Ich habe einen Traum

Derby-Rede 2015
„Ich habe einen Traum“
Gehalten von Heike Bischoff-Lafrentz, Eigentümerin des Gestüts Görlsdorf
am 4. Juli 2015 im Kempinski Hotel Atlantic in Hamburg
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Senator, lieber Atti Darboven,
liebe Züchterkollegen und Rennsportfreunde,
es ist mir eine besondere Ehre und sehr große Freude heute hier vor Ihnen stehen
zu dürfen um die Derby-Rede zu halten. Meine Familie und ich haben im letzten Jahr
mit dem Sieg von Sea The Moon im 145. Deutschen Derby das großartigste und
emotional schönste Erlebnis hier in Hamburg gehabt. Es war Magie.
Kurz vor dem Derby geht der Mond über der Horner Rennbahn auf. In einem
azurblauen Himmel. Nur ein paar Minuten später ruft der Rennbahnsprecher Sven
Wissel über die Lautsprecher: „Der Mond geht auf, der Mond geht auf in Horn. Sea
The Moon geht auf und davon mit Christophe Soumillon. Sea The Moon, der Mond
ist aufgegangen. Sea The Moon gewinnt ganz, ganz überlegen das deutsche Derby.“
Was für ein Moment!
Meine Dankbarkeit ist riesengroß und richtet sich an den Sponsor Atti Darboven und
alle Rennsportfreunde, die mit viel Engagement so etwas erst möglich machen.
Besonders dankbar bin ich natürlich meinem Vater, der 1992 das Gestüt Görlsdorf
als absolutes Greenhorn von der Treuhand übernahm. Wie so vieles im Leben,
geschah auch dies rein zufällig. Ein guter Freund und Notar meines Vaters las in
einer Berliner Tageszeitung, dass in Hoppegarten Rennpferde versteigert werden. So
rief er bei meinem Vater an und fragte: „Hinrich, hast du nicht Lust mitzukommen?“
Mein Vater hatte Lust, musste dann aber kurzfristig absagen. Es kam dann allerdings
noch ein Anruf, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er jetzt stolzer Mitbesitzer einiger
Rennpferde sei. Nun wollte man natürlich seine Pferde auch mal kennen lernen und
so stattete man dem Trainer Ecki Gröschel in Neuenhagen einen Besuch ab. Das
war alles sehr unterhaltsam und der Trainer hatte dann auch eine ganz großartige
Idee: Es wäre doch sicherlich interessant auch mal das Gestüt zu besuchen, in dem
die Pferde zur Welt gekommen waren. Es wurde kurzerhand ein Termin verabredet
für den Ausflug ins Jrüne, wie der Berliner sagt. Und ach! Wie waren schön die
Pferde auf dem Gestüt und die Landschaft erst! Na ja, die Gebäude waren etwas
heruntergekommen, man müsste schon ein bisschen was machen, aber die
Landschaft und die Pferde, ein Traum.
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Da nun dringend ein Geldgeber gesucht wurde, damit die armen Pferde auch weiter
ihren Hafer bekamen, hat sich mein sehr tierlieber Vater doch sehr blauäugig der
Sache angenommen. Man versuchte sein Bestes, gab Unmengen von Geld aus, um
unter anderem bei aufregenden Ausflügen nach Kentucky so richtig übers Ohr
gehauen zu werden. Zum angeblichen Spottpreis kaufte man so großartige Hengste
wie Czaravich und immerhin den Kentucky Derby Sieger Gato del Sol. Das ganze
Projekt war halt Learning by Doing. Langsam lernten wir dazu. Nur sehr schade,
dass dies hier alles mein Vater nicht mehr miterleben konnte. Er verstarb am
11.11.2005. Er hatte sehr viel gesät und wir sind nun die Glücklichen, die die Ernte
einfahren können. Danke Papa!
