Dietrich Harth Rezeption und ästhetische Erfahrung "Literarische Kommunikation" im Forschungsprogramm der Literaturwissenschaft. I m Forschungsprogramm der Literaturwissenschaft n i m m t der K o m munikationsbegriff einen k a u m umrissenen u n d doch zentralen O r t ein. Es ist gewiß keine Überspanntheit, w e n n mit ihm die H o f f n u n g ver k n ü p f t ist, d a ß die sprachenbezogenen Einzeldisziplinen innerhalb der Literaturwissenschaft sich a u f g r u n d der Neuorientierung von f r a g w ü r digem H e r k o m m e n zu lösen vermögen, u m anderen als vornehmlich t r a d i t i o n s b e w a h r e n d e n u n d verklärenden Zielen gerecht zu werden. Diese H o f f n u n g trägt insbesondere den Teil germanistischer Literatur wissenschaft, der im vorliegenden B a n d zur Diskussion gestellt w i r d . Auch beim wissenschaftlichen U m g a n g mit deutscher als fremdkulturel ler Literatur (Alois Wierlacher), halten sich das alte pädagogische In teresse an der Verbesserung der Lesefähigkeit wie der theoretische Sinn f ü r die Konstitutionsbedingungen des literarischen Gegenstandes nach wie vor die Waage, w e r d e n aber auf eine neue Basis systematischen Denkens u n d positiven Wissens gestellt. W u r d e die Frage nach den Kriterien angemessenen Lesens ehedem gern mit Sollenssätzen beant w o r t e t u n d w a r die Suche nach a n e r k a n n t e r Geltung der Gegenstände im K a n o n schon immer ans Ziel gelangt, so h a t sich n u n die A u f m e r k samkeit den Prozessen z u g e w a n d t , an deren E n d e erst solche Maßstäbe zu e r w a r t e n sind. Diese Prozesse kennzeichnet der Begriff " K o m m u n i k a t i o n " , genauer: "literarische K o m m u n i k a t i o n " . Er u m f a ß t alle Be ziehungen im 'Gespräch' mit dem Text u n d über ihn. Die Beschränkung auf den Lesevorgang, auf die "Rezeption", be deutet eine folgenreiche V e r k ü r z u n g des Kommunikationsbegriffs, die d a z u tendiert, den k o m m u n i k a t i v e n C h a r a k t e r des Forschungsprozes ses selbst aus dem Auge zu verlieren. D a m i t ist bereits eines der P r o bleme angedeutet, v o n denen auf den folgenden Seiten unter anderem die R e d e sein soll. Ich möchte es hier unter dem Stichwort 'Literatur wissenschaft als kommunikatives H a n d e l n ' nur ankündigen u n d aus führlich auf zwei Fragen eingehen, die in der Rezeptionsforschung als R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 211 dem bisher am besten ausgewiesenen Feld innerhalb des neuen litera turwissenschaftlichen Forschungsparadigmas sich stellen. Die erste F r a ge betrifft den Zeugniswert v o n normalen b z w . experimentell ermit telten Rezipientenäußerungen im Hinblick auf den Lesevorgang, also auf den P r o z e ß der Rezeption. Die andere Frage gilt dem Spezifischen innerhalb der literarischen K o m m u n i k a t i o n , das es erlaubt, über f o r male Unterschiede hinaus, die so gekennzeichnete A r t der Verständi gung v o n der Alltagskommunikation abzugrenzen oder als deren Son derfall zu begreifen. Diese Frage ist z u m Teil identisch mit der nach dem in literarischen K o m m u n i k a t i o n e n enthaltenen ästhetischen I n t e r esse. I Innerhalb der bereits vorliegenden Forschungen zur literarischen K o m m u n i k a t i o n besitzen die genannten Fragen unterschiedliches Gewicht u n d werden mit divergierender Reflexionsbereitschaft zur Kenntnis ge nommen. Das gilt sowohl f ü r die avancierten Positionen der Rezep tions u n d Wirkästhetik, wie f ü r die empirische Rezeptionsanalyse u n d die an sprachphilosophische Modelle sich anlehnende Theorie lite rarischer K o m m u n i k a t i o n . 1 W ä h r e n d die zuletzt genannte Position an der Übertragung diskurstheoretischer K o n z e p t e in die Literaturwissen schaft arbeitet u n d das Feld a n g e w a n d t e r Forschung noch nicht betre ten hat, liegen in den andern genannten Bereichen bereits respektable Forschungsergebnisse vor. A n ihnen l ä ß t sich mit relativer Genauigkeit ablesen, in welchen P u n k t e n die ältere Forschung überschritten bzw. korrigiert wurde. I n dem v o n H a n s Robert J a u ß e n t w o r f e n e n rezeptionsästhetischen Modell w i r d der Lesevorgang als " F r a g e u n d A n t w o r t S p i e l " begrif fen, das zwischen Leser u n d Text abläuft. 2 Mit dem Spielbegriff ist jene Freiheit des Lesesubjekts angedeutet, die es ihm erlaubt, an der SinnSchöpfung des poetischen Textes a k t i v teilzunehmen. Der Sinn ist dem jeweiligen Text nicht an die Stirn geschrieben, sondern gilt als E r gebnis eines Lesevorganges, der durch die F r a g e u n d A n t w o r t S t r u k tur bereits auf zwei prinzipielle Voraussetzungen festgelegt ist. Z u m einen ist der Text f r a g w ü r d i g , mit einem passenderen W o r t : interpre tationsbedürftig; daraus folgt f ü r den Lesevorgang u n d das ist die zweite Voraussetzung eine methodische Regel: dem Text die 'rich tigen' Fragen zu stellen. Diese implizite F o r d e r u n g macht auch A n 212 Dietrich Harth spruch auf den K o n t e x t , da ein interpretationsbedürftiger Text selten aus sich heraus alle sinngerichteten Fragen des Lesers 'beantwortet'. Bestärkt w i r d das noch durch die komplexen Kommunikationsvoraus setzungen, die J a u ß sowohl auf Seiten des Textes wie auf selten des Rezipienten vorfindet u n d zu deren terminologischer Kennzeichnung er den Begriff des " E r w a r t u n g s h o r i z o n t e s " eingeführt hat. 3 Zunächst be deutet dieser zentrale Terminus der Rezeptionsästhetik, d a ß sich in Text u n d Leser zwei verschiedene Einheiten gegenüberstehen, die durch E r w a r t u n g e n u n d E r w a r t e n s e r w a r t u n g e n aufeinander angewiesen sind, indessen durch die I n k o n g r u e n z ihrer H o r i z o n t e einander auch stören. Im I d e a l f a l l ist diese Störung d a n n beseitigt, wenn das eintritt, was J a u ß " H o r i z o n t v e r s c h m e l z u n g " nennt, ein Aufgehen der Leserfragen im Text, ja im G r u n d e eine fast mystische Verbindung zwischen dem Leserbewußtsein u n d dem, was der Text bedeutet. So mystisch wie es das W o r t "Verschmelzung" nahezulegen scheint, soll es im kommuni k a t i v e n Wechselspiel der literarischen Rezeption jedoch nicht zugehen. W o h l verweist der Begriff des " H o r i z o n t s " auf Bewußtseinsräume, die begrenzt u n d v o m S t a n d o r t des gleichsam mitten im R a u m stehenden Subjekts aus überschaubar sind. Aber es w i r d in p r a x i zugegeben, d a ß die Fragen des Lesers an den Text der Richtschnur kunstmäßiger Aus legung folgen, so d a ß kein Bruch mit der H e r m e n e u t i k eintritt, sondern eine Erweiterung der methodischen Interpretation. Versteht m a n diese als Erweiterung des k o m m u n i k a t i v e n Spielrau mes, den professionelle I n t e r p r e t e n nur bei Strafe des Mißverstands verlassen d ü r f e n , so lassen sich v o r allem zwei Schritte über die t r a d i tionellen hermeneutischen Grenzen hinaus beobachten. D e r eine geht in die Richtung der Interpretationsgeschichten, wie sie J a u ß etwa am Bei spiel der Deutungsschicksale v o n Goethes "Iphigenie" skizziert hat. 4 D e r andere entspricht den Forderungen der Literatursoziologie, poeti sche Texte in ihrer repräsentativen F u n k t i o n f ü r soziale N o r m e n zu lesen. I m erstgenannten Fall gelten die historisch überlieferten Inter pretationen (nach J a u ß "Rezeptionen") als Bedeutungsschutt, den die rezeptionsgeschichtliche Forschung w e g z u r ä u m e n hat, u m historische u n d / o d e r aktuelle Sinngebungsakte am Text vornehmen zu können. D e r zweite Schritt ist vielleicht der problematischere, der uns hier je doch besonders interessieren m u ß , da er dazu f ü h r e n soll, einen präsum tiven Kommunikationsverlust literarischer Texte entschiedener zu be heben als das mithilfe des kritischen Vorgehens der Rezeptionsgeschich te geschehen kann. 5 Bewegt sich die rezeptionsgeschichtliche Forschung noch weitgehend Rezeption und ästhetische Erfahrung 213 in den Bahnen der Interpretationskritik, so hält sich die soziologische Lesart, deren erklärtes Ziel der Nachweis der " k o m m u n i k a t i v e n F u n k t i o n " poetischer Texte ist, 6 an fachexterne Handlungsmodelle. Die Wissenssoziologie in ihrer durch den amerikanischen Pragmatismus hindurchgegangenen Version gilt hier als Anschlußwissenschaft. 7 Sie eignet sich dazu a u f g r u n d einer engen methodologischen V e r w a n d t schaft mit den sinninterpretierenden V e r f a h r e n der traditionellen K u l turwissenschaften. Z w a r richten sich ihre phänomenologischen A n a l y sen auf die gesellschaftliche K o n s t r u k t i o n der Alltagswirklichkeit, sie begreift diese K o n s t r u k t i o n aber als ein komplexes Wechselverhältnis zwischen Identitätsbildung, Institutionalisierung u n d der symbolischen Rechtfertigung solcher Prozesse, ein Wechselverhältnis, das einer "se miotischen Analyse" zugänglich ist. 7 a A u ß e r d e m setzt sie eine Sprach theorie voraus, nach der sich sowohl die "Wirklichkeit" des Ich (als Selbstbewußtsein) wie die Welt "als ganze" der sinngebenden " K r a f t der Sprache" verdanken. 8 Diese erschöpft sich jedoch nicht in ihren Zeit u n d R a u m überschreitenden, in ihren unterschiedene Alltagswirk lichkeiten integrierenden sowie k o m m u n i k a t i v e n Leistungen. Sie ver mag die Alltagswirklichkeit in den "symbolischen" A r t i k u l a t i o n e n der Religion, der Kunst u n d der Wissenschaft zu übersteigen, ohne in dieser 'anderen Wirklichkeit' sich selbst zu genügen. Die "symbolischen" Sprachen "haben ihren O r t in der einen u n d 'verweisen' auf eine andere." 9 Mit diesem Verweisungscharakter ist aber das hermeneutische P r i n zip der Auslegungsbedürftigkeit der symbolischen A r t i k u l a t i o n e n ge geben, dem nicht n u r Religion u n d Kunst, sondern, nach Auffassung der zitierten Autoren, auch die symbolischen O r d n u n g e n der Wissen schaften mithin der Wissenssoziologie selber unterliegen m ü ß t e n . An dieser Stelle k o m m t es nicht auf eine K r i t i k dieses Ansatzes an, steht doch lediglich die Anschließbarkeit der Wissenssoziologie an das Forschungsprogramm der literarischen K o m m u n i k a t i o n zur Debatte. U n t e r diesem Gesichtspunkt sind freilich die folgenden Analogien a u f schlußreich. Die Wissenssoziologen gehen v o n einer Theorie aus, in der die gesell schaftliche Realität nach semantisch relevanten Einheiten Alltags welten, Zonen, Feldern, Wirklichkeiten gegliedert ist. Der Strenge des räumlichen Bildes entspricht die Kennzeichnung der symbolischen A r tikulationen als eines "Gebäude(s) symbolischer Vorstellung", 1 0 das die zeichenvermittelten Gegebenheiten der Alltagswelt übergreift. Die damit ausgesprochene Nichtidentität symbolischer Sprachen mit der 214 Dietrich H a r t h Wirklichkeit der alltäglichen Lebenswelt gehört nicht nur zu den Bau steinen einer jeden ästhetischen Theorie, sondern f u n d i e r t auch die her meneutische Regel, diese Differenz interpretierend einzuholen. Metho dologisch ist die Analogie dort greifbar, w o die Wissenssoziologie mit den abstrakten E n t i t ä t e n der " W e l t " u n d des "sinnhaften G a n z e n " operiert. Solchen Einheitskonstrukten entspricht in den Kunstwissen schaften die Kennzeichnung der Gegenstände als kohärente, ja "ge schlossene" Gebilde, die an sich schon die Form von SinnWelten be sitzen. 1 1 Ich habe diese bemerkenswerten Analogien genannt, um anzudeuten, w o die M o t i v a t i o n f ü r den soziologisch interessierten Literarhistoriker liegen mag, nach wissenssoziologischen Erklärungsmustern zu greifen. In einer k n a p p e n Analyse der französischen Lyrik um 1857 unter dem Aspekt der Vermittlung gesellschaftlicher N o r m e n hat J a u ß beispiels weise die D a r s t e l l u n g s f u n k t i o n poetischer Texte f ü r soziale I n t e r a k tionsmuster untersucht. Mit der Wissenssoziologie geht er von der A n n a h m e aus, d a ß die symbolischen A r t i k u l a t i o n e n der lyrischen Sprache den H o r i z o n t der historischen Lebenswelt mit Sinn erfüllen u n d zu gleich die N o r m e n sozialen H a n d e l n s legitimieren. Es sind demnach zwei k o m m u n i k a t i v e F u n k t i o n e n , die als grundsätzliche Leistungen der lyrischen Sprache vorausgesetzt w e r d e n : einzelne soziale N o r m e n zu einem sinnhaften G a n z e n (der "Subsinnwelt") zu integrieren u n d die ses über den k o m m u n i k a t i v e n A k t der Rezeption durch das historische Lesepublikum mit der Lebenspraxis zu vermitteln. 