Thüringer Landtag 6. Wahlperiode 1046 Drucksache 6/ 08.09.2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Möller (AfD) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Ausländische Studenten in Thüringen halten Die Kleine Anfrage 405 vom 22. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group könnten schon in 15 Jahren in Deutschland zwischen 5,8 bis 7,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen, was mit schwerwiegenden Folgen für das deutsche Wirtschaftswachstum verbunden wäre. Durch den Arbeitskräftemangel könnte der deutschen Wirtschaft 2030 im schlimmsten Fall ein Schaden von 550 Milliarden Euro entstehen. Das entspricht etwa einem Fünftel der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands im Jahr 2014. Am stärksten betroffen vom Arbeitskräftemangel könnte laut der Studie Thüringen sein. Die Autoren der Studie errechnen für das Bundesland eine Lücke von 28 Prozent der eigentlich benötigten Arbeitskräfte. Fraglich ist, welche Möglichkeiten genutzt werden sollen, um diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ein großes Potenzial stellen dabei qualifizierte Zuwanderer aus dem Ausland dar. Ausländische Studenten, die mehrere Semester beziehungsweise ihr ganzes Studium in Thüringen absolviert haben, sind in der Regel gut integriert und verfügen über gefragte Qualifikationen, die Thüringen für sich auch weiterhin nutzen sollte. Ich frage die Landesregierung: 1. In welchen Fächergruppen schrieben sich ausländische Studenten im Wintersemester 2014/2015 am häufigsten ein und wie hat sich dies seit dem Wintersemester 2010/2011 entwickelt? 2. Wie viele ausländische Studenten absolvieren ihr gesamtes Studium in Thüringen (bitte aufteilen nach Bachelor, Master, Staatsexamen)? Wie hat sich diese Zahl seit dem Wintersemester 2010/2011 entwickelt? 3. Welche Maßnahmen werden aktuell ergriffen, um ausländische Studenten für ein Studium in Thüringen zu gewinnen? 4. Welche Maßnahmen wurden seit 2014 ergriffen, um ausländische Studenten für ein Studium in Thüringen zu gewinnen? 5. Inwieweit werden schon während des Studiums Maßnahmen ergriffen, um ausländische Studenten für eine Tätigkeit in der Thüringer Wirtschaft zu gewinnen? 6. Wie viele ausländische Absolventen konnten in den vergangenen Jahren ab dem Wintersemester 2010/2011 nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Studium eine Tätigkeit in Thüringen aufnehmen (bitte nach Kalenderjahren aufgliedern)? Druck: Thüringer Landtag, 22. September 2015 Drucksache 6/ 1046 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode 7. Welche Maßnahmen wurden seit dem Wintersemester 2010/2011 ergriffen, um ausländische Studenten in die Thüringer Wirtschaft zu integrieren und welche Maßnahmen sind in dieser Legislaturperiode geplant? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 4. September 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die meisten ausländischen Studierenden waren im Wintersemester 2014/15 in den Ingenieurwissenschaften eingeschrieben (2.096). Es folgten die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (1.291), die Sprachund Kulturwissenschaften (957), die Mathematik und die Naturwissenschaften (834) sowie die Kunst und die Kunstwissenschaften (530). Diese Reihenfolge ist im Wesentlichen seit dem Wintersemester 2010/2011 gleichgeblieben. Eine entsprechende Übersicht ist als Anlage 1 beigefügt. Zu 2.: Die Zahl ausländischer Absolventen ist in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich angestiegen: von 535 im Prüfungsjahr 2010 auf 877 im Prüfungsjahr 2014. Ob die ausländischen Absolventen ihr Studium ausschließlich an einer Thüringer Hochschule verbracht haben, wird statistisch nicht erfasst. Eine entsprechende Übersicht ist als Anlage 2 beigefügt. Zu 3.: Die Thüringer Hochschulen haben neben allgemeinen Marketingmaßnahmen für ausländische Studierende insbesondere auch Betreuungsnetzwerke, Willkommenstage und Integrationsprojekte