Sachverhalt unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge

Beilage 2.1
zur Sitzung des Jugendhilfeausschusses vom 09.07.2015
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – aktuelle Situation und Entwicklung
1. Stark gestiegene und weiterhin steigende Zahl der neu einreisenden unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlinge
Seit einigen Jahren steigt die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (umF)
kontinuierlich an. Die Prognose im Juli JHA 2014, die noch von 1000 bis 1500 Neuankömmlingen
in Bayern ausging, war bereits im August 2014 überholt. Im Laufe des Jahres wurden die Zahlen
immer wieder nach oben korrigiert, letztendlich wurde die offizielle Prognose von 3000 umF über
10% überschritten.
Für das Jahr 2015 wird laut Aussage der Regierung von Mittelfranken mit einem Zustrom von
mindestens 5000 umF nach Bayern gerechnet. Zudem gibt es gewichtige Anhaltspunkte dafür
(erneut erhebliche Zugangsspitzen in den Sommermonaten), dass auch diese Prognose schon
bald deutlich nach oben korrigiert werden muss.
In Nürnberg hat sich die Anzahl der neu angekommenen und insgesamt betreuten umF
folgendermaßen entwickelt:
Laufende Fälle jeweils zum Monatsende:
Mai 2014
September
2014
November
2014
März 2015
Mai 2015
Zuständigkeit für
Inobhutnahme/Clearing
9
24
34
48
67
Zuständigkeit für HZE/
Anschlussmaßnahmen
141
125
132
148
167
Jahr
Zum Stichtag 31. Mai 2014 war der ASD für 141 junge Menschen in laufenden Hilfen zur
Erziehung zuständig, neun junge Menschen waren in der Zuständigkeit des Nürnberger
Jugendamts in Clearingstellen in Obhut genommen.
Ende Mai 2015 war der ASD bereits für 167 laufende Hilfen und für 67 Inobhutnahmen in
Clearingstellen zuständig. Innerhalb eines Jahres wurden in Nürnberg 115 junge Menschen in
Obhut genommen. Es wurden Bedarfe für diese geklärt, Vormundschaften eingerichtet, Hilfen zur
Erziehung eingeleitet und soweit möglich der Verselbständigungsprozess unterstützt, in dem ein
dichtes Betreuungssetting durch weniger intensive Hilfen abgelöst wurden.
Innerhalb eines kurzen Zeitraums müssen Bedarfe für junge Menschen immer wieder neu geklärt,
diese mit den adäquaten Hilfen versorgt und der Hilfeprozess steuernd, aber auch unterstützend
begleitet werden.
Für Ende 2015 wird laut Prognose der Regierung Mittelfranken mit einer Stichtags-Zuständigkeit
von mindestens 330 jungen Menschen des Jugendamts Nürnberg gerechnet. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass nach aktueller Rechtslage die Zuständigkeit in Nürnberg verbleibt, solange
die Clearingphase in Nürnberg abgeschlossen wird. So werden auch die Zuständigkeiten für Hilfen
immer mehr zunehmen.
2. Mehrzahl der unbegleiteten Minderjährigen 2015 kommt weiterhin aus Afghanistan
Die Nationalität der umF in Obhut zum Stichtag 30. April.2015 (nur Nürnberger Zuständigkeit):
1
Der erwartete Trend, dass zunehmend junge Menschen aus Syrien als unbegleitete Minderjährige
zu uns kommen,
kommen hat sich bislang nicht bestätigt. Zunehmend kommen allerdings junge Menschen
direkt in Nürnberg an,
an, wo die zentralen Inobhutnahmestellen für Mittelfranken eingerichtet sind,
weniger in der zentralen Erstaufnahmestelle in Zirndorf, die bis 2014 die Aufgabe des Clearings für
die 16 bis17
17-jährigen
jährigen inne hatte.
Die Nationalität der umF in laufenden Hilfen zum 30. April 2015:
Hinweis: Hinter der einen deutschen Nationalität „verbirgt“ sich ein Kind, das hier in Deutschland geboren ist
und für das die Mutter (umF) eine sozialpädagogische Familienhilfe erhält.
3. Seit 1. Januar 2014 ist die Jugendhilfe auch für die 16 und 17-jährigen
17 ährigen im Rahmen von
ION/Clearing
/Clearing zuständig.
zuständig Zur Situation in Nürnberg
Aufbau von Clearingplätzen
C earingplätzen und nachfolgenden Jugendhilfeplätzen
Mit großem
roßem Einsatz konnten bis dato über 80 Clearingplätze als zentrale Inobhutnahmestellen für
Mittelfranken in Nürnberg
Nürnberg geschaffen werden.
werden. Bis auf zwei Plätze, die der Verein
„Wohngemeinschaft für Flüchtlingskinder“ zur Verfügung stellen kann, wurden diese Plätze an
verschiedenen Standorten durch die Rummelsberger Dienste
Dienste für junge Menschen geschaffen,
zuletzt wieder im August-Meier-Heim
August
Heim in der Regensburger Straße. Hier hat sich der Umstand, dass
der geplante Umbau dort nicht zeitnah umgesetzt
um
t werden kann,
kann als Vorteil für die Jugendhilfe
erwiesen. Parallel dazu laufen weitere Gespräche mit verschiedenen Anbietern, da bereits wieder
im Festsaal des Kinder
Kinder- und Jugendhilfezentrums vorübergehend umF in Obhut genommen
werden mussten.
Das Angebot an Jugendhilfeplätzen
Jugendhilfeplätzen wird von einem breiteren Spektrum an Anbietern abgedeckt.