Dieser Elf-Längen-Sieg von Sea The Moon war natürlich etwas ganz Besonderes
und Außergewöhnliches. Daniel Delius berichtete in der Turf-Times: „Christophe
Soumillon kann sich in aller Ruhe umsehen, seine Peitsche steckenlassen, Sea The
Moon marschiert wie von einem anderen Stern und gewinnt das Idee 145. Deutsche
Derby mit elf Längen. Eine Sternstunde des deutschen Turfs.“
Oder wie Peter Scheid im Editorial der Sport-Welt bemerkte: „Dass ein Hamburger
Derbysieger im Ranking über den Epsom- und Irish-Derby-Sieger gestellt wird, ist für
Turf-Deutschland eine gewaltige Nummer. Aber Sea The Moons Leistung war halt
auch gigantisch.“
Nun gehört zu einem Top-Athleten, damit er sein Können abrufen kann, natürlich
auch ein Top-Team, das möglichst viel richtig macht und vor allem das Pferd
glücklich und gesund hält. An dieser Stelle möchte ich mich noch mal recht herzlich
bei allen Beteiligten für das tolle Teamwork bedanken: Bei Markus Klug und seiner
Mannschaft, bei Dr. Günther Paul und der Mehl-Mülhens-Stiftung für die
Bereitstellung der wunderschönen Trainingsanlage, bei allen Görlsdorfer
Mitarbeitern, bei Herrn Dirk Eisele als persönlichem Betreuer von Moonie, bei Frau
Dr. Ietje Leendertse und ihren Kollegen, bei der Osteopathin Frau Dr. Verena
Adelheidt, bei Frau Dr. Christa Finckler-Schade für die Futterkalkulation und natürlich
bei Christophe Soumillon für die Professionalität und seinen spektakulären Ritt. Er
hat Sea The Moon zu einem Weltstar gemacht!
Ich kann Ihnen berichten: Sea The Moon geht es gut. Er ist jetzt bekanntlich
Deckhengst, steht in Newmarket auf dem Lanwades Stud von Kirsten Rausing und
hat zum 1. Juli ganze 123 Stuten tragend gedeckt.
Das war ein kurzer Blick in die Vergangenheit, doch eine Derby-Rede sollte ja
bekanntlich auch in die Zukunft schauen. Deshalb bitte ich Sie nun, für einen
Moment in sich zu gehen und sich ein Bild zu malen vom deutschen Galopprennsport
im Jahre 2045, wenn Sophie und Katharina, meine beiden Töchter, eine sitzt hier im
Saal, so alt sein werden wie ich es jetzt bin.
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Sicher hat jetzt jeder von uns sein eigenes Bild.
Was wir alle mit Sicherheit wissen ist, dass der Wandel und die Veränderung
unumgänglich sind. Der Fortschritt ist es aber nicht.
Der Fortschritt hängt davon ab, dass wir heute die Weichen für die Zukunft stellen.
Und ich rede nicht über die Weiche in Richtung PMU. Denn: Als Vorstandsmitglied
der Besitzervereinigung habe ich bis heute keinerlei offizielle Informationen über den
geplanten PMU-Deal erhalten. Trotz Mitgliedschaft im Direktorium, das ja
mehrheitlich von den Besitzern und Züchtern finanziert wird, hat uns niemand
informiert, dass die Rechte für die Bilder und Daten unserer Rennen für viele Jahre
an eine dann mehrheitlich in ausländischer Hand befindliche Gesellschaft gehen
sollen.
Wohlgemerkt sprechen wir hier von einem Deal, der schon in 48 Stunden am
kommenden Montag hier in Hamburg im NH Hotel an der Rennbahn besiegelt
werden soll. Was ich bisher über die Medien und andere Quellen in Erfahrung
bringen konnte, hat mich zutiefst erschüttert. Für mich klingt das alles nach einer
feindlichen Übernahme: Wir würden uns unserer wirtschaftlichen Grundlage sowie
aller Gestaltungsmöglichkeiten berauben und faktisch einem Ausverkauf unseres
Sports nach Frankreich zum Nulltarif zustimmen.