1 2 Letzteres w i r d freilich nicht dargestellt, sondern folgt aus dem theoretischen Vorgriff auf die R e p r ä s e n t a n z des Sozialen in den symbolischen Formen lyri scher Sprache. D e n Ergebnissen seiner eigenen Rezeption folgend stellt J a u ß die These auf, d a ß das M o t i v " v o m Glück am häuslichen H e r d " (la dou ceur du foyer), das er in lyrischen Texten verschiedener Autoren des Jahres 1857 aufgespürt hat, auf ein gesellschaftliches Ideal verweise. U m diesen noch relativ nichtssagenden Befund auf Muster kommuni k a t i v e n H a n d e l n s hin auslegen zu können, sucht der Interpret das Mo tiv in verschiedenen lyrischen K o n t e x t e n auf. Diese h a t er indessen im voraus nach Schemata ausgewählt, die es erlauben, in den Texten solche Deutungsmuster zu aktualisieren, die mit soziologisch relevanten Ter mini belegt werden k ö n n e n : Rollen, N o r m e n , kollektives Denken, ideo logische F u n k t i o n usw. U n t e r Verzicht auf die Einheit des Gedichts als eines Besonderen mit eigentümlicher poetischer Semantik lenkt die An w e n d u n g wissenssoziologischer Kategorien den Blick auf solche Struk R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 215 turen, in denen jene Gleichförmigkeiten sedimentiert sind, an deren Allgemeinheit n u n die Besonderheit des Gedichts partizipieren soll. D e m entsprechen die Befunde der I n t e r p r e t a t i o n . Als Oppositionsrei he sozialer N o r m e n f ö r d e r t J a u ß unter a n d e r m die Gegensatzpaare " F r e u d e / T r a u e r , Geselligkeit/Einsamkeit, G l ü c k / U n g l ü c k " zutage. 1 3 In dieser Reihe soziale N o r m e n wiederzuerkennen, fällt schwer, da sie weder gesellschaftsgeschichtlich spezifisch sind, noch im strengen Sinn als Obligationen einer auf öffentlichem Einverständnis beruhenden 'realite morale' gelten können. Es macht doch den C h a r a k t e r sozialer N o r m e n aus, d a ß sie als Regulative f ü r das gelten, was j e d e r m a n n in nerhalb eines bestimmten Sozialverbandes zu t u n hat. D e r soziologische Normenbegriff verweist nicht n u r auf tatsächliche Regularitäten des Verhaltens u n d H a n d e l n s , sondern auch auf ein Durchschnittsbewußt sein, dessen E r w a r t u n g e n an die Geltung gesellschaftlicher N o r m e n sich über die Öffentlichkeit von Alltagssituationen konstituiert. 1 4 D a h e r f r a g t der Soziologe: Wer setzt N o r m e n ? Wer überwacht ihre Befol gung u n d Verletzung? Wie ist ihr Geltungs u n d Toleranzbereich be schaffen? usf. Solche Fragen stellt J a u ß nicht. Mir scheint aber, d a ß seine Begriffsreihe eher zur Kennzeichnung v o n Erfahrungsqualitäten dienen k a n n , ja unter U m s t ä n d e n , die freilich durch die Analyse sozialer K o n t e x t e zu klären wären, noch zur K e n n zeichnung jener Werte, die verwendet werden, u m soziale N o r m e n zu legitimieren. Die v o m Interpreten hervorgehobene K o m m u n i k a t i o n so zialer N o r m e n sehe ich in den Gedichten selbst nicht erfüllt, z u m a l die "idealisierenden Mittel(n) der Verbildlichung u n d poetischen Sugge stion" 1 5 normative W i r k u n g e n unterbinden. Es sei denn, m a n w ü r d e in diesen Mitteln nur die raffinierte A r t i k u l a t i o n einer persuasiven A b sicht erkennen, was J a u ß indessen durch die Abgehobenheit der ästhe tischen E r f a h r u n g v o n der des Alltags verneint. 1 6 Seine These weist, wenn ich ihn recht verstehe, in die Richtung einer privilegierten her meneutischen Geltung poetischer Texte gegenüber anderen Zeugnissen der Geschichte. Ästhetische E r f a h r u n g , die im zitierten Beispiel aller dings nur an den Texten, nicht an deren Rezeption belegt w i r d , trage, wie er bemerkt, eher zur Erhellung des A u f b a u s v o n Wirklichkeit bei, als beliebige andere geschichtliche Dokumente. 1 7 D a m i t ist die Beson derheit literarischer K o m m u n i k a t i o n zunächst n u r behauptet. Auf die ausführliche Begründung ist später einzugehen. A n dieser Stelle soll das Argument nur verwendet werden, u m noch einmal das skizzierte Verfahren n u n vor dem H i n t e r g r u n d methodologischer Überlegun gen zu prüfen. 216 Dietrich Harth Wir haben gesehen, d a ß J a u ß nicht die Fragen des Soziologen stellt. U n d doch ist sein Ziel, die historische R e k o n s t r u k t i o n eines gesellschaft lich relevanten Kommunikationssystems, ein soziologisches. Der an den sozialen F u n k t i o n e n interessierte I n t e r p r e t poetischer Texte stellt seine Fragen den Texten selbst u n d bleibt auf diese Weise der hermeneuti schen M a x i m e treu, d a ß die (hier mit wissenschaftlicher Absicht durch geführte) Rezeption eine F r a g e u n d A n t w o r t S t r u k t u r besitzt. D e n Fragen dieses I n t e r p r e t e n ist aber eine Begrifflichkeit eingeschrieben, die es erlaubt, v o n einem bestimmten Deutungsschema zu sprechen. Es ist ein Deutungsschema, das m. E. der G e f a h r allegorisierender Ausle gung nicht ganz entgeht. Z w a r w i r d den poetischen Texten eine 'eigene Sprache' konzediert, 1 8 doch verweist diese auf k o m m u n i k a t i v e M u ster, auf N o r m e n u n d E r w a r t u n g e n , mit einem W o r t : auf gesellschaft lich Allgemeines. Dieses tritt unter Begriffen in Erscheinung, die als Termini einer soziologischen Theorie z w a r regulative Funktionen im R a h m e n der Theorie erfüllen, aber gerade wegen ihrer methodischen E n t h a l t s a m k e i t im Vergleich zur inhaltsbezogenen Funktionalität von Interpretationsbegriffen leer sind. W e n n nicht ein naturalistischer Fehl schluß die A n w e n d u n g der Theoriebegriffe auf historisches Material leiten soll, d a n n w ä r e zuallererst zu fragen, wie der Schritt v o m Mo dellcharakter der Theorie zu den geschichtlichen Inhalten als denknot wendiger Voraussetzung einer jeden I n t e r p r e t a t i o n zu machen ist. Die bloße Umsetzung der Theoriebegriff e in die Interpretationssprache löst dieses P r o b l e m nicht, wie an der großen Allgemeinheit jener Ergebnisse abzulesen ist, die J a u ß ' Studie hervorbringt. D a m i t möchte ich n u n nicht unterstellen, d a ß es j a u ß ' einzige A b sicht ist, die R e k o n s t r u k t i o n einer historisch belegten Form literarischer K o m m u n i k a t i o n durchzuführen. Vielmehr scheint er in das angedeute te D i l e m m a zwischen Theorie u n d M e t h o d i k zu geraten, da er mit der I n t e r p r e t a t i o n historischen Materials in einem die Begründungsarbeit f ü r eine Theorie ästhetischer bzw. literarischer K o m m u n i k a t i o n leisten möchte. Dabei geht er v o n der Vorentscheidung aus, d a ß die Wissens soziologie die beste Anschlußmöglichkeit biete, ohne diese Vorentschei dung zu hinterfragen. D a s Modell des sinnhaften A u f b a u s gesellschaft licher Wirklichkeit w i r d somit z u m A n f a n g einer Begrifflichkeit, in der die V e r m i t t l u n g zwischen sozialer u n d ästhetischer E r f a h r u n g immer schon geleistet ist, w ä h r e n d es doch der Interpretation darauf a n k o m men müßte, die Möglichkeiten u n d Grenzen dieser Vermittlung a u f z u zeigen. Signifikant f ü r diese Tendenz zur Auflösung des Unterschiede nen in einem unausgewiesenen Allgemeinen sind 'Übersetzungen' wie: R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 217 "Lyrik" = "Muster k o m m u n i k a t i v e r I n t e r a k t i o n " , o d e r : "petit m o n de" (ein Ausdruck aus einem Gedicht) = "Subsinnwelt". l v M i t dem Hinweis auf das schlagartige Umspringen der einen E r f a h r u n g in die andere, auf anderer Ebene: der Theorie in die M e t h o d i k , soll aber nicht nur auf eine unbefriedigende Seite dieses Forschungskonzepts a u f m e r k sam gemacht werden. Er sagt vielmehr etwas über die generellen Schwierigkeiten aus, den Vermittlungszusammenhang zwischen ästhe tischer u n d sozialer E r f a h r u n g a d ä q u a t zu begreifen. 2 0 I h n begreifen zu wollen, ist nicht nur legitim, sondern vor dem H i n t e r g r u n d des ge genwärtigen Kunstbegriffs, der als Leitmotiv in die Vorbereitung die ses Forschungskonzepts eingegangen ist, auch geboten. Indessen haben solche Aussagen über f r e m d e E r f a h r u n g e n , u n d u m solche geht es ja in einer Untersuchung der französischen L y r i k u m die Mitte des vergangenen J a h r h u n d e r t s , etwas Mißliches, halten sie sich allein an die poetischen Texte. Soziale E r f a h r u n g soll in den n o r m a t i ven E r w a r t u n g e n an zwischenmenschliche Beziehungen u n d Institutio nen (Liebe, Ehe) z u m Ausdruck kommen. Die wirkliche n o r m a t i v e O r ganisation dieser E r w a r t u n g e n in bestimmten k o m m u n i k a t i v e n Situa tionen rückt aber nicht in den Blick. Selbst w e n n das geschehen w ü r d e , müßte sich der Sozialhistoriker darauf verlassen können, d a ß der indi katorische Wert seiner sprachlichen D o k u m e n t e f ü r S t r u k t u r e n , nicht aber f ü r subjektive E r f a h r u n g e n einsteht. Nichts anderes w i r d der Kunsthistoriker erwarten, der herausfinden möchte, welche ästheti schen Auffassungsmuster zu einem gegebenen Z e i t p u n k t in Geltung waren u n d auf welche Rezeptionsbereitschaft sie beim P u b l i k u m stie ßen. I n keinem Fall gelingt es dem Forscher, an f r e m d e r E r f a h r u n g teilzunehmen. D e m Nachträglichen der sprachlichen A r t i k u l a t i o n im Verhältnis zur Unmittelbarkeit des Machens von E r f a h r u n g entspricht auf Seiten des Interpreten solcher D o k u m e n t e , die prätendieren, E r f a h rung darzustellen, die methodische Überbrückung der hermeneutischen Differenz. Sie geschieht aber, wie wir wissen, stets im Hinblick auf ein historisch Allgemeines, auf Strukturen, Verhaltensmuster, sprachliche Regularitäten, Stileinheiten usw. Begriffe wie "Sinnwelten", "seman tische Felder" beziehen solche beschreibend e r f a ß t e n S t r u k t u r e n auf kohärente Bedeutungstotalitäten, u m sie erklären u n d bewerten zu können. Beide Verfahren sind auf die Bedingungen beschränkt, unter denen E r f a h r u n g e n sich bilden. M e t h o d e n sind erfahrungsrestriktiv. Es ist eine sehr genaue Redeweise, zu sagen, d a ß artikulierte Sprache (Texte) E r f a h r u n g e n darstellt. Sie zwingt den Forscher, sei er Soziologe oder Literaturwissenschaftler, den Abstand zwischen sprachlichem D o 218 Dietrich H a r t h k u m e n t u n d dem, was er ausdrücken will, zu beachten. Zwischen H a n deln u n d H a n d l u n g , so heißt es in der Wissenssoziologie, besteht keine K o n g r u e n z , da jenes den Vollzug bedeutet, in dessen A k t e m a n ver strickt bleibt, w ä h r e n d eine H a n d l u n g zurückliegendes H a n d e l n ' d a r stellt' u n d ihr aus der Position des reflektierenden Bewußtseins Sinn p r ä d i z i e r t w e r d e n kann. 2 1 Nicht anders steht es mit dem E r f a h r u n g s begriff, den J a u ß im K o n t e x t soziologischer H a n d l u n g s t h e o r i e n ver wendet. Z w a r ist der Begriff der "ästhetischen E r f a h r u n g " seiner W o r t b e d e u t u n g nach an sensorische W a h r n e h m u n g gebunden, diese Be sonderheit schwindet aber in der ihm zugeschriebenen Eunktionalität f ü r soziales H a n d e l n ( " I n t e r a k t i o n " ) . D a ß das M e d i u m ästhetischer E r f a h r u n g , hier die Sprache der Lyrik, nicht "unmittelbar auf die D i n ge" sondern auf unsere "Vorstellung" v o n ihnen verweist, 2 2 scheint mir untauglich f ü r die Begründung einer differentia specifica zwischen ästhetischer u n d sozialer E r f a h r u n g . D e n n im Sinne der zur Untersu chung stehenden bestimmten K o m m u n i k a t i o n verweist sprachliches H a n d e l n niemals auf die Dinge als f a c t a bruta, sondern immer auch auf die Vorstellungen, die die Sprecher von ihnen haben. Die Schwierigkeit, das Besondere der E r f a h r u n g schlechthin in empi risch gehaltvollen Sätzen darzulegen, verschärft sich allemal f ü r eine I n t e r p r e t a t i o n , die das Besondere nicht v o r dem H i n t e r g r u n d eines Allgemeinen, sondern als dessen Ausdruck erfassen will. 2 3 So m u ß J a u ß , u m den Repräsentationswert lyrischer Bilder f ü r soziale N o r m e n b e h a u p t e n zu können, die Auslegung v o m Bild z u m Begriff hinführen, im Vorgriff das dokumentarische Material aber bereits nach den theo retischen Ausdrücken der Wissenssoziologie geordnet haben. Einer so z i r k e l h a f t e n S t r u k t u