Armin Nassehi
Institut für Soziologie
Vorlesung
Soziologische Theorie
SoSe 2015
Mo 1015-1145 Uhr, AudiMax
1. Juni 2015
Theodor W. Adorno/Max Horkheimer:
Gesellschaft als das unwahre Ganze/
Soziologie als kritische Theorie
Prof. Dr. Armin Nassehi
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Armin Nassehi:
Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen
2. Aufl.
Wiesbaden: VS-Verlag 2011.
Hans Joas/Wolfgang Knöbl:
Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen
Aktualisierte Auflage
Frankfurt/M./Berlin: Suhrkamp 2004.
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Gerade erschienen:
Armin Nassehi
Die letzte Stunde der Wahrheit.
Warum rechts und links keine Alternativen mehr sind
und Gesellschaft ganz anders beschrieben werden
muss.
Hamburg: Murmann-Verlag 2015
20,- € (Hörerpreis 11,90 €)
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Programm
13.04.
Die Vorgeschichte: Rousseau, Hobbes, Hegel und Marx
Die Erfindung der bürgerlichen Gesellschaft und ihre Kritik
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke, Band 7, Frankfurt/M. 1970, §§ 182-188,
S. 339-346; Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: Marx-Engels-Werke, Band 1,
Berlin (DDR) 1969, S. 378-391.
20.04.
Emile Durkheim:
Gesellschaft als integrierte Einheit/Soziologie als Moralwissenschaft
Emile Durkheim: Über die Teilung der sozialen Arbeit, Frankfurt/M. 1977, S. 152-173 und 437-450. Emile Durkheim:
Regeln der soziologischen Methode, Neuwied 1961, S. 115-128.
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27.04.
Max Weber:
Soziologie ohne Gesellschaft
Max Weber: Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: ders.: Schriften 1894-1922, ausgew. v. Dirk Käsler,
Stuttgart 2002, S. 275-313.
04.05.
George Herbert Mead:
Gesellschaft als universe of discourse/Soziologie als Verhaltenswissenschaft
George Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft. Hrsg. von Charles W. Morris. Frankfurt/M. 1992, S. 194-221 und
230-265.
11.05.
Talcott Parsons:
Gesellschaft als politische Einheit/Soziologie als Theorie sozialer Systeme
Talcott Parsons: Das System moderner Gesellschaften, München 1972, S. 12-42.
18.05.
Alfred Schütz/Peter Berger/Thomas Luckmann:
Gesellschaft als Lebenswelt/Soziologie als Phänomenologie und Anthropologie
Alfred Schütz/Thomas Luckmann: Die Lebenswelt des Alltags und die natürliche Einstellung, in: dies.: Strukturen der
Lebenswelt. Band 1, Frankfurt/M. 2003, S. 29-50.
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25.05. - Pfingstmontag
01.06.
Theodor W. Adorno/Max Horkheimer
Gesellschaft als das unwahre Ganze/Soziologie als kritische Theorie
Theodor W. Adorno: Gesellschaft, in: Soziologische Schriften I, Ges. Schriften Bd. 8, Frankfurt/M. 1997, S. 9-19.
08.06.
Gary S. Becker/James Coleman
Gesellschaft als Situation/Soziologie als Theorie rationaler Wahl
Gary S. Becker: The Economic Way of Looking at Life, Nobel Lecture, Oslo 1992.
15.06.
Jürgen Habermas:
Gesellschaft als System und Lebenswelt/Soziologie als Aufklärungsprojekt
Jürgen Habermas: Der normative Gehalt der Moderne, in: ders.: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf
Vorlesungen, Frankfurt/M. 1985, S. 390-425.
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22.06.
Niklas Luhmann:
Gesellschaft ohne Zentrum und Spitze/Soziologie als Aufklärung
Niklas Luhmann: Das Moderne der modernen Gesellschaft, in: ders.: Beobachtungen der Moderne, Opladen 1992, S.
11-49.
29.06.
Pierre Bourdieu:
Gesellschaft als Distinktionsraum/Soziologie als (Selbst-)Aufklärung
Pierre Bourdieu: Leçon sur la leçon, in: ders.: Sozialer Raum und ‘Klassen’. Leçon sur la leçon. Zwei Vorlesungen,
Frankfurt/M. 1985, S. 49-81.
