebäudetechnik 1/16 | Franke investiert in innovative Holzschnitzelheizung Sichere Versorgung mit sauberer Energie Die Franke Gruppe beheizt ihren Schweizer Hauptsitz in Aarburg seit April 2015 mit einer neuen Holzschnitzelheizung. Nachdem Franke bereits seit Anfang des Jahrs ausschliesslich Strom aus Schweizer Wasserkraft bezieht, wird mit diesem Schritt nun der gesamte Wärme- und Strombedarf am Standort Aarburg mit erneuerbaren, CO2-neutralen Energiequellen gedeckt. Die Gesamtkosten von 6.5 Mio. Franken betrachtet Franke als langfristige Investition in eine sichere Versorgung mit sauberer Energie. Maik Albert * ■ Zwei Innovationen machen diese Anlage zur modernsten in der Schweiz. Einerseits sorgt ein prädiktives Leistungsmanagement durch Berücksichtigung der Wetterprognose sowie der prognostizierten Auslastung der Produktionsanlagen der Franke für einen effizienten und emissionsarmen Betrieb der Holzkessel. Andererseits kann in Zukunft die in Aarburg geplante 2000-Watt-Siedlung «Stadtblick» (über 200 Wohnungen und Gewerbebauten) dank der tiefen Systemtemperaturen «gratis» mit der in den Rauchgasen enthaltenen Kondensationsabwärme beheizt werden. Die Heizzentrale Heizkessel: Die komplett neu erstellte Holzheizzentrale besteht aus zwei Holzkesseln (Lieferant: Schmid energy solutions) mit einer Wärmeleistung von 750 kW und 1500 kW. Die Wärmeleistung lässt sich bei beiden Kesseln in einem Bereich von 30 – 100 % regulieren, was eine kontinuierliche Anpassung der Wärmeerzeugung an den effektiven Bedarf erlaubt. Der kleinere Kessel ist zudem mit einer automatischen Zündung ausgerüstet und kann so durch das Leitsystem automatisch ein- und ausgeschaltet werden. Beim grossen Kessel wird einmal jährlich – zu Beginn der Heizsaison im Oktober – manuell eingefeuert. Als Redundanz und zur Spitzenlastabdeckung steht zusätzlich ein Ölkessel mit 2600 kW Heizleistung zur Verfügung. Energiespeicher: Für den Ausgleich von Lastschwankungen wurden die nun überflüssigen Heizöltanks mit einem Volumen von 4 × 100 m3 zu Energiespeichern umgebaut. Drei Speicher werden für das 90 °C-Netz der Franke und einer für das später folgende Niedertemperatur-Netz genutzt. Die Speicherkapazität im 90 °C-Speicher entspricht 6 Stunden Vollbetrieb beider Übersicht Franke-Areal in Aarburg. Kennzahlen Holzschnitzel-Anlage Franke Aarburg, Ausbaustand 2020 Baujahr 2014 / 2015 Jahres-Energiebedarf Gesamtanlage 10 000 MWh / Jahr Deckungsgrad Holzanteil inkl. WRG 99 % Deckungsgrad Oelanteil 1% Jahres-Energiebedarf Holzschnitzel 9900 MWh / Jahr Kesselwirkungsgrad Holz 85 % Holzschnitzelbedarf pro Jahr 14 500 Srm / Jahr Silovolumen brutto / Silo-Füllgrad netto (80 %) 580 m3 / 470 m3 1 Silofüllung entspricht ca. 9.5 Lastwagentransporte Silofüllungen pro Jahr ca. 31 Stk. / Jahr Ascheanfall 19 to / Jahr Max. Wärmeleistungsbedarf bei Ta - 9°C, SMA ZH 4.2 MW Holzkessel 1 0.75 MW Holzkessel 2 1.50 MW Spitzenlast Ölkessel 2.60 MW WRG aus Rauchgasen Holzkessel 0.59 MW Total max. Wärmeerzeugerleistung 5.44 MW Energiespeichervolumen total (Wasser) 4 × 100 m3 Betriebstemperaturen 90 / 50 C Stand 2012 (Gasheizung), CO2-Emissionen 1600 to CO2 Stand 2015 (Holzschnitzel), CO2-Emission CO2-neutral 47 Holzkessel oder 56 Stunden des kleineren Kessels bei Minimalleistung. Dank diesem sehr grosszügigen Speichervolumen können auch hohe Lastspitzen ausgeglichen und so ein kontinuierlicher Betrieb der Holzkessel sichergestellt werden. Das ineffiziente Ein- und Ausschalten der