etabliert: • An der Technischen Universität Ilmenau gibt es das Betreuungsnetzwerk "we4you", das spezifische Tutorenprogramme und umfangreiche Kulturangebote beinhaltet. • An der Bauhaus-Universität Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurden "Willkommenstage" für internationale Studienanfänger etabliert. • In Erfurt laufen Integrationsprojekte wie "TANDEM", "Fremde werden Freunde", "Café International" sowie "Springboard to Learning". Des Weiteren unterstützen die Thüringer Hochschulen ausländische Neuankömmlinge mit Tutorien und speziellen Programmen. Mit dem Ziel der "Etablierung eines internationalen Campus" bilden fremdsprachige Studienangebote einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung und damit zur Fachkräftegewinnung. Auch hier gibt es zahlreiche Initiativen der Thüringer Hochschulen. Ferner bieten nahezu alle Thüringer Hochschulen - meist auf Masterebene - englischsprachige Studiengänge an. Umgekehrt ist es wichtig, dass die ausländischen Studierenden ihre Deutschkenntnisse und die deutschen Studierenden ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessern. Hier leisten die Sprachenzentren eine wertvolle Arbeit. Hinzukommen spezielle Veranstaltungen wie "Summerschools" oder internationale Projektwochen, die speziell auch ausländische Studierende ansprechen sollen. Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld für die internationale Orientierung und die Gewinnung ausländischer Studierender ist der Ausbau der internationalen Kooperationen. Aktuell gibt es über 1.300 Kooperationen mit ausländischen Hochschulen in 93 Ländern. Leitlinie für die internationale Ausrichtung des Hochschulbereichs ist eine von den Wissenschaftsministerinnen und -ministern von Bund und Ländern im Jahr 2013 gemeinsam verabschiedete Strategie für die Internationalisierung der Hochschulen. Diese definiert neun Handlungsfelder, wie z.B. die strategische Internationalisierung als Querschnittsaufgabe. Die aktuellen Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen nehmen auf die Strategie Bezug. Außerhalb der Hochschulen ist das "Welcome Center Thuringia" zentraler Ansprechpartner für Ausländer bei allen Fragen rund um "Studieren", "Arbeiten" und "Leben". Es ist Teil der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung. Zu 4.: Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 2 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 1046 Zu 5.: Grundsätzlich stehen alle Maßnahmen, die für die Studierenden der Hochschulen angeboten werden, auch Studierenden internationaler Herkunft offen. Dies betrifft beispielsweise Bewerbungstrainings, Kontaktmessen zu lokalen Unternehmen, die Praktikumsvermittlung der betreffenden Fächer oder Beratungs- und Orientierungsangebote, teilweise auch in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit. Zusätzlich gibt es Maßnahmen, die sich speziell an ausländische Studierende richten. Dies sind zum einen Deutschkurse der Sprachenzentren sowie die Vermittlung von Sprachtandems. Beides dient dem Ziel, ausländische Studierende in der deutschen Sprache so auszubilden, dass umfassende Sprachkompetenz abrufbar und damit eine Integration auch in den Arbeitsmarkt möglich ist. Insbesondere ist auch das Projekt "STAY - Studieren. Arbeiten. Leben in Thüringen" zu nennen. Es wurde unter der Federführung der Ernst-Abbe-Hochschule Jena mit der Friedrich-Schiller-Universität, dem Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V., der Agentur für Arbeit Jena, dem Welcome Center Thuringia und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Jena mbH entwickelt. Im Rahmen des Projektes soll der Aufbau von Netzwerken zur Integration internationaler Absolventen mit dem Ziel der Fachkräftesicherung auf regionalen Arbeitsmärkten gefördert werden. Internationale Studierende werden hierbei durch gezielte Maßnahmen und Angebote an Unternehmen herangeführt, was ihre Chancen für einen erfolgreichen