r des Explikationsprozesses h a f t e t an sich kein M a k e l an. Doch überspringt er im vorliegenden Fall gerade jene empi rische Basis, die in ihr Recht zu setzen, eine zentrale A u f g a b e der R e zeptionsästhetik ist. D a s historische Kommunikationssystem u m die Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s ist kein Gegenstand allgemeiner Sätze u n d Begriffe. Es setzt sich aus jenen empirischen D a t a zusammen, die der soziologisch interessierte Historiker mithilfe "dokumentarischer I n t e r p r e t a t i o n e n " ermitteln wird. 2 4 I h n e n hätten Fragen zugrundezulie gen, die auf die Organisation v o n K o m m u n i k a t i o n zielen u n d damit auf historische N o r m e n der Verständigung mit u n d über poetische Texte: Wie w u r d e L y r i k verbreitet? Wer h a t Lyrik gelesen? Welche Kriterien der Rezeption in der Kritik, in Lesergemeinschaften w a r e n in Geltung? I n welchen außerliterarischen K o n t e x t e n u n d mit welchen Absichten w a r e n poetische Texte in Gebrauch? Die Beantwor R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 219 tung solcher auf sozialhistorische D o k u m e n t a t i o n bezogener Fragen verschafft z w a r der Einsicht in Erfahrungsprozesse keine Gewißheit, aber sie liefert die empirische Anschauung f ü r die v o m vergangenen E r f a h r u n g s s t a n d u n b e r ü h r t e n Theoriebegriffe. II Bis hierher w u r d e der Kommunikationsbegriff genutzt als sei er ganz unproblematisch, u n d es ist an der Zeit, ihn u n d die Sache, die er d a r stellt, kritisch zu betrachten, u m seine Tauglichkeit f ü r Zwecke litera turwissenschaftlichen Fragens zu p r ü f e n . I n einem sehr f o r m a l e n Sinne w i r d m a n Autor, Text u n d Leser als zentrale K o m p o n e n t e n des litera rischen Kommunikationsfeldes ansehen können. Die Analogie z u m Nachrichtenmodell der Kommunikationswissenschaft liegt auf der H a n d , u n d nicht selten sprechen Literaturwissenschaftler v o n Sender und E m p f ä n g e r , wenn sie A u t o r u n d Leser meinen. 2 5 Welche Rolle der A u t o r im k o m m u n i k a t i v e n Dreieck spielt, ist nicht ganz klar. F ü r die rezeptionsorientierte Forschungsrichtung scheint er eher entbehrlich, da hier die Wechselbeziehung zwischen Text u n d Leser im V o r d e r g r u n d steht. I m m e r h i n ist anzunehmen, d a ß das soziale Prestige noch leben der u n d die verehrende Idealisierung längst vergangener A u t o r e n in die E r w a r t u n g e n der Leser eingehen, d a ß programmatische Ä u ß e r u n gen der Schriftsteller bestimmte Einstellungen h e r v o r r u f e n usw. I n der immer wieder zu hörenden Behauptung, der A u t o r müsse das, was er darstellt, in irgendeiner Weise gelebt haben, k o m m t darüber hinaus ein Bedürfnis nach Erfahrungsechtheit z u m Ausdruck, das sich n u r schwer durch methodische Deutungskunstgriffe enttäuschen läßt, sondern zur Autorbiographie als 'Erfahrungsquelle' greift. Die Bereitschaft vieler Leser, sich in f r e m d e Geschichten verstricken zu lassen, scheint größer zu sein, als die Neugier auf eine E r ö r t e r u n g des bestrickenden Grundes im Text. Eine Sammlung derart ungesicherter, doch plausibler V e r m u tungen über allgemeine Formen des Lektüreverhaltens ließe sich belie big ausweiten. F ü r das Erkenntnisstreben des an literarischer K o m m u n i k a t i o n in teressierten Forschers ist die angedeutete Dunkelheit der Lektürebe gierden, habitus, neigungen, motive ein grober Anstoß. Er begegnet ihm mit typologischen Versuchen feinsten Kalibers, die schier endlos sind u n d doch n u r der deskriptiven Heuristik k o m m u n i k a t i v e r Bezie hungen dienen können. 2 6 D e r "empirische Leser" ist bestenfalls der im 220 Dietrich Harth bestimmten Fall empirisch ermittelte, der nach A n o r d n u n g e n des so zialwissenschaftlich u n d psychologisch geschulten Forschers mit literari schen Texten umgeht. Auch in den so exakt wie nötig u n d so differen ziert wie möglich durchgeführten empirischen Untersuchungen m u ß sich der Forscher an das halten, was über den Text geäußert wird, an Inter p r e t a t i o n e n z u m bestimmten Werk. 2 7 Z w a r ist eine Rezeption ohne I n t e r p r e t a t i o n denkbar, doch gilt nicht das Umgekehrte. Rückschlüsse auf die Rezeption als Lesevorgang sind nur dann zu ziehen, w e n n der Leser sich in F o r m von I n t e r p r e t a t i o n e n geäußert hat, u n d seien diese auch noch so fragmentarisch. Die Nachträglichkeit des Interpretierens verbietet es, die Rezipientenäußerung mit dem Rezeptionsvorgang in einszusetzen. 2 8 Das gilt allerdings n u r f ü r solche Interpretationstexte, die ausdrücklich D e u t u n g s a k t e vollziehen. Die Unterscheidung zwischen philologischhistorischen I n t e r p r e t a t i o n e n u n d ästhetischen I n t e r p r e t a tionen ist deshalb sinnvoll, weil erstere semantische u n d semiotische Analysen umfassen, w ä h r e n d die a n d e r n den spezifischen G r u n d der ästhetischen E r f a h r u n g aufdecken. Diese Interpretationen haben meta phorische S t r u k t u r , da ästhetische W i r k u n g sich nicht anders mitteilen läßt, als mit dem Ausdruck dessen, was sie ist. 29 D e r Begriff der "literarischen I n t e r p r e t a t i o n " w i r d hier mit gutem G r u n d beibehalten. Kennzeichnet er doch als Standardbegriff alle A r ten sprachlicher Ä u ß e r u n g über literarische Texte. Er scheint mir der besonderen Weise literarischen Kommunizierens immer noch näher zu stehen als der schwerfällige Terminus " I n t e r a k t i o n " . Interagieren ver weist nach einer weitgehend akzeptierten Bestimmung der K o m m u n i kationstheorie auf die Einheit v o n Sprechen u n d H a n d e l n , 3 0 die im Leseakt selbst doch suspendiert ist. Mit welchem Subjekt soll ich, w ä h r e n d ich lese, interagieren? Mit dem Autor? Dieser ist nicht gegenwär tig. M i t den dargestellten Figuren? Sie 'interagieren' untereinander auf einer rein sprachlichen Bedeutungsebene. (Das heißt: alle nicht sprachlichen s i n n h a f t e n Konstitutionselemente der I n t e r a k t i o n fallen aus.) M i t dem E r z ä h l e r oder dem lyrischen Ich? Sie sind Setzungen des Textes. Auch der Begriff der I n t e r p r e t a t i o n beharrt auf Vermittlung. Aber er stellt den Leser in die Mitte der literarischen K o m m u n i k a t i o n . D e n n als R e d e über den Text teilt I n t e r p r e t a t i o n einem andern (Leser) etwas über den Gegenstand u n d seine Konstituierung mit. Sie nimmt die ö f fentliche F o r m der E x p l i k a t i o n an, w o sie auf Verständigung zielt. Die E x p l i k a t i o n eines Textes mit dem Ziel, ihn zu verstehen (semantische Analyse) u n d ihn in K o n t e x t e n zu begreifen (semiotische Analyse), hat R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 221 den Status eines Sprachspiels, dessen Regeln erworben w e r d e n müssen. Es macht daher Sinn, zwischen ungeschulten u n d geschulten Interpreten zu unterscheiden u n d das Gelingen des Sprachspiels "literarisches I n t e r pretieren" v o n angemessener Regelbeherrschung abhängig zu sehen. 31 U m Mißverständnissen vorzubeugen, sei wiederholt, d a ß auch der nor male Leser, soweit er Interpretationen äußert, als I n f o r m a n t f ü r den Sprachspielforscher infrage k o m m t . I m Durchschnitt mögen die I n t e r pretationen nichtprofessioneller Leser verbesserungsbedürftiger sein, als die professioneller Literaturinterpreten. Doch ist das nicht die Re gel. J a die ernsthafte Auseinandersetzung der Literaturwissenschaft mit den Äußerungen verständiger Laienleser (wozu auch die A u t o r e n gehören) belegt, d a ß hier keine methodologische Reinheit gilt. Gehen w i r k u r z auf einige Regeln des Sprachspiels "literarisches I n terpretieren" ein, u m dessen k o m m u n i k a t i v e n Eigenwert zu belegen. Mit dem Hinweis auf die Verbesserungsbedürftigkeit v o n I n t e r p r e t a tionen ist z. B. die Erinnerung an die ideale N o r m der exhaustiven I n t e r p r e t a t i o n philologisch: lectio difficilior v e r b u n d e n . Sie möchte Sinn u n d Bedeutung eines Textes am umfassendsten darstellen u n d dem Ergebnis universelle Zustimmung garantieren. D a m i t w i r d das I n t e r pretieren u m weitere M e r k m a l e bereichert, die der G e l t u n g s p r ü f u n g u n d somit der E m e n d a t i o n v o n Rezipientenäußerungen dienen. K a n n die lectio difficilior als regulatives P r i n z i p f ü r jeden D e u t u n g s a k t an gesehen werden, so ist sie doch den Kriterien der T e x t a d ä q u a t h e i t u n d Zustimmungsfähigkeit verpflichtet. Angemessenheit an den Text heißt: zumindest mit dessen P h ä n o m e n b e s t a n d übereinzustimmen. 3 2 Fiktive Ergänzungen u n d Motivunterstellungen, die der Kompensation v o n Verstehensschwierigkeiten dienen sollen, finden v o r diesem K r i t e r i u m wenig G n a d e . D e r G r a d der Zustimmungsfähigkeit entscheidet über den Erfolg der I n t e r p r e t a t i o n im k o m m u n i k a t i v e n Zusammenspiel der Rezipienten. Beide Kriterien beziehen sich implizit auch auf die F o r m der Interpretation. D e n n sie f o r d e r n v o n ihr Sachangemessenheit, Ein sichtigkeit der G r ü n d e , Nachvollziehbarkeit u n d Ausführlichkeit des philologischhistorischen Wissens, soweit es die zur K o m m u n i k a t i o n über den Text aufgerufenen Rezipienten nicht teilen. Als Auslegung ist die Interpretation trraditionellerweise mit dem Anspruch aufgetreten: so soll gelesen werden. H e u t e w i r d über dem Geltenlassen einer P l u r a lität der Lesarten leicht vergessen, d a ß die I n t e r p r e t a t i o n e n über einen bestimmten Text nicht n u r in bezug auf ihren Gegenstand, sondern auch untereinander in k o m m u n i k a t i v e n Relationen stehen. Das be grenzt eine pluralistische Beliebigkeit von Äußerungen, eine Begren 222 Dietrich Harth zung, die durch das Ziel, den Text zu verstehen u n d sich untereinander über ihn zu verständigen, auf ein allgemeines P r i n z i p gegründet ist, von dem es schon bei Schleiermacher hieß, d a ß es d a z u beitrage, den Geist über sich selbst a u f z u k l ä r e n . 3 3 D a m i t haben w i r einen P u n k t berührt, der erst am Ende der U n t e r suchung wieder aufgegriffen werden k a n n : die Frage nach den Zielen des institutionalisierten Sprachspiels "literarisches Interpretieren". Nicht v o n u n g e f ä h r ist der N a m e Schleiermachers in diesem Zusam m e n h a n g genannt w o r d e n . Er steht f ü r jene T r a d i t i o n des T e x t v e r stehens, auf die nicht n u r einige G r u n d r e g e l n unseres Sprachspiels zu rückgehen, sondern auch die Ansicht, d a ß der interpretierende Leser an der semantischen Konstitution des literarischen Textes wie der Teil nehmer an einem Gespräch produktiv beteiligt ist. 34 Dieses M o m e n t der P r o d u k t i v i t ä t in den Bedeutungen des Sinnschöpfens u n d des ästhe tischen Wertens l ä ß t es erst v e r n ü n f t i g erscheinen, den Interpretations geschichten eines literarischen Textes ebensoviel Interesse z u z u w e n d e n wie diesem selbst. D i e Geschichte der T o p i k des Lesens ist noch nicht geschrieben w o r d e n . I n ihr als einer D o k u m e n t a t i o n des Wandels lite rarischer K o m m u n i k a t i o n s s t r u k t u r e n h ä t t e die humanistische Rede v o n der affektauslösenden und -formenden Ansprache35 der Bücher ebenso ihren P l a t z wie die romantische Ansicht v o m Leser als dem erweiterten Autor36 u n d die Uberzeugung der Moderne, d a ß der Leser mithilfe des Autors sich selber liest.37 Reichen die hier eher oberflächlich zusammengetragenen Beobachtun gen aus, u m literarische K o m m u n i k a t i o n als eine besondere Erschei n u n g v o n den gewöhnlichen des Sprechens u n d H a n d e l n s abzugrenzen? Ich glaube ja. Zunächst suspendiert literarisches Lesen jedes H a n d e l n im Sinne v o n p e r f o r m a t i v e n , d. h. beobachtbaren Akten. W e n n "das Schreiben selbst die Stelle des Sprechens" einnimmt, 3 8 d a n n entfallen die Bestimmungsstücke der f a c e t o f a c e K o m m u n i k a t i o n , es ist nur noch in metaphorischer Hinsicht v o n "Sprechhandlungen" zu reden. Zugleich d a m i t w e r d e n die raumzeitlichen D e t e r m i n a n t e n der D i a logsituation entbehrlich: der literarische Text ist in beliebigen Situa tionen v e r f ü g b a r , er stiftet mit a n d e r n W o r t e n der Potenz nach seine eigene universelle Aktualisierbarkeit. Doch