In meiner zweiten Heimat Mallorca erlebe ich, was ein Ausverkauf an die PMU für die
Pferde bedeuten kann: Während die Traber dort früher erst ab 22.00 Uhr abends an
den Start gingen, weil es tagsüber einfach zu heiß ist, laufen die Pferde heute schon
mal auf Wunsch der PMU zur unerträglichen Mittagshitze. Alles tanzt nur noch nach
der Pfeife von Paris.
Vor diesem Hintergrund frage ich mich seit gestern: Können wir unseren
Führungskräften bei so viel Intransparenz eigentlich noch vertrauen?
Schon einmal in der jüngeren Vergangenheit, das war 2010, haben wir alle
gemeinsam eine überlebenswichtige Weiche erfolgreich gestellt – und dabei blieb
der Zug im eigenen Land. Mit der Geburt von German Racing haben wir es geschafft,
das Direktorium vor dem Bankrott zu retten. Und wie haben wir das geschafft? Wir
haben uns für diese Mega-Aufgabe Profis mit an Bord geholt, einen Master-Plan
entwickelt und mit Hilfe dieser Profis auch für seine Umsetzung gesorgt.
Leider wurden diese Profis als erste wieder von Bord geschickt, weil sie Geld kosten.
Diese Kompetenz-Lücke konnte – nach meiner Ansicht – bis heute keiner schließen.
Heute fährt der Zug „German Racing“ – wie man überall sehen kann – noch immer in
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die richtige Richtung. Aber doch eher als ein Bummelzug ohne Service und nicht als
ICE mit höchstem Standard, bestem Service und exzellenter Bordküche.
Wir müssen uns heute fragen: Wollen wir in 30 Jahren als die Totengräber des
deutschen Rennsports dastehen? Oder beginnen wir endlich strukturiert wieder an
der Zukunft zu arbeiten. Hierfür brauchen wir Profis und den berühmten Master-Plan.
Es muss nun endlich Professionalität und Kompetenz in unseren Laden einkehren.
Der technische und kommunikative Wandel hat uns schon überrollt. Und warum?
Weil wir in unseren Strukturen völlig überaltert sind.
Auch ich, mit Mitte 50 eines der jüngsten Mitglieder im Vorstand der
Besitzervereinigung, fühle mich aktuellen Themen wie Digitalisierung, Big Data,
Social Media oder Industrie 4.0 nicht mehr gewachsen. In allerletzter Sekunde
konnten wir mit German Racing 2010 auf den digitalen Zug der Online-Wette
springen. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es heute um unseren Sport stünde,
wenn wir damals auf die Gegner gehört hätten, die diese Modernisierung verhindern
wollten.
Leider wurden die anderen Bereiche des damaligen Master-Plans nicht mehr
vorangetrieben, beziehungsweise behindert. Die Dachmarke German Racing mit der
zentralen Vermarktung unseres Sports wurde boykottiert und ist immer noch eine
leere Hülle. Die einzige Verjüngungskur, die Bildung von German Racing Next
Generation, wurde zu meiner Überraschung nicht mit offenen Armen aufgenommen.
Im Gegenteil! Unsere neue Nachwuchs-Organisation wurde erst ignoriert, später
sogar angefeindet und das von führenden Persönlichkeiten unserer Gremien. Diese
Ignoranz ist die betrübliche Verschwendung von Zukunftspotential.