Berufseinstieg und die Bindung an den Thüringer Arbeitsmarkt erhöht. Gleichzeitig sollen Unternehmen für die Besonderheiten dieser Zielgruppe sensibilisiert und bei der Auswahl und Integration der potenziellen Arbeitnehmer unterstützt werden. Die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF), welche aus Mitteln des Freistaates und aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) durch das TMASGFF finanziert wird, führt in regelmäßigen Abständen entsprechende Projekte und Aktionen durch. Diese umfassen Kooperationen mit den Thüringer Hochschulen, dem Europa-Service-Büro Thüringen und weiteren Partnern. Die ThAFF hält ein mehrsprachiges Beratungsangebot zum Thema "Arbeiten und Leben in Thüringen" für ausländische Studierende vor, bei dem beispielsweise ein Bewerbungsmappen-Check durchgeführt und Unterstützung bei der Recherche von Stellenangeboten gewährleistet wird. Darüber hinaus unterhält die Agentur eine Stellen- und Bewerberbörse, die auch ausländischen Studierenden empfohlen wird. Diese wird ebenfalls auf den Webseiten der Thüringer Hochschulen verlinkt. Sie ist außerdem auf hochschuleigenen Firmenkontaktmessen präsent und wirkt im Dual-Career-Netzwerk der Thüringer Universitäten und Fachhochschulen mit. Weiterhin gibt es Projekte, die sich explizit an Studierende aus bestimmten Ländern und Regionen wenden. So wurden Beratungs- und Unterstützungsangebote für vietnamesische Studierende entwickelt, in Kooperation mit der FH Schmalkalden ein Arbeitgeberforum für spanische Studierende durchgeführt sowie JobSpeed-Datings an verschiedenen Hochschulen umgesetzt - an der Bauhaus-Universität Weimar konnte hierbei eine Teilnehmendenquote ausländischer Studierender von 50 Prozent erzielt werden. Zu 6.: Daten über Studienabgänger und deren Verbleib in Thüringen als Arbeitnehmer werden von der amtlichen Statistik nicht erhoben. Aussagen über begonnene Beschäftigungsverhältnisse von Ausländern mit akademischem Abschluss können der als Anlage 3 beigefügten Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) entnommen werden. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die begonnenen Beschäftigungsverhältnisse von Ausländern mit akademischem Abschluss in Thüringen nicht die Zahlen der Absolventen aus Thüringer Hochschulen darstellen. Es können auch ausländische Hochschulabsolventen aus anderen Ländern in Thüringen eine Beschäftigung beginnen oder Thüringer Absolventen nehmen eine Beschäftigung in einem anderen Bundesland auf. Zu 7.: Jährlich findet die Absolventenmesse academix statt, welche von der ThAFF ausgerichtet wird. Die nächste Messe wird am 3. Dezember 2015 in der Messe Erfurt stattfinden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben sich bereits 52 Aussteller aller Branchen angemeldet. Die Messe richtet sich gleichermaßen an inländische wie ausländische Studierende und erfreut sich großer Nachfrage. Die in Frage 5 beschriebenen Projekte wurden in den vergangenen Semestern durchgeführt. Eine genaue Aufschlüsselung nach Semestern ist dabei nicht möglich. 3 Drucksache 6/ 1046 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Im Sommersemester 2015 wurden insbesondere folgende Angebote für ausländische Studierende gemacht: • • • • • • Career Day WBS an der Willy-Brand-School der Universität Erfurt, Fachvortrag in Deutsch "Bewerbungsunterlagen" anlässlich der Internationalen Tage der FSU Jena, Fachvortrag in Englisch "Bewerbungsunterlagen" anlässlich der Internationalen Tage der FSU Jena, CV basics - Workshop for international PhD Students der ThAFF, Job-Speed-Dating mit Studierenden der TU Ilmenau, Beginn des gemeinsamen Projektes "STAY- Studieren. Arbeiten. Leben in Thüringen"- mit Thüringer Hochschulen (siehe auch Antwort auf Frage 5) Außerdem sensibilisiert die ThAFF auch Unternehmen dafür, Studienabsolventen mit nichtdeutscher Herkunft als Arbeitskräfte in Erwägung zu ziehen. Dies geschieht durch Beratungsgespräche, in Form von