bildet die Aktualisie rung q u a Lesevorgang so etwas wie eine besondere Weise des sprachli chen Vollzugs, nämlich den Vollzug vorgeschriebener Rede, der sich der Beobachtung entzieht. I m Unterschied z u r teilnehmenden Beobach tung v o n A l t t a g s k o m m u n i k a t i o n , deren Ziel eine direkte Beschreibung der Sprechakte ist, m u ß sich die Analyse des Leseaktes auf die ' K o m R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 223 mentare' verlassen, die der Leser im Nachhinein über den Text und dessen Vollzug äußert. Der Leser äußert sich in der Rolle des Interpre ten, und zwar nicht unabhängig von Regeln, die einem konventionali sierten Sprachspiel "literarisches Interpretieren" entsprechen und auch im gewöhnlichen Gespräch über Literatur regulative Funktionen erfül len. Lesen sowie über das zu reden, was man gelesen hat, sind was gern vergessen wird Fähigkeiten, die in Lernprozessen erworben und durch Übung weiter ausgebildet und verfeinert werden. Mithin gehört zu den Bedingungen erfolgreicher literarischer Kommunikation eine entsprechende Kompetenz des Rezipienten, deren Umfang und Grad der Spezialisierung sich nach den jeweils geltenden Normen der Kritik und des ästhetischen Urteils richtet.39 Dieses an sich triviale Faktum bindet unsern Gedankengang zurück an die oben angedeutete Historizität der Lektüreeinstellungen und zugehörigen Interpretations regeln. Der Topos vom "produktiven Leser" gibt Anlaß, zwischen einer traditionellen und einer modernen Form der Lektüreeinstellung zu un terscheiden.40 Daran möchte ich hier die These knüpfen, daß die spezi fischen Qualitäten literarischer Kommunikation in der "Literaturge schichte des Lesers" erst mit der Forderung nach produktivem Lesen zu Bewußtsein kamen. Denn "produktives Lesen" bezeichnet eine Ein stellung, die an die Konstitutionsregel gebunden ist, daß der Text sich selbst auszulegen vermag. Diese Regel führt darstellungstheoretisch zu immer komplexer ausfallenden Formen der semantischen Differenzie rung und Integration. Ihnen gerecht zu werden, macht eine selbst reflexive Leistung literarischen Lesens erforderlich, wie sie unter den Prämissen der traditionellen Interpretationsmonopole mit autoritati vem Auslegungsanspruch nicht vorkam. Produktives Lesen stürzt nicht nur die Autorität, die der Literatur von den Inhabern der Interpreta tionsmonopole zugeschrieben wurde; 41 es entzieht ihr auch die Legiti mation, um an ihre Stelle die hermeneutische Dialektik von Selbstaus legung des Textes (in der Bedeutung semantischer Autonomie) und Selbsttätigkeit des Lesers zu setzen. Eine Voraussetzung für diese epo chale Veränderung ist zweifellos in dem neuen Formbewußtsein zu su chen, das in der Schriftlichkeit der Literatur nicht mehr die nur stili stisch zu verstärkende Wirkung des gesprochenen Wortes restituieren wollte, sondern in der materiellen Fixierung der Sprache die Bedin gung für eine neue Sprachkunst entdeckte. Ein legitimer Grund für die Scheidung von Redelehre und Dichtungstheorie. Lessings Abhandlun gen über die Fabel von 1759 markieren, um ein prominentes Beispiel 224 Dietrich Harth f ü r jenen W a n d e l zu nennen, gleichermaßen die Ü b e r w i n d u n g des an a u t o r i t a t i v e S t r u k t u r e n literarischer K o m m u n i k a t i o n gebundenen Re gelkanons der R h e t o r i k wie die neue Einsicht in das Wechselverhältnis zwischen der semantisch a u t o n o m e n F o r m der literarischen Texte u n d der p r o d u k t i v e n Lesereinstellung. 4 2 Lessings eigene Fabeln m u ß daher mißverstehen, w e r sie allein in der historisch rekonstruierten Perspek tive der rhetorischen Fabeltradition liest. V o r dem hier n u r schwach belichteten historischen H i n t e r g r u n d er hält die Rede v o m " p r o d u k t i v e n Lesen" ihren eigentümlichen D o p p e l sinn. Z u m einen bezieht sie sich auf die immanente Verweisungskraft des Textes, z u m andern auf die d a v o n ausgehende H e r a u s f o r d e r u n g an den Leser, seine eigenen interpretativen Fähigkeiten zu 'produzieren'. Die avantgardistische M o d e r n e geht noch über den interpretationstheo retischen Gehalt des Topos hinaus, da sie die Imaginationskraft des Lesers ausdrücklich in den Dienst der Selbstreflexivität des lesenden Ich stellt. D e r R a h m e n kommunikationswissenschaftlicher Kategorien w i r d d a m i t endgültig überschritten u n d die Introspektion auf jene Vorgänge verwiesen, die sich innerhalb des Leserbewußtseins abspielen. III M i t der Analyse dessen, was sich im Kopf des Lesers w ä h r e n d der K o n kretisation des Textes ereignet, w i r d freilich die T r e n n u n g zwischen I n t e r p r e t a t i o n u n d Rezeption rückgängig gemacht. Eine K o n f u n d i e rung zwischen den beiden ' K o m m u n i k a t i o n s p a r t n e r n ' Text u n d Leser ist die unausweichliche Folge. 4 3 D e r 'Leser' ist n u n als eine Setzung des Textes, der ' T e x t ' als ein P r o d u k t des Lesers zu begreifen. Isers wirkungsästhetisches Forschungskonzept schlägt diesen Weg ein. I h n in allen Phasen zu referieren, ist nidit meine Aufgabe. Doch ist außer dem G r u n d r i ß auch der theoretische R a h m e n zu skizzieren, ohne den die E r ö r t e r u n g der v o n Iser dennoch aufrecht zu erhaltenden Tren n u n g v o n Rezeption u n d I n t e r p r e t a t i o n sowie das Problem der lebens praktischen A p p l i k a t i o n , das Iser wie J a u ß mit der Frage nach der Vermittlung, Bildung u n d " U m c o d i e r u n g " v o n N o r m e n verbinden, k a u m zu leisten ist. 44 V o n den parallel, ja oft in engstem Austausch entwickelten Theorien der "Rezeptions" u n d der neuen "Wirkungs ästhetik" h a t jene ihren B r e n n p u n k t im Leser, diese im Text. Die Re zeptionsforschung scheint der Selbsttätigkeit des Lesers größeres I n teresse entgegenzubringen als die Wirkungsforschung, die, wie ihr Ti Rezeption und ästhetische Erfahrung 225 telbegriff andeutet, das Lesen als ein Bündel von Reaktionsweisen auf die vom Text ausgehenden Impulse begreift. Die Freiheit des Frage undAntwortSpiels scheint hier einer gewissen behaviouristischen Ein schränkung zu unterliegen. Indessen treffen sich beide K o n z e p t e in der Überzeugung, d a ß der Beziehungsaspekt literarischer K o m m u n i k a t i o n im Z e n t r u m der Fragen zu stehen habe, eine Überzeugung, die wie gesagt dazu nötigt, dem Text einen 'Leser' u n d dem Leser einen 'Text' einzuschreiben. Diese chiastische K o n s t r u k t i o n ist nur sinnvoll im R a h m e n eines Modells, das v o n der individuellen Lektüre absieht, um verallgemeinerungsfähige Aussagen über die Struktur des Lesevor gangs zu bilden. Die neue Wirkungsästhetik ist wissenschaftshistorisch gesehen eine F o r t f ü h r u n g jener phänomenologischen Konstitutionsanalysen, wie sie R o m a n Ingarden noch ohne kommunikationswissenschaftlichen A n spruch A n f a n g der dreißiger J a h r e z u m erstenmal vorgelegt hat. 4 5 I n garden hat seinerseits das in K a n t s dritter K r i t i k a u f g e w o r f e n e P r o blem ästhetischer Urteilsbildung lösen wollen u n d zu diesem Zweck nicht nur die klassische T r e n n u n g zwischen praktischer, theoretischer und ästhetischer E r f a h r u n g beibehalten, sondern auch die transzenden talphilosophische Denkfigur v o n den Bedingungen der Möglichkeit der ästhetischen Gegenstandskonstitution im anschauenden Bewußtsein sei nen Überlegungen zugrundegelegt. Die allen phänomenologischen A n a lysen a n h a f t e n d e Schwierigkeit, Vorgänge im Bewußtsein (hier des Lesers) mithülfe eben dieses Bewußtseins zu interpretieren, ohne in pure Tautologien zu verfallen, berührt auch die F u n d a m e n t e der k o m m u n i kationsorientierten Wirkungsästhetik. Sehen wir von einer F u n d a m e n t a l k r i t i k ab, die zuallererst bei I n garden anzusetzen hätte, so fallen bei einem Vergleich zwischen den Analysemethoden des 'Meisters' u n d des 'Nachfolgers' einige wesent liche Unterschiede ins Auge. Ingardens Untersuchungen k o m m e n fast ohne Werkinterpretationen aus u n d erheben den Anspruch, ästhetische E r f a h r u n g schlechthin zu begreifen. Isers Analysen hingegen beschrän ken sich auf die R o m a n l e k t ü r e und verwenden in reichem M a ß e T e x t interpretationen. Die kommunikationsorientierte Wirkungsästhetik ist daher auch anders einzustufen als die phänomenologische Theorie ästhetischer E r f a h r u n g . Sie läßt sich m. E. als ein Versuch begreifen, mithilfe einer anspruchsvollen Theorie eben der Phänomenologie ästhetische u n d Alltagserfahrung einander näher zu rücken. 4 6 Dabei m u ß der in der Unterscheidung v o n praktischer, theoretischer u n d ästhetischer E r f a h r u n g noch aufrechterhaltene Wahrheitsanspruch der 226 Dietrich H a r t h K u n s t einerseits aufgegeben, andererseits im Sinne einer moralischen P r a g m a t i k neu begründet werden. Iser übersetzt, u m dem ihm hier unterstellten Zweck gerecht werden zu können, die in der älteren Sprache der Bewußtseinsanalyse vorge f ü h r t e n Beschreibungen Ingardens in eine sozial u n d kommunikations wissenschaftlich vorgeprägte Terminologie. 4 7 M i t den phänomenolo gischen A n a l y s e p r o z e d u r e n ü b e r n i m m t er die Auffassung, d a ß die Akte des Lesens sich nach den immer gleichen Beziehungsmustern organisie ren, w ä h r e n d das, was gelesen w i r d , je nach den in k o m m u n i k a t i v e n Alltagssituationen v e r a n k e r t e n E r w a r t u n g e n der Leser unterschiedliche moralische u n d soziale F u n k t i o n e n erfüllen kann. 4 8 Die Analogie zwi schen den textkonkretisierenden u n d sinnkonstituierenden A k t e n des Lesens u n d den entsprechenden H a n d l u n g e n in außerliterarischen Si tuationen ist auf rein struktureller Ebene zu suchen. So entspricht der auf E r f ü l l u n g angelegten Intention eines gewöhnlichen Sprechaktes un ter Bedingungen der literarischen K o m m u n i k a t i o n die auf imaginative Bewußtseinsakte des Lesers bezogene „ T e x t s t r u k t u r " . I m Begriff des "impliziten Lesers" h a t dieses der direkten Beobachtung unzugängliche T n t e r a k t i o n s m u s t e r ' einen z u g k r ä f t i g e n N a m e n gefunden. 4 9 Es w ä r e jedoch falsch, wollte m a n das wirkungsästhetische K o n z e p t als ein Modell sprachlicher K o m m u n i k a t i o n verstehen. Seine Besonder heit liegt gerade in der Nichtsprachlichkeit der hypothetisch erschlos senen Vorgänge. Die semantische I n t e r p r e t a t i o n eines Textes steht erst a m E n d e des "ästhetischen" Wirkungsprozesses, den Iser zu beschrei ben sucht. So sind auch " I n t e n t i o n " u n d " E r f ü l l u n g " keine sprachbe zogenen Begriffe, sondern bezeichnen potentielle Wirkungsfunktoren innerhalb der S t r u k t u r erzählender Texte. Z w a r ist die Intention der Texte in ihre sprachlichen S t r u k t u r e n eingelassen, aber sie weist über diese hinaus auf Bedingungen, die nicht mehr sprachtheoretisch expli ziert w e r d e n : auf die Einheit möglicher Perspektiven in der Subjekti v i t ä t des Autors wie des Lesers. 50 Entscheidend ist, daß der im Lese v o r g a n g konstituierte " S i n n " als "ästhetischer" in der E r f a h r u n g des Lesers präsent sein soll, bevor er v o n diesem mit den Mitteln der ihm v e r t r a u t e n Sprache auf Begriffe gebracht, d. h. gedeutet werden kann. 5 1 " S i n n " bezeichnet insofern nicht ein dem Text Zugeschriebenes. Viel mehr ist er identisch mit der am E n d e einer als "Geschehen" begriffe nen Lektüre stehenden neuen E r f a h r u n g . D e n Weg dorthin beschreibt Iser mithilfe v o n A n n a h m e n über die "Konstitutionsvorgänge im Vor stellungsbewußtsein" des Lesers, die er freilich auf die formalen A n weisungsstrukturen (Leserinstruktionen) von Romanerzählungen stüt R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 227 zen k a n n . Auch auf dieser Ebene ist das v o n Interesse, was die Sprache des Textes verschweigt: die "Leerstelle". Sie kennzeichnet (zusammen mit andern Negationsformen) jene f o r m a l e n Züge der Erzählung, die das Dargestellte in einer f ü r die Fiktion spezifischen Unbestimmtheit belassen. Dieses f o r m a l e Spezifikum gehört indessen zu den zentralen Bedingungen der K o m m u n i k a t i o n mit Erzähltexten, da es die Imagi nation des Lesers veranlaßt, das Unbestimmte in Bestimmtes zu über führen. 