Reportage (SF 5/2016)

SCHNEETAG
Ex-Skirennfahrer und zwei­
facher Weltmeister Michael
von Grünigen
(l.) führt Workshops durch.
Flumsi und Flumsina
begrüssen die
Schneetag-Teilnehmer (o.). Links: Die
Organi­satoren der
«Schweizer Familie»
(in blauen Jacken),
von Sport 2000
(grün) und Flumserberg (rot/schwarz).
FRÖHLICHE STIMMUNG
im Schneegestöber
Ski- und Snowboardkurse in der Kälte, Punsch und Suppe im warmen
Zelt. Die Teilnehmer des ersten NATIONALEN SCHNEETAGS der «Schweizer
Familie» waren trotz des trüben Wetters am Flumserberg begeistert.
Text Martina Gaugler Fotos Samuel Trümpy
D
ie ganze Nacht hat es geschneit
am Flumserberg. Ein Pistenbully
pflügt nahe der Bergstation Prod­
alp durch den Schnee. Da saust ein Skifah­
rer die Piste hinab, direkt auf das Schnee­
fahrzeug zu. Der Lenker des Pistenbullys
macht eine Vollbremsung, sein Gefährt
dreht sich ein paarmal um die eigene Ach­
se und kommt dann zum Stehen. Das war
knapp. Doch Skifahrer und Fahrzeuglen­
ker lachen. Denn beim Pistenbully han­
delt es sich bloss um ein ferngesteuertes
Modell in Miniaturgrösse.
Die lustigen Gefährte sind einer­
von vielen Höhepunkten am Nationa­len Schneetag der «Schweizer Familie»
vom vergangenen Sonntag. Frühmorgens
schon ertönen die Motoren der gros­-
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sen Ratracs, welche die Pisten am Flum­
serberg präparieren. Es schneit ohne Un­
terbruch, es wird den ganzen Tag nicht
aufhören. Die Sicht ist trüb. Nicht aber die
Stimmung der zahlreichen SchneetagTeilnehmer, die sich – warm und wetter­
fest eingepackt – den Spass nicht nehmen
lassen.
Gleich an der Bergstation Prodalp
werden sie begrüsst von Flumsi und
Flumsina, den flauschigen Maskottchen,
an denen vor allem die Kinder viel Freude
haben. Die meisten Besucher kommen
mit ihren Skiern und Snowboards. Im
Event-Village, dem Zentrum des Schnee­
tags mit «Schweizer Familie»-Zelt und
Stand, wärmen sie sich mit Punsch und
heisser Suppe. «Schön, dass ihr alle ge­
kommen seid, trotz des schlechten Wet­
ters», ruft Michael von Grünigen, 46, ExSkirennfahrer und Kursleiter. Kaum hat
er das gesagt, klicken die Skibindungen,
und die Teilnehmer sind bereit für die
drei Workshops, die am Nationalen
Schneetag besucht werden können:
«Backcountry» für Abenteurer, die ab­
seits der Piste sicher unterwegs sein und
die Bergwelt entdecken wollen. «Perfor­
mance» für angehende Slalomfahrer, die
das Tempo lieben. Und «Freestyle» für die
ganz Wilden, die mit Skiern oder Snow­
boards wahre Kunststücke vollbringen.
Über Schanzen und Boxen
Freestyle-Nachwuchstalent Jérôme Hun­
ger, 13, gibt seinen Workshop im Funpark.
Gross und Klein
findet am Nationalen
Schneetag Gefallen.
Tor um Tor beim
Slalomkurs etwas
lernen.
Er zeigt seinen mutigen Anhängern, wie
sie mit Skiern oder Snowboards über
Schanzen springen sowie auf Boxen und
Rails gleiten können. Dem Teenager
macht es Spass, den Kurs zu leiten: «Meine
Schüler erinnern mich daran, wie ich da­
mals angefangen habe.»