Holzkessel beschränkt sich auf ein Minimum. Schnitzelsilo: Das unterirdisch ausgeführte Schnitzelsilo fasst 470 m3 Holzschnitzel mit einem Energieäquivalent von 38 000 Liter Heizöl. Im Winter reicht diese Menge gerade einmal für 7 Tage aus. Über das ganze Jahr betrachtet werden im Endausbau 14 000 Schüttraummeter (Srm) Holzschnitzel verbraucht. Ausbaupläne: Mit dem heutigen Ausbau-Niveau beträgt der maximale Wärmeleistungsbedarf 2800 kW, was einen quasi monovalenten Betrieb der Holzkessel erlaubt. Das heisst, der Ölkessel kommt nur bei Ausfall eines Holzkessels zum Einsatz. Durch den Anschluss von zusätzlichen Verbrauchern in der näheren Umgebung beträgt der maximale Wärmeleistungsbedarf im geplanten Endausbau 4200 kW. Die Holzkessel werden dann bivalent mit dem Ölkessel betrieben, welcher bei sehr tiefen Aussentemperaturen die Spitzenlast abdeckt. Der Nasselektroabscheider reduziert die Emissionen selbst im Schwachlastbetrieb deutlich unter die gesetzlichen Vorschriften. Im Gegensatz zu einem Trockenabscheider ist keine minimale Abgastemperatur erforderlich, wodurch eine höhere Verfügbarkeit erzielt wird. Der bereits installierte Abgaskondensator versorgt in Zukunft die 2000-Watt-Siedlung «Stadtblick» mit «gratis»-Wärme. Den Abgasen der Holzkessel wird hier im Endausbau 590 kW Wärme entzogen und für die Raumheizung und die Vorwärmung des Trinkwarmwassers wiederverwendet. Spitzenlastkessel gestartet, wodurch unnötig Heizöl statt Holz verbrannt würde. Im umgekehrten Fall, d. h. bei einem raschen Bedarfsrückgang, werden die Speicher rasch geladen. Bei vollständig geladenen Energiespeichern muss der Holzkessel ausgeschaltet und später wieder gestartet werden, was mit unnö- tigen Energieverlusten und Emissionen verbunden ist. Für einen effizienten und emissionsarmen Betrieb der Holzkessel müssen die Ein- und Ausschaltvorgänge auf ein Minimum reduziert werden. Es liegt auf der Hand, dass nebst der korrekten Dimensionierung der Anlage dem Last- Innovatives Lastmanagement Herausforderung: Im Gegensatz zu Ölund Gaskesseln kann bei einer Holzfeuerung die erzeugte Heizleistung nicht mit beliebiger Geschwindigkeit geändert werden. Für einen sicheren Betrieb der Anlage darf sich die Wärmeleistung des Holzkessels mit maximal 5 % der Nennleistung pro 10 Minuten ändern. Das Hochfahren von Minimal- auf Maximalleistung nimmt entsprechend über 2 Stunden in Anspruch. Demgegenüber führt das Ein- und Ausschalten von Produktions- und Lüftungsanlagen zu sprunghaften Änderungen der erforderlichen Heizleistung. Abrupte Laständerungen werden durch die grossen Energiespeicher geglättet. Ohne oder bei zu kleinen Energiespeichern würde je nach Ladezustand der Die zwei Holzkessel mit 750 kW und 1500 kW Kesselleistung. Das Leitsystem prognostiziert den Wärmebedarf 4 Tage im Voraus. Energie | Wärme | Strom | management eine entscheidende Rolle zukommt. Prädiktive Regelung: Die zentrale Aufgabe des übergeordneten Leitsystems (Lieferant: Renergy AG) besteht darin, kontinuierlich den Sollwert für die Wärmeleistung der Kessel vorzugeben. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass der oder die aktuell sich in Betrieb befindlichen Holzkessel immer mindestens auf der minimalen Heizleistung von 30 % betrieben werden können und dass dennoch immer genügend Wärme für die schwankende Nachfrage vorhanden ist. Damit dies gelingt, erstellt die Steuerung eine Prognose für den Wärmebedarf innerhalb der nächsten 4 Tage. Dazu werden die Berechnungsgrundlagen für den Heizleistungsbedarf aller Verbraucher beziehungsweise Verbrauchergruppen im Leitsystem hinterlegt. Bei der Gebäudeheizung hängt der Wärmebedarf hauptsächlich von der Differenz zwischen Raum- und Aussentemperatur ab, gesteuert über die Heizkennlinie. Anhand von Zeitprogrammen wird zusätzlich zwischen Normal-, Absenk- und Wochenendbetrieb unterschieden. Für die Simulation der Verbrauchsprognose der Gebäudeheizung wird auf online verfügbare Wetterprognosedaten von MeteoSchweiz zugegriffen. Für die Verbrauchsprognose des wetterunabhängigen Wärmebedarfs der Waschanlagen von Franke (Prozesswärme) wird die manuell eingegebene Produktionsplanung berücksichtigt. Mit Kenntnis der Verbrauchsentwicklung ist das Leitsystem in der Lage, die Heizleistung der Holzkessel und den Ladezustand des Speichers zu prognostizieren. Schwankungen im Wärmebedarf werden soweit ausgeglichen, dass die Holzkessel kontinuierlich in Betrieb sind. Bei Gewächshäusern abgeschaut: Die prädiktive Regelung einer Holzheizung wurde in der Schweiz erstmals 2006 für die Anwendung bei der Beheizung von Gewächshäusern realisiert. Bezüglich Lastschwankungen stellen Gewächshäuser höchste Anforderungen an das Lastmanagement, da nebst der Aussentemperatur auch die vorbeiziehende Bewölkung den Wärmebedarf sehr stark beeinflusst. Das Projekt bei den Gebrüder Müller Agrarbetriebe in Steinmaur wurde aufgrund seines innovativen Ansatzes im Rahmen eines Forschungsprojekts [1] durch das Bundesamt für Energie (BFE) begleitet und hat inzwischen bei weiteren Gewächshaus-Betrieben Schule gemacht. Abwärmenutzung aus Abgasen für 2000-Watt-Siedlung Niedertemperatur Wärmeverbraucher: Ab 2017 realisiert die Artemis Immobilien AG, welche wie auch Franke zur Artemis Gruppe gehört, nördlich des Fabrik-Areals die Überbauung «Stadtblick» mit insgesamt 200 Wohnungen und Gewerbebauten. Die Siedlung, welche nach den Kriterien der 2000Watt-Gesellschaft gebaut wird, verbraucht in Zukunft jährlich 1100 MWh Wärme für Heizung und Warmwasser. Dieser Energiebedarf muss durch CO2-neutrale Quellen gedeckt werden um die gesetzten Ziele zu erreichen. Restwärme im Abgas: Die für die Holzkessel verwendeten, waldfrischen Holzschnitzel weisen einen durchschnittlichen Wassergehalt von 50 % auf. Bei der Verbrennung werden > 13 % der im Brennstoff enthaltenen Energie für die Verdampfung dieses Wassers aufgewendet. Wie bei der Verbrennung von Heizöl oder Erdgas entsteht Dauerkurve Auslegung notwendige Wärmeleistung in kW. Der Ölkessel deckt Spitzenbedarf ab an etwa 10 Tagen im Jahr. Holzanteil an der Jahres-Gesamtenergie: 99 %. 50 | HK-Gebäudetechnik 1/16 | Energie | Wärme | Strom | gleichzeitig im Rauchgas Wasserdampf aus der Reaktion von im Brennstoff enthaltenen Wasserstoffatomen mit Sauerstoff aus der Verbrennungsluft. Im Abgas stellt sich eine Taupunkttemperatur von 56 °C ein, bei der dieser Wasserdampf wieder zu kondensieren beginnt und die darin enthaltene Wärme genutzt werden kann. Prozessbedingt liegen bei Franke die Temperaturen im Heizungsnetz aber bei 90 °C im Vorlauf und 50 °C im Rücklauf, wodurch die Kondensationsenergie praktisch nicht nutzbar ist. Im Wissen um dieses Potenzial wurde für die Überbauung «Stadtblick» eine Wärmeversorgung durch ein Niedertemperatur-Wärmenetz mit 45 °C im Vorlauf und 30 °C im Rücklauf geplant. Die Wärme für die Überbauung «Stadtblick» kann damit durch Kondensation von Wasserdampf vollumfänglich und «gratis» den Abgasen der Holzkessel