5 2 A n dieser Stelle w i r d noch einmal deutlich, in welcher Weise Inten tion u n d E r f ü l l u n g sich zueinander verhalten. D e n n die U n b e s t i m m t heitsstruktur des Erzähltextes ist das Signum seiner Indifferenz ge gegenüber der Erfüllung, die im übrigen niemals durch bestimmte A n schauung vollkommen realisiert w e r d e n k a n n , gerade weil der Text nicht v o n sich aus spricht. M a n m u ß Isers K o n z e p t sprachtheoretisch umformulieren, u m zu sehen, was damit gemeint ist. N a c h Husserl läßt sich zwischen solchen sprachlichen Ausdrücken unterscheiden, die etwas "meinen", in ihnen ist die Beziehung auf Gegenständlichkeit realisiert, u n d solchen, die "sinnvoll" sind: diese haben eine Intention auf Bedeu tung, die aber noch nicht erfüllt ist. 53 Sie sind gleichgültig (indifferent) gegenüber den möglichen Bedeutungen, die sie durch die bestimmte gegenständliche E r f ü l l u n g e r f a h r e n können. Insofern spielen diese be deutungsintentionalen Ausdrücke auf eine Sphäre n u r an, die sich im Vollziehen der Bedeutungsstiftung erst herausbildet. O h n e auf die schwierigen Implikationen dieser semantischen Theorie weiter eingehen zu können, möchte ich doch vermuten, d a ß in ihr ein Schlüssel zur Theorie literarischer K o m m u n i k a t i o n (soweit sie sich auf Erzähltexte bezieht) enthalten ist. W e n n sprachliche Ausdrücke auf Gegenständliches hinzeigen, d a n n geschieht das allemal in der perspektivischen Brechung dessen, der spricht. D a m i t ist das Gegenständliche niemals in seiner vollen Be stimmtheit präsent, sondern die eine Perspektive hebt hervor, was durch andere mögliche Perspektiven begrenzt w i r d . D a r a u s folgt, d a ß die Bestimmtheit des Gegenständlichen u n d damit der sprachlichen Be deutungen etwas Virtuelles ist, abhängig v o n der Einheit aller mögli chen Perspektiven. Dieser Bedingungsgrund f ü r die Realisierung der einzelnen Akte, die zur E r f ü l l u n g der Bedeutungsintention beitragen, ist mit Husserls Begriff des " H o r i z o n t s " getroffen. " D e r H o r i z o n t " , so bemerkt L o t h a r Eley, " k a n n als Bedingung der Möglichkeit des Ge genstandes nicht selber gegenständlich sein; er ist Subjektivität".54 D a er nicht nur die Einheit möglicher Perspektiven, sondern auch die mög 228 Dietrich Harth liehen Differenzen einschließt, ist er in dieser über Husserl hinaus er weiterten Bedeutung InterSubjektivität. Von Intersubjektivität spre chen wir, w e n n w i r K o m m u n i k a t i o n meinen; u n d eben die Fähigkeit, in der k o m m u n i k a t i v e n Situation die Perspektive des A n d e r n einzu nehmen, f u n d i e r t die mögliche Einheit der sich indifferent zueinander v e r h a l t e n d e n M o m e n t e der Intention u n d der E r f ü l l u n g . D a s skizzierte Verhältnis v o n Intention u n d E r f ü l l u n g u n d die Be g r ü n d u n g ihrer möglichen Einheit in gelungener K o m m u n i k a t i o n ist, wie mir scheint, nur bedingt ü b e r t r a g b a r auf die Theorie literarischer K o m m u n i k a t i o n . Schon bei Iser fiel auf, d a ß er unter K o m m u n i k a t i o n die Teilnahme an einer anderen E r f a h r u n g versteht. I n Begriffen der hier bemühten Sprachtheorie l ä ß t sich w o h l behaupten, d a ß der Leser, der einen R o m a n z u m erstenmal liest, sich nicht p r i m ä r v o m Interesse an Verständigung leiten läßt. W o r ü b e r sollte er sich mit wem verstän digen? W e n n aber ein bestimmtes Subjekt als Gegenüber des Lesers fehlt, so entfällt auch die Basis der Intersubjektivität, sprich: K o m m u nikation. Auch w e n n die Einheit eines Stils eine relativ bestimmte Per spektive kenntlich zu machen scheint, so beweist doch der bloße A n spielungswert des A u t o r n a m e n s f ü r diesen oder jenen Stil, d a ß hier k a u m v o n einer intersubjektiven Beziehung zwischen A u t o r u n d Leser die Rede sein k a n n . „Die Geschichte des Textes übersteigt den endli chen, v o m A u t o r erlebten H o r i z o n t " . 5 5 D a m i t ist n u r noch einmal gesagt, d a ß der Erzähltext, will er nicht sinnlos sein, die Bedingungen seiner Bedeutungserfüllung selber enthalten m u ß . D e r H o r i z o n t des Textes ist die Fundierungsinstanz f ü r die k o m m u n i k a t i v e Teilnahme an seiner semantischen Autonomie, w i r mögen ihn auf eine in ihm sich e n t ä u ß e r n d e Subjektivität beziehen können oder nicht. Dieser Tatbe stand setzt die R e d e v o n der E r f a h r u n g s s t r u k t u r des Rezeptionsvor ganges in ihr Recht. D e n n der Leser (nicht der Interpret) konstituiert, w ä h r e n d er im bestimmten Text voranschreitet, dessen eingeschriebene Bedeutungsintention u n d sucht sie allmählich, durch die einheitliche O r ganisation der diskreten Figuren u n d Darstellungsperspektiven zu er füllen. Die Beschreibung dieses Prozesses durch Iser deckt sich n u n in a u f f a l lender Weise mit jenen Beschreibungsmodellen, wie sie Phänomenologie, Wissenssoziologie u n d schließlich Symbolischer Interaktionismus f ü r die Konstituionsanalyse lebensweltlicher E r f a h r u n g e n vorgelegt haben. 5 6 So entsteht der Eindruck, d a ß auch dort, w o Iser von "ästhetischer Er f a h r u n g " spricht, eine E r f a h r u n g b e n a n n t wird, die im Sinne etwa von D e w e y ' s Art as Experience pragmatische Q u a l i t ä t e n der elementaren, R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 229 den Alltag strukturierenden W a h r n e h m u n g u m f a ß t , die besonderen Steigerungsformen dieser E r f a h r u n g im U m g a n g mit Kunst aber verlo ren gehen. D a m i t k o m m e n wir zu der Frage zurück, auf welche Weise die Rezeption poetischer Texte in ästhetischer Einstellung einer K o m munikationsanalyse ü b e r h a u p t zugänglich ist. Wenn Iser den Rezeptionsvorgang als einen E r f a h r u n g s p r o z e ß be schreiben k a n n , der auf weiten Strecken in Analogie zur Alltagserfah rung verläuft, d a n n spricht das zunächst f ü r eine enge A f f i n i t ä t zwi schen beiden. Das M o m e n t der Selbstreflexivität " m a n sieht sich zu, w o r i n m a n ist" 5 7 erscheint mir als das D i f f e r e n z k r i t e r i u m f ü r die Abgrenzung ästhetischer v o n anderer E r f a h r u n g noch zu ungenau, w i r d Selbstreflexion doch in den Erfahrungsbereichen philosophischen D e n kens u n d der Psychoanalyse in besonderer Weise kultiviert. Das f ü r die ästhetische K o m m u n i k a t i o n als konstitutiv behauptete Wechselspiel von "Beteiligung u n d Distanz", 5 8 dessen einzelne A k t e Iser a n a l y siert, ist darüber hinaus zweifellos als eine allgemeine Regel f ü r die Beschreibung v o n Erfahrungsprozessen anzusehen. Was heißt unter sol chen Voraussetzungen d a n n noch "Beteiligung", " K o m m u n i k a t i o n " in der Rezeption poetischer Texte? Die so bezeichneten Einstellungen als rein sprachliche Vorgänge zu begreifen ist, wie sich gezeigt hat, nicht hinreichend. Sie als Teilhabe an anderer E r f a h r u n g zu beschreiben, f ü h r t indes zu ihrer Auflösung in E r f a h r u n g s s t r u k t u r e n allgemeinster Art. I n dieser Allgemeinheit verliert sich aber gerade das, was den ästhe tischen Gehalt der Texte ausmacht. Als Reflexionsmoment bleibt das Ästhetische (analog zu seiner F u n k t i o n in Alltagserfahrungen) eine transitorische F u n k t i o n des Lesens auf dem Weg z u m umfassenden Sinn. D a m i t w i r d es selber zu einer Kategorie der Textbeschreibung, mithin zu einem Werkzeug dessen, was ich oben die philologische I n terpretation nannte. Iser interpretiert an vielen Stellen seiner U n t e r suchung, u m am Beispiel zu belegen, wie der wirkungsästhetische P r o zeß verläuft. Allemal ist die E r f a h r u n g der Texte (von Fielding, Joyce) vorausgesetzt, allemal ist der Sinn dieser oder jener Stelle mit den Mit teln methodischer I n t e r p r e t a t i o n bereits erschlossen. Als Resultat bleibt die Unverbindlichkeit der Konstitutionsanalyse, w ä h r e n d die einge streuten Interpretationen nichts über die Konstitutionsakte aussagen, sondern diese bestenfalls illustrieren. Ich möchte Isers K o n z e p t daher als eine fruchtbare Erweiterung des Interpretationsspielraumes f ü r fik tive Erzähltexte verstehen, eine Erweiterung, die es z. B. ermöglicht, R o m a n e im Hinblick auf die Strukturen der Alltagserfahrung zu in 230 Dietrich H a r t h terpretieren. 5 9 Z u r hermeneutischen Voraussetzung des so umschrie benen neuen Interpretationsmusters mag die vielerörterte Einsicht ge hören, d a ß K u n s t e r f a h r u n g sich n u r innerhalb der gewöhnlichen Er f a h r u n g bildet u n d dort auch z u r W i r k u n g gelangen k a n n . D a m i t ist freilich die Frage nach dem Spezifischen literarischer K o m m u n i k a t i o n , soweit es sich auf ästhetische E r f a h r u n g bezieht, noch nicht erledigt. Ihre Zeugnisse findet sie, so hieß es weiter oben, in "ästheti schen I n t e r p r e t a t i o n e n " ; das sind solche Texte, in denen sich die ästhe tische E r f a h r u n g in einer individuellen, methodisch undisziplinierten Sprache Ausdruck verschafft. Sie bringt in dieser meist uneigentlichen Sprache ihren diffusen, changierenden Gehalt besser ans Licht, als das je in den diskursiven Begriffen der methodischen I n t e r p r e t a t i o n gesche hen könnte. Als ein Rezeptionszeugnis dieser A r t seien hier ohne expli k a t i v e n Anspruch einige Passagen aus A la recherche du temps perdu zitiert: "Auf der A r t v o n Schirm, den mein Bewußtsein beim Lesen in mir ausspannte, erschienen in bunter Folge verschiedene Zustandsbilder, angefangen v o n den geheimsten Regungen meines I n n e r n bis zu der rein äußerlich mit den Augen w a h r g e n o m m e n e n Florizontlinie des Gartens. D a r u n t e r w a r das zunächst Innerlichste, der ständig beweg te Hebel, der alles regulierte, mein Glaube an den Ideenreichtum u n d die Schönheit meines Buches sowie mein Wunsch, mir diese zu eigen zu machen, ganz gleich, was f ü r ein Buch es gerade w a r . (...) N a c h diesem zentralen Glauben, der w ä h r e n d der Lektüre in meinem auf F i n d u n g der W a h r h e i t gerichteten Bestreben unaufhörlich v o n innen nach außen webte, k a m e n die Gemütszustände, die sich aus der H a n d l u n g ergaben, an welcher ich teilnahm, denn diese Nach mittage w a r e n an dramatischen Geschehnissen reicher, als ein ganzes Menschenleben es ist." 6 0 Marcel erinnert sich an dieser Stelle der f r ü h e n Leseerfahrungen im G a r t e n v o n C o m b r a y . Seine Schilderung interessiert im Zusammen h a n g der erörteren Fragen, weil sie auf das Ich als den M i t t e l p u n k t der E r f a h r u n g reflektiert. Dieses Ich w i r d a u f g r u n d seiner Bereitschaft, an die geistigen u n d ästhetischen Q u a l i t ä t e n des Textes zu glauben, zum Beobachter seiner selbst. Rückblickend ordnet es seine eigenen v o n der Lektüre hervorgerufenen Zustände auf einer Bewegungsbahn, die v o m innersten M o t i v der Wahrheitssuche über die Teilhabe am dargestell Rezeption und ästhetische Erfahrung 231 ten Geschehen bis zur optischen W a h r n e h m u n g dessen, was ' d r a u ß e n ' ist, f ü h r t . Das Ich des Lesers macht in diesem Zustand, wie spätere Passagen zeigen, keinen Unterschied mehr zwischen 'innen' u n d ' a u ßen'. Nach A r t einer osmotischen Wechselbewegung fließen die E r f a h rungen des Sommernachmittags, der den Leser umgibt, u n d der W a h r nehmungen, die das Buch in ihm evoziert, ineinander, u m die Empfin dung zu erhöhen, ganz bei sich selbst zu sein. D e r daraus hervorgehende Z u s t a n d gesteigerten Selbstbewußtseins, der nicht zuletzt durch die Unterbrechung des O p a k e n u n d Verbindlichen der E r f a h r u n g s w e l t , wie sie ist, auf relative D a u e r gestellt ist, w i r d belohnt durch die Intensität des Erlebens. "Wenn uns aber der Verfasser [eines Romans, D . H . ] erst einmal in diesen Z u s t a n d versetzt hat, in dem wie bei allen rein innerlichen Vorgängen jedes G e f ü h l verzehnfacht ist, u n d bei dem sein Buch uns nach A r t eines Traumes bewegt, eines Traumes jedoch, der klarer ist als unsere T r ä u m e im Schlaf u n d auch in unserm Gedächtnis besser h a f t e n bleibt, so l ä ß t er eine Stunde lang alles Glück u n d Leiden auf uns los, das es ü b e r h a u p t gibt, u n d w o v o n w i r im Leben selbst in J a h r e n n u r einige Formen kennenlernen k ö n n t e n ; die stärksten aber w ü r d e n sich uns niemals offenbaren, denn die Langsamkeit, mit der sie sich herausbilden, läßt uns den Blick d a f ü r verlieren (so w a n d e l t sich unser H e r z im Leben, u n d das ist das schlimmste Leiden; doch wir erleben es n u r beim Lesen u n d in der Phantasie: in der Wirklich keit vollzieht sich diese W a n d l u n g wie bei gewissen Naturerschei nungen so langsam, d a ß wir z w a r nacheinander jede der verschiede nen Phasen feststellen können, aber das Bewußtsein des Wandels selbst bleibt uns dennoch erspart)." 