06.07.
Bruno Latour:
Gesellschaft posthumaner Kollektive/Soziologie als Theorie hybrider Akteure
Bruno Latour: Kleine Soziologie alltäglicher Gegenstände, in: ders.: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers
der Wissenschaften, Berlin, S. 15-84.
13.07.
Klausur
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Weitere Informationen:
Die Texte werden in den Tutorien bearbeitet und sollen von allen sonstigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der
Vorlesung mitgelesen werden.
Die Anmeldeformalitäten für die Klausur werden im Laufe der Vorlesung erläutert.
Sonntags ab spätestens 23.00 Uhr (meist früher) lassen sich die Folien des darauf folgenden Montags von der Homepage
des Lehrstuhls herunterladen (www.nassehi.de).
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Theodor W. Adorno (1903-1969)
Max Horkheimer (1895-1973)
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„Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes,
FfM 1970.
S. 24f.: „Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das
durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem
Absoluten zu sagen, dass es wesentlich Resultat, dass es erst am
Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine
Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein.“
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Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem
beschädigten Leben, FfM 1951.
S. 57: „Das Ganze ist das Unwahre.“
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Max Horkheimer: Traditionelle und kritische Theorie. Vier
Aufsätze (Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1970)
S. 12: Die Frage, was Theorie sei, scheint nach dem heutigen Stand
der Wissenschaft keine großen Schwierigkeiten zu bieten. Theorie
gilt in der gebräuchlichen Forschung als ein Inbegriff von Sätzen
über ein Sachgebiet, die so miteinander verbunden sind, dass aus
einigen von ihnen die übrigen abgeleitet werden können. Je geringer die Zahl der höchsten Prinzipien im Verhältnis zu den Konsequenzen, desto vollkommener ist die Theorie. Ihre reale Gültigkeit
besteht darin, dass die abgeleiteten Sätze mit tatsächlichen Ereignissen zusammenstimmen. Zeigen sich dagegen Widersprüche zwischen Erfahrung und Theorie, so wird man diese oder jene revidieren müssen.
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S. 17: Was die Wissenschaftler auf den verschiedensten Gebieten
somit als das Wesen der Theorie ansehen, entspricht in der Tat
ihrer unmittelbaren Aufgabe. Sowohl die Handhabung der physischen Natur wie auch diejenige bestimmter ökonomischer und sozialer Mechanismen erfordert eine Formung des Wissensmaterials,
wie sie in einem Ordnungsgefüge von Hypothesen gegeben ist. Die
technischen Fortschritte des bürgerlichen Zeitalters sind von dieser
Funktion des Wissenschaftsbetriebs nicht abzulösen. Einerseits
werden durch ihn die Tatsachen für das Wissen fruchtbar gemacht,
das unter den gegebenen Verhältnissen verwertbar ist, andererseits
das vorhandene Wissen auf die Tatsachen angewandt. Es besteht
kein Zweifel, dass solche Arbeit ein Moment der fortwährenden
Umwälzung und Entwicklung der materiellen Grundlagen dieser
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Gesellschaft darstellt. Soweit der Begriff der Theorie jedoch verselbständigt wird, als ob er etwa aus dem inneren Wesen der Erkenntnis oder sonst wie unhistorisch zu begründen sei, verwandelt
er sich in eine verdinglichte, ideologische Kategorie.
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S.28: Die Trennung von Individuum und Gesellschaft, kraft deren
der Einzelne die vorgezeichnete Schranken seiner Aktivität als natürlich hinnimmt, ist in der kritischen Theorie relativiert. Sie begreift den vom blinden Zusammenwirken der Einzeltätigkeiten bedingten Rahmen, das heißt die gegebene Arbeitsteilung und die
Klassenunterschiede, als eine Funktion, die, menschlichem Handeln entspringend, möglicherweise auch planmäßiger Entscheidung, vernünftiger Zielsetzung unterstehen kann.
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Der zwiespältige Charakter des gesellschaftlichen Ganzen in seiner
aktuellen Gestalt entwickelt sich bei den Subjekten des kritischen
Verhaltens zum bewussten Widerspruch.