Zum Glück gibt es auch sehr positive Ausnahmen. Fragen Sie doch bitte mal
Eckhardt Sauren vom Kölner Rennverein, was Mitglieder von Next Generation allein
in der Domstadt alles auf die Beine gestellt haben. Ganz besonders hervorzuheben
ist das tolle Engagement von Christoph Holschbach, einem Mitglied der ersten
Stunde bei Next Generation. Er hat in Weidenpesch gemeinsam mit Henk Grewe
einen neuen Rennstall mit über 20 Pferden gegründet. Auch die neue InternetPlattform „dein-rennpferd-de“, gegründet vom Next Generation Mitglied Jonas
Schorfheide, hat bereits zwei Rennpferde. Eines davon, Uncle Muf, lief heute hier in
Hamburg und hat zahlreiche eigens angereiste Mitbesitzer an die Wettkassen
gelockt. Oder haben Sie vielleicht heute Humor auf Ihrem Wettzettel gehabt? Humor
ist einer der Galopper des Stalls „just4turf“, dem Rennstall der Next Generation. Das
andere Pferd heißt Angreifer und läuft morgen.
Unsere Freunde in England, Frankreich, Irland und Schweden zeigen uns, wie man
mit Racing Clubs dieser Art gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann: Mehr
Pferde in unser Renn-System zu bekommen, neue Besitzer und Fans zu gewinnen
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und mehr Wettumsatz zu generieren. In Schweden ist der Dachverband selbst aktiv
geworden, in Frankreich ist es die größte Auktionsgesellschaft Arqana – und bei
uns? Ich habe sowohl unserem Direktorium als auch der Besitzervereinigung und der
BBAG bereits vor einiger Zeit vorgeschlagen, die Gründung neuer Racing Clubs
proaktiv zu forcieren – bisher leider vergeblich.
Sie sehen, wir können es uns einfach nicht mehr leisten, die weltweiten Mega-Trends
zu ignorieren. Fünf dieser Trends, die mir besonders wichtig für unseren deutschen
Rennsport erscheinen, möchte ich im Folgenden einmal anschneiden:
1. Digitalisierung und Innovation
Nutzen wir konsequent alle Potentiale zur digitalen Vermarktung unseres Sports? Ich
meine: nein! Drei Zahlen können das exemplarisch ganz gut veranschaulichen. Auf
Facebook hat der Hamburger Renn-Club, der mit dem Derby für uns die wichtigste
Rennsportveranstaltung austrägt, 1.500 Fans.
Der CHIO in Aachen, die wichtigste Reitsportveranstaltung, hat 94.000 Fans und der
HSV hat sogar über 700.000 Fans. Hier wird deutlich, dass wir großen
Nachholbedarf haben und dringend junge Leute an Bord holen müssen. Noch
düsterer sieht es aus, wenn wir Aspekte wie Online-Ticketing, Smartphone-Apps,
HD-Livebild-Übertragung oder Web-basierte Merchandising-Shops betrachten, die in
vielen anderen Sportarten längst zum Standard gehören.
Investieren wir ausreichend in die Entwicklung innovativer Produkte und Services
sowie neuer Geschäftsmodelle? Ich kann das nicht erkennen. Ein
Kompetenzzentrum, das permanent den Markt im Auge behält, Ideen aufgreift und
weiterentwickelt, ist dringend von Nöten. Und da sind wir schon beim nächsten
Mega-Trend.
2. Professionalisierung und Verwissenschaftlichung
Die Deutsche Fußball Liga GmbH und die geplante Etablierung der DFB-Akademie
ausgerechnet auf der Frankfurter Rennbahn stehen exemplarisch für eine massive
Veränderung des nationalen wie internationalen Sportwesens: Die zunehmende
Kommerzialisierung des Sports verlangt nach unternehmerischen und
wissensbasierten Strukturen, die typischerweise in Form von professionell geführten
Profit-Centern jenseits der traditionell gemeinnützigen und ehrenamtlichen
Vereinsstrukturen aufgebaut werden.
Der Rennsport muss sich entscheiden: Will er als eine von einer Handvoll Mäzenen
gepäppelte Liebhaberei sein Schattendasein weiter fristen oder als professionell und
marktorientiert geführtes Sport-Business zurück ins Rampenlicht kehren?
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Sind unsere komplexen und weitgehend ehrenamtlichen Verbands- und
Vereinsstrukturen noch zeitgemäß? Nein! Wir brauchen eine radikale Vereinfachung
unserer internen Organisation. Wir brauchen eine klare Trennung zwischen
repräsentativ-kontrollierendem Ehrenamt und operativ unternehmerischem
Hauptamt, um an Agilität und Durchschlagskraft im Markt zu gewinnen.
Sind unsere Führungskräfte den immer größer werdenden Herausforderungen noch
ausreichend gewachsen? Aus meiner Sicht muss hier unbedingt eine Verjüngung
und Professionalisierung auf allen Ebenen erfolgen.
Schaffen wir genug Raum für Dialog und Weiterentwicklung? Um den internen und
Rennsport-übergreifenden Erfahrungs- und Wissensaustausch zu fördern, wäre ein
jährliches Forum für Aktive, Funktionäre, Kunden, Partner, Sponsoren und
Dienstleister von Vorteil, zu dem auch internationale Rennsport-Vertreter sowie
externe Referenten aus Medien, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik eingeladen
werden sollten. Als Vorbild könnte hier z.B. die seit 1990 jährlich vom Jockey Club in
den USA durchgeführte „Annual Round Table Conference“ dienen.
3. Eventisierung und Erlebnis-Orientierung
Der gesamte Sport- und Freizeitmarkt wird immer vielfältiger und
wettbewerbsintensiver. Wer als Sportart in diesem Umfeld bestehen will, der muss
konsequent emotionalisieren, medial inszenieren und kommerzialisieren: Der Sport
wird zum Event und Gemeinschaftserlebnis für den Freizeitkunden, auf dessen
ganzheitliche Unterhaltung sämtliche Aktivitäten auszurichten sind.
Sind wir als Galopprennsport bereit, diesen Wandel mitzugehen und ihn selbst aktiv
voranzutreiben? Bieten wir mit unserem Sport derzeit genug Spannung und
Entertainment? Mein Eindruck ist, dass wir im Hinblick auf die Zugänglichkeit des
Sports für Newcomer und die Entwicklung von Stars und Stories noch sehr viel von
anderen Sportarten lernen können. Ich fand es sehr interessant, wie sich z.B. die
damalige Randsportart Biathlon neben dem Fußball medial dauerhaft etablieren
konnte.
Eine weitere Frage: Wird unsere Infrastruktur modernen Anforderungen noch
gerecht? Nein! Der Zustand der Tribünen, VIP-Logen, Sanitäranlagen und vor allem
auch der Aktiven-Bereiche wie auch der Gastboxen ist auf zahlreichen Rennbahnen
beklagenswert und stark sanierungsbedürftig! Das gastronomische Angebot ist
oftmals mehr als unzulänglich. Und ich spreche aus Erfahrung. Als wir unseren
ersten klassischen Sieg mit Hey Little Görl im Dortmunder St. Leger feiern wollten,
konnten wir keinen Champagner erwerben, es gab auf der ganzen Anlage nur eine
einzige Flasche Rotkäppchen-Sekt, die uns netterweise Präsident Hans-Hugo
Miebach spendierte. Ein wahres Armutszeugnis!
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Sind unser Sponsoring-Angebot und unsere Medienarbeit noch zeitgemäß?
Sponsoren wie Medien werden immer anspruchsvoller und verlangen heute eine
professionelle und proaktive Betreuung – gefragt sind „value for money“ und „content
that sells“. Es darf nicht sein, dass wir als Rennsport auf nationaler wie regionaler
Ebene oftmals nicht in der Lage sind, interessierten Unternehmen ein hochwertiges
Portfolio von Sponsoring-Paketen einschließlich Besucherdaten, Marketingkanälen,
Referenzen und persönlichem Ansprechpartner anzubieten. Schon mehrfach lagen
umsetzungsfähige Konzepte auf dem Tisch für eine zentrale, Galopp-eigene Eventund Marketing-Agentur, die als Profit-Center die Rennvereine unterstützen und neue
Konzepte entwickeln soll. Hier müssen wir endlich loslegen!
4. Globalisierung und Internationale Vernetzung
Die Welt ist flach geworden und mit ihr die globalen Handels-, Finanz- und
Dienstleistungsströme. Auch der deutsche Galopprennsport profitiert von dieser
engen internationalen Verzahnung. Doch sind wir auch für den internationalen
Wettbewerb der Zukunft gut aufgestellt? Sprechen wir auch internationales Publikum
hinreichend auf unseren Rennbahnen an? Schöpfen wir das Potenzial internationaler
(Wett-)Märkte bestmöglich aus? Mir ist z.B. leider keine Rennbahn in Deutschland
bekannt, die zumindest an Gruppe-Renntagen grundlegende Informationen auch in
englischer Sprache bereitstellt. Auch auf den Webseiten unserer Verbände und
Gestüte werden internationale Wetter, Züchter und Turf-Fans kaum mit
englischsprachigen Inhalten abgeholt.
Warum gelingt es uns nicht besser, Partnerschaften mit den neuen Rennsportländern
im Nahen Osten zu entwickeln? Während insbesondere Persönlichkeiten und
Unternehmen aus Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten dank zahlreicher
Sponsorings und Investments aus den Rennsport-Ländern England, Frankreich und
Irland kaum mehr wegzudenken sind, treten sie bei uns nur hin und wieder in Form
von Rennpferd-Käufen oder bei Starts ihrer Pferde auf hiesigen Rennbahnen in
Erscheinung. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir noch viel mehr Kooperation
erreichen könnten, wenn wir die Sache einmal strategisch angehen würden.
Symptomatisch für unseren Sport sind sehr lobenswerte Initiativen einzelner
Persönlichkeiten, wie z.B. die Fußball-Partnerschaften von Dr. Andreas Jacobs oder
aktuell seine neuen Verbindungen zu den Kataris. Hier könnten eine Bündelung aller
Kräfte und eine professionelle Begleitung durch unsere eigene Event- und MarketingAgentur Synergien schaffen und einen noch weit größeren Nutzen für unseren Sport
generieren. Ich stelle mir z.B. vor, unsere Gruppe-1-Rennen zu einer
prestigeträchtigen Rennserie mit einem großen Haupt-Sponsor und einheitlichen
Event-Standards zu verknüpfen.
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5. Demografischer und sozialer Wandel
In den kommenden 30 Jahren wird die Bevölkerung in Deutschland um ca. 9%
schrumpfen. Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit, sich jetzt konsequent
der Jugend und unseren Mitbürgern mit Migrationshintergrund zu öffnen. Auch
konkrete Kundenakquisitions- und Kundenbindungsprogramme, wie sie in anderen
Rennsport-Nationen längst etabliert sind, werden jetzt endlich gebraucht.
Tun wir genug, um junge Leute der sogenannten Generationen Y und Z an den
Rennsport heranzuführen? In der Jugend liegt die Zukunft – doch leider fehlt es auch
hier an einem ganzheitlichen Ansatz, um junge Menschen nicht nur als GelegenheitsBesucher unserer Renntage, sondern auch als Nachwuchs für Aktive, Wetter,
Besitzer, Züchter und Funktionäre aufzubauen. Wir müssen dringend um die nächste
Generation werben. Die Studierenden von heute sind die Ärzte, Anwälte,
Unternehmer und Vorstände von morgen.
Werden wir überhaupt von unseren wirtschaftlichen Eliten noch als attraktiver Sport
wahrgenommen? Machen wir uns nichts vor: Der Besitz, das Training und die Zucht
von Vollblütern sind ein kostspieliges Unterfangen, das entsprechenden Wohlstand
voraussetzt. Doch gilt ein eigenes Rennpferd unter Unternehmern, Anwälten, Ärzten,
Bankern und Vorständen heute noch als begehrenswertes Statussymbol? Aus
meiner Sicht müssen wir diese für unseren Fortbestand so immens wichtige Gruppe
von Investoren und Multiplikatoren wieder viel stärker aktivieren und integrieren!
Und ich kann mich nur noch einmal wiederholen: Die Studierenden von heute sind
die Ärzte, Anwälte, Unternehmer und Vorstände von morgen!
Meine Damen und Herren, die von mir skizzierten Mega-Trends machen vor allem
eines deutlich: Der uns bevorstehende Wandel von Wirtschaft, Technologie und
Gesellschaft ist unumgänglich. Der Fortschritt und die Weiterentwicklung unseres
Sports sind es aber nicht: Diese hängen davon ab, dass wir heute mit Herz und
Verstand die Weichen für die Zukunft stellen.
An Vorbildern, Ideen und Konzepten mangelt es uns wahrlich nicht. Dies zeigen nicht
nur die Reden meiner Vorgänger an gleicher Stelle, sondern auch die studentischen
Ideenwettbewerbe der Jahre 2012 und 2013 und nicht zuletzt die vielen Vorschläge
und Impulse von Aktiven, Wettern, Fans und Sponsoren.
Woran es uns aber seit Jahren sehr wohl fehlt, ist der Mut und die Entschlossenheit,
kleingeistiges Denken, Rivalität und Eitelkeit zugunsten eines gemeinsamen großen
Wurfes zu überwinden. Zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit benötigen wir
dringend ein konkretes Leitbild und einen Master-Plan für unsere sportliche und
wirtschaftliche Zukunft. Dabei gilt es, im Rahmen eines Strategieprojekts messbare
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Ziele, operative Handlungsfelder, konkrete Maßnahmen, realistische Budgets und
klare Verantwortlichkeiten zu definieren und dies schrittweise in die Praxis
umzusetzen.
In der konsequenten und möglichst raschen Umsetzung liegt für uns die
entscheidende Herausforderung, der wir uns nun endlich stellen müssen. Hierfür
müssen wir wie schon beim letzten großen Wurf noch einmal Geld in die Hand
nehmen. Und ich möchte hier eindringlich davor warnen, sich auf einem möglichen
PMU-Deal auszuruhen. Ob mit oder ohne PMU, wir werden diese notwendigen
Reformen selbst umsetzen müssen.
Dass sich eine Investition in den deutschen Galopprennsport lohnen kann, haben wir
alle am Beispiel von German Racing erfahren: Die Investoren erhalten ab diesem
Jahr 2,5% Dividende steuerfrei – weit mehr, als jede Bank zurzeit Zinsen zahlt.
Ich habe heute Abend aber nicht nur „Blut, Schweiß und Tränen“ anzubieten,
sondern vor allem auch einen großen Traum. Ich träume davon, dass unser
traditionsreicher und in seiner Faszination einzigartiger Sport auch noch in 10, 20
oder 30 Jahren die Menschen in unserem Land immer wieder aufs Neue begeistert.
Ich träume davon, dass auch meine Enkel und Urenkel noch in den Genuss kommen
werden, dieses unbeschreibliche Vibrieren und den Adrenalin-Kick eines Rennens
auf einer heimischen Rennbahn zu erleben.
Und vor allem träume ich davon, dass unser Sport aus dem heutigen Tal der Tränen
gestärkt hervorgehen und in Zukunft wieder einen festen Platz unter den führenden
Sportarten in Deutschland einnehmen wird! Ich lade Sie ein, diesen großen Traum
mit mir zu träumen und ihn gemeinsam wahr werden zu lassen!
Und ich fordere hiermit die Verantwortlichen in unseren Führungskreisen auf, die
jungen, kreativen und engagierten Kräfte aus der nächsten Generation als Mentoren
an die Hand zu nehmen und ihnen die Türen in die Gremien zu öffnen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Abend und allen
Beteiligten für das morgige Idee 146. Deutsche Derby „Hals und Bein“!
Möge das beste Pferd gewinnen und mögen alle heil ins Ziel kommen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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