6 1 I n dieser Passage w i r d m. E. ausgesprochen, was ästhetische E r f a h rung im engeren Sinne ausmacht. Die in der stillen Ekstase des Lesens geschaffene Epoche des Ich erlaubt ihm ohne den Z w a n g zur Selbst repräsentanz, zu erfahren, was es heißt, glücklich zu sein bzw. zu leiden. Die andere Z e i t f o r m des R o m a n s l ä ß t eine Steigerung solcher E m p f i n dungen zu, wie sie in der gewöhnlichen E r f a h r u n g entweder a u f g r u n d ihrer langsamen V e r ä n d e r u n g nicht w a h r g e n o m m e n werden, oder treten sie schockartig ein das betroffene Ich an den R a n d seines Selbst bewußtseins rücken. Die im zitierten Text artikulierte E r f a h r u n g hin gegen läßt es in Freiheit sich seiner selbst inne werden. D a s Ich des Le senden nimmt an sich selbst Interesse, so d a ß die w ä h r e n d der Lektüre 232 Dietrich H a r t h hervorgerufenen Zustände der Heiterkeit, der Trauer, des Schreckens, der Erhabenheit, der R ü h r u n g u n d des Leidens es d a z u befähigen, sich in entsprechenden k o m m u n i k a t i v e n G e b ä r d e n vor sich u n d vor andern zu äußern. Die Schwierigkeit, eine so umschriebene ästhetische E r f a h r u n g in ih ren k o m m u n i k a t i v e n F u n k t i o n e n angemessen zu beschreiben, liegen auf der H a n d . Schon der partielle A b r i ß vergleichbarer Formen ästheti scher Identifikation bei H a n s R o b e r t J a u ß läßt das ahnen. 6 2 O b es hinreichend ist, ästhetische E r f a h r u n g im angedeuteten Sinn als eine besondere F o r m "personaler K o m m u n i k a t i o n " zu begreifen, in der das Ich sich auf dem zwanglosen U m w e g über die dargestellte Subjektivität anderer als es selbst zeigen d a r f , m u ß hier dahingestellt bleiben. 63 IV W i r haben uns im R a h m e n des gestellten Themas mit anspruchsvollen u n d besonders ausführlich begründeten Positionen beschäftigt, die, ver t r a u e n d auf die f u n d i e r e n d e K r a f t des Kommunikationskonzepts, eine V e r ä n d e r u n g sowohl im Gegenstandsbereich als auch in M e t h o d i k u n d Zielen der Fachwissenschaft einleiten wollen. Ich möchte dagegen f ü r eine A n e r k e n n u n g jener Grenzen plädieren, die zwischen den verschie denen, heute sich abzeichnenden Arbeitsfeldern der Literaturwissen schaft verlaufen. Eine streng systematisch zu begründende Einheit der Literaturwissenschaft verbietet sich m. E. schon deshalb, weil der Ge genstandsbereich nicht eindeutig festlegbar ist. Das, was "Literatur" u n d somit auch "literarische K o m m u n i k a t i o n " ist, bemißt sich an den K o n v e n t i o n e n der T e x t a u s w a h l u n d der A p p l i k a t i o n v o n Fragestellun gen, die längst wissenschaftsimmanent reguliert werden. 6 4 A n Schleier machers Einsicht, d a ß dem Leser, der die philologische Unschuld ver loren hat, Erlösung allein in den philologischen Wissenschaften winkt, ist nicht zu rütteln. D a r a u s folgt, d a ß die Beliebigkeit der Blickpunkte n u r durch Koope ration, u n d das bedeutet: K o m m u n i k a t i o n zwischen den einzelnen A r beitsgebieten vermieden w i r d , f ü r die es z w a r keine organisatorischen Sonderstatuten, aber doch relativ bestimmte Regeln gibt. Z. B. die Re gel, innerhalb des Sprachspiels "literarisches Interpretieren" die Ver stehensäußerungen (Interpretationen) anderer Leser ernst zu nehmen, zu p r ü f e n , zu verbessern, zu widerlegen. D e r inflationäre Gebrauch des Kommunikationsbegriffs in der Literaturwissenschaft darf nicht den Anschein erwecken, als sei damit der archimedische P u n k t gewon R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 233 neu, von dem aus das nach wie vor gültige Hauptgeschäft des Inter pretierens aus den Angeln gehoben werden könnte. " K o m m u n i k a t i o n " kennzeichnet zunächst einmal eine nicht zu leugnende Z u n a h m e an K o m p l e x i t ä t f ü r den I n t e r p r e t e n ; denn sie erlaubt es nicht mehr, v o n starren Deutungs u n d Strukturierungsperspektiven — hier des Textes, da des Lesers auszugehen. D e r kommunikationswissenschaftliche Be griff der " I n t e r a k t i o n " macht wie metaphorisch seine V e r w e n d u n g in der Literaturwissenschaft auch ausfallen mag darauf a u f m e r k sam, d a ß ein P r o z e ß zwischen diesen Konstituierungsinstanzen abläuft. Die Bewegung aber, die solchen Prozessen innewohnt, verlangt zu ihrer Beschreibung nach einer angemessenen Begriffssprache, deren H e r a u s bildung wir heute verfolgen können. A u d i hier l ä ß t sich beobachten, wie mit dem Begriff die A u f m e r k s a m k e i t anderen Gegenstandsaspek ten sich zuwendet auch in solchen Bereichen, die schon eine erfolg reiche Beschreibungssprache entwickelt hatten. Die Frage nach dem, was dem Leser geschieht bzw. was er mit dem Text 'macht', zeichen theoretisch f o r m u l i e r t : die Frage nach der pragmatischen F u n k t i o n , ist dabei in jedem Fall vorherrschend. V o n dieser Verschiebung der Frage stellung profitieren Erzähltheorie (1) u n d Sozialgeschichte der Lite r a t u r (2) ebenso wie die streng empirische Rezeptionsforschung (3). Ich möchte abschließend in groben Zügen andeuten, welche Schwerpunkte des literaturwissenschaftlichen Forschungsprogramms dadurch stärker in den V o r d e r g r u n d gerückt sind. (1) Die alte Frage "Wer erzählt den R o m a n ? " sucht m a n zu beant worten, indem m a n semiologische oder anderweitig sprachtheoretisch orientierte Modelle der Beschreibung textinterner K o m m u n i k a t i o n s strukturen zugrundelegt. R a d i k a l vereinfachend lassen sich als Subjekte dieser internen K o m m u n i k a t i o n innerer " E r z ä h l e r " u n d innerer "Le ser" setzen, deren Zusammenspiel als ein N e t z v o n Interrelationen zu beschreiben ist. Die Muster dieses Netzes, die schließlich aus den allge meinen Erzählstrategien des Textes heraustreten, unterscheiden sich in sofern v o n traditionellen morphologischen u n d p o i n t o f v i e w S t a n d punkten, als sie auf mögliche k o m m u n i k a t i v e F u n k t i o n e n der ganzen Texteinheit hin gelesen werden. 6 5 D e r E r z ä h l t e x t ist "kommunizierte K o m m u n i k a t i o n " , die sich dem Leser in keiner bestimmten Situation darbietet; er h a t daher die Bedingungen seiner K o m m u n i z i e r b a r k e i t aus sich selbst hervorzubringen. 6 6 G e r a d e diese signifikante U n t e r b r e chung der pragmatischen Funktion, in der fiktive E r z ä h l t e x t e mit der poetischen Literatur im ganzen übereinstimmen, w i r d emphatisch als "Explikation der Bedingungen sprachlicher K o m m u n i k a t i o n " über 234 Dietrich Harth h a u p t interpretiert. 6 7 Andererseits soll in der pragmatischen Unter brechung die Voraussetzung d a f ü r liegen, daß der Leser sich seiner eigenen durch N o r m e n angeleiteten Lebenspraxis b e w u ß t wird. Ver f r e m d u n g im weiten Sinne eines die A u f m e r k s a m k e i t s p r ä g n a n z des W a h r n e h m e n d e n stimulierenden Verfahrens spielt in solchen K o n z e p tionen keine geringe Rolle. A n ihr tritt die erwähnte Unterbrechung in ihr kritisches Stadium, da der Leser sich v o m Rezipierenden z u m Er kennenden w a n d e l n soll. Identifikation u n d Reflexion, die als A n t w o r ten des Rezipienten auf die affektiven u n d gestalthaften " W i r k u n g e n " der E r z ä h l u n g verstanden werden, haben deutlich gemacht, daß der literarische Kommunikationsbegriff über linguistische u n d soziologische K o n n o t a t i o n e n hinausschießt. Linguistische u n d semantische Analysen, die mit dem Ziel u n t e r n o m m e n werden, a n h a n d der komplexen H i e r archie der E r z ä h l t e x t e deren pragmatische Intention zu rekonstruieren, müssen diesseits der Schwelle zur ästhetischen I n t e r p r e t a t i o n verharren, da ihre Begrifflichkeit die nichtsprachlichen K o m p o n e n t e n literarischer K o m m u n i k a t i o n (Assoziation, SichandieStelledesAndernVerset zen, Identifikation, E v o k a t i o n usw.) nicht erreicht. 68 Diese U n z u l ä n g lichkeit dem Spezifischen literarischer K o m m u n i k a t i o n gegenüber tei len sie indessen mit den älteren erzähltheoretischen E n t w ü r f e n . (2) I n der Geschichte der Literatur sind Aussagen über die ästheti schen M o m e n t e der literarischen K o m m u n i k a t i o n noch am ehesten dort zu finden, w o Schriftsteller u n d Literaturtheoretiker über ästhetische E r f a h r u n g laut nachgedacht haben. I n der Sozialgeschichte älterer Li t e r a t u r s t u f e n fehlen solche A n h a l t s p u n k t e fast völlig. D a h e r w i r d der Kommunikationsbegriff in diesem Forschungsbereich in einem soziolo gisch engeren Sinne gebraucht. Ein weiterer G r u n d ist nicht zuletzt in der signifikanten Eigenart v o r m o d e r n e r K u l t u r s t u f e n zu suchen, K o m m u n i k a t i o n über solche Symbole zu vermitteln, deren Sinn auf Gel tungsgründen ruhte, die sich der Sprache wie der subjektiven E r f a h r u n g entzogen. U n t e r dem Begriff der "Kommunikationsgemeinschaft" sucht die sozialhistorische Forschung solche sozialen Einheiten am H o f , in der Stadt zu fassen, in denen der unauflösliche Zusammen h a n g v o n Lebensform u n d literarischer Praxis dokumentarisch er schließbar ist. 69 G e h t m a n d a v o n aus, d a ß in der ethnozentrischen K u l t u r der t r a d i t i o n a l e n Gesellschaften das einzelne Ich seine physische und psychische Sicherheit n u r im Kollektiv der G r u p p e f a n d , dann ist es einleuchtend, w e n n es sich in jene Symbolwelt zu fügen suchte, in der E r f a h r u n g u n d H e r k o m m e n a u f b e w a h r t u n d tradiert w u r d e n . Die Verletzung dieser Welt durch Abweichung u n d allmähliche Ä n d e r u n g R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 235 fandet sich in vielen historisch f r ü h e n Texten zugleich mit der Wieder herstellung der O r d n u n g . Die A n k u n f t in der wiederhergestellten O r d nung ließ den damaligen Leser, meist ein Zuhörer, erfahren, d a ß das Verlassen der Kommunikationsgemeinschaft v o n Vernichtung bedroht w a r . Aus dem Ernst dieser E r f a h r u n g lassen sich die im Vergleich zur Moderne so ganz anderen P u n k t i o n e n der mittelalterlichen u n d spät mittelalterlichen Literatur ableiten. G r o b z u s a m m e n g e f a ß t konvergie ren sie mit Formen des sozialen Lernens u n d der Bestätigung tradier ter N o r m e n , wobei das Soziale im angedeuteten Sinn p a r t i k u l a r e r , auf Gemeinschaftsdenken bezogener Lebensformen zu verstehen ist. Diese hatten einen familialen u n d weniger mobilen Z u s a m m e n h a l t als spätere Formen der Vergesellschaftung. Im V e r b a n d v o n Familie u n d G r u p p e konnte Literatur daher die A u f g a b e n der E n k u l t u r a t i o n , der B e k r ä f t i gung des H e r k o m m e n s , der symbolischen Bestätigung gewachsener So zialstrukturen u n d der A b f u h r der den Lebensverband g e f ä h r d e n d e n Triebe erfüllen; Aufgaben, die in der M o d e r n e dem Ideologieverdacht verfallen sind, f ü r die alte Gesellschaft aber lebensnotwendig waren. 7 0 Die Sozialgeschichte der mittelalterlichen Literatur untersucht solche Zusammenhänge, indem sie jene p a r t i k u l a r e n Öffentlichkeiten literari scher K o m m u n i k a t i o n rekonstruiert, in deren Mitte sie die überliefer ten Texte in F u n k t i o n sieht. Die kommunikationssoziologische Per spektive u n d die Suche nach dem historischen Zeugniswert der Texte f ü h r t leider oft genug zu einer Auflösung des Befremdlichen an den Texten (ihres Mythologischen, ihres substanzialistischen Sprachge brauchs, ihrer Theologie) in einer unverbindlichen u n d nicht weiter ü b e r p r ü f b a r e n pragmatischen Intentionalität. 7 1 Desiderat bleibt hier nach wie vor eine Geschichte mittelalterlicher Lebensformen aus der Sicht des eine F r e m d k u l t u r beobachtenden Ethnologen, der sich nicht scheut, seine eigene k o m m u n i k a t i v e E r f a h r u n g durch das f r e m d e M u ster auf die Probe stellen zu lassen. 