Sichere Versorgung mit sauberer Energie

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Franke investiert in innovative Holzschnitzelheizung
Sichere Versorgung mit sauberer Energie
Die Franke Gruppe beheizt ihren Schweizer Hauptsitz in Aarburg seit April 2015 mit einer neuen Holzschnitzelheizung.
Nachdem Franke bereits seit Anfang des Jahrs ausschliesslich Strom aus Schweizer Wasserkraft bezieht, wird
mit diesem Schritt nun der gesamte Wärme- und Strombedarf am Standort Aarburg mit erneuerbaren, CO2-neutralen
Energiequellen gedeckt. Die Gesamtkosten von 6.5 Mio. Franken betrachtet Franke als langfristige Investition in
eine sichere Versorgung mit sauberer Energie.
Maik Albert *
■ Zwei Innovationen machen diese
Anlage zur modernsten in der Schweiz.
Einerseits sorgt ein prädiktives Leistungsmanagement durch Berücksichtigung der Wetterprognose sowie der
prognostizierten Auslastung der Produktionsanlagen der Franke für einen
effizienten und emissionsarmen Betrieb
der Holzkessel. Andererseits kann
in Zukunft die in Aarburg geplante
2000-Watt-Siedlung «Stadtblick» (über
200 Wohnungen und Gewerbebauten)
dank der tiefen Systemtemperaturen
«gratis» mit der in den Rauchgasen enthaltenen Kondensationsabwärme beheizt werden.
Die Heizzentrale
Heizkessel: Die komplett neu erstellte
Holzheizzentrale besteht aus zwei
Holzkesseln (Lieferant: Schmid energy
solutions) mit einer Wärmeleistung
von 750 kW und 1500 kW. Die Wärmeleistung lässt sich bei beiden Kesseln in
einem Bereich von 30 – 100 % regulieren, was eine kontinuierliche Anpassung der Wärmeerzeugung an den effektiven Bedarf erlaubt. Der kleinere
Kessel ist zudem mit einer automatischen Zündung ausgerüstet und kann
so durch das Leitsystem automatisch
ein- und ausgeschaltet werden. Beim
grossen Kessel wird einmal jährlich –
zu Beginn der Heizsaison im Oktober –
manuell eingefeuert. Als Redundanz
und zur Spitzenlastabdeckung steht
zusätzlich ein Ölkessel mit 2600 kW
Heizleistung zur Verfügung.
Energiespeicher: Für den Ausgleich
von Lastschwankungen wurden die
nun überflüssigen Heizöltanks mit einem Volumen von 4 × 100 m3 zu Energiespeichern umgebaut. Drei Speicher
werden für das 90 °C-Netz der Franke
und einer für das später folgende Niedertemperatur-Netz genutzt. Die Speicherkapazität im 90 °C-Speicher entspricht 6 Stunden Vollbetrieb beider
Übersicht Franke-Areal in Aarburg.
Kennzahlen Holzschnitzel-Anlage Franke Aarburg, Ausbaustand 2020
Baujahr
2014 / 2015
Jahres-Energiebedarf Gesamtanlage
10 000 MWh / Jahr
Deckungsgrad Holzanteil inkl. WRG
99 %
Deckungsgrad Oelanteil
1%
Jahres-Energiebedarf Holzschnitzel
9900 MWh / Jahr
Kesselwirkungsgrad Holz
85 %
Holzschnitzelbedarf pro Jahr
14 500 Srm / Jahr
Silovolumen brutto / Silo-Füllgrad netto (80 %)
580 m3 / 470 m3
1 Silofüllung entspricht ca.
9.5 Lastwagentransporte
Silofüllungen pro Jahr ca.
31 Stk. / Jahr
Ascheanfall
19 to / Jahr
Max. Wärmeleistungsbedarf bei Ta - 9°C, SMA ZH
4.2 MW
Holzkessel 1
0.75 MW
Holzkessel 2
1.50 MW
Spitzenlast Ölkessel
2.60 MW
WRG aus Rauchgasen Holzkessel
0.59 MW
Total max. Wärmeerzeugerleistung
5.44 MW
Energiespeichervolumen total (Wasser)
4 × 100 m3
Betriebstemperaturen
90 / 50 C
Stand 2012 (Gasheizung), CO2-Emissionen
1600 to CO2
Stand 2015 (Holzschnitzel), CO2-Emission
CO2-neutral
47
Holzkessel oder 56 Stunden des kleineren Kessels bei Minimalleistung. Dank
diesem sehr grosszügigen Speichervolumen können auch hohe Lastspitzen ausgeglichen und so ein kontinuierlicher
Betrieb der Holzkessel sichergestellt
werden. Das ineffiziente Ein- und Ausschalten der Holzkessel beschränkt sich
auf ein Minimum.