Fachvorträgen und bei Messen. Momentan befinden sich die Projekte des kommenden Semesters in Planung, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine abschließende Aufstellung vorgenommen werden kann. Die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung leistet nach Ansicht der Landesregierung einen wichtigen Beitrag zur Integration ausländischer Fachkräfte in den Thüringer Arbeitsmarkt, der auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden soll. Tiefensee Minister Anlagen*) *) Hinweis: Auf den Abdruck der Anlagen wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlagen erhielten jeweils die Fraktionen und die Landtagsbibliothek. Des Weiteren können sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden. 4 Anlage 1 Ausländische Studierende an den Thüringer Hochschulen nach Fächergruppen WS 2010/2011 bis WS 2014/2015 2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 Fächergruppe des 1.Studienfachs Sprach- und Kulturwissenschaften 794 883 915 934 957 6 7 10 14 13 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 855 842 943 1.118 1.291 Mathematik, Naturwissenschaften 519 582 660 738 834 Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften 120 138 142 169 10 19 23 22 18 30 1.230 1.300 1.575 1.834 2.096 Kunst, Kunstwissenschaften 468 463 509 526 530 Außerhalb der Studienbereichsgliederung 103 56 12 6 4 4.114 4.294 4.788 5.357 5.765 Sport Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften Ingenieurwissenschaften Zusammen Quelle: Eigene Zusammenstellung aus der amtlichen Statistik des Thüringer Landesamtes für Statistik Anlage 2 Ausländische Absolventen an den Thüringer Hochschulen nach Abschluss Prüfungsjahr 2010 bis 2014 2010 2011 2012 2013 2014 Abschluss Bachelor (ohne Lehramt) 99 102 172 137 174 151 218 348 421 528 Staatsexamen (ohne Lehramt) 7 10 18 12 5 Lehramt 2 6 1 5 4 übrige Abschlüsse 276 303 219 196 166 Zusammen 535 639 758 771 877 Master (ohne Lehramt) Quelle: Eigene Zusammenstellung aus der amtlichen Statistik des Thüringer Landesamtes für Statistik Anlage 3 Beschäftigungsstatistik Begonnene Beschäftigungsverhältnisse (Beg. BV) von Ausländern mit akademischen Berufsabschluß Ausgewählte Regionen (Gebietsstand Juli 2015) Zeitreihe, Datenstand: Juli 2015 Aufgrund einer rückwirkenden Revision der Beschäftigungsstatistik im August 2014 können diese Daten von zuvor veröffentlichten Daten abweichen. Siehe methodische Hinweise. Region 4. Quartal 2012 1. Quartal 2013 2. Quartal 2013 3. Quartal 2013 4. Quartal 2013 1. Quartal 2014 2. Quartal 2014 3. Quartal 2014 4. Quartal 2014 1 Deutschland Westdeutschland Ostdeutschland Berlin 2 3 4 5 6 7 8 9 30.438 33.849 33.093 39.183 35.458 40.507 40.344 47.406 43.126 25.008 27.977 27.323 32.071 28.855 33.001 32.924 38.638 34.992 5.430 5.872 5.770 7.112 6.603 7.506 7.420 8.768 8.134 3.165 3.328 3.287 3.996 3.738 4.545 4.221 4.984 4.790 Brandenburg 513 646 596 736 684 738 890 1.075 838 Mecklenburg-Vorpommern 176 229 251 300 231 287 358 380 277 Sachsen 907 937 902 1.162 1.153 1.137 1.075 1.365 1.301 Sachsen-Anhalt 290 308 291 371 377 366 331 420 428 Thüringen 379 424 443 547 420 433 545 544 500 Erstellungsdatum: 10.08.2015, Statistik-Service Ost, Auftragsnummer 210396 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit 1) Aufgrund einer Umstellung im Meldeverfahren zur Sozialversicherung ist beim Merkmal höchster beruflicher Ausbildungsabschluss kein Datenausweis für Stichtage nach dem 30.06.2011 und vor dem 31.12.2012 möglich. Beim Vergleich von Daten ab dem Stichtag 31.12.2012 mit denen vorangegangener Stichtage ist zu beachten, dass Arbeitgeber im Zuge der Umstellung die Angaben zum Berufsabschluss ihrer Beschäftigten häufig korrigiert haben, so dass sich allein aufgrund dessen die Struktur der Abschlüsse verändert hat - auf Bundesebene leicht zugunsten abgeschlossener Berufsausbildungen und akademischer Abschlüsse.
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