72 Schon die rein f o r m a l e n Bedin gungen literarischer K o m m u n i k a t i o n (Herstellung, Verbreitung, Vor trag v o n Manuskripten) im Mittelalter w a r e n so anders beschaffen, daß die Spezifizierung des Kommunikationsbegriffs noch genauer durchzuführen ist, als das in den bisher vorliegenden Untersuchungen geschah. 73 (3) Die empirische Rezeptionsforschung in ihrer ausgeführtesten Ge stalt kennt die Probleme historischen Interpretierens nicht, mit denen es die sozialgeschichtliche Erforschung literarischer K o m m u n i k a t i o n zu tun hat. Nach ihrer szientistischen W e n d u n g h a t sie diese ganz der H e r m e n e u t i k überlassen. Das Schisma zwischen empirischer M e t h o d i k 236 Dietrich Harth u n d hermeneutischer Interpretationslehre bezeichnet die radikale Tren n u n g v o n Rezeption u n d Interpretation. 7 4 Rezeptionsforschung soll über die sozialwissenschaftlich angeleitete Erhebung von " D a t e n " er folgen, zu denen die nach statistischen Wahrscheinlichkeitsgesetzen aus gezählten Rezipientenäußerungen stilisiert werden. Interpretationen sind nach szientistischem Verständnis solche "theoretisch konstruierten D e u t u n g s h y p o t h e s e n " über den Sinn v o n Texten, zu deren Validie rung die ausgewerteten Rezeptionsdaten beitragen können. U m einen unerwünschten Testbildeffekt der Rezeptionsgegenstände zu vermei den, hält diese Forschungsrichtung an der Phänomenseite der Texte als der K o n t r o l l i n s t a n z f ü r a d ä q u a t e Rezipientenäußerungen fest. Es w ü r de zu weit f ü h r e n , alle I m p l i k a t i o n e n dieses P r o g r a m m s hier zu erör tern. Mir scheint indessen, d a ß es die Grenzen der Literaturwissen schaft in Richtung auf eine empirische Sozialwissenschaft überschritten h a t , die das, was nach meiner Terminologie " I n t e r p r e t a t i o n " heißt, unter einschränkenden Bedingungen als I n d i k a t o r des Lesevorganges interpretiert. Die Möglichkeit, mithilfe empirisch ermittelter, nach sta tistischer H ä u f i g k e i t formalisierter Urteilskriterien die Geltungsprüfung v o n I n t e r p r e t a t i o n e n zu verbessern, k a n n hier nicht prinzipiell infrage gestellt werden. Doch geben einige der bereits vorliegenden Forschungs ergebnisse A n l a ß zur Skepsis. Ihr experimenteller C h a r a k t e r hat mit der Praxis des Interpretierens auch im gewöhnlichen Sinne des Literatur gesprächs nichts mehr zu tun, da sie mehr oder weniger gut begründete V e r f a h r e n der empirischen Verhaltensforschung anwenden. 7 5 Ihren Fragebögen liegen darüber hinaus Voraussetzungen zugrunde, die sei es in reflektierter, sei es in unreflektierter Weise interpretative Vor griffe aufs M a t e r i a l enthalten, so d a ß die T r e n n u n g v o n Rezeption u n d I n t e r p r e t a t i o n schon im Ansatz aufgehoben ist. 76 Beispielsweise ge schieht die W a h l eines Textes wie P a u l Celans "Fadensonnen" als Re zeptionsgegenstand doch unter der A n n a h m e , er sei f ü r sich verständ lich u n d interessiere alle Befragten gleichermaßen. Solche A n n a h m e n liegen aber auch wissenschaftlichen Interpretationen zugrunde, w ä h r e n d die "theoretische K o n s t r u k t i o n " des Interpreten die Rechtfertigung des Vorgehens u n d die A p p l i k a t i o n der Auslegungsergebnisse auf Probleme leistet, die dem Text selber nicht mehr angehören. Wer nach der p r a k tischen Relevanz empirischer Rezeptionsforschung Ausschau hält, wird freilich weniger Gefallen an ihrer szientistischen als an ihrer litaratur pädagogischen V a r i a n t e finden. Als praxisunmittelbare, weil auf teil nehmender Beobachtung beruhende Methodik, k a n n diese wie die A r beiten einer Berliner Forschungsgruppe belegen durchaus zur Verbes R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 237 serung der literarischen K o m m u n i k a t i o n beitragen.77 Literarische K o m munikation verstanden im doppelten Sinn der textadäquaten Inten tionserfüllung u n d der vernünftigen R e d e über Literatur. Welche der b e i d e n s k i z z i e r t e n M e t h o d e n d i e f o r s c h u n g s l o g i s c h f u n d i e r t e r e ist, u n terliegt jedoch Geltungsfragen, die n u r i n n e r h a l b der empirischen So z i a l w i s s e n s c h a f t z u b e a n t w o r t e n s i n d u n d s o m i t d i e K o m p e t e n z des Literaturwissenschaftlers überschreiten. Anmerkungen 1 2 3 4 R a i n e r W a r n i n g ( H r s g . ) : R e z e p t i o n s ä s t h e t i k . Theorie u n d P r a x i s . M ü n chen 1975; W o l f g a n g Iser: D e r A k t des Lesens. T h e o r i e ästhetischer W i r kung. München 1976; H a n s D i e t e r Z i m m e r m a n n : V o m N u t z e n der Lite r a t u r . V o r b e r e i t e n d e B e m e r k u n g e n zu einer Theorie der literarischen K o m m u n i k a t i o n . F r a n k f u r t a. M . 1977; N o r b e r t G r o e b e n : R e z e p t i o n s forschung als empirische Literaturwissenschaft. P a r a d i g m a durch M e thodendiskussion an Untersuchungsbeispielen. K r o n b e r g / T s . 1977. H a n s R o b e r t J a u ß : D e r Leser als I n s t a n z einer neuen Geschichte d e r Lite r a t u r . I n : POETICA 7, 1975, S. 333. Ist v o r g e b i l d e t bei H a n s G e o r g G a d a m e r : W a h r h e i t u n d M e t h o d e . G r u n d z ü g e einer philosophischen H e r m e n e u t i k . 2. Aufl., T ü b i n g e n 1965: D e r hermeneutische Z i r k e l "beschreibt das Verstehen als das I n e i n a n d e r s p i e l der Bewegung der Ü b e r l i e f e r u n g u n d der Bewegung des I n t e r p r e t e n " . (S. 277). D a m i t k o m p a t i b e l ist die A u f f a s s u n g v o n J a u ß , d a ß R e z e p t i o n (Diachronie) u n d W i r k u n g (Syn chronie) sich k o m p l e m e n t ä r z u e i n a n d e r v e r h a l t e n . A n d e r s als G a d a m e r will er diese K o m p l e m e n t a r i t ä t aber methodisch f r u c h t b a r machen. Z u r philosophischen D i a l e k t i k v o n Frage u n d A n t w o r t vgl. G a d a m e r a. a. O., S. 344 ff. I n der d r i t t e n These v o n Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschafl. K o n s t a n z 1967. Abgedruckt bei W a r n i n g 1975, S. 353 ff. 5 Vgl. das V o r w o r t zu H a n s R o b e r t J a u ß : Ästhetische E r f a h r u n g u n d lite rarische H e r m e n e u t i k . Bd. I : Versuche im Feld der ästhetischen E r f a h r u n g . München 1977. 0 H a n s R o b e r t J a u ß : L a douceur du f o y e r . L y r i k des J a h r e s 1857 als M u ster der V e r m i t t l u n g sozialer N o r m e n . I n : W a r n i n g 1975, S. 403. J a u ß stützt sich auf die f o l g e n d e n A b h a n d l u n g e n : A l f r e d Schütz: D e r s i n n h a f t e A u f b a u der sozialen W e l t . Eine E i n l e i t u n g in die v e r s t e h e n d e Soziologie (1932). F r a n k f u r t a. M . 1974; P e t e r L. B e r g e r / T h o m a s Luck m a n n : D i e gesellschaftliche K o n s t r u k t i o n der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. F r a n k f u r t a. M. 1969; A l f r e d S c h ü t z / T h o m a s Luck m a n n : S t r u k t u r e n der Lebenswelt. N e u w i e d / D a r m s t a d t 1975. 7 238 7a Dietrich Harth "Semiotische Analyse" bezieht sich im Unterschied zur immanenten Be deutungsanalyse (= "semantische Analyse") auf symbolisch vermittelte In teraktionen in ihrer Kontext und Situationsabhängigkeit. Nach Siegfried J. Schmidt: Text und Bedeutung. Sprachphilosophische Prolegomena zu einer textsemantischen Literaturwissenschaft. In: Ders. (Hrsg.): Text Be deutung Ästhetik. München 1970, S. 60. Hier auf literarische Texte be schränkt. 8 Berger/Luckmann 1969, S. 40 f. 9 a. a. O., S. 42. 10 Ebd. 11 In der Bedeutung fiktionaler Einheiten; vgl. u. a. Johannes Anderegg: Fiktion und Kommunikation. Ein Beitrag zur Theorie der Prosa. Göt tingen 1973, S.95 ff. 12 Jauß, in Warning 1975, S. 407. 13 a. a. O., S. 412. 14 Vgl. die terminologische Untersuchung von Rüdiger Lautmann: Wert und Norm. Begriffsanalysen für die Soziologie. Köln/Opladen 1969. 15 Jauß 1975, S. 412. ]C Jauß 1977, S. 161 ff. 17 Jauß 1975, S. 413 und 1977, S. 13. 18 Jauß 1977, S. 175. 19 Jauß 1975, S. 413. Zu den mit solchen 'Übersetzungen' verbundenen Pro blemen vgl. meinen Aufsatz: Fogalomalkotas az irodalomtudomänyban. In: Helikon 22, 1976, S. 517544. 20 Jauß macht dazu einen Vorschlag (1977, S. 175 f.). "Soziale Erfahrung" steht im übrigen für das, was Jauß hin und wieder "pragmatische Erfah rung" nennt. 21 Schütz 1974, S. 93 ff. Zur weiteren Ausarbeitung dieser Problematik: Ri chard Grathoff: Ansätze zu einer Theorie sozialen Handelns bei Alfred Schütz. In: Hans Lenk (Hrsg.): Handlungstheorien interdisziplinär IV. Sozialwissenschaftliche Handlungstheorien und spezielle systemwissenschaft liche Ansätze. München 1977, S. 5978. 22 Jauß 1975, S. 403. 23 Diese Schwierigkeit teilt der historische Lebensformen interpretierende Forscher mit dem Ethnologen. Daß ihm das zum Trost gereichen kann, zeigt die phantasievolle Abhandlung von Hans Peter Duerr: Traumzeit. Über die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation. Frankfurt a. M. 1978. 24 Den Ausdruck "dokumentarische Interpretation" übernehme ich von der Ethnomethodologie, die der Wissenssoziologie nahesteht. Er bezeichnet das Verfahren, sprachliche Äußerungen in ihrer Darstellungsfunktion (= Indexikalität) für formale Strukturen kommunikativen Handelns in Alltagssituationen zu interpretieren. Vgl. Elmar Weingarten/Fritz Sack: Ethnomethodologie. Die methodische Konstruktion der Realität. In: R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 239 Weingarten/Sack/Schenkein ( H r s g . ) : E t h n o m e t h o d o l o g i e . Beiträge zu einer Soziologie des A l l t a g s h a n d e l n s . F r a n k f u r t a. M . 1976, S. 15 f. 23 2 . B. A n d e r e g g 1973 pass. 26 Vorschläge zu Lesertypologien bei H a r a l d W e i n r i c h : F ü r eine L i t e r a t u r geschichte des Lesers. I n : D e r s . : L i t e r a t u r f ü r Leser. S t u t t g a r t 1971, S. 23 ff. G u n t e r G r i m m : E i n f ü h r u n g in die R e z e p t i o n s f o r s c h u n g . I n : D e r s . ( H r s g . ) : L i t e r a t u r u n d Leser. T h e o r i e n u n d M o d e l l e z u r R e z e p t i o n lite rarischer W e r k e . S t u t t g a r t 1975, S. 75 ff. 27 Vgl. d a z u die sehr d i f f e r e n z i e r t e M e t h o d i k in G r o e b e n 1977, :S. 70. G r o e b e n t r e n n t scharf zwischen R e z e p t i o n u n d I n t e r p r e t a t i o n (S. 131 ff.), doch sehe ich nicht, wie er u n v e r m i t t e l t v o n empirisch e r h o b e n e n " R e z e p t i o n s d a t e n " auf das schließen will, w a s er den " b e d e u t u n g s k o n s t i t u i e r e n d e n P r o z e ß der T e x t k o n k r e t i s a t i o n " n e n n t . 28 A n dieser Stelle f o l g t meine A r g u m e n t a t i o n w e i t g e h e n d der A b h a n d lung v o n Gisbert T e r N e d d e n : I n t e r p r e t a t i o n als fiktive R e z e p t i o n . E i n Beitrag z u r l i t e r a t u r d i d a k t i s c h e n Kasuistik, dargestellt an B r e c h t I n t e r p r e t a t i o n e n v o n Schülern u n d S t u d e n t e n . Ersch. 1980 i n : P e r z e p t i o n R e z e p t i o n I n t e r p r e t a t i o n , hrsg. v o n H . G . Soeffner. 29 Josef K ö n i g : " D i e ästhetische W i r k u n g ist das, w a s zu sidi k o m m t oder w i r d , w a s es ist, w e n n u n d i n d e m der Mensch sie beschreibt." J . K . : D i e N a t u r der ästhetischen W i r k u n g . I n : W i l h e l m D e h n ( H r s g . ) : Ästhetische E r f a h r u n g u n d literarisches L e r n e n . F r a n k f u r t a. M . 1974. S. 79. 30 Ich denke hier v o r allem an d e n sog. Symbolischen I n t e r a k t i o n i s m u s . Vgl. d a z u die U n t e r s u c h u n g e n v o n E r v i n g G o f f m a n (Interaktionsrituale, dt. 1971; Stigma, dt. 1967) u n d den R e a d e r : K o m m u n i k a t i o n , I n t e r a k t i o n , I d e n t i t ä t , hrsg. v . : M. A u w ä r t e r / E . Kirsch/K. Schröter. F r a n k f u r t a. M . 1976. 31 Als institutionalisiertes entspricht es durchaus d e m Wittgensteinschen Begriff der " L e b e n s f o r m " , der eine E i n h e i t v o n Sprachgebrauch, p r a k t i schem V e r h a l t e n u n d Welterschließung k e n n z e i c h n e t ; vgl. K a r l O t t o A p e l : D i e Frage nach d e m S i n n k r i t e r i u m der Sprache u n d die H e r m e neutik. I n : Weltgespräch 4, W e l t e r f a h r u n g in der Sprache, 1. Folge, 1968, S. 9 2 8 . N a t ü r l i c h sind die sozialen B e d i n g u n g e n v a r i a b e l , u n t e r d e n e n das Sprachspiel realisiert w i r d , z. B. im L i t e r a t u r u n t e r r i c h t , im Seminar, in der Diskussion anschließend an die A u t o r e n l e s u n g , im p r i v a t e n Lese zirkel. 