Schnitzelsilo: Das unterirdisch ausgeführte Schnitzelsilo fasst 470 m3 Holzschnitzel mit einem Energieäquivalent
von 38 000 Liter Heizöl. Im Winter reicht
diese Menge gerade einmal für 7 Tage
aus. Über das ganze Jahr betrachtet werden im Endausbau 14 000 Schüttraummeter (Srm) Holzschnitzel verbraucht.
Ausbaupläne: Mit dem heutigen Ausbau-Niveau beträgt der maximale Wärmeleistungsbedarf 2800 kW, was einen
quasi monovalenten Betrieb der Holzkessel erlaubt. Das heisst, der Ölkessel
kommt nur bei Ausfall eines Holzkessels
zum Einsatz. Durch den Anschluss von
zusätzlichen Verbrauchern in der näheren
Umgebung beträgt der maximale Wärmeleistungsbedarf im geplanten Endausbau
4200 kW. Die Holzkessel werden dann bivalent mit dem Ölkessel betrieben, welcher bei sehr tiefen Aussentemperaturen
die Spitzenlast abdeckt.
Der Nasselektroabscheider reduziert die Emissionen selbst im Schwachlastbetrieb deutlich unter
die gesetzlichen Vorschriften. Im Gegensatz
zu einem Trockenabscheider ist keine minimale
Abgastemperatur erforderlich, wodurch eine
höhere Verfügbarkeit erzielt wird.
Der bereits installierte Abgaskondensator
versorgt in Zukunft die 2000-Watt-Siedlung
«Stadtblick» mit «gratis»-Wärme. Den Abgasen
der Holzkessel wird hier im Endausbau 590 kW
Wärme entzogen und für die Raumheizung
und die Vorwärmung des Trinkwarmwassers
wiederverwendet.
Spitzenlastkessel gestartet, wodurch unnötig Heizöl statt Holz verbrannt würde. Im umgekehrten Fall, d. h. bei einem
raschen Bedarfsrückgang, werden die
Speicher rasch geladen. Bei vollständig
geladenen Energiespeichern muss der
Holzkessel ausgeschaltet und später
wieder gestartet werden, was mit unnö-
tigen Energieverlusten und Emissionen
verbunden ist.
Für einen effizienten und emissionsarmen Betrieb der Holzkessel müssen die
Ein- und Ausschaltvorgänge auf ein Minimum reduziert werden. Es liegt auf
der Hand, dass nebst der korrekten Dimensionierung der Anlage dem Last-
Innovatives Lastmanagement
Herausforderung: Im Gegensatz zu Ölund Gaskesseln kann bei einer Holzfeuerung die erzeugte Heizleistung nicht
mit beliebiger Geschwindigkeit geändert werden. Für einen sicheren Betrieb
der Anlage darf sich die Wärmeleistung
des Holzkessels mit maximal 5 % der
Nennleistung pro 10 Minuten ändern.
Das Hochfahren von Minimal- auf Maximalleistung nimmt entsprechend über
2 Stunden in Anspruch. Demgegenüber
führt das Ein- und Ausschalten von
Produktions- und Lüftungsanlagen zu
sprunghaften Änderungen der erforderlichen Heizleistung.
Abrupte Laständerungen werden durch
die grossen Energiespeicher geglättet.
Ohne oder bei zu kleinen Energiespeichern würde je nach Ladezustand der
Die zwei Holzkessel mit 750 kW und 1500 kW Kesselleistung.
Das Leitsystem prognostiziert den Wärmebedarf 4 Tage im Voraus.
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management eine entscheidende Rolle zukommt.
Prädiktive Regelung: Die zentrale Aufgabe des übergeordneten Leitsystems (Lieferant: Renergy AG) besteht darin, kontinuierlich den Sollwert für die Wärmeleistung der Kessel vorzugeben. Gleichzeitig
muss sichergestellt sein, dass der oder die
aktuell sich in Betrieb befindlichen Holzkessel immer mindestens auf der minimalen Heizleistung von 30 % betrieben werden können und dass dennoch immer
genügend Wärme für die schwankende
Nachfrage vorhanden ist.