entzogen werden, welche innerhalb des Franke-Areals nicht weiter nutzbar sind. Die gute geografische Ausgangslage – Industrieareal und 2000-Watt-Siedlung sind unmittelbar benachbart – sowie das frühzeitige Erkennen des grossen energetischen, ökonomischen und marketingtechnischen Potenzials (Technisches Konzept: DM Energieberatung AG, Marketingkonzept: Artemis Immobilien AG) haben zu der heute realisierten Heizzentrale geführt, in welcher bereits der ab 2018 zum Einsatz kommende Abgaskondensator installiert ist. Baubeteiligte Firmen Bauherr: Franke Schweiz AG, 4663 Aarburg, www.franke.com Planung und Ausführung: – DM Energieberatung AG, 5200 Brugg, www.dmeag.ch – Carnotech AG, 4800 Zofingen, www.carnotech.ch – Lämmli Architektur AG, 5000 Aarau, www.laemmli.ch – Renergy AG, 6210 Sursee, www.renergy.ch – Schmid AG, energy solutions, 8360 Eschlikon, www.schmid-energy.ch – IS SaveEnergy AG, 8309 Nürensdorf, www.saveenergy.ch der Nutzung von Holz die regionale Wirtschaft gefördert. Insbesondere für Hochtemperaturanwendungen – wo Wärmepumpen ungeeignet sind – stellt Holz eine echte Alternative zu fossilen Energieträger dar. Auch die Erzeugung von Dampf oder der Betrieb von Wärmeträgeranlagen mit Holz sind heute Stand der Technik. Bei grösseren Anlagen und hohen Betriebszeiten wird zusätzlich auch die Stromerzeugung – beispielsweise durch ORC-Anlagen – wirtschaftlich. Fazit Mit dem Bau ihrer Holzheizanlage setzt Franke sowohl beim Lastmanagement der Holzkessel als auch bei der optimierten Ressourcenausnutzung neue Massstäbe und zeigt, dass Holzenergie auch für die Industrie eine interessante Alternative zu fossilen Brennstoffen ist. Dank dem Mut für innovative Lösungen hat Franke die Technik in diesen Bereichen vorangetrieben und so den Weg für weitere Projekte geebnet. ■ Literatur [1] D. Meier, Prozessoptimierung bei der Wärmeerzeugung mit Holz in Gewächshäusern, Bundesamt für Energie BFE, 2006. [2] Holzenergie Schweiz, September 2013. Holzenergie – Energie mit Zukunft. Von www.holzenergie.ch abgerufen. * Autor: Maik Albert ist Projektleiter bei der DM Energieberatung AG in Brugg und hat das in diesem Artikel beschriebene Gesamtkonzept zur Abwärmenutzung entwickelt, [email protected] CO2-neutrale Holzenergie: Das Potenzial ist noch gross Im Endausbau verbraucht die Anlage von Franke jährlich 14 000 Srm Holzschnitzel, welche ausschliesslich aus dem Wald der Ortsbürgergemeinde Aarburg stammen. Mit diesem Holz werden jährlich rund 1.1 Mio. Liter Heizöl substituiert und dadurch die Emission von 1600 Tonnen CO2 verhindert. Dies entspricht in etwa der Menge CO2 welche jährlich durch die private Gebäudeheizung aller 800 Mitarbeitenden am Standort Aarburg emittiert wird. Nach Angaben von Holzenergie Schweiz [2] stehen gesamtschweizerisch jährlich 6.6 Mio m3 Energieholz zur Verfügung, wovon heute erst 4.3 Mio m3 genutzt werden. Das verbleibende Potenzial von 2.3 Mio m3 entspricht über 160 weiteren Anlagen, wie sie von Franke realisiert wurde. Im Gegensatz zu fossilen Energieträgern, welche aus dem Ausland importiert werden müssen, wird mit Prinzipschema der Holzheizung bei Franke: Zwei Holzkessel (750/1500 kW), Ölkessel (2600 kW), HochtemperaturNetz (HT) und Niedertemperatur-Netz (NT). Entschwadung: Nach der Wärmerückgewinnung werden die Abgase gewaschen/gereinigt und mit Aussenluft vermischt, damit am Kaminaustritt Wasserdampf ohne Schwaden-Bildung entweichen kann.
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