32 A n diesem K r i t e r i u m h a l t e n auch empirische Rezeptionsforscher fest. Vgl. z . B . G r o e b e n 1977, S. 136 ff. u n d H . E g g e r t / H . C . Berg/M. Rutsch k y : D i e im T e x t versteckten Schüler. P r o b l e m e einer R e z e p t i o n s f o r s c h u n g in praktischer Absicht. I n : G r i m m 1975, S. 2 7 2 2 9 4 . 33 Fr. D . E. Schleiermacher: H e r m e n e u t i k . H r s g . v. H . K i m m e r l e . H e i d e l berg 1959, S. 141. 34 Vgl. M a n f r e d F r a n k : D a s individuelle Allgemeine. T e x t s t r u k t u r i e r u n g u n d I n t e r p r e t a t i o n nach Schleiermacher. F r a n k f u r t a. M. 1977, S. 351. 240 35 Dietrich H a r t h Vgl. W a l t e r R ü e g g : D a s a n t i k e V o r b i l d im M i t t e l a l t e r u n d H u m a n i s m u s . I n : A g o r a 12, 1959, S. 11 ff. 3r > N o v a l i s : zit. nach F r a n k 1977, S. 357. M a r c e l P r o u s t : A u f der Suche nach der v e r l o r e n e n Zeit (Dt. v o n E. R e chelMertens). F r a n k f u r t a. M . 1974, Bd. 13, S. 329. 37 38 P a u l Ricceur: D i e Schrift als P r o b l e m der L i t e r a t u r k r i t i k u n d der philo sophischen H e r m e n e u t i k . I n : J ö r g Z i m m e r m a n n ( H r s g . ) : Sprache u n d W e l t e r f a h r u n g . München 1978, S. 71. 39 H . D . Z i m m e r m a n n (1977) e r ö r t e r t dies in dem weiten R a h m e n eines E r w e r b s k u l t u r e l l e r K o m p e t e n z . Aufschlußreich f ü r die Schwierigkeiten einer besonderen, auf den U m g a n g m i t literarischen T e x t e n bezogenen K o m p e t e n z sind nach wie v o r die U n t e r s u c h u n g e n , die I. A . Richards an L e s e r k o m m e n t a r e n über 13 verschiedene Gedichte d u r c h g e f ü h r t h a t : P r a c t i c a l Criticism. A S t u d y of L i t e r a r y J u d g m e n t (1929). L o n d o n 1973. R o l f Engelsing h a t sozialgeschichtlich zwischen d e n I d e a l t y p e n des "in t e n s i v e n " u n d "extensiven Lesens" unterschieden, deren A u f t r e t e n in e t w a m i t den L e b e n s f o r m e n t r a d i t i o n a l e r u n d m o d e r n e r Gesellschaften z u s a m m e n g e h t . R . E . : D i e P e r i o d e n der Lesergeschichte in der N e u z e i t . I n : D e r s . : Z u r Sozialgeschichte deutscher M i t t e l u n d Unterschichten. G ö t t i n g e n 1973. 40 41 42 43 Z u m Verlust der " A u t o r i t ä t des Buches" vgl. Engelsing a. a. O., S. 136 ff. N a c h einer U n t e r s u c h u n g Gisbert T e r N e d d e n s : Lessings Philotas als mo derner Ajas (Ms.) gilt das auch f ü r D r a m a t u r g i e u n d D r a m e n p r o d u k t i o n . Z u r wissensdiaftstheoretischen K r i t i k dieser K o n f u n d i e r u n g vgl. G r o e b e n 1977, S. 39 ff. 44 J a u ß b e r u f t sich f ü r die b e s o n d e r e A r t der V e r m i t t l u n g praktischer N o r m e n durch ästhetische E r f a h r u n g auf K a n t (1977, S. 22 f.). Iser b e h a u p tet, d a ß fiktionale E r z ä h l u n g e n durch U m s t r u k t u r i e r u n g e n des der Le benswelt e n t n o m m e n e n Materials, die in diesem e n t h a l t e n e n N o r m e n f ü r d e n Leser in ein problematisches Licht rücken (1976, S. 122 ff.). Dietrich K r u s c h e : K o m m u n i k a t i o n im E r z ä h l t e x t . München 1978, erweitert dieses K o n z e p t zu einer A n a l y s e "gestörter K o m m u n i k a t i o n " u n d entsprechen der N o r m e n u n s i c h e r h e i t in deutschsprachigen E r z ä h l t e x t e n a m Beginn unseres J a h r h u n d e r t s . 45 R o m a n I n g a r d e n : D a s literarische K u n s t w e r k . H a l l e 1931. D e r s . : V o m E r k e n n e n des literarischen K u n s t w e r k s . D a r m s t a d t 1968. D e r s . : E r l e b nis, K u n s t w e r k u n d W e r t . V o r t r ä g e z u r Ä s t h e t i k 19371967. D a r m s t a d t 1969. 40 N a c h Iser zeigt Lesen "die S t r u k t u r der E r f a h r u n g " ; deshalb k a n n die E r f a h r u n g des Lesers v o n der im R o m a n dargestellten a n d e r e n E r f a h r u n g infragegestellt w e r d e n (1976, S. 215 ff.). 47 Vgl. z. B. I n g a r d e n s A n a l y s e n der W e r k k o n k r e t i s a t i o n u n t e r dem A s p e k t d e r Z e i t p e r s p e k t i v e (1968, S. 95 ff.) m i t Isers Phänomenologie des Lesens R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 2 4 1 (1976, S. 175 ff.) Freilich beschränkt sich Iser auf die R o m a n l e k t ü r e , w ä h r e n d I n g a r d e n literarisches Lesen ü b e r h a u p t zu beschreiben sucht. H e r m a n n K i n d e r s K r i t i k a n einer " t r a n s z e n d e n t a l e n " B e d i n g u n g der K o n k r e t i s a t i o n scheint m i r auf einem M i ß v e r s t ä n d n i s zu b e r u h e n , an d e m Isers Begriffsreichtum nicht g a n z unschuldig ist, ein Reichtum, d e n er w o h l selber eher in " e x p l o r a t i v e r " d e n n "systematischer" Absicht Zu s t a n d e k o m m e n ließ (vgl. seine B e m e r k u n g z u r psychoanalytischen Be grifflichkeit: 1976, S. 67). H . K i n d e r : T r a n s z e n d e n t a l e s S t a n d b e i n gegen historisches Spielbein: noch unentschieden. I n : Rezeptionsgeschichte oder W i r k u n g s ä s t h e t i k . K o n s t a n z e r Beitr. z u r P r a x i s der Literaturgeschichts schreibung, hrsg. v. H . D . W e b e r . S t u t t g a r t 1978, S. 178. Iser a. a. O., S. 62 f. Iser a. a. O., S. 63. Iser a. a. O . , S. 42. Auch in diesem P u n k t s t i m m t Isers K o n z e p t noch m i t d e n K o n s t i t u t i o n s analysen v o n A l l t a g s e r f a h r u n g überein, wie sie die Wissenssoziologie vorgelegt h a t . Vgl. z. B. d e n P l a n v o n A l f r e d Schütz zu einer " P h i l o sophie der Leerstelle" i n : A . Sch.: D a s P r o b l e m der R e l e v a n z . F r a n k f u r t a. M . 1971, S. 227 ff. M a n ist versucht, der literarischen Leerstellentheorie Stanislav Lems Vollkommene Leere (1973) als G e g e n s t a n d zu e m p f e h l e n . E d m u n d H u s s e r l : Logische U n t e r s u c h u n g e n . 2. B d . : U n t e r s u c h u n g e n z u r P h ä n o m e n o l o g i e u n d T h e o r i e der E r k e n n t n i s , 1, Teil. 5. Aufl., T ü b i n g e n 1968, S. 32 ff. (hier auch über A u s d r ü c k e "in k o m m u n i k a t i v e r F u n k t i o n " ) . L o t h a r E i e y : Sprache als Sprechakt. D i e phänomenologische T h e o r i e der B e d e u t u n g s i n t e n t i o n u n d e r f ü l l u n g u n d die sprachphilosophische T h e o rie der Sprechakte (J. R . Searle). I n : A s p e k t e u n d P r o b l e m e der Sprach philosophie, hrsg. v. J . Simon. F r e i b u r g / M ü n c h e n 1974, S. 180. Ricceur 1978, S. 72. Z u einem raschen Vergleich m i t V e r f a h r e n des Symbolischen I n t e r a k t i o nismus bietet sich z . B . die U n t e r s u c h u n g v o n R a l p h H . T u r n e r a n : R o l l e n ü b e r n a h m e : P r o z e ß versus K o n f o r m i t ä t . I n : A u w ä r t e r et. al 1976, S. 115139. Iser 1976, S. 218. Ebd. 9 Eben diese K o n s e q u e n z zieht E c k h a r d Lobsien: D e r A l l t a g des Ulysses. D i e V e r m i t t l u n g v o n ästhetischer u n d lebensweltlicher E r f a h r u n g . S t u t t g a r t 1978. E r setzt f o r t , w a s Iser bereits a n a n d e r m O r t d e m o n s t r i e r t h a t ; vgl. W . L : D e r A r c h e t y p als L e e r f o r m . E r z ä h l m o d a l i t ä t e n u n d K o m m u n i k a t i o n in Joyces Ulysses. I n : D e r s . : D e r implizite Leser. München 1972, S. 300 ff. ,J M a r c e l P r o u s t : Auf der Suche nach der v e r l o r e n e n Zeit. F r a n k f u r t a. M . 1974, Bd. 1 , S . 115 f. P r o u s t a. a. O., S. 117 f. J a u ß 1977, S. 212 ff. I d e n t i f i k a t i o n als SichVersetzen a n die Stelle des 1 2 242 Dietrich Harth andern wird von der Anthropologie als der einzige Weg betrachtet, sich selbst zum Gegenstand zu werden. Vgl. Arnold Gehlen: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. 11. Aufl., Wiesbaden 1976, S. 318 ff. 63 S. dazu Ter-Nedden 1980. 64 Vgl. die Belege bei Herbert Grabes: Fiktion-Realismus-Ästhetik. Woran erkennt der Leser Literatur? In: Ders. (Hrsg.): TextLeserBedeutung. Untersuchungen zur Interaktion von Text und Leser. GrossenLinden 1977, S. 6182. 65 Vgl. etwa die Modelle von Anderegg 1973; Dieter Janik: Die Kommu nikationsstruktur des Erzählwerks. Ein semiologisches Modell. Beben hausen 1973; eine Anwendung bei Hanspeter Brode: Die Zeitgeschichte in der "Blechtrommel" von Günter Grass. Entwurf eines textinternen Kommunikationsmodells. In: Günter Grass. Ein Materialienbuch. Hrsg. v. R. Geißler, Darmstadt/Neuwied 1976, S. 86114; Krusche 1978; Diet rich Weber: Theorie der analytischen Erzählung. München 1975. 66 Janik a. a. O., S. 12; Anderegg a. a. O., S. 36. 67 Zu den strukturellen Voraussetzungen der Entpragmatisierung vgl. Iser 1976, S. 284 ff. Das Zitat aus: Horst Türk: Dialektische Literaturwissen schaft. Zur kommunikationssoziologischen Begründung einer allgemeinen Texttheorie. In: Historizität in Sprach und Literaturwissenschaft. Hrsg. v. W. MüllerSeidel. München 1974, S. 242. 68 Vgl. z. B. Elisabeth Gülich: Ansätze zu einer kommunikationsorientierten Erzähltextanalyse. In: Erzählforschung 1. Hrsg. v. W. Haubrichs. LiLi Beiheft 4. 1976, S. 224256; Hilmar Kallweit: Transformation des Text verständnisses. Überlegungen zu einer 'pragmatischen' Theorie von Er zähltexten. Heidelberg 1978. 09 Für die sozialhistorische Forschung fruchtbar gemacht hat das in der trans zendentalpragmatischen Hermeneutik (K. O. Apel) zentrale Konzept der "Kommunikationsgemeinschaft" m. W. als erster Gert Kaiser: Textaus legung und gesellschaftliche Selbstdeutung. Aspekte einer sozialgeschicht lichen Interpretation von Hartmanns Artusepen. Frankfurt a. M. 1973. 70 Fast gleichzeitig, doch unabhängig voneinander, entstanden in Heidelberg zwei umfangreiche Studien, die sinnfällig machen, welche Bedeutung "Herkommen" für die Funktionen traditioneller Literatur und die sich davon lösende moderne Dichtung hat: JanDirk Müller: 'Gedechtnus'. Studien zur Funktion des Ruhmeswerks Maximilians I., Gotthardt Früh sorge: Herkommen und Weggehen. Tradition und Krise des "ganzen Hauses" als Entstehungsfaktor von Dichtungen des jungen Goethe. Beide erscheinen demnächst. 71 Aufschlußreich für das dadurch hervorgerufene Schwanken zwischen We sensbestimmung und Funktionsbestimmung Wolfgang Haubrichs: Grund und Hintergrund in der Kreuzzugsdichtung. Argumentationsstruktur und politische Intentionen in Walthers 'Elegie' und 'Palästinalied'. In: H. R e z e p t i o n u n d ästhetische E r f a h r u n g 243 R u p p ( H r s g . ) : Philologie u n d Geschichtswissenschaft. D e m o n s t r a t i o n e n lite rarischer T e x t e des Mittelalters. H e i d e l b e r g 1977, S. 1262. M a t e r i a l i e n d a z u bei A r n o Borst: L e b e n s f o r m e n im M i t t e l a l t e r . F r a n k f u r t / B e r l i n 1973. Vgl. v o r allem die w e g w e i s e n d e n Vorschläge v o n H . R . J a u ß : A l t e r i t ä t u n d M o d e r n i t ä t der mittelalterlichen L i t e r a t u r . G e s a m m e l t e A u f s ä t z e 19561976, München 1977. Vgl. die interessanten A n m e r k u n g e n bei J a n D i r k M ü l l e r : Melusine in Bern. Z u m P r o b l e m der " V e r b ü r g e r l i c h u n g " höfischer E p i k im 15. J a h r h u n d e r t . I n : L i t e r a t u r , P u b l i k u m , historischer K o n t e x t . Beiträge z u r Ä l t e ren Deutschen Literaturgeschichte 1. 1977, S. 71 ff. Ich referiere hier in sehr v e r k ü r z t e r Weise G r o e b e n 1977. Vgl. das K a p i t e l " M e t h o d i k " bei G r o e b e n a. a. O., S. 70 ff. D o r t w e r d e n die einzelnen V e r f a h r e n gut gegeneinander abgewogen. Vgl. z . B . W . Bauer et al.: T e x t u n d R e z e p t i o n . W i r k u n g s a n a l y s e zeitge nössischer L y r i k am Beispiel des Gedichtes " F a d e n s o n n e n " v o n P a u l C e l a n . F r a n k f u r t a. M . 1972, S. 224 f. H . E g g e r t / H . C. B e r g / M . R u t s c h k y u. a.: Schüler im L i t e r a t u r u n t e r r i c h t . E i n E r f a h r u n g s b e r i c h t . K ö l n 1975.
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