Damit dies gelingt, erstellt die Steuerung eine Prognose für den Wärmebedarf innerhalb
der nächsten 4 Tage. Dazu werden die Berechnungsgrundlagen für den Heizleistungsbedarf aller Verbraucher beziehungsweise
Verbrauchergruppen im Leitsystem hinterlegt. Bei der Gebäudeheizung hängt der
Wärmebedarf hauptsächlich von der Differenz zwischen Raum- und Aussentemperatur ab, gesteuert über die Heizkennlinie.
Anhand von Zeitprogrammen wird zusätzlich zwischen Normal-, Absenk- und Wochenendbetrieb unterschieden. Für die Simulation der Verbrauchsprognose der
Gebäudeheizung wird auf online verfügbare Wetterprognosedaten von MeteoSchweiz
zugegriffen. Für die Verbrauchsprognose
des wetterunabhängigen Wärmebedarfs der
Waschanlagen von Franke (Prozesswärme)
wird die manuell eingegebene Produktionsplanung berücksichtigt. Mit Kenntnis der
Verbrauchsentwicklung ist das Leitsystem
in der Lage, die Heizleistung der Holzkessel
und den Ladezustand des Speichers zu prognostizieren. Schwankungen im Wärmebedarf werden soweit ausgeglichen, dass die
Holzkessel kontinuierlich in Betrieb sind.
Bei Gewächshäusern abgeschaut: Die prädiktive Regelung einer Holzheizung wurde
in der Schweiz erstmals 2006 für die Anwendung bei der Beheizung von Gewächshäusern realisiert. Bezüglich Lastschwankungen stellen Gewächshäuser höchste
Anforderungen an das Lastmanagement,
da nebst der Aussentemperatur auch die
vorbeiziehende Bewölkung den Wärmebedarf sehr stark beeinflusst.
Das Projekt bei den Gebrüder Müller Agrarbetriebe in Steinmaur wurde aufgrund
seines innovativen Ansatzes im Rahmen eines Forschungsprojekts [1] durch das Bundesamt für Energie (BFE) begleitet und hat
inzwischen bei weiteren Gewächshaus-Betrieben Schule gemacht.
Abwärmenutzung aus Abgasen
für 2000-Watt-Siedlung
Niedertemperatur Wärmeverbraucher: Ab
2017 realisiert die Artemis Immobilien AG,
welche wie auch Franke zur Artemis Gruppe gehört, nördlich des Fabrik-Areals die
Überbauung «Stadtblick» mit insgesamt 200
Wohnungen und Gewerbebauten. Die Siedlung, welche nach den Kriterien der 2000Watt-Gesellschaft gebaut wird, verbraucht
in Zukunft jährlich 1100 MWh Wärme für
Heizung und Warmwasser. Dieser Energiebedarf muss durch CO2-neutrale Quellen
gedeckt werden um die gesetzten Ziele zu
erreichen.
Restwärme im Abgas: Die für die Holzkessel verwendeten, waldfrischen Holzschnitzel weisen einen durchschnittlichen Wassergehalt von 50 % auf. Bei der Verbrennung
werden > 13 % der im Brennstoff enthaltenen Energie für die Verdampfung dieses
Wassers aufgewendet. Wie bei der Verbrennung von Heizöl oder Erdgas entsteht
Dauerkurve Auslegung notwendige Wärmeleistung in kW. Der Ölkessel deckt Spitzenbedarf
ab an etwa 10 Tagen im Jahr. Holzanteil an der Jahres-Gesamtenergie: 99 %.
50
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gleichzeitig im Rauchgas Wasserdampf
aus der Reaktion von im Brennstoff enthaltenen Wasserstoffatomen mit Sauerstoff aus der Verbrennungsluft. Im Abgas stellt sich eine Taupunkttemperatur
von 56 °C ein, bei der dieser Wasserdampf wieder zu kondensieren beginnt
und die darin enthaltene Wärme genutzt werden kann. Prozessbedingt liegen bei Franke die Temperaturen im
Heizungsnetz aber bei 90 °C im Vorlauf
und 50 °C im Rücklauf, wodurch die
Kondensationsenergie praktisch nicht
nutzbar ist.
Im Wissen um dieses Potenzial wurde
für die Überbauung «Stadtblick» eine
Wärmeversorgung durch ein Niedertemperatur-Wärmenetz mit 45 °C im
Vorlauf und 30 °C im Rücklauf geplant. Die Wärme für die Überbauung
«Stadtblick» kann damit durch Kondensation von Wasserdampf vollumfänglich und «gratis» den Abgasen
der Holzkessel entzogen werden, welche innerhalb des Franke-Areals nicht
weiter nutzbar sind.