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S.35ff: Das Ziel, das es erreichen will, der vernünftige Zustand,
gründet zwar in der Not der Gegenwart. Mit dieser Not ist jedoch
das Bild ihrer Beseitigung nicht schon gegeben. Die Theorie, die es
entwirft, arbeitet nicht im Dienst einer schon vorhandenen Realität;
sie spricht nur ihr Geheimnis aus. Wie genau sich in jedem Augenblick Verkehrtheiten und Trübungen erweisen lassen, wie sehr sich
jeder Fehler rächen kann, so hat doch die Gesamttendenz des Unternehmens, das intellektuelle Tun selbst, auch wenn es als erfolgversprechend gilt, keine Sanktion des gesunden Menschenverstands, keine Gewohnheit für sich.
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S.56: Allgemeine Kriterien für die kritische Theorie als Ganzes gibt
es nicht; denn sie beruhen immer auf der Wiederholung von Ereignissen und somit auf einer sich selbst reproduzierenden Totalität.
Ebensowenig existiert eine gesellschaftliche Klasse, an deren Zustimmung man sich halten könnte. Das Bewusstsein jeder Schicht
vermag unter den gegenwärtigen Verhältnissen ideologisch beengt
und korrumpiert zu werden, wie sehr sie ihre Lage nach auch zur
Wahrheit bestimmt sei. Die kritische Theorie hat bei aller Einsichtigkeit der einzelnen Schritte und der Übereinstimmung ihrer Elemente mit den fortgeschrittensten traditionellen Theorien keine
spezifische Instanz für sich als das mit ihr selbst verknüpfte Interesse an der Aufhebung des gesellschaftlichen Unrechts. Diese negative Formulierung ist, auf einen abstrakten Ausdruck gebracht, der
materialistische Inhalt des idealistischen Begriffs der Vernunft.
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Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der
Aufklärung (Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 1971)
S.1: Was wir uns vorgesetzt hatten, war tatsächlich nicht weniger als
die Erkenntnis, warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft
menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei
versinkt.
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S.7: Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden
Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen
und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde
strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.
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S. 12: Vor den Göttern besteht nur, wer sich ohne Rest unterwirft.
Das Erwachen des Subjekts wird erkauft durch die Anerkennung der
Macht als des Prinzips aller Beziehungen. Gegenüber der Einheit
solcher Vernunft sinkt die Scheidung von Gott und Mensch zu jener
Irrelevanz herab, auf welche unbeirrbar Vernunft gerade seit der ältesten Homerkritik schon hinwies. Als Gebieter über Natur gleichen
sich der schaffende Gott und der ordnende Geist. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen besteht in der Souveränität übers Dasein, im
Blick des Herrn, im Kommando. (...) Die Menschen bezahlen die
Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie
die Macht ausüben. Die Aufklärung verhält sich zu den Dingen wie
der Diktator zu den Menschen. Er kennt sie, insofern er sie manipulieren kann. Der Mann der Wissenschaft kennt die Dinge, insofern er
sie machen kann.
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S.14: Wie die Mythen schon Aufklärung vollziehen, so verstrickt
Aufklärung mit jedem ihrer Schritte tiefer sich in Mythologie. Allen
Stoff empfängt sie von den Mythen, um sie zu zerstören, und als
Richtende gerät sie in den mythischen Bann. Sie will dem Prozess
von Schicksal und Vergeltung sich entziehen, indem sie an ihm selbst
Vergeltung übt. In den Mythen muss alles Geschehene Buße dafür
tun, dass es geschah. Dabei bleibt es in der Aufklärung: die Tatsache
wird nichtig, kaum dass sie geschah. Die Lehre der Gleichheit von
Aktion und Reaktion behauptete die Macht der Wiederholung übers
Dasein, lange nachdem die Menschen der Illusion sich entäußert
hatten, durch Wiederholung mit dem wiederholten Dasein sich zu
identifizieren und so seiner Macht sich zu entziehen. Je weiter aber
die magische Illusion entschwindet, um so unerbittlicher hält Wiederholung unter dem Titel Gesetzlichkeit den Menschen in jenem KreisProf. Dr. Armin Nassehi
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lauf fest, durch dessen Vergegenständlichung im Naturgesetz er sich
als freies Subjekt gesichert wähnt. Das Prinzip der Immanenz, der Erklärung jeden Geschehens als Wiederholung, das die Aufklärung wider die mystische Einbildungskraft vertritt, ist das des Mythos selber.