Insgesamt fünf freie Träger stellen 77 Plätze speziell für umF in Nürnberg zur Verfügung. In ganz
Mittelfranken stehen, auch in Form von Hilfen
Hilfen für Volljährige,
Volljährige insgesamt 364 Plätze speziell für
diese Gruppe zur Verfügung. In Planung sind mehr als 200 weitere Plätze,, um die beobachtbaren
„Rückstaueffekte
Rückstaueffekte“ in den Clearingstellen aufzulösen.
aufzulösen
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Praxisbericht der Rummelsberger (s. TOP des JHA vom 09.07.2015)
Vertreter der Rummelsberger Dienste für junge Menschen berichten in der Sitzung des JHA am 9.
Juli 2015 über die Situation der jungen Menschen bei Ankunft in der Clearingstelle Nürnberg.
umF in Pflegestellen
Die Anschlusshilfen für die jungen Menschen müssen ein breites Spektrum an unterschiedlichen
Bedarfslagen abdecken. Viele umF kommen trotz langer Fluchtwege in einer erstaunlich guten
psychischen und physischen Verfassung und benötigen eine wenig intensive Betreuung im
Rahmen der Anschlußhilfe. Andere indes entwickeln erst nach der Flucht eine posttraumatische
Belastungsstörung und bedürfen intensiver therapeutischer Unterstützung.
Einen weiteren Weg beschreitet die Verwaltung des Jugendamts in Kooperation mit den freien
Trägern SOS Jugendhilfen e.V., skf Sozialdienst Katholischer Frauen und den Rummelsberger
Diensten für junge Menschen. Mit Informationsveranstaltungen sollen Pflegeeltern für umF
gewonnen werden. Die ersten Veranstaltungen stimmten optimistisch, weil sie auf sehr große
Resonanz stießen. Auch wenn bislang nur wenige Vermittlungen gelangen wird diese Variante
intensiv weiter verfolgt.
4. Schule und Beruf
Bis Mai 2015 konnten alle umF, sofern sie berufsschulpflichtig sind, in sogenannten Übergangs/Integrationsklassen – auch unterjährig - aufgenommen werden. Hier wurden viele neue
Kapazitäten geschaffen. Auch die Übergangsklassen in den Mittelschulen wurden ausgebaut.
Nach wie vor problematisch sind die berufliche Integration und die Sicherstellung des
Lebensunterhalts, sofern der junge Mensch eine Ausbildung beginnen oder eine Fachschule
besuchen möchte. Hier wurde auf Initiative des Jugendamts ein Runder Tisch umF-berufliche
Integration gegründet. Auslöser waren die bekannten Schwierigkeiten bei umF in (schulischer o.
dualer) Ausbildung, die keinen Anspruch auf Leistungen beim Jobcenter wegen der Nachrangigkeit
gegenüber BAB oder BaföG hatten, diese Leistungen jedoch aufgrund ihrer (zu kurzen)
Aufenthaltsdauer nicht erhalten konnten. Beteiligt waren und sind Mitarbeiterinnen verschiedener
Bereiche des Jugendamts, der Arbeitsagentur (Berufsberatung), JC, EP, SchB, NOA und dem
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ziel des Runden Tische umF-berufliche Integration war
es zunächst, Leistungsträgerschaft und Fördermöglichkeiten für junge Flüchtlinge nach der
(Berufs-) Schule in unterschiedlichen Fallkonstellationen (z. B. Aufenthaltsstatus und
Aufenthaltsdauer) auf Verwaltungsebene zu identifizieren und transparent zu machen. Daraus ist
eine Matrix entstanden, die sehr ausführlich ist und die der Praxis dazu dienen soll, die
Hilfeplanung bzgl. der Berufsqualifizierung nach den fallspezifischen Gegebenheiten auszurichten.
Für den Herbst ist geplant, gemeinsam mit Vertretern der IHK, der Handwerkskammer und dem
Bildungsbüro, das Ziel „umF und Arbeitgeber zusammenbringen“ für Nürnberg zu konkretisieren,
Handlungsansätze zu entwickeln und umzusetzen.
5. Aktuelle Herausforderungen
Das gesamte Jahr 2014 und auch das laufende Jahr waren, neben der Bewältigung der massiv
steigenden Fallzahlen, geprägt von der Erarbeitung von fachlichen Standards und
Kooperationsabsprachen bei der Umsetzung der Ergebnisse des „For.UM – Forum unbegleitete
Minderjährige“ des bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf kommunaler
Ebene in Kooperation mit allen mittelfränkischen Jugendämtern, der Regierung von Mittelfranken
und freien Trägern, hier im Besonderen mit den Rummelsberger Diensten. Zunehmend sind
weiterhin vielfältige umF-spezifische Koordinierungs- und Konzeptionierungsarbeiten auf örtlicher
Ebene auf der Grundlage von Handlungsempfehlungen wie die des LandesJugendamts zu tätigen.
Dies gilt sowohl für den Allgemeinen Sozialdienst als auch für die Amtsvormundschaft und die
wirtschaftliche Jugendhilfe. Um den aktuellen Erfordernissen Rechnung zu tragen, beantragt die
Verwaltung des Jugendamts im Rahmen des Stellenschaffungsverfahrens 2016 4 Vollzeitstellen
für den ASD, 0,5 Stellen fachliche Koordination beim ASD sowie 1,5 Vollzeitstellen bei der
wirtschaftlichen Jugendhilfe. Die Stellen werden zum vermutlich größten Teil über einen
Verwaltungskostenzuschusses des Freistaates Bayern an die Kommunen gedeckt. Die genaue
Höhe des Zuschusses ist aktuell noch nicht bekannt.
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