Die gute geografische Ausgangslage –
Industrieareal und 2000-Watt-Siedlung
sind unmittelbar benachbart – sowie das
frühzeitige Erkennen des grossen energetischen, ökonomischen und marketingtechnischen Potenzials (Technisches
Konzept: DM Energieberatung AG, Marketingkonzept: Artemis Immobilien AG)
haben zu der heute realisierten Heizzentrale geführt, in welcher bereits der ab
2018 zum Einsatz kommende Abgaskondensator installiert ist.
Baubeteiligte Firmen
Bauherr:
Franke Schweiz AG, 4663 Aarburg, www.franke.com
Planung und Ausführung:
– DM Energieberatung AG, 5200 Brugg, www.dmeag.ch
– Carnotech AG, 4800 Zofingen, www.carnotech.ch
– Lämmli Architektur AG, 5000 Aarau, www.laemmli.ch
– Renergy AG, 6210 Sursee, www.renergy.ch
– Schmid AG, energy solutions, 8360 Eschlikon, www.schmid-energy.ch
– IS SaveEnergy AG, 8309 Nürensdorf, www.saveenergy.ch
der Nutzung von Holz die regionale
Wirtschaft gefördert.
Insbesondere für Hochtemperaturanwendungen – wo Wärmepumpen ungeeignet sind – stellt Holz eine echte
Alternative zu fossilen Energieträger
dar. Auch die Erzeugung von Dampf
oder der Betrieb von Wärmeträgeranlagen mit Holz sind heute Stand der
Technik. Bei grösseren Anlagen und
hohen Betriebszeiten wird zusätzlich
auch die Stromerzeugung – beispielsweise durch ORC-Anlagen – wirtschaftlich.
Fazit
Mit dem Bau ihrer Holzheizanlage setzt
Franke sowohl beim Lastmanagement
der Holzkessel als auch bei der optimierten Ressourcenausnutzung neue
Massstäbe und zeigt, dass Holzenergie
auch für die Industrie eine interessante
Alternative zu fossilen Brennstoffen ist.
Dank dem Mut für innovative Lösungen hat Franke die Technik in diesen
Bereichen vorangetrieben und so den
Weg für weitere Projekte geebnet.
■
Literatur
[1] D. Meier, Prozessoptimierung bei der
Wärmeerzeugung mit Holz in Gewächshäusern, Bundesamt für Energie BFE, 2006.
[2] Holzenergie Schweiz, September 2013.
Holzenergie – Energie mit Zukunft.
Von www.holzenergie.ch abgerufen.
* Autor:
Maik Albert ist Projektleiter bei der DM
Energieberatung AG in Brugg und hat
das in diesem Artikel beschriebene Gesamtkonzept zur Abwärmenutzung entwickelt,
[email protected]
CO2-neutrale Holzenergie:
Das Potenzial ist noch gross
Im Endausbau verbraucht die Anlage
von Franke jährlich 14 000 Srm Holzschnitzel, welche ausschliesslich aus
dem Wald der Ortsbürgergemeinde Aarburg stammen. Mit diesem Holz werden
jährlich rund 1.1 Mio. Liter Heizöl substituiert und dadurch die Emission von
1600 Tonnen CO2 verhindert. Dies entspricht in etwa der Menge CO2 welche
jährlich durch die private Gebäudeheizung aller 800 Mitarbeitenden am Standort Aarburg emittiert wird.
Nach Angaben von Holzenergie Schweiz
[2] stehen gesamtschweizerisch jährlich
6.6 Mio m3 Energieholz zur Verfügung,
wovon heute erst 4.3 Mio m3 genutzt werden. Das verbleibende Potenzial von 2.3
Mio m3 entspricht über 160 weiteren
Anlagen, wie sie von Franke realisiert
wurde. Im Gegensatz zu fossilen Energieträgern, welche aus dem Ausland
importiert werden müssen, wird mit
Prinzipschema der Holzheizung bei Franke: Zwei Holzkessel (750/1500 kW), Ölkessel (2600 kW), HochtemperaturNetz (HT) und Niedertemperatur-Netz (NT). Entschwadung: Nach der Wärmerückgewinnung werden die Abgase
gewaschen/gereinigt und mit Aussenluft vermischt, damit am Kaminaustritt Wasserdampf ohne Schwaden-Bildung
entweichen kann.