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S.18: Aufklärung ist die radikal gewordene, mythische Angst. Die
reine Immanenz des Positivismus, ihr letztes Produkt, ist nichts anderes als ein gleichsam universales Tabu. Es darf überhaupt nichts
mehr draußen sein, weil die bloße Vorstellung des Draußens die
eigentliche Quelle der Angst ist.
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S. 40: „Mit der Preisgabe des Denkens, das in seiner verdinglichten
Gestalt als Mathe-matik, Maschine, Organisation an den seiner
vergessenden Menschen sich rächt, hat Aufklärung ihrer eigenen
Verwirklichung entsagt. Indem sie alles Einzelne in Zucht nahm, ließ
sie dem unbegriffenen Ganzen die Freiheit, als Herrschaft über die
Dinge auf Sein und Bewußtsein der Menschen zurückzuschlagen. ...
Schuld ist ein gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang.“
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Theodor W. Adorno: Negative Dialektik, FfM 1966.
150f.: Der Totalität ist zu opponieren, indem sie die Nichtidentität mit
sich selbst überführt wird, die sie dem eigenen Begriff nach verleugnet. Dadurch ist die negative Dialektik, als an ihrem Ausgang, gebunden an die obersten Kategorien von Identitätsphilosophie. Insofern
bleibt auch sie falsch, identitätslogisch, selber das, wogegen sie
gedacht wird. (...) Identität ist die Urform von Ideologie.
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Theodor W. Adorno: Soziologische Schriften I, Gesammelte
Schriften, Band 8 (Frankfurt/M:: Suhrkamp Verlag 1997)
S. 10: Das Ganze erhält sich nur vermöge der Einheit der von seinen
Mitgliedern erfüllten Funktionen. Generell muß jeder Einzelne, um
sein Leben zu fristen, eine Funktion auf sich nehmen und wird gelehrt, zu danken, solange er eine hat. ... Positivistische Strömungen
der Soziologie möchten ihn [den Begriff der Gesellschaft] ... als philosophisches Relikt aus der Wissenschaft verbannen. Derlei Realismus ist unrealistisch. Denn während Gesellschaft weder aus Einzeltatsachen sich abstrahieren noch ihrerseits wie ein Faktum dingfest
machen lässt, gibt es kein soziales Faktum, das nicht durch Gesellschaft determiniert wäre. In den faktischen sozialen Situationen erscheint die Gesellschaft.
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S.11: So wenig die gesellschaftliche Vermittlung ohne das Vermittelte, ohne die Elemente: Einzelmenschen, Einzelinstitutionen, Einzelsituationen existiert, so wenig existieren diese ohne die Vermittlung.
Wo die Details, wegen ihrer tangiblen Unmittelbarkeit, als das Allerrealste genommen werden, verblenden sie zugleich.
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S. 83: Zeitgemäß sind jene Typen, die weder ein Ich haben noch eigentlich unbewusst handeln, sondern reflexartig den objektiven Zug
widerspiegeln. Gemeinsam üben sie ein sinnloses Ritual, folgen dem
zwangshaften Rhythmus der Wiederholung, verarmen affektiv: mit
der Zerstörung des Ichs steigen der Narzissmus oder dessen kollektivistische Derivate. Der Differenzierung gebietet die Brutalität des Außen, die gleichmachende totale Gesellschaft, Einhalt, und sie nutzt
den primitiven Kern des Unbewussten aus.
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TWA: Minima Moralia, a.a.O.
S. 57: Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn
sie Ich sagen.
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TWA: Soziologische Schriften I, a.a.O.
S.361: In Kategorien der kritisch-dialektischen Theorie möchte ich als
erste und notwendig abstrakte Antwort vorschlagen, dass die gegenwärtige Gesellschaft durchaus Industriegesellschaft ist nach dem
Stand ihrer Produktivkräfte. Industrielle Arbeit ist überall und über
alle Grenzen der politischen Systeme hinaus zum Muster der Gesellschaft geworden. Zur Totalität entwickelt sie sich dadurch, dass Verfahrungsweisen, die den industriellen sich anähneln, ökonomisch
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zwangsläufig sich auch auf Bereiche der materiellen Produktion, auf
Verwaltung, auf die Distributionssphäre und die, welche sich Kultur
nennt, ausdehnen. Demgegenüber ist die Gesellschaft Kapitalismus in
ihren Produktionsverhältnissen. Stets noch sind die Menschen, was
sie nach der Marxischen Analyse um die Mitte des 19. Jahrhunderts
waren: Anhängsel an die Maschinerie, nicht mehr bloß buchstäblich
die Arbeiter, welche nach der Beschaffenheit der Maschinen sich
einzurichten haben, die sie bedienen, sondern weit darüber hinaus
methaphorisch, bis in ihre intimsten Regungen hinein genötigt, dem
Gesellschaftsmechanismus als Rollenträger sich einzuordnen und
ohne Reservat nach ihm sich zu modeln. Produziert wird heute wie
ehedem um des Profits willen.
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S. 369: Kein gesellschaftliches Gesamtsubjekt existiert. Der Schein
wäre auf die Formel zu bringen, dass alles gesellschaftlich Daseiende
heute so vollständig in sich vermittelt ist, dass eben das Moment der
Vermittlung durch seine Totalität verstellt wird. Kein Standort außerhalb des Getriebes lässt sich mehr beziehen, von dem aus der Spuk
mit Namen zu nennen wäre; nur an seiner eigenen Unstimmigkeit ist
der Hebel anzusetzen.
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S. 370: So undurchdringlich der Bann, er ist nur Bann. Soll Soziologie, anstatt bloß Agenturen und Interessen willkommene Informationen zu liefern, etwas von dem erfüllen, um dessentwillen sie einmal
konzipiert wart, so ist es an ihr, mit Mitteln, die nicht selber dem universalen Fetischcharakter erliegen, das ihre, sei´s noch so Bescheidene, beizutragen, dass der Bann sich löse.
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TWA u.a.: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie
(Berlin: Luchterhand 1972)
S.14: Zumindest in einem sehr erheblichen Sektor ihrer Tätigkeit
geht sie von Meinungen, Verhaltensweisen, von Selbstverständnis der
einzelnen Subjekte und der Gesellschaft aus anstatt von dieser. Gesellschaft ist einer solchen Konzeption weithin das statistisch zu ermittelnde, durchschnittliche Bewusstsein oder Unbewusstsein vergesellschafteter und gesellschaftlich handelnder Subjekte, nicht das Medium, in dem sie sich bewegen. Die Objektivität der Struktur, für die
Positivisten ein mythologisches Relikt, ist der dialektischen Theorie
zufolge, das Apriori der erkennenden subjektiven Vernunft. Würde
sie dessen inne, so hätte sie die Struktur in ihrer eigenen Gesetzlichkeit zu bestimmen, nicht von sich aus nach den Verfahrensregeln begrifflicher Ordnung aufzubereiten.
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S.81: Die Theorie der Gesellschaft ist aus der Philosophie entsprungen, während sie zugleich deren Fragestellungen umzufunktionieren
trachtet, indem sie die Gesellschaft als jenes Substrat bestimmt, das
der traditionellen Philosophie ewige Wesenheiten hieß oder Geist.
Wie die Philosophie dem Trug der Erscheinungen misstraute und auf
Deutung aus war, so misstraut die Theorie desto gründlicher der Fassade der Gesellschaft, je glatter diese sich darbietet. Theorie will benennen, was insgeheim das Getriebe zusammenhält. Die Sehnsucht
des Gedankens, dem einmal die Sinnlosigkeit dessen, was bloß ist,
unerträglich war, hat sich säkularisiert in dem Drang zur Entzauberung. Sie möchte den Stein aufheben, unter dem das Unwesen brütet;
in seiner Erkenntnis allein ist ihr der Sinn bewahrt. Gegen solchen
Drang sträubt sich die soziologische Tatsachenforschung.
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