Ein paar Höhenmeter weiter unten
piepst es. Mal schnell und in einer hohen
Tonlage. Und dann wieder langsamer und
tiefer. Das Geräusch stammt von einem
Lawinenverschüttetensuchgerät,
das
Workshop-Leiter Christian Aschwanden
seinen Gästen vorführt. Unter ihnen Ivan
Krechetov, 36. Mit dem Gerät sucht er
nach einer vergrabenen Tasche mit ei­
nem Sender. Bis fast zu den Knien steht er
im Neuschnee und stochert mehrere Male
Freestyle-Workshop
mit Skicrosserin
Seraina Murk.
mit einer Sondierstange herum, bis er
auf die Tasche stösst. «Ich bin mir der
Ge­fahren in den Bergen bewusst und
habe mir auch schon Videos im Internet
zur Lawinenrettung angesehen», sagt der
gebürtige Russe. «Jetzt kann ich prakti­
sche Erfahrungen sammeln.»
Etwas mit auf den Weg geben
Plötzlich ertönt eine Explosion von
­weiter oben. Der Pistenrettungsdienst
sprengt eine Lawine. Von dem Knall be­
kommen zwei treue «Schweizer Fami­
lie»-Leser nichts mit. Brigitte, 56, und
Beat Hirschi, 62, gönnen sich nach ihrer
langen Anreise von Basel eine Gratis­
suppe im Zelt der «Schweizer Familie».
Die beiden nehmen regelmässig am Na­
tionalen Wandertag der «Schweizer Fa­
milie» teil. «Jetzt wollen wir uns auch den
Schneetag anschauen», sagte Brigitte
Hirschi, während sie eine Gruppe Skifah­
rer beobachtet, die in Stemmbögen den
Slalomparcours absolviert.
Es sind die Teilnehmer des «Ski­
performance»-Workshops, geleitet von
Riesenslalom-Schweizer-Meisterin Aita
Camastral und Michael von Grünigen.
«Man kann praktisch allen Kursteil­
nehmern etwas mit auf den Weg geben,
auch geübten Sportlern», sagt der ehe­
malige Skirennfahrer. Wichtig sei jedoch,
«die Leute auf ihrem persönlichen Ni­
veau» abzuholen.
Bei der Bergstation Prodalp leuchten
die Augen der Teilnehmer. So auch jene ➳
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Freestyler
Jérôme
Hunger.
Die Mini-Pistenbullys fernzusteuern,
ist vor allem bei
den Knaben beliebt.
Workshop-Leiter
Christian Aschwanden (r.) führt vor,
wie mit Lawinensuchgeräten und
Sondierstangen
umgegangen wird.
von Michel Hirt, 12, aus Würenlingen AG.
«Ich finde den Workshop megacool»,
schwärmt er, «ich habe gelernt, wie man
auf den Skiern im Tiefschnee zurecht­
kommt.» Michel steht seit seinem fünften
Lebensjahr auf den Brettern, und da seine
Grosseltern hier oben ein Ferienhaus be­
sitzen, kennt er die Gegend gut. Am
Schneetag ist er mit seinem Vater Rolf, 55,
unterwegs, der seit 50 Jahren regelmässig
auf den Flumserberg kommt. «Ich komme
gerne hierher. Das Skigebiet eignet sich
bestens für Familien, weil es abwechs­
lungsreich und übersichtlich ist», sagt er.
«Und jetzt sind die Pisten irrsinnig, die
Tannen weiss. Und es schneit. Endlich ha­
ben wir Winter. Ich liebe dieses Wetter.»
Obwohl er ein erfahrener Skifahrer ist,
sind auch für ihn die 90 Minuten bei von
Grünigen und Camastral lehrreich. Sie
zeigen ihm etwa, wie man um die Tore
fährt, ohne dabei viel Schwung zu verlie­
Der 1. Nationale Schneetag der «Schweizer Familie» wird unterstützt von:
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ren. «Ich bin begeistert von dem Kurs»,
schwärmt er. Von Grünigens Ziel, die
Freude am Schneesport zu vermitteln,
dürfte damit erreicht sein.
Gegen drei Uhr nachmittags schneit es
noch immer. Die letzten Sportbegeister­
ten verlassen das Skigebiet und gondeln
zufrieden ins Tal. Derweil fahren die gros­
sen Pistenbullys ihre Runden – und ver­
wischen die letzten Spuren des ersten
